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Studie 3: Infusionsversuche mit PTZ im Pilokarpin- und fokalen Kainsäure-Modell

4. Material und Methoden

4.7 Studie 3: Infusionsversuche mit PTZ im Pilokarpin- und fokalen Kainsäure-Modell

Ziel der Studie 3 war die Behandlung von Ratten nach SE mit subkonvulsiven PTZ-Dosen. Die Tiere sollten nach Insult (SE) präventiv behandelt werden. Da PTZ ein prokonvulsiver Stoff ist, musste zuerst ein geeignetes Behandlungsprotokoll erstellt werden, um die PTZ-Dosis im subkonvulsiven Bereich zu halten.

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4.7.1 Pharmakokinetische Vorversuche

Die Vorversuche setzten sich aus der Halbwertszeitbestimmung von PTZ und der Ermittlung von konvulsiven PTZ-Plasmakonzentrationen zusammen. Anhand der Daten aus diesen Versuchen konnte ein Behandlungsprotokoll erstellt werden.

Obwohl PTZ laut Literaturangaben nicht im Gewebe kumuliert, bestand doch die Gefahr, dass es bei einer chronischen Behandlung über 48 h zu einer Kumulation von PTZ kommt, was wiederum in Krämpfen bei den behandelten Tieren resultieren würde.

4.7.1.1 PTZ-Halbwertszeitbestimmung

Die PTZ-Halbwertszeit beträgt laut Literaturangaben 2-3 Stunden (ESPLIN und WOODBURY 1956 VOHLAND und ZUFELDE 1976 RAMZAN und LEVY 1985). Da es keine Angaben zur Halbwertszeit bei weiblichen Sprague Dawley-Ratten gibt, haben wir diese bestimmt. Die PTZ-Halbwertszeitbestimmung wurde an einer Gruppe von 4 Ratten durchgeführt. Es wurden 2 naive Tiere und 2 Tiere 24 h nach pilokarpin-induziertem SE verwendet. Die Tiere erhielten eine einmalige PTZ-Injektion (12 mg/kg gelöst in isotoner Natriumchloridlösung) über die laterale Schwanzvene. Zur PTZ-Plasmakonzentrationsbestimmung wurde den Tieren 15 min, 1 h, 2 h und 4 h nach Applikation retrobulbär Blut entnommen (siehe Kapitel 4.5.6).

Die PTZ-Konzentration wurde mittels HPLC bestimmt. Die Halbwertszeiten wurden mit dem PK Solutions 2.0 Programm (Summit Research Services, Montrose, CO, USA) berechnet.

4.7.1.2 Etablierung des Infusionsprotokolls

Nach Bestimmung der Halbwertszeit sollte die konvulsive PTZ-Plasmakonzentration bestimmt werden. Zu diesem Zweck wurde bei 2 naiven Ratten und bei 2 Ratten 24 h nach pilokarpin-induziertem SE direkt nach der PTZ-Schwellenbestimmung (siehe Kapitel 4.6.4) retrobulbär Blut entnommen. Die PTZ-Plasmakonzentration wurde mittels HPLC gemessen.

Basierend auf den Ergebnissen dieser Vorversuche haben wir eine subkonvulsive Zielkonzentration von 10 µl/ml festgelegt und ein Behandlungsprotokoll erstellt.

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Das erste Behandlungsprotokoll erstellt zur Erhaltung der 10 µg/ml Plasmakonzentration, sah einen Bolus von 10 mg/kg und eine Infusion von 15 µg/kg/min zur Aufrechterhaltung vor. Es wurde mithilfe des PK Solution Programms erstellt. Das Behandlungsprotokoll wurde an naiven Tieren getestet. Die verabreichte PTZ-Dosis blieb im subkonvulsiven Bereich, sie reichte jedoch nicht aus, um den Zielplasmaspiegel von 10 µg/ml zu erreichen. Anhand der Plasmawerte der behandelten Tiere wurde ein zweites Behandlungsprotokoll erstellt. Das zweite Behandlungsprotokoll zur Erhaltung der 10 µg/ml Plasmakonzentration sah einen Bolus von 10 mg/kg und eine Infusion von 60 µg/kg/min zur Aufrechterhaltung vor.

Es wurde ebenfalls mithilfe des PK Solution Programms erstellt. Auch dieses Behandlungsprotokoll wurde zuerst an naiven Tieren getestet.

4.7.2 Studiendesign PTZ-Behandlung

Die Infusionsversuche dieser Studie wurden, wie bereits in Studie 2 beschrieben, in zwei Modellen durchgeführt, in dem systemischen Pilokarpin-Modell und in dem fokalen Kainsäure-Modell. Es gab folgende Behandlungsgruppen:

Saline + Saline: sham SE-Induktion mit isotoner Natriumchloridlösung + Behandlung mit isotoner Natriumchloridlösung

SE + Saline: SE-Induktion mit Pilokarpin oder Kainsäure + Behandlung mit isotoner Natriumchloridlösung

SE + PTZ: SE-Induktion mit Pilokarpin oder Kainsäure + Behandlung mit PTZ

Die teilweise sehr kleinen Gruppengrößen haben mehrere Ursachen. In einem Infusionsversuch konnten maximal 8 Ratten gleichzeitig behandelt werden. Diese 8 Tiere wurden auf zwei oder drei Behandlungsgruppen aufgeteilt. Die Infusionsversuche sollten erste Hinweise über den Einfluss einer PTZ-Behandlung auf die Epileptogenese liefern. Bei vielversprechenden Ergebnisssen wären die Gruppen aufgefüllt worden.

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Da diese Versuche jedoch eine große Belastung für die Versuchstiere darstellten, war eine Auffüllung der Gruppen bei den gegenwärtigen Ergebnissen aus Tierschutzgründen abzulehnen.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Behandlungsgruppen in den einzelnen Versuchen.

Tabelle 7: Übersicht über die Behandlungsgruppen in Studie 3.

4.7.3 Implantation von Ableitelektroden und Führungsrohren

Bei allen Tieren dieser Studie wurden EEG-Ableitelektroden implantiert. Die Tiere aus dem fokalen Modell hatten zusätzlich Führungsrohre zur Kainsäure-Mikroinjektion. Der genaue Ablauf der stereotaktischen Operation ist in Kapitel 4.2 beschrieben. Die Tiere dieser Studie hatten zusätzliche Halteschrauben, die seitlich am Schädel befestigt waren, um Verluste der EEG-Aufsätze zu vermeiden.

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Ein Teil der Tiere wurde wie in Kapitel 4.2 beschrieben mit Chloralhydrat narkotisiert, ein Teil mit dem Inhalationsnarkotikum Isofluran. Die Isofluran-Narkose wurde neu in unserem Labor etabliert. Die Vorteile einer Inhalationsnarkose sind die bessere Steuerbarkeit einer solchen und daraus resultierend eine tiefere Narkose bei gleichzeitig weniger Narkosezwischenfällen. Da wir jedoch nur über einen Isofluran-Verdampfer verfügen, wurde ein Teil der Tiere weiterhin mit Chloralhydrat narkotisiert. Isofluran wurde in einer Konzentration von 3% zur Narkoseeinleitung und 1,5% zur Narkoseaufrechterhaltung verabreicht. Auch in dieser Studie erhielten die Tiere Marbofloxacin zur postoperativen Antibiose und hatten zwei bis drei Wochen Zeit, um sich von dem operativen Eingriff zu erholen. Während dieser Phase wurden sie mindestens zweimal wöchentlich an den Umgang mit Menschen und die späteren Eingriffe gewöhnt.

4.7.4 Implantation von Kathetern in die Vena jugularis externa

Da die PTZ-Behandlung intravenös erfolgte, wurden den Ratten Dauerkatheter in die Vena jugularis implantiert. In den verschiedenen Behandlungsgruppen erfolgte die Implantation zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Eine Übersicht dazu ist in nachfolgender Tabelle dargestellt.

Studie Zeitpunkt Katheter-Operation

1. Gruppe PTZ-Infusion im Pilokarpin-Modell 2 Tage vor SE-Induktion 2. Gruppe PTZ-Infusion im Pilokarpin-Modell 2 Tage vor SE-Induktion 1. Gruppe PTZ-Infusion im fokalen Kainsäure-

Modell 2 Tage vor SE-Induktion

2. Gruppe PTZ-Infusion im fokalen Kainsäure-

Modell 5 Tage nach SE-Induktion

Tabelle 8: Übersicht über die Zeitpunkte der Katheter-Implantation in den einzelnen Tiergruppen der Studie 3.

Für die Operation wurden 50 cm lange Katheter aus Polyethylenschlauch verwendet.

Der Katheter sollte auf 3 cm in die Vene implantiert werden, so dass er im rechten Vorhof lag. Diese Länge (3 cm) war auf dem Katheter markiert. Die Ratten wurden mit Chloralhydrat oder Isofluran narkotisiert, je nach Verfügbarkeit des Isofluran-Verdampfers, da die Isofluran-Narkose bevorzugt wurde.

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Die Operationsfläche wurde anschließend rasiert und mit 70%igem Ethanol gereinigt.

Der Katheter wurde in die rechte V. jugularis externa implantiert und mit Garn befestigt. Der implantierte Katheter wurde unter der Haut in den Nacken geführt, wo er zwischen den Schulterblättern wieder austrat. Die Wunde wurde durch Knopfhefte mit resorbierbarem Nahtmaterial verschlossen. Der Katheter wurde durch eine Spiralfeder gefädelt, um die Ratten am Durchbeißen des Katheters zu hindern. Die Feder war mit einem Geschirr verbunden. In diesem Geschirr verblieben die Ratten für die Dauer der Infusion.

Die Tiere erhielten sieben Tage lang Antibiose, beginnend zwei Tage vor dem Engriff (Marbofloxacin 3 mg/kg, 0,1 ml/Tier zweimal täglich erst s.c. nach Katheterimplantation i.v.). Nach der Operation wurden die Ratten einzeln in durchsichtigen Plexiglaskäfigen gehalten. Die Katheter waren über einen beweglichen Swivel und eine spezielle Aufhängung am Käfig befestigt, was den Ratten eine gewisse Bewegungsfreiheit gewährleistete. Die Tiere waren an eine Infusionspumpe angeschlossen, die es ermöglichte, 8 Ratten gleichzeitig zu infundieren. Während der Erholungsphase (2-3 Tage) vor der eigentlichen Substanzbehandlung erhielten die Ratten heparinisierte isotone Natriumchloridlösung (25 IE Heparin/ml) mit einer Infusionsgeschwindigkeit von 50 µl/h. Nach Ende der Dauerinfusion wurden die Katheter kurz abgeschnitten und mit einem Stück Draht verschlossen, so dass die Tiere zurück in ihre Heimatkäfige konnten.

4.7.5 SE-Induktion

Zwei Tage nach beziehungsweise fünf Tage vor Katheterimplantation (siehe Tabelle 8) wurde bei den Tieren ein SE induziert. Modellabhängig erfolgte das entweder durch systemische Pilokarpin-Gabe, oder durch fokale Kainsäure-Gabe.

4.7.5.1 SE-Induktion im Pilokarpin-Modell

Die SE-Induktion erfolgte ähnlich wie im Kapitel 4.3.1 beschrieben. Die Ratten wurden mit Lithiumchlorid und Methylscopolamin vorbehandelt. Um die Zahl der Tiere, die nach Pilokarpin-Gabe einen SE entwickeln zu steigern, wurde das fraktionierte Pilokarpin-Protokoll modifiziert.

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Nach dem modifizierten Protokoll erhielten die Ratten 30 mg/kg Pilokarpin i.p. als Initialdosis und in 30 min Abständen 10 mg/kg Pilokarpin, bis zum Auftreten eines SE. Die Zahl der Nachinjektionen war auf drei pro Tier beschränkt. Die SE-Länge variierte je nach Behandlungsgruppe. Bei den Tieren der 1. Gruppe wurde der SE nach 60 min abgebrochen, bei den Tieren der 2. Gruppe nach 90 min. Der SE-Abbruch wurde ebenfalls modifiziert, um das Auftreten von Anfällen in der Nacht nach dem SE zu verhindern. Der modifizierte SE-Abbruch ist in nachfolgender Tabelle dargestellt.

Substanz Dosis Injektions- volumen

90 oder 60 min nach SE-Beginn

4 h nach SE-Beginn

8 h nach SE-Beginn

Scopolamin 1 mg/kg 1 ml/kg

i.v. i.p. i.p.

Diazepam 10 mg/kg 2 ml/kg i.v. i.p. i.p.

Phenobarbital 25 mg/kg 1 ml/kg i.v. i.p. i.p.

Tabelle 9: Übersicht über die zum SE-Abbruch verwendeten Substanzen.

Nach dem SE-Abbruch wurden die Ratten mit wassergefüllten Untersuchungshandschuhen gewärmt. Die Tiere wurden je nach Gewichtszunahme und Allgemeinbefinden 1-2 Tage nach SE mit Babynahrung zwangsernährt.

4.7.5.2 SE-Induktion im fokalen Kainsäure-Modell

Die SE-Induktion durch fokale Kainsäure-Gabe erfolgte wie im Kapitel 4.3.2 beschrieben. Die Saline+Saline-Gruppe erhielt isotone Natriumchloridlösung anstelle von Kainsäure. Aus Gründen der Praktikabilität wurde nur bei Tieren der 2. Gruppe direkt vor Mikroinjekton ein Vaginalabstrich zur Zyklusbestimmung entnommen (siehe Kapitel 4.6.7). Die Tiere der 2. Gruppe wurden bis 4 Tage nach SE EEG- und videoüberwacht.

4.7.6 PTZ-Infusion

Die PTZ-Behandlung begann zu verschiedenen Zeitpunkten nach SE (siehe Tabelle 7). In den beiden Pilokarpin-Gruppen begann die Behandlung direkt (20-30 min)

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nach SE-Abbruch. In der 1. Kainsäure-Gruppe begann die Behandlung 13-16 h nach SE-Induktion, in der 2. Gruppe 7 Tage nach SE-Induktion. Eigentlich sollte die PTZ-Behandlung in der 1. Kainsäure-Gruppe 12 h nach SE-Induktion beginnen, weil zu diesem Zeitpunkt der kainsäure-induzierte SE bei den meisten Tieren spontan aufhört. Der PTZ-Bolus wurde jedoch versehentlich zu spät appliziert, so dass die Behandlung, von Tier zu Tier unterschiedlich, entweder 13 h oder 16 h nach SE-Induktion erfolgte. Das PTZ wurde über 48 Stunden infundiert, die SE+Saline-Gruppe erhielt isotone Natriumchloridlösung statt PTZ. Um die Zielkonzentration von 10 µg/ml Plasma zu erreichen, wurde den Ratten ein Bolus von 10 mg/kg PTZ (gelöst in 2 ml isotoner Natriumchloridlösung) i.v. verabreicht. Zur Aufrechterhaltung dieser Plasmakonzentration bekamen die Tiere PTZ in einer Dosierung von 60 µg/kg/min (gelöst in isotoner Natriumchloridlösung). Das PTZ wurde über eine Infusionspumpe verabreicht. Die Infusionsrate lag bei 1 µl/min/g Ratte (da die Körpergewichte zwischen den Tieren nicht stark schwankten, wurde das gemittelte Gewicht aller angeschlossenen Tiere verwendet). Während der gesamten Infusionsdauer (48 h) wurden die Tiere beobachtet, um bei eventuellen PTZ-Nebenwirkungen (Krämpfe), die Infusion zu stoppen. Wenn die Infusion zu einzelnen Anfällen (fokal oder generalisiert) führte, wurde sie nicht gestoppt, nur im Falle von wiederholten Anfällen, welche nicht spontan endeten. Um eine kontinuierliche Beobachtung der Ratten über 48 Stunden zu gewährleisten, haben sich immer 2 Experimentatoren tags und nachts abgewechselt. Nach Ende der Behandlung wurden bei den Tieren retrobulbär Blutproben entnommen, um die PTZ-Plasmakonzentration zu bestimmen (siehe Kapitel 4.5.6). Bei Tieren der 1. Pilokarpin-Gruppe wurden Blutproben 24 h und 48 h nach Infusionsbeginn entnommen, bei den Tieren der weiteren Behandlungsgruppen nur nach 48 h. Die PTZ-Konzentration wurde mittels HPLC gemessen.

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4.7.7 EEG- und Videoüberwachung

Um das Auftreten von spontanen Anfällen zu detektieren, wurden die Tiere EEG- und videoüberwacht. Die einzelnen Gruppen wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach Behandlung überwacht (siehe Tabelle 10). Die Überwachungsanlage ist in Kapitel 4.4 beschrieben.

Studie Zeitpunkt der Überwachung

1. Gruppe: PTZ-Infusion im Pilokarpin-Modell 4 und 7 Wochen nach SE 2. Gruppe: PTZ-Infusion im Pilokarpin-Modell 8 Wochen nach SE 1. Gruppe: PTZ-Infusion im fokalen Kainsäure-

Modell

8 und 12 Wochen nach SE

2. Gruppe: PTZ-Infusion im fokalen Kainsäure- Modell

8 und 16 Wochen nach SE

Tabelle 10: Übersicht über die Überwachungszeitpunkte in den einzelnen Tiergruppen der Studie 3.

Die Auswertung der Überwachungsdateien erfolgte visuell.