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SCHLUßFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

Im Dokument Nachhaltige Landwirtschaft (Seite 69-74)

Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist zu einer zentralen politischen Forderung geworden. Im Rahmen einer globalen nachhaltigen Entwicklung sollen gleichzeitig ökonomische, ökologi-sche sowie soziale Ziele berücksichtigt werden. Insofern sind von dem neuen Leitbild alle gesellschaftliche Bereiche in allen Ländern und Regionen der Welt betroffen. Wie kaum ein anderer Sektor muß auch die Landwirtschaft nach den Kriterien der Nachhaltigkeit ausge-richtet werden. Produktionsmenge und Ernährungssicherung, Nahrungsqualität und Um-welteinfluß liegen im ureigensten Interesse der Landwirtschaft und der landwirtschaftlichen Forschung. Durch die intensive Diskussion über die Nachhaltigkeit werden somit keine grundsätzlich neuen Forschungs- oder Politikbereiche eröffnet. Das Konzept der Nachhaltig-keit ist vielmehr als Formalisierung der o.g. Zusammenhänge zwischen Ökonomie, Ökologie und den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu sehen.

In der bisherigen Diskussion über eine nachhaltige Landwirtschaft können mehrere Phasen unterschieden werden. Eine erste Auseinandersetzung mit den Zielen der Nachhaltigkeit im landwirtschaftlichen Sektor erfolgte auf der Grundlage des Brundtland-Berichtes und der Agenda 21. Schwerpunkt war hierbei die Suche nach einer Definition der Nachhaltigkeit aus landwirtschaftlicher Perspektive, die die verschiedenen Gesichtspunkte ausreichend berück-sichtigt. Inzwischen wird die Diskussion auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene ganz wesentlich von der Suche nach einem geeigneten Indikatorensystem bestimmt. Ziel ist es, die Nachhaltigkeit zu quantifizieren, um anschließend nachhaltige Produktionssysteme auch konkret in der landwirtschaftlichen Praxis umzusetzen. Ob dieser Schritt letztendlich erfolgreich sein wird, läßt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht vorhersagen. Die bisherigen Ansätze weisen eine hohe Komplexität auf und es ist fraglich, ob es gelingen wird, die unterschiedlichen Bereiche mit vertretbarem Aufwand und einer hinreichenden Genauig-keit zu integrieren. Bei aller Skepsis gegenüber dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung, müssen aber auch Kritiker eingestehen, daß durch die intensive Diskussion der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Zielen eine neue Dimension in der politi-schen Diskussion erreicht wurde. Diese neue Dimension hat im Rahmen der Agenda 21 und den verschiedenen Nachfolgekonferenzen der Tagung von Rio 1992 auch auf lokaler und kommunaler Ebene zu einer Vielzahl von Aktivitäten geführt. Teilweise sind die Überlegun-gen und Konzepte schon sehr weit ausgereift, wie bei der Konzeption landwirtschaftlichen Forschung, teilweise gibt es zwischen Anspruch und Wirklichkeit aber noch beträchtliche

Differenzen. Handlungsbedarf besteht im wesentlichen in der Entwicklung und konkreten Umsetzung nachhaltiger Produktionssysteme, da dieser Bereich eng an die Etablierung eines Indikatorsystems gebunden ist. In Zukunft müssen gerade hier Akzente gesetzt werden, um die Entwicklung zu beschleunigen und nachprüfbare Kriterien unabhängig von Einzelinteres-sen zu erreichen.

Am einfachsten sind die Prinzipien der Nachhaltigkeit sicherlich in Ausbildung, Lehre und Forschung zu realisieren. Die Orientierung an Teamfähigkeit und dem projektorientierten Arbeiten in einem interdisziplinären Kontext sollte in den relevanten Studiengängen stärker berücksichtigt werden. Dies ist eine notwendige Voraussetzung, damit anschließend die fä-cherübergreifende Zusammenarbeit auch in der Forschung einen höheren Stellenwert erhalten kann. Nur durch die intensive Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen einerseits mit den betroffenen Gruppen in der Landwirtschaft und dem Naturschutz andererseits können unterschiedliche Sichtweise entsprechend integriert werden. Auf der Basis von klassischen, mehrfaktoriellen Versuchsansätzen müssen gesicherte Erkenntnisse erarbeitet werden, die wiederum den Ausgangspunkt für die Entwicklung mathematischer Modelle im Bereich Landwirtschaft - Umwelt bilden. Damit dem dynamischen Charakter der Fragestellungen besser Rechnung getragen wird, sollten diese Modelle anschließend in Systemversuchen auf unterschiedlichen Standorten überprüft werden. Es sind hierbei noch beträchtliche An-strengungen nötig, bis sich die komplexen Zusammenhänge zwischen Produktionsleistung von Anbausystemen und deren positiven wie negativen externen Effekten mit hinreichender Genauigkeit auch modellhaft abbilden lassen. Kurzfristige Forschungsvorhaben sind für solche Fragestellungen nicht geeignet. Notwendig ist im Gegenteil die langfristige Ab-sicherung von entsprechenden Arbeitsgruppen, die selbstverständlich den Anforderungen im Hinblick auf Interdisziplinarität und Flächenbezug genügen müssen. Parallel zu der Etablierung und Koordinierung von entsprechenden Forschungsprojekten müßte auch die landwirtschaftliche Beratung in die Entwicklung nachhaltiger Systeme einbezogen werden, um einen ausreichenden Praxisbezug der Projekte zu gewährleisten. Gleichzeitig kann über Pilotbetriebe eine schnelle Umsetzung von Forschungsergebnissen erfolgen. Bei der aktuellen Diskussion über die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft gibt es aber auch Sachverhalte, die in der Forschung bislang kaum berücksichtigt wurden. Ein wichtiger Aspekt ist die Nachhal-tigkeit in der Tierproduktion. Im Vergleich zu der Vielzahl von Publikation aus dem Grenz-bereich von pflanzlicher Produktion und Umweltrelevanz wurde das Konzept der

Nach-einige wenige Ansätze, die sich mit dem Tierbesatz und der Problematik der organischen Düngung auseinandersetzen. Inwieweit Tierhaltung und Tierzucht Beiträge zu einer nach-haltigen Entwicklung in der Landwirtschaft liefern können und ob gegebenenfalls hierfür ver-änderte Forschungsstrategien notwendig sind, muß in Zukunft noch wesentlich intensiver untersucht werden. Trotz dieser grundsätzlich optimistischen Einschätzung darf nicht außer Acht gelassen werden, daß es auch in den Bereichen von Forschung, Lehre und Beratung er-hebliche Widerstände gegen eine Veränderung des gegenwärtigen Zustandes gibt. Diese Wi-derstände reichen von der geringen Flexibilität vorhandener Ausbildungs- und Prüfungs-ordnungen über die bevorzugte Forschungsfinanzierung kurzfristiger Einzelprojekte bis hin zu institutionaliserten Beratungsstrukturen bei Kammern und Landwirtschaftsämtern. In allen Bereichen bedeuten Veränderungen immer auch den Verlust von Privilegien, so daß ein Übergang immer mit Konflikten verbunden sein wird.

Zentral für die Entwicklung und Operationalisierung einer nachhaltigen Landwirtschaft ist in den nächsten Jahren die Etablierung eines geeigneten Indikatorsystems. Die Kriterien für die Indikatorentwicklung sind dabei recht einfach zu definieren. Gefordert ist eine ausreichende Datenqualität in großer zeitlicher und räumlicher Differenzierung, methodische Sicherheit sowie eine hohe Politikrelevanz. Konkret stößt die Ausarbeitung der Indikatoren allerdings auf erhebliche Probleme, da oft nur ein indirekter Bezug zwischen beobachtetem Merkmal und vermeintlicher Ursache auszumachen ist. Anschließend wird die Gewichtung und Aggregierung der verschiedenen Einzelindikatoren über die konkrete Ausgestaltung nach-haltiger Produktionssysteme in der Landwirtschaft entscheiden. Unter Berücksichtigung ge-eigneter Indikatoren ist Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft als neues Leitbild zu verstehen.

Eine nachhaltige Landwirtschaft ist danach die Kombination aller verfügbaren pro-duktionstechnischen Möglichkeiten inklusive der konsequenten Nutzung des biologisch-technischen Fortschritts, um die einzelnen Teilziele zu erreichen. Inwieweit die verschiedenen Maßnahmen jeweils in einem konkreten Einzelfall tatsächlich umgesetzt werden, hängt dabei von den spezifischen ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen ab. Einfache globale Lösungen kann es nicht geben. Weder der ökologisch noch der Integrierte Landbau können einfach mit nachhaltiger Landwirtschaft gleichgesetzt werden. Im Unterschied zum ökologischen Landbau, der nicht zuletzt auch aus den Zwängen einheitlicher Ver-marktungsstrategien und selbstauferlegter weltanschaulicher Begrenzungen nur sehr ein-geschränkte Entwicklungsmöglichkeiten bietet, kann im Integrierten Landbau jedoch die Aus-richtung auf das Leitbild der Nachhaltigkeit eingeleitet werden. Hierbei müssen neben den

ethischen und globalen Gesichtspunkten der Nachhaltigkeitsdefinition auch die Seite des nachhaltigen Konsums stärker berücksichtigt werden. Der Integrierte Landbau kann damit als Teilkomponente einer nachhaltigen Bewirtschaftung angesehen werden, der für die Zukunft das größte Potential aufweist, einen wichtigen Baustein einer insgesamt nachhaltigen Land-wirtschaft zu bilden. Diese Schlußfolgerung darf allerdings keineswegs mit einem bloßen

"weiter so" verwechselt werden, sondern ist nur der Anfangspunkt einer intensiven Aus-einandersetzung mit den Teilzielen der Nachhaltigkeit anhand der Indikatoren. Der Maßstab ist hierbei nicht, inwieweit mit einer spezifischen Kombinationen ein bestimmtes Ziel oder eine Zielkombination realisiert werden kann, sondern ob diese Zielkombination auch be-sonders effizient, d. h. kostengünstig erreicht wird. Eine derartige Flexibilität läßt von den vorhandenen Leitbildern in der landwirtschaftlichen Produktionstechnik wiederum allein der Integrierte Landbau zu. Im ökologischen Landbau begrenzen die Anbaurichtlinien die Frage nach einer möglichst effizienten Erreichung der Ziele.

Konkret sind als nachhaltige Anbausysteme sehr unterschiedliche Formen der Be-wirtschaftung denkbar. Soll der Ressourcenschutz im Mittelpunkt stehen und sind aus-reichender Acker- und Weideland verfügbar, wären sicherlich extensive Anbausystem vor-teilhaft. Intensive Produktionsformen, bei denen unter Einsatz von Düngung und Pflan-zenschutz hohe Erträge je Flächeneinheit erzeugt werden, erlangen besondere Bedeutung, wenn dadurch gezielt knappe Wasser- oder Bodenressourcen effizient genutzt werden sollen.

Gleichzeitig können durch eine intensive Nutzung auf einigen Teilflächen naturnahe Öko-systeme vollständig aus der Produktion genommen werden, oder es kann sogar auf eine Aus-weitung von Anbauflächen auf Kosten von natürlichen Ökosystemen verzichtet werden. Ein derartiger Ansatz für eine nachhaltige Entwicklung in der Landwirtschaft wird in manchen Regionen zu einer Intensivierung und in anderen zu einer Extensivierung der Produktion füh-ren. Diese unterschiedlichen Entwicklungen müssen auch in kleinräumigen Strukturen kom-biniert werden. Wiederum sind die verschiedenen Indikatoren und die Gewichtung der ein-zelnen Teilziele der entscheidende Maßstab. Im Unterschied zu allen bisherigen Ansätzen in vorhandenen Bewertungssystemen sollten allerdings die regions- oder besser schlagspezifisch Gegebenheiten besser berücksichtigt werden. Durch der Möglichkeiten der Satelliten-navigation (GPS), geograpischer Informationssysteme (GIS) und der entsprechenden Daten-verarbeitung können seit kurzem auch in kleinräumigen Arealen Anbausysteme im Hinblick auf bestimmte Zielvorstellungen optimiert werden. Diese Information über Teilflächen oder zumindest einzelne Schlagbereiche sollten daher auch in der Umsetzung und

heiten, Betriebsorganisation sowie unter Berücksichtigung der Teilaspekte der Nachhaltigkeit sind die entsprechenden Ge- und Verbote bzw. Förderrichtlinen zu konzipieren. Nur auf die-sem Weg läßt sich das komplexe Leitbild der Nachhaltigkeit flächendeckend und gleicher-maßen kostengünstig erreichen. Durchschnittliche Lösungen, basierend auf dem Vergleich bereits vorhandener Leitbildern, sind dagegen wenig überzeugend und werden den Ansprü-chen der Agenda 21 nicht gerecht.

Aufgrund der erheblichen Bedeutung bei der Zusammenfassung und Gewichtung der Indi-katoren ist es zwingend notwendig, die Bewertung und Aggregierung der IndiIndi-katoren so offen und transparent wie möglich zu gestaltet. Besonders die Abwägung zwischen unter-schiedlichen Teilzielen ist ein schwieriger Prozeß. Letztendlich ist diese Bewertung eine ethisch-politische Fragestellung, die sich den Methoden der naturwissenschaftlichen For-schung entzieht. Um so wichtiger ist es daher, die Beweggründe für Entscheidungen offen-zulegen und mit allen beteiligten Gruppen zu diskutieren. Bei aller, zum Teil auch be-rechtigten Kritik am Ideal einer nachhaltigen Entwicklung ist die bewußte Partitizipation ein wichtiger neuer Schritt bei der Bewältigung von Problemen im Bereich Umwelt und Ent-wicklung. Forschung und Politik müssen diesen Prozeß einleiten und der Gesellschaft die notwendigen Instrumente zur rationalen Bewältigung der Zukunftsfragen in die Hand geben.

Hierbei es kaum zu vermeiden, daß nicht alle Gruppeninteressen bei einer abschließenden Bewertung gleichermaßen berücksichtigt werden können. Im Gegenteil, Nachhaltigkeit als Prozeß bedeutet auch Kompromißfähigkeit. Eine offene und ehrliche Diskussion wird dabei das Verständnis zwischen den verschiedenen Gruppen fördern und im Sinne der Agenda 21 zu einem Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Interessen zum Wohle der jetzt lebenden und auch der zukünftigen Generationen führen können.

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