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Gemeinsame Auswertung der Kainsäure-Gruppen

5. Ergebnisse

5.2 Studie 2: Schwellenversuche im Pilokarpin- und fokalen Kainsäure-Modell

5.3.5 Infusionsversuche im fokalen Kainsäure-Modell (7 Tage-Gruppe)

5.3.5.4 Gemeinsame Auswertung der Kainsäure-Gruppen

Insgesamt entwickelten, unabhängig vom Behandlungszeitpunkt, 8 von 9 PTZ-behandelten Tieren spontane Anfälle im Vergleich zu 3 von 4 Kontrollen. Es ließen sich keine Unterschiede in Bezug auf Anfallsschwere oder Anfallsfrequenz feststellen.

Abb. 38: Wöchentliche Anfallsfrequenz nach PTZ-Behandlung, kombinierte Daten beider Gruppen. Es gibt keinen Unterschied zwischen Kontrollen und behandelten Tieren in der wöchentlichen Anfallsfrequenz. Die Daten sind als Mittelwert mit SEM dargestellt und wurden mittels Student`s t-Test verglichen.

.

Kontrollgruppe PTZ-Gruppe 0

5 10 15 20

n=4 n=9

Ergebnisse der PTZ-Infusion im fokalen Kainsäure-Modell I+II p=0,7673

Anlle/Woche

6.1 Einleitung

Im Rahmen dieser Arbeit sollte der Einsatz des prokonvulsiven GABAA- Rezeptor-Antagonisten PTZ als Strategie zur Epilepsieprävention untersucht werden. Da es bis heute keine Möglichkeit gibt, Risikopatienten präventiv zu behandeln, werden dringend antiepileptogene Behandlungsmöglichkeiten gesucht. Die naheliegendste Strategie wäre eine Behandlung mit antikonvulsiven Mitteln, es konnte jedoch für eine Reihe dieser Stoffe gezeigt werden, dass sie kein antiepileptogenes Potential haben (TEMKIN 2001 und 2009). Der Einsatz von prokonvulsiven Mitteln als neuromodulatorische Strategie der Epilepsieprävention wird aufgrund von neuen Studien immer häufiger diskutiert (ARMSTRONG et al. 2009). Aus diesem Grund sollte auch in dieser Studie ein prokonvulsiver Stoff (PTZ) auf sein antiepileptogenes Potential hin untersucht werden. Um das zu erreichen, wurden drei verschiedene Studien durchgeführt. Da die Untersuchungen vergleichend in zwei Epilepsiemodellen durchgeführt werden sollten, wurde zuerst das fokale Kainsäure-Modell für unser Labor etabliert (Studie 1). Um Veränderungen der neuronalen Erregbarkeit nach Insult zu untersuchen, wurden in der zweiten Studie Veränderungen der individuellen Krampfschwelle nach SE untersucht (Studie 2). Als letztes wurden pharmakokinetische Versuche vorgenommen, und es wurde ein prophylaktischer Behandlungsversuch mit PTZ unternommen (Studie 3). Die Ergebnisse werden im Folgenden einzeln für jede Studie diskutiert.

6.2 Studie 1: Etablierung des fokalen Kainsäure-Modells.

6.2.1 SE-Induktion

In dieser Studie gelang es uns, durch Kainsäure-Mikroinjektion an wachen, freibeweglichen Ratten ein neues Modell für Temporallappenepilepsie für unser Labor zu etablieren.

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Die Kainsäure-Mikroinjektion führte bei allen Tieren zum Eintritt eines SE, was übereinstimmt mit der Arbeit zum fokalen Kainsäure-Modell von RAEDT et al. (2009) und einen Vorteil darstellt gegenüber dem systemischen Pilokarpin-Modell und anderen Modellen (GLIEN et al. 2001, NISSINEN et al. 2000 NISSINEN und PITKÄNEN 2007 FURTADO et al. 2011), in denen nicht bei allen behandelten Tieren ein SE auslösbar ist. Wie bei RAEDT et al. (2009) korrelierte auch bei uns weder die SE-Dauer noch die im EEG quantifizierten EEG-Veränderungen mit dem späteren Auftreten von Anfällen oder der Anfallsfrequenz. Dadurch, dass es nur eine bipolare Ableitelektrode im Hippokampus gab, so dass der Unterschied zwischen fokalen und generalisierten Anfällen nicht bestimmt werden konnte, war die Messung von EEG-Veränderungen auch nur begrenzt möglich. Aus diesem Grund kann man nicht ausschliessen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Schwere des SE und der späteren Anfallsausprägung, vielmehr ist anzunehmen, dass die SE-Schwere nicht ausschließlich am ermittelten EEG-Bild festgemacht werden kann. In einer Arbeit von BRANDT et al. (2003) konnte für das basolaterale Amygdala Stimulations-Modell (elektrisches post SE-Epilepsiemodell) gezeigt werden, dass die Schwere von großer Bedeutung für die spätere Anfallsentwicklung ist. Die SE-Schwere wurde anhand der auftretenden klinischen Anfälle bestimmt. Tiere mit schwerstem SE, bei denen kontinuierlich generalisierte tonisch-klonische Anfälle auftraten, entwickelten fast alle (> 90%) Anfälle. Im Vergleich dazu hatten nur etwa 30% der Tiere mit fokalen Anfällen während des SE auch später epileptische Anfälle.

Da in unserer Arbeit der SE nur im EEG aufgrund einer bipolaren Ableitelektrode im Hippokampus und nicht im Verhalten beurteilt wurde, ist eine Korrelation zwischen ausgewerteten SE-Parametern und späterer Anfallsausprägung nicht zu erwarten.

Ein weiterer Vorteil dieses Modells war die geringe Mortalität nach SE (insgesamt starb in allen Versuchen nur eins von 42 Tieren nach SE) und die Tatsache, dass die Ratten sich sehr schnell vom SE erholten und schon am nächsten Tag normale Futteraufnahme zeigten. Das ist ein Unterschied zum systemischen Pilokarpin-Modell sowohl in der hochdosierten Variante als auch im fraktionierten Pilokarpin-Modell (GLIEN et al. 2001). Wie bei GLIEN et al. (2001) beschrieben, ist das hochdosierte Pilokarpin-Modell durch eine hohe Mortalitätsrate charakterisiert. Diese lässt sich durch die fraktionierte Pilokarpin-Gabe senken. Flüssigkeitssubstitution und Zwangsernährung über mehrere Tage nach SE lassen sich jedoch nicht vermeiden.

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Aus diesem Grund stellt das fokale Kainsäure-Modell eine vorteilhaftere Möglichkeit der SE-Induktion dar, was das Wohlbefinden der Tiere nach SE betrifft. Analog zu den Studien von BRAGIN et al. (1999, 2004 und 2007) und RAEDT et al. (2009) wurde der SE in diesem Modell nicht pharmakologisch abgebrochen. Aufgrund der vorhandenen Literaturdaten wussten wir nicht welche SE-Länge notwendig ist, damit die Tiere später eine chronische Epilepsie entwickeln. Dies war ein Nachteil dieses Modells, da die SE-Länge von Tier zu Tier variierte, und somit der Insult nicht bei allen Tieren von gleicher Dauer war. Aufgrund der ermittelten durchschnittlichen SE-Länge von etwa 11 h könnte man in weiterführenden Untersuchungen versuchen, den SE nach 8 h oder 10 h abzubrechen.

6.2.2 Anfallsausprägung nach SE

Die Ratten wurden in diesem Versuch vier, sechs und acht Wochen nach SE überwacht. In diesem Zeitraum entwickelten 86% der Tiere spontane Anfälle. Bei RAEDT et al. (2009) entwickelten entsprechend 87% der Tiere spontane Anfälle in den ersten acht Wochen nach SE, bei BRAGIN et al. (2004) waren es 73%. Acht Ratten wurden 33 Wochen nach SE erneut überwacht. Alle Tiere entwickelten in diesem Zeitraum Anfälle. Die mittlere wöchentliche Anfallsfrequenz stieg signifikant, was für eine Progression der Krankheit spricht. Die Progression der durch Kainsäure-Mikroinjektion induzierten Epilepsie wurde ebenfalls von Raedt et al. (2009) beschrieben. Im Gegensatz dazu beschrieb CAVALHEIRO et al. (1982), dass Anfälle nur etwa 30 Tage nach der SE-Induktion durch Kainsäure-Mikroinjektion auftreten.

Da in der Studie von CAVALHEIRO et al. (1982) die SE-Induktion an anästhesierten Ratten durchgeführt wurde, kann man annehmen, dass die Anästhesie einen insultmodifiziereden Effekt hatte. Dieser konnte bei einer Mikroinjektion, durchgeführt an wachen Ratten, eliminiert werden.

6.2.3 Verhaltensänderungen

Da psychiatrische Komorbiditäten eine große Rolle bei Patienten mit Temporallappenepilepsie spielen (HERMANN et al. 2008), ist es wichtig, Tiermodelle zu entwickeln, die diese widerspiegeln.

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In der vorliegenden Arbeit wurden Verhaltensversuche in diesem Modell (Kainsäure-Mikroinjektion an wachen Ratten) erstmals durchgeführt. Wir nahmen an, dass die Verhaltensänderungen durch den moderaten Insult weniger schwer sind als in systemischen Modellen. Es ließ sich eine Reihe von Verhaltensauffälligkeiten bei den epileptischen Tieren beobachten.

In dem Hyperexzitabilitätstest nach RICE et al. (1998) zeigten die epileptischen Ratten im fokalen Kainsäure-Modell Anzeichen von Hyperexzitabilität im Touch-Response- und Finger-Snap-Test, nicht aber im Approach-Touch-Response- und Pick-up-Test. Im Gegensatz dazu äußert sich die Hyperexzitabilität im systemischen Pilokarpin-Modell durch Auffälligkeiten im Touch-Response- und Pick-up-Test (RICE et al. 1998). Die Tatsache, dass die Kainsäure-Ratten keine Auffälligkeiten im Pick-up-Test zeigten, stimmt mit Beobachtungen während des Umgangs mit den Tieren überein. Die Tiere waren in den ersten Monaten nach SE einfach zu handhaben und zeigten Artgenossen gegenüber soziales Verhalten. Sie zeigten keine Aggressivität gegenüber den Experimentatoren. Dies änderte sich zwar zunehmend mit der Progression der Krankheit, die epilepsieassoziierte Hyperexzitabilität war jedoch insgesamt nicht so stark ausgeprägt wie es bei Ratten aus dem systemischen Piokarpin-Modell der Fall sein kann (RICE et al. 1998, POLASCHECK et al. 2010).

Somit stellt das fokale Kainsäure-Modell eine Möglichkeit dar, moderate Hyperexzitabilität bei Ratten zu erzeugen.

Die Ratten des fokalen Kainsäure-Modells zeigten tendenziell weniger angstassoziiertes- und mehr Explorationsverhalten im EPM und OF im Vergleich zu Kontrollen. Dies stimmt überein mit der Arbeit von MUNOZ und GROSSMAN 1980, in welcher Ratten nach einseitiger Hippokampus-Läsion durch Kainsäure eine Hyperlokomotion im OF im Vergleich zu Kontrollen zeigten, diese jedoch erst bei beidseitig lädierten Tieren signifikant wurde. Insgesamt treten bei epileptischen Tieren oft stark ausgeprägte Verhaltensabnormalitäten, wie verändertes angstassoziiertes Verhalten und Hyper- oder Hypolokomotion auf (HELFER et al.

1996, DETOUR et al. 2005 BRANDT et al. 2006 SUN et al. 2009 POLASCHECK et al. 2010). In Studien im Amygdala-Kindling-Modell konnte bei Ratten oft Hypolokomotion und vermehrtes angstassoziiertes Verhalten beobachtet werden (ADAMEC 1990, HELFER et al. 1996). In Studien mit systemischer SE-Induktion gibt es kontroverse Ergebnisse.

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In der Arbeit von SUN et al. (2009) zeigten Ratten nach systemischer SE-Induktion mit Kainsäure Hyperlokomotion und gesteigertes angstassoziiertes Verhalten. Im Gegensatz dazu konnte in mehreren Studien zum systemischen Pilokarpin-Modell eine Hyperlokomotion mit vermindertem angstassoziierten Verhalten beobachtet werden (DETOUR et al. 2005, BRANDT et al. 2006, POLASCHECK et al. 2010).

Diese Verhaltensänderungen der epileptischen Ratten sind nicht konform mit der klinischen Situation, da Angststörungen eine häufige epilepsieassoziierte Komorbidität darstellen (HERMANN et al. 2008, KANNER 2011). Sie lassen sich jedoch durch pilokarpin-verursachte großflächige Läsionen des limbischen Systems erklären (von besonderer Bedeutung ist die neuronale Verschaltung zwischen Hippokampus und Amygdala), welches wichtig für Emotionen und emotionales Verhalten ist. Das könnte bei den betroffenen Tieren dazu führen, dass aversive Situationen fehlinterpretiert werden (DETOUR et al. 2005). Im Hinblick auf diese Theorie erscheint es logisch, dass Tiere mit fokalen Läsionen weniger von solchen Verhaltensabnormalitäten betroffen sind als Tiere nach systemischer SE-Induktion mit Pilokarpin.

Im MWM nach MORRIS (1984), in dem räumliche Orientierung und Gedächtnis untersucht werden, lernten die epileptischen Ratten im fokalen Kainsäure-Modell langsamer als die Kontrollen, die Plattformposition zu finden. Das spricht für Störungen der hippokampalen Integrität, welche für räumliche Orientierung und Gedächtnis verantwortlich ist (D'HOOGE und DE DEYN 2001). Auch im Probe trial, in welchem die Beibehaltung und Abfrage des Erlernten getestet wird (BOLDING und RUDY 2006), schnitten die epileptischen Tiere deutlich schlechter ab als Kontrollen.

Dies deutet darauf hin, dass es den Tieren nicht nur schwerer fiel, neue Aufgaben zu erlernen, auch die Abfrage des einmal Erlernten war gestört. Diese Daten stimmen überein mit Untersuchungen im fokalen Kainsäure-Modell bei Mäusen von GRÖTICKE et al. (2008), in denen die epileptischen Mäuse im MWM langsamer lernten im Vergleich zu Kontrollen. Gedächtnisprobleme bei den Ratten sprechen für das Modell, da solche Probleme auch bei humanen Epilepsiepatienten eine große Rolle spielen (HOPPE et al. 2007).

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Eine weitere Erklärung der Schwierigkeiten von epileptischen Ratten im MWM könnte die Tatsache sein, dass die Tiere von der Komplexizität der Aufgabe überfordert waren, da einige Tiere niemals auf der Plattform sitzen blieben und das Auffinden der Plattform nicht als Ausweg aus der unangenehmen Situation begriffen.

Da diese Aufgabe nicht ausschließlich räumliche Orientierung sondern auch Fähigkeit zu konditioniertem Lernverhalten voraussetzt, ist es wahrscheinlich, dass beides für epileptische Tiere ein Problem darstellt. Auch bei epileptischen Patienten werden kognitive Dysfunktionen als häufige Komorbidität beschrieben (JENSEN 2011).

6.2.4 Pharmakologische Untersuchungen

Ein wichtiger Bestandteil der Studie im fokalen Kainsäure-Modell war die Behandlung der epileptischen Ratten mit Phenobarbital. Hier sollte beurteilt werden, wie die Tiere auf eine Behandlung mit einem Standard-Antiepileptikum ansprechen. Da Pharmakoresistenz ein großes Problem in der Behandlung der Temporallappenepilepsie darstellt, sollte ein Rattenmodell idealerweise auch diese Kondition widerspiegeln. Aus diesem Grund wurde eine Behandlung zur Selektion von Phenobarbital-Respondern und Phenobarbital-Nonrespondern vorgenommen.

Die Untersuchung wurde an acht Ratten durchgeführt, die 33 Wochen nach SE für vier Tage behandelt wurden. Der Behandlung ging eine viertägige Kontrollphase voraus. Auf die Behandlung folgte eine viertägige Auswaschphase. Bei allen Tieren konnte eine Phenobarbital-Plasmakonzentration im wirksamen Bereich erzielt werden. Während der Behandlungsphase kam es bei allen Tieren zu einer signifikanten Anfallsreduktion. Vier Tiere wurden anfallsfrei. Alle Tiere sprachen somit gut auf die Behandlung an. Dieses Ergebnis war insofern unerwartet, da die Behandlung zu einem späten Zeitpunkt (33 Wochen) nach SE-Induktion erfolgte, und eine lang unbehandelte Epilepsie klinisch ein Prädiktor für Pharmakoresistenz ist (LÖSCHER und BRANDT 2010 b). In verschiedenen Untersuchungen sowohl unserer (GLIEN et al. 2002, BRANDT et al. 2004, BETHMANN et al. 2007) als auch anderer Arbeitsgruppen (NISSINEN und PITKÄNEN 2007) konnte gezeigt werden, dass epileptische Ratten aus verschiedenen Epilepsiemodellen sich in ihrer individuellen Reaktion auf eine Therapie mit Antiepileptika unterscheiden.

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So reagieren Ratten, die nach einem SE durch elektrische Stimulation der basolateralen Amygdala epileptisch werden im Schnitt zu etwa 30% nicht mit einer mindestens 50%igen Anfallsreduktion auf die Behandlung (BRANDT et al. 2004).

Diese Tiere werden als Nonresponder bezeichnet. Nonresponder sind oft Tiere mit einer hohen Anfallsfrequenz und starken epilepsieassoziierten Verhaltensänderungen (GASTENS et al. 2008, LÖSCHER und BRANDT 2010 b).

Rattenmodelle für Temporallappenepilepsie, in denen Responder und Nonresponder identifiziert werden können, bieten eine Grundlage zur Erforschung von Mechanismen der Pharmakoresistenz bei Epilepsiepatienten. In unserer Studie im fokalen Kainsäure-Modell konnten keine Nonresponder identifiziert werden, selbst Tiere mit einer hohen Anfallsfrequenz sprachen gut auf die Behandlung mit Phenobarbital an. Dieses Ergebnis war umso überraschender, da in einer Studie von RIBAN et al. (2002) im fokalen Kainsäure-Modell bei der Maus gezeigt werden konnte, dass paroxsysmale EEG-Veränderungen durch akute Diazepam-Gabe unterdrückt wurden, nicht jedoch durch Carbamazepin, Phenytoin oder Valproat.

Diazepam verlor seine Wirksamkeit bei chronischer Behandlung über mehrere Tage.

Aus diesem Grund wurde in dieser Studie das fokale Kainsäure-Modell bei der Maus als gutes Modell zur Untersuchung von Pharmakoresistenz beim Menschen beschrieben. Die Untersuchungen wurden drei bis sechs Wochen nach SE durchgeführt, und der Behandlungserfolg wurde ausschließlich anhand des EEG-Bildes beurteilt. In unserer Studie hingegen wurde der Behandlungserfolg anhand der spontanen Anfälle im Verhalten beurteilt, und die Behandlung erfolgte über mehrere Tage, was die Unterschiede zwischen beiden Studien erklären kann.

Natürlich können auch Speziesunterschiede in diesem Fall eine Rolle spielen.

Wahrscheinlich ist jedoch die Dauer der Behandlung maßgeblich für das Ergebnis verantwortlich, da eine Toleranz und die damit verbundene schlechtere Ansprechbarkeit auf die Behandlung erst später im Laufe der Behandlung auftritt, diese in unserer Studie aber auf vier Tage limitiert war. In einer Studie von GLIEN et al. (2002) im Pilokarpin-Modell konnte gezeigt werden, dass während einer zweiwöchigen Behandlungsphase mit dem Antiepileptikum Levetiracetam einige Ratten in der zweiten Behandlungswoche schlechter auf die Behandlung ansprachen, was eine Toleranzentstehung vermuten lässt.

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Zusammenfassend kann man sagen, dass epileptische Tiere aus dem fokalen Kainsäure-Modell gut auf eine Behandlung mit einem Standard-Antiepileptikum ansprechen. Ob während einer längeren Behandlung bei einigen Tieren Toleranz gegenüber Phenobarbital eintreten würde, welche eine Selektion von Respondern und Nonrespondern ermöglichte, müsste in weiterführenden Untersuchungen ermittelt werden. Die Pharmakologie von anderen Antiepileptika in diesem Modell sollte ebenfalls in weiterführenden Studien untersucht werden.

6.2.5 Neurodegeneration

In dieser Studie zeigten sieben von acht Tieren des fokalen Kainsäure-Modells Neurodegeneration im Hippokampus ipsilateral zur Kainsäure-Injektion. Betroffen waren die Regionen CA3a und CA3c, sowie der Hilus des Gyrus Dentatus. In der Körnerzellschicht des Gyrus Dentatus war eine Dispersion der Zellen sichtbar. Die CA1-Region war weniger stark betroffen. Es gab morphologische Auffälligkeiten, die jedoch nicht eindeutig als Neurodegeneration eingestuft werden konnten.

Kontralateral traten nur vereinzelt Auffälligkeiten in der CA1-Region auf. Ein ähnliches Bild zeigte sich in der Studie von GRÖTICKE et al. (2008), in welcher epileptische Mäuse im fokalen Kainsäure-Modell untersucht wurden. Auch hier war der Neuronenverlust ipsilateral am deutlichsten. Mittels spezifischer Färbung von Neuronen konnten aber auch diskrete Veränderungen im Hilus und Gyrus Dentatus kontralateral gefunden werden. In der Arbeit von HANDELMANN und OLTON (1981) konnten Veränderungen auch außerhalb des Hippokampus, in Amygdala und Claustrum gefunden werden. In unserer Arbeit wurden nur Veränderungen des Hippokampus mittels Score-System beurteil, aus diesem Grund können wir keine Aussage zur Neurodegeneration in anderen Hirnregionen treffen. In der Arbeit von RAEDT et al. (2009) konnte Neurodegeneration sowohl in der CA3- als auch in der CA1-Region ipsilateral beschrieben werden. Die Tatsache, dass Kainsäure-Mikroinjektion zu moderatem, unilateralem Neuronenverlust führt, stellt einen Vorteil gegenüber Modellen mit systemischer SE-Induktion dar, in denen es zu einer ausgeprägten, bilateralen Neurodegeneration im Hippokampus, aber auch in anderen Hirnregionen kommt (TURSKI et al. 1987, SLOVITER 2005, CURIA et al.

2008).

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Die moderaten Veränderungen, vorrangig auf den epileptischen Fokus begrenzt, kommen dem Bild der hippokampalen Sklerose des Menschen näher als die massive Neurodegeneration, welche nach systemischer SE-Induktion auftritt.

6.2.6 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann man sagen, dass es uns in Studie 1 gelungen ist, ein moderates Epilepsiemodell für unser Labor zu etablieren. Das fokale Kainsäure-Modell zeichnet sich durch eine moderate Neurodegeneration im Hippokampus sowie moderate Verhaltensänderungen bei den Tieren aus. Die moderaten Verhaltensänderungen waren von Vorteil, da die epileptischen Tiere einfacher zu handhaben waren und weniger aggressives Verhalten gegenüber den Experimentatoren zeigten. Durch SE-Induktion an wachen Ratten konnten wir den insultmodifizierenden Effekt der Anästhesie umgehen. Es kam dadurch zu einer zuverlässigen Anfallsentwicklung und einem progressiven Krankheitsverlauf bei den Tieren. Die spontanen Anfälle ließen sich leicht durch Phenobarbital unterdrücken, was zunächst keine Selektion von Respondern und Nonrespondern erlaubt. Eine weitere pharmakologische Charakterisierung dieses Modells ist jedoch notwendig.

Ein Nachteil des Modells ist die SE-Länge. Dadurch, dass der SE nicht abgebrochen wurde, variierte die SE-Länge von Tier zu Tier, was eine unterschiedliche Insult-Stärke zur Folge hatte. Ein nächster Schritt wäre es, einen SE-Abbruch in diesem Modell einzuführen. Da das fokale Kainsäure-Modell die Konditionen von Patienten mit Temporallappenepilepsie gut widerspiegelt, haben wir es in unseren Studien zur Epileptogenese verwenden können.

6.3 Studie 2: Schwellenversuche im Pilokarpin- und im fokalen Kainsäure-Modell

Den eigentlichen Schwellenversuchen gingen im Pilokarpin-Modell zwei Versuche voraus, diese sollen im Weiteren zu Anfang besprochen werden.

6.3.1 Einfluss von Diazepam auf die individuelle Krampfschwelle

Es konnte gezeigt werden, dass 48 h nach Diazepam-Applikation im Pilokarpin-Modell in einer Dosierung von 30 mg/kg keine Auswirkungen auf die individuelle

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Krampfschwelle vorhanden waren. Das war zu erwarten, da die Halbwertszeit von Diazepam bei Ratten bei 1,4 h liegt (LÖSCHER 2007).

6.3.2 Latenzzeit im Pilokarpin-Modell

Die in dieser Arbeit ermittelte Latenzzeit nach Pilokarpin-induziertem SE beträgt durchschnittlich 7,3 Tage. Diese Zeitspanne stimmt überein mit Daten für männliche Wistar-Ratten aus der Arbeit von GOFFIN et al. Die Latenzzeit lag in dieser Arbeit durchschnittlich bei 7,2 Tagen. Die Ermittlung der Latenzzeit war für uns wichtig, um das Zeitfenster der Behandlung festzulegen. Das Konzept der Latenzzeit in chemischen SE-Modellen wird aufgrund einiger Studien kontrovers diskutiert (SLOVITER 2008). Manche interpretieren die anfallsfreie Zeit als verlängerte Periode einer subklinischen Abnormalität und nicht als präepileptischen Zustand (BUMANGLAG und SLOVITER 2008). In der Arbeit von BUMANGLAG und SLOVITER (2008) wurde die Latenzzeit bei Tieren nach pilokarpin-induziertem und elektrisch-induziertem (Stimulation des Tractus perforans) SE ermittelt. Nahezu alle Tiere entwickelten spontane Anfälle. Die Zeit zum Auftreten von ersten spontanen Anfällen lag im Pilokarpin-Modell zwischen zwei und neun Tagen (durchschnittlich 4,9 Tage) und im elektrischen Modell zwischen einem und acht Tagen (durchschnittlich 2,6 Tage). Diese Ergebnisse werden in der Arbeit als Argument gegen das Konzept einer Latenzzeit nach Insult interpretiert, da die Anfälle in beiden Modellen bei einigen Tieren direkt (ein bis zwei Tage) nach SE auftraten. Solche Anfälle können aber auch als insultassoziiert betrachtet werden, wenn sie direkt in den ersten Tagen nach SE auftreten. Auch bei Menschen können unmittelbar nach Insult epileptische Anfälle auftreten, die eigentliche Epilepsie kann sich unter Umständen erst Jahre nach Insult entwickeln, z. B. im Falle von Fieberkrämpfen

Die in dieser Arbeit ermittelte Latenzzeit nach Pilokarpin-induziertem SE beträgt durchschnittlich 7,3 Tage. Diese Zeitspanne stimmt überein mit Daten für männliche Wistar-Ratten aus der Arbeit von GOFFIN et al. Die Latenzzeit lag in dieser Arbeit durchschnittlich bei 7,2 Tagen. Die Ermittlung der Latenzzeit war für uns wichtig, um das Zeitfenster der Behandlung festzulegen. Das Konzept der Latenzzeit in chemischen SE-Modellen wird aufgrund einiger Studien kontrovers diskutiert (SLOVITER 2008). Manche interpretieren die anfallsfreie Zeit als verlängerte Periode einer subklinischen Abnormalität und nicht als präepileptischen Zustand (BUMANGLAG und SLOVITER 2008). In der Arbeit von BUMANGLAG und SLOVITER (2008) wurde die Latenzzeit bei Tieren nach pilokarpin-induziertem und elektrisch-induziertem (Stimulation des Tractus perforans) SE ermittelt. Nahezu alle Tiere entwickelten spontane Anfälle. Die Zeit zum Auftreten von ersten spontanen Anfällen lag im Pilokarpin-Modell zwischen zwei und neun Tagen (durchschnittlich 4,9 Tage) und im elektrischen Modell zwischen einem und acht Tagen (durchschnittlich 2,6 Tage). Diese Ergebnisse werden in der Arbeit als Argument gegen das Konzept einer Latenzzeit nach Insult interpretiert, da die Anfälle in beiden Modellen bei einigen Tieren direkt (ein bis zwei Tage) nach SE auftraten. Solche Anfälle können aber auch als insultassoziiert betrachtet werden, wenn sie direkt in den ersten Tagen nach SE auftreten. Auch bei Menschen können unmittelbar nach Insult epileptische Anfälle auftreten, die eigentliche Epilepsie kann sich unter Umständen erst Jahre nach Insult entwickeln, z. B. im Falle von Fieberkrämpfen