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DEFINITION DER NACHHALTIGEN LANDWIRTSCHAFT

Im Dokument Nachhaltige Landwirtschaft (Seite 21-25)

In der wissenschaftlichen Literatur gibt es eine unübersehbare Fülle von Definitionen der nachhaltigen Landwirtschaft. Kaum ein Autor oder eine Autorin, die sich zu dieser Problema-tik äußern, kann der Versuchung widerstehen, der ohnehin schon langen Liste eine vermeint-lich neue und besser Variante hinzuzufügen. Vergleicht man eine große Zahl von bereits vor-handenen Definitionen lassen sich sechs wichtige Teilaspekte der Nachhaltigkeit im landwirt-schaftlichen Bereich identifizieren (CHRISTEN 1996, 1998):

1. Ethische Komponente (Intergenerationelle Gerechtigkeit)

2. Ressourcenschonung (Schutz von Boden, Wasser und Luft, Erhalt der Produktionsgrund-lage)

3. Erhalt der biologischen Vielfalt (Vermeidung der Beeinträchtigung natürlicher oder natur-naher Ökosysteme durch landwirtschaftliche Produktion)

4. Sicherstellung der ökonomischen Existenzfähigkeit landwirtschaftlicher Betriebe

5. Gesamtgesellschaftliche Verantwortung der Landwirtschaft für Nahrungsversorgung und Nahrungsqualität

6. Globale Komponente einer nachhaltigen Entwicklung

Unter dem übergeordneten Einfluß der globalen, ethischen Verantwortungen steht hierbei in Anlehnung an HERDT und LYNAM (1995) die Frage im Mittelpunkt, ob die Produktivitäts-steigerung der Landwirtschaft zu langfristigen Veränderungen der Ressourcen führt, die wie-derum die Produktivität vermindern. Bei den sich unterscheidenden Teilbereichen einer nach-haltigen Landwirtschaft werden auch die wesentlichen Ursprungsrichtungen der Nachhaltig-keitsdefinition deutlich. Ausgehend von der Verantwortung für zukünftige Generationen als ethisches Grundmotiv des Handels sind hierbei ökologische, ökonomische und soziale Ge-sichtspunkte der Produktion vereint. Je nach wissenschaftlichem oder weltanschaulichem Schwerpunkt der Autoren werden in den Definitionen die verschiedenen Aspekte allerdings unterschiedlich stark gewichtet. In Anlehnung an BREDEMIER und VORNHOLZ (1997) läßt sich das Konzept der nachhaltigen Entwicklung am besten in folgendem Schaubild verdeutlichen (Abb. 1).

Abb. 1: Konzept der nachhaltigen Entwicklung

Teilweise wird das gesamte Konzept der Nachhaltigkeit von den Autoren auch mehr oder minder auf einen Bereich beschränkt. Eine Restriktion, die im krassen Widerspruch zum Ge-samtkonzept der Nachhaltigkeit steht (HERDT und STEINER 1995, HATZIUS 1996). Bei den umfangreichen Definitionen sind meist die ersten fünf Teilbereiche enthalten. Etwas anders verhält es sich mit dem letzten hier genannten Aspekt, der globalen Komponente der Nach-haltigkeit. Bis auf wenige Ausnahmen wie beispielsweise die Publikation von ALLEN et al.

(1991) bleibt in vielen Definitionen aus dem landwirtschaftlichen Bereich dieser Teilaspekt unberücksichtigt. Dabei war gerade die Berücksichtigung globaler Fragen ein zentraler Be-weggrund für die Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung.

"A sustainable food and agriculture system is one which is enviromentally sound, economically viable, socially responsible, non-exploitive, and which serves as the foundation for future generations. It must be approached through an interdiscipli-nary focus which addresses the many interrelated parts of the entire food and agri-culture system, at the local, regional, national and international level" (ALLEN at el. 1991).

Die unterschiedlichen Definitionen der Nachhaltigkeit können nicht unabhängig von der räumlichen Dimension betrachtet werden. LOWRANCE et al. (1986) sowie BECKER (1997) wei-sen darauf hin, daß die unterschiedlichen Hierarchieebenen der Gesellschaft deutlich abwei-chende Anforderungen und Kriterien erfordern. LOWRANCE et al. (1986) unterscheiden:

• Feldebene (landwirtschaftliche Nachhaltigkeit)

• Betriebsebene (mikroökonomische Nachhaltigkeit)

• globale Ebene (makroökonomische Nachhaltigkeit)

Nach Ansicht der Autoren ist bedeutsam, daß die Nachhaltigkeit auf den verschiedenen Enen deutlich unterschiedlich definiert werden kann. Zwischen den verschiedeEnen EbeEnen be-stehen dabei zwar Schnittmengen und teilweise Zielkonformität; die Restriktionen können jedoch auf den verschiedenen Ebenen aber beträchtlich voneinander abweichen. Für alle Aus-sagen zur Nachhaltigkeit ist es daher sinnvoll, auch die Bezugsebene eindeutig mit anzugeben (ALTIERIE et al. 1984, KEENEY 1990, SQUIRE und TOW 1991, NEHER 1992, HETSEN 1993, FRANCIS 1994, ROBERTS 1994). Diese hierarchische Differenzierung des Nachhaltigkeitsbe-griffes hat erhebliche politische Implikationen. Je enger der regionale Gültigkeitsbereich der Nachhaltigkeitsforderung gewählt wird, desto schneller gibt es regionale Ent-wicklungsgrenzen. Außerdem muß klargestellt werden, inwieweit eine interregionale Ar-beitsteilung noch zugelassen wird (KLEMMER 1994).

Im Hinblick auf die Landwirtschaft hat die Unterlassung der globalen Komponente be-trächtliche Folgen für die Bewertung von Produktionssystemen. Bei einer eng begrenzten regionalen Betrachtung gerät allzu leicht der Aspekt der Produktionsmenge in den Hinter-grund. Außerdem läßt sich mit der Auswahl einer bestimmten Region - Kreis, Land, Staat oder Staatengemeinschaft - das Ergebnis vorherbestimmen. Folgt man im Gegensatz dazu dem ursprünglichen Konzept der Nachhaltigkeit, so ist einzig die globale Sichtweise der aus-schlaggebende Blickwinkel zur Beurteilung von Einzelmaßnahmen oder Maßnahmengruppen.

Dies schließt allerdings nicht aus, daß aus Gründen der Praktikabilität Untersuchungen zur Nachhaltigkeit in der Regel auf kleinere geographische Strukturen bis hin zu einzelnen Fel-dern oder gar Teilflächen begrenzt werden müssen (HERDT und STEINER 1995).

In jüngster Zeit gibt es einige Definitionsansätze der nachhaltigen Landwirtschaft, die gegen-über früheren Vorschlägen die Prozeßebene betonen. Hierbei sollen die Stoffkreisläufe mög-lichst effizient gestaltet werden, um die Produktivität sowie die Pufferfunktion und Regenera-tionsfähigkeit des Systems aufrechtzuerhalten (HERDT und LYNAM 1992, WERNER 1995). Ne-ben den Definitionen mit Leitbildcharakter gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen, die eher

als Bewirtschaftungsregeln anzusehen sind (LOCKERETZ 1988, EDWARDS 1990, WEIL 1990, IKERD 1991, HOLMES 1993). Hierbei sind schon klare Vorgaben hinsichtlich Düngungsniveau, Fruchtfolgen, Pflanzenschutz usw. vorhanden.

Daß die Vorstellungen über die inhaltliche Ausgestaltung der Nachhaltigkeit auch beträchtlich von Zugehörigkeit zur jeweils betroffenen gesellschaftlichen Gruppe bestimmt wird, haben DUNLAP et al. (1992) in ihren Untersuchungen bestätigen können. So sehen Landwirte eher den Teilbereich der ökonomischen Nachhaltigkeit, während Wissenschaftler in der Regel ökologischen Aspekten eine größere Bedeutung zumessen.

Im Dokument Nachhaltige Landwirtschaft (Seite 21-25)