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4. Material und Methoden

4.5 Studie 1: Etablierung des fokalen Kainsäure-Modells

4.5.5 Verhaltenstests

4.5.5.2 Der Elevated-Plus Maze-Test (EPM)

Im EPM werden explorations- und angstassoziiertes Verhalten untersucht. Das verwendete EPM hatte eine Höhe von 86 cm und bestand aus vier plusförmig angeordneten, schwarzen Armen (siehe Abbildung 8).

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Zwei Arme waren offen (Länge 50 cm, Breite 14 cm), zwei geschlossen (Länge 50 cm, Breite 14 cm, Höhe 31 cm). Die offenen Arme hatten eine 0,5 cm hohe Plexiglaskante, die das Abrutschen der Tiere verhindern sollte. An den Kreuzungen der Arme befand sich das Zentrum (Länge 14 cm, Breite 14 cm). Der Versuchsdurchlauf dauerte 5 Minuten pro Tier. Die Ratten wurden mit dem Kopf immer in Richtung desselben geschlossenen Arms im Zentrum eingesetzt. Bewertet wurden: Zahl der Eintritte in die einzelnen Kompartimente (offene Arme, geschlossene Arme, Zentrum), Aufenthaltsdauer in den einzelnen Kompartimenten und zurückgelegte Strecke. Diese Parameter wurden durch das Video Tracking-System von EthoVision erfasst und quantifiziert. Aufrichten, Putzen und Headdips (das Herauslehnen über den Rand der offenen Arme) wurden manuell gewertet, indem eine Strichliste dieser Verhaltensweisen vom Experimentator erstellt wurde.

Diese Verhaltensweisen konnten nicht durch das Video Tracking-System erfasst werden, es sind jedoch wichtige Verhaltensparameter. Bei epileptischen Ratten kam es oft zu Absprüngen vom EPM, in solchen Fällen wurden die Tiere schnellstmöglich auf das EPM zurückgesetzt. Bei zwei Absprüngen wurde das Tier vom Versuch ausgeschlossen. Nach jedem Versuchsdurchlauf wurde das EPM mit 0,1%iger Essigsäure gereinigt, um zu vermeiden, dass die Tiere durch Geruchsspuren der davor getesteten Ratte abgelenkt wurden.

Abb. 8: Schematischer Aufbau des Elevated Plus Maze (modifiziert nach Verhaltens-SOP des Instituts).

39 4.5.5.3 Der Open Field-Test (OF)

Der OF-Test ist, ähnlich wie der EPM-Test, ein Test, in welchem explorations- und angstassoziiertes Verhalten untersucht werden. Das verwendete OF hatte eine runde Form, einen Randhöhe von 25 cm bei einem Innendurchmesser von 80 cm und war beige. Es wurde in drei Zonen mit einem Radius von jeweils 13-13,5 cm unterteilt.

Die drei Zonen waren entsprechend von innen nach außen: Zentrum, innerer Ring und äußerer Ring (siehe Abbildung 9). Der Versuchsdurchlauf dauerte 5 Minuten pro Tier. Die Ratten wurden im Zentrum eingesetzt. Bewertet wurden: Zahl der Eintritte in die einzelnen Kompartimente (innerer Ring, äußerer Ring, Zentrum), Aufenthaltsdauer in den einzelnen Kompartimenten und zurückgelegte Strecke.

Diese Parameter wurden mittels EthoVision erfasst. Aufrichten und Putzen wurden manuell gewertet. Diese Verhaltensweisen konnten nicht durch das Video Tracking-System erfasst werden, es sind jedoch wichtige Verhaltensparameter. Nach jedem Versuchsdurchlauf wurde das OF mit 0,1%iger Essigsäure gereinigt, um zu vermeiden, dass die Tiere durch Geruchsspuren der davor getesteten Ratte abgelenkt wurden.

4.5.5.4 Der Morris Water Maze-Test (MWM)

Im MWM werden räumliche Orientierung und Lernverhalten untersucht (MORRIS 1984). In diesem Test lernen die Versuchstiere, eine unter der Wasseroberfläche versteckte Plattform anhand von visuellen Anhaltspunkten am Beckenrand zu finden.

Das verwendete MWM war ein schwarzes, rundes Wasserbecken mit einer Höhe von 60 cm und einem Durchmesser von 150 cm. Die Plattform war ebenfalls schwarz, hatte Abmessungen von 10 cm x 10 cm und befand sich 1,5 cm unter der Wasseroberfläche.

Äusserer Ring Innerer Ring Zentrum

Abb. 9: Schematischer Aufbau des Open field.

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Das MWM war in 4 Quadranten unterteilt, die mit den Himmelsrichtungen übereinstimmten: Nord-Ost, Nord-West, Süd-Ost und Süd-West. Norden (N), Süden (S), Osten (O) und Westen (W) waren als Einsatzpunkte der Versuchstiere markiert.

Am Beckenrand war ein Spielzeuggummihuhn als visueller Orientierungspunkt angebracht (siehe Abbildung 10). Das Becken wurde bis auf eine Höhe von 27 cm mit Wasser befüllt, die Wassertemperatur betrug 19 ± 1 °C. Die Wassertemperatur wurde bewusst so niedrig gewählt, um die Ratten zum Auffinden der Plattform zu motivieren. Durch die niedrige Wassertemperatur ist in diesem Test das Auffinden der Plattform eine Belohnung. Durch das Auffinden der Plattform wird ein negativer, als unangenehm empfundener Reiz (kaltes Wasser) weggenommen. Der Versuch war in 5 Aquisitionstage gegliedert, denen ein Habituationstag voranging. Am Habituationstag wurde jede Ratte für 60 s in das Becken (ohne Plattform) gesetzt, um Tiere mit Schwimmdefiziten oder deutlicher Quadrantenpräferenz auszusortieren.

Während der Aquisitionstage hatte jede Ratte 4 Schwimmproben je 60 s. Zwischen den Proben hatten die Tiere 60 s Ruhepause. Die Lage der Plattform und des visuellen Anhaltspunktes (Huhn) war konstant, die Ratte wurde bei jeder Schwimmprobe an unterschiedlichen Stellen (N, W, S, O) ins Wasser gesetzt. Wenn die Ratte die Plattform gefunden hatte, musste sie 3 s darauf verbleiben. Im Falle des Nichtauffindens wurde die Ratte nach 60 s vom Experimentator zur Plattform hingeleitet. Die letzte Schwimmprobe des letzten Aquisitionstages (Probe trial) wurde ohne Plattform durchgeführt und diente der Überprüfung des Kurzzeitgedächtnisses und der Abfrage des Erlernten. Tiere, die gelernt hatten die Plattform zu finden, schwammen in diesem Testdurchlauf wiederholt über der ehemaligen Plattformposition. Bewertet wurden: Zeit zum Auffinden der Plattform und Zahl der Kreuzungen über der Plattform (bei dem Probe trial).

Abb. 10: Schematische Darstellung des Morris Water Maze (modifiziert nach Verhaltens-SOP des Instituts).

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4.5.6 Phenobarbital-Selektion

Dreiunddreißig Wochen nach SE-Induktion wurde bei 8 Ratten ein Phenobarbital-Behandlungsversuch gestartet. Diese Untersuchung wurde vorgenommen, um das Auftreten von Phenobarbital-Respondern und -Nonrespondern in diesem Epilepsiemodell zu untersuchen. Responder sind Ratten, die auf eine Behandlung mit einem Antiepileptikum mit einer Reduktion der Anfallsfrequenz um mindestens 50% reagieren. Nonresponder sind solche Tiere, bei denen es unter Behandlung zu keiner 50%igen Reduktion der Anfallsfrequenz kommt. Für das basolaterale Amygdala Stimulations-Modell (elektrisches post SE-Epilepsiemodell) konnte in unserem Labor bereits das Auftreten von Phenobarbital-Respondern und

-Nonrespondern gezeigt werden (BRANDT et al. 2004).

Phenobarbital ist ein klinisch zugelassenes, früher häufig verwendetes Antikonvulsivum. Es kann auch bei Ratten angewendet werden. Die Plasmahalbwertszeit beträgt bei weiblichen Sprague Dawley-Ratten 16.9 ± 1,43 Stunden (BRANDT et al. 2004).

Das Dosierungsprotokoll wurde ebenfalls in unserem Labor etabliert (BRANDT et al.

2004). Die therapeutische Plasmakonzentration von Phenobarbital liegt zwischen 10-40 µg/ml (BRANDT et al. 2004, LÖSCHER 2007). Um diese zu erreichen, wurde den Ratten erst ein Bolus von 25 mg/kg i.p. verabreicht, 10 Stunden später erhielten sie 15 mg/kg i.p.. Danach wurde Phenobarbital in einer Dosis von 15 mg/kg zweimal täglich im 10-14 h Interwall i.p. verabreicht. Das Phenobarbital wurde in destilliertem Wasser gelöst, das Injektionsvolumen betrug 3 ml/kg. Der Versuchsablauf war folgender:

4 Tage Kontrollphase: Das Auftreten von spontanen Anfällen wird bei den Tieren untersucht

4 Tage Behandlungsphase: die Tiere werden, wie oben beschrieben, behandelt 4 Tage Auswaschphase: die Tiere werden nicht behandelt, das Auftreten von spontanen Anfällen wird untersucht

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Während des gesamten Versuchs wurden die Tiere kontinuierlich (24 h/d) videoüberwacht, um das Auftreten von spontanen Anfällen zu detektieren. Eine gleichzeitige EEG-Überwachung war nicht möglich, da die Tiere keine EEG-Aufsätze mehr hatten. Die Videos wurden visuell ausgewertet.

Um die Konzentration von Phenobarbital im Plasma zu bestimmen, wurde 14 h nach der letzten Injektion eine retrobulbäre Blutentnahme vorgenommen (unter 2%iger Tetracain-Lokalanästhesie). Die Blutprobe (~0,5 ml/Ratte) wurde in einem Eppendorfgefäß (mit 10 µl Ethylendiamintetraacetat-Lösung 5 mmol/ml Vollblut zur Gerinnungshemmung) aufgefangen. Die Proben wurden anschließend zur Plasmagewinnung 2,5 min bei 12000 Umdrehungen/Minute zentrifugiert.

Die Plasmaproben wurden mittels Hochleistungsflüßigkeitschromatographie (high performance liquid chromatography, HPLC), analog POTSCHKA und LÖSCHER (2001), analysiert. Dieses Verfahren ermöglicht die Quantifizierung der analisierten Substanzen anhand eines bekannten Standards.

Um die phenobarbital-assozierten Nebenwirkungen zu erfassen, wurde während der Kontrollphase und während der Behandlungsphase (60 min nach Behandlung) ein verblindetes Ataxie-Scoring vorgenommen. Dafür wurden die Ratten nacheinander von einem Experimentator im Open field zwei Minuten lang beobachtet. Die Beurteilung war wie folgt:

Hypolokomotion/Sedation

Score Verhalten

1 Tendenz zu verminderter Lokomotion

2 Reduzierte Lokomotion mit häufigen Ruhepausen 3 Keine Vorwärtsbewegung

Hyperlokomotion

Score Verhalten

1 Tendenz zu erhöhter Lokomotion 2 Deutlich erhöhte Lokomotion 3 Stark erhöhte Lokomotion

43 Ataxie

Score Verhalten

1 Leichte Ataxie 2 Deutliche Ataxie

3 Dauerhafter Verlust der Stellreflexe, mit Versuch der Vorwärtsbewegung Tabelle 4: Verwendeter Hypolokomotion-, Hyperlokomotion- und Ataxie-Score. Ein Score=0 bedeutete keine Veränderung des Verhaltens.

4.5.7 Tötung der Tiere und Histologie

Vierzig Wochen nach SE-Induktion wurden die Tiere getötet und ihre Gehirne entnommen und histologisch untersucht.

4.5.7.1 Transkardiale Perfusion

Die Ratten aus der ersten Gruppe wurden durch transkardiale Perfusion getötet.

Zuerst wurden sie mit Chloralhydrat tief narkotisiert (bis zum Aussetzen der Atmung, nach Wirkung dosiert). Anschließend wurden die Bauchdecke mithilfe einer Schere eröffnet. Die Brusthöhle wurde ebenfalls eröffnet und das Zwerchfell durchtrennt.

Das Herz wurde freigelegt und eine Kanüle, die über einen Schlauch mit der Perfusionspumpe verbunden war, wurde durch die Herzspitze in die Aorta geschoben. Der rechte Vorhof wurde aufgeschnitten, um den Blutabfluss zu ermöglichen. Zuerst wurde das Blut mit phosphatgepufferter Saline aus dem Gewebe gespült (80-100 ml/Ratte), danach wurde das Gewebe fixiert. Als Fixans diente 4%iges Paraformaldehyd (250 ml/Ratte). Nach Fixierung wurden die Gehirne entnommen, in 10%ige Saccharoselösung überführt und für 24 Stunden bei 7°C gelagert. Nach Ablauf von 24 Stunden wurden die Gehirne in 30%ige Saccharoselösung überführt und verblieben bis zur weiteren Aufarbeitung bei 7°C.

Die Lagerung in Saccharoselösung diente als Gefrierschutz vor dem Schneiden an einem Gefriermikrotom.

44 4.5.7.1.1 Histologie nach transkardialer Perfusion

Die entnommenen Gehirne wurden am Gefriermikrotom, im Bereich von 2 mm bis 7 mm posterior zu Bregma, in 40 µm dicke Schnitte geschnitten. Von jedem Gehirn wurden 4 Schnittserien angefertigt, 3 davon wurden im flüssigen Gefriermedium bei -20°C eingefroren. Eine Serie wurde zur Elektroden- und Führungsrohrlokalisation mit Thionin-Färbung angefärbt.

4.5.7.2 Dekapitation

Die Tiere der zweiten Gruppe wurden dekapitiert. Dafür wurden die Ratten mittels CO2 (5%) tief narkotisiert und mit einer Nagerguillotine dekapitiert. Anschließend wurden die Gehirne entnommen und in Behälter aus Aluminiumfolie überführt. Die Gehirne wurden mit Gefrierschutzmedium bedeckt. Die Aluminiumbehälter wurden für einige Minuten in einen Behälter mit 2-Methyl-Butan gestellt, das 2-Methyl-Butan wiederum wurde durch flüssigen Stickstoff auf -80°C gekühlt. Die so eingefrorenen Gehirne wurden bis zur weiteren Aufarbeitung bei -20°C gelagert.

4.5.7.2.1 Histologie nach Dekapitation

Die Gehirne der dekapitierten Ratten wurden am Kryostaten in 14 µm dicke Schnitte geschnitten. Die Schnittebenen waren 2 mm, 3 mm, 4 mm, 5 mm und 6 mm posterior zu Bregma. Pro Schnittebene wurden ca. 10 Schnitte angefertigt. Eine Serie wurde zur Beurteilung der Neurodegeneration mittels Thionin-Färbung angefärbt. Die Neurodegeneration wurde in den Ebenen 3 mm und 4 mm posterior zu Bregma ausgewertet. Die späteren Sektionen waren ungeeignet zur Neurodegenerationsauswertung, da die Einstichkanäle von Elektrode und Führungsrohr zu Artefakten führten. Das Ausmaß der Neurodegeneration wurde mit einem Score-System bewertet. Das Score-System ist nachfolgend beschrieben.

0: keine Neurodegeneration

1: Veränderungen der Struktur, ohne sichtbaren Neuronenverlust 2: 20% bis 50% Neuronenverlust

3: über 50% Neuronenverlust

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Im Hilus wurde Neurodegeneration nur als vorhanden oder nichtvorhanden beschrieben, da es aufgrund der Schnittdicke schwierig war, das Score-System in dieser Region anzuwenden. Die Score-Daten wurden für beide Schnittebenen als Mittelwert zusammengefasst.

4.6 Studie 2: PTZ-Schwellenversuche im Pilokarpin- und fokalen Kainsäure-Modell

4.6.1 Studiendesign

Die Versuche dieser Studie wurden an zwei Rattenmodellen für Temporallappenepilepsie durchgeführt, dem systemischen Pilokarpin-Modell und dem fokalen Kainsäure-Modell. Die Studie wurde für das jeweilige Modell separat ausgewertet. Im Pilokarpin-Modell wurde der Versuch in drei Tiergruppen durchgeführt, diese wurden in der Auswertung zusammengefasst. In der Pilokarpin-Studie wurde zusätzlich zu den eigentlichen Schwellenversuchen noch die Latenzzeit zwischen SE und dem Auftreten von ersten spontanen Anfällen bestimmt. Dafür wurden die Tiere direkt nach SE mittels EEG und Video bis zum Auftreten des ersten Anfalls überwacht. Für diese Studie wurden 7 Tiere ohne PTZ-Schwellenbestimmung als Kontrollen und die SE-Tiere aus der zweiten und dritten PTZ-Gruppe verwendet.

Da der SE bei den Pilokarpin-Tieren mittels Diazepam unterbrochen wurde, wurde in einem separaten Vorversuch der Einfluss von Diazepam auf die PTZ-Schwelle untersucht. Der zeitliche Ablauf der Studie ist in Abbildung 11 gezeigt. Eine Übersicht über die einzelnen Tiergruppen der Studie 2 ist in Tabelle 5 aufgeführt.

Es ergaben sich folgende Behandlungsgruppen:

SE-Tiere - Tiere mit modellabhängig induziertem SE (Kainsäure oder Pilokarpin) Kontrollen - Tiere mit sham SE

Tiere ohne SE – Tiere bei denen es trotz SE-Induktion nich zum SE-Eintritt kam

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Studie Tierzahl Ableitelektroden PTZ-Schwelle

PTZ-Schwelle im

Tabelle 5: Übersicht über die Tiergruppen in Studie 2.

*SE-Tiere aus dem 2. und 3. PTZ-Schwellenversuch

# nur sechs Tiereim Versuch verwendet (1 Ratte ohne EEG-Ableitung)

4.6.2 Implantation von Führungsrohren und Ableitelektroden

Wie in Tabelle 5 dargestellt, erfolgte bei allen Tieren mit Ausnahme der ersten Pilokarpin-Gruppe eine Implantation von Ableitelektroden (Pilokarpin-Gruppe) oder von Ableitelektroden und Führungsrohren (Kainsäure-Gruppe). Die stereotaktische Operation verlief wie im Kapitel 4.2 beschrieben.

Tage nach

Abb. 11: Schematische Darstellung des zeitlichen Ablaufs der Studie 2.

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Als Änderung sind zwei zusätzliche Halteschrauben, die bei Tieren der Kainsäure-Gruppe am Schädel angebracht wurden, zu vermerken. Die Halteschrauben sollten helfen, entzündungsbedingte Verluste der EEG-Aufsätze zu vermeiden, da diese trotz Antibioseumstellung häufig auftraten. Des Weiteren wurden in der dritten Pilokarpin-Gruppe zusätzlich zu einer EEG-Ableitelektrode im Gyrus Dentatus Kortexschrauben zur Elektrocorticogramm-Ableitung (ECoG-Ableitung) implantiert (Koordinaten AP, -2,2 mm und L, +/- 4,8 mm relativ zu Bregma). So konnte während der Versuche entweder hippokampales EEG oder kortikales ECoG abgeleitet werden. Eine gleichzeitige Ableitung war technisch nicht möglich. Da jedoch in den ersten Versuchen mit EEG ein PTZ-induzierter Myoklonus nicht sichtbar war, sollte die kortikale Ableitung in dieser Hinsicht untersucht werden. Auch in dieser Studie erhielten die Tiere Marbofloxacin zur postoperativen Antibiose und hatten zwei bis drei Wochen Zeit, um sich von dem operativen Eingriff zu erholen. Während dieser Phase wurden die Tiere mindestens zweimal wöchentlich an den Umgang mit Menschen und spätere Eingriffe gewöhnt.

4.6.3 SE-Induktion

Zwei bis drei Wochen nach stereotaktischer Operation wurde bei den Tieren ein SE induziert. Modellabhängig erfolgte das entweder durch systemische Pilokarpin-Gabe oder durch fokale Kainsäure-Gabe.

4.6.3.1 SE-Induktion im Pilokarpin-Modell

Die SE-Induktion im Pilokarpin-Modell erfolgte wie im Kapitel 4.3.1 beschrieben. Die SE-Dauer betrug 90 Minuten. Der SE wurde pharmakologisch mittels Diazepam (Faustan, 10 mg/kg in 2ml/kg i.p.) unterbrochen. Im Falle von weiteren Krämpfen konnte die Diazepam-Injektion bis zu zweimal im zehnminütigen Abstand wiederholt werden. Die Kontrollen erhielten die gleiche Behandlung, lediglich das Pilokarpin wurde durch isotone Natriumchloridlösung ersetzt (sham SE).

Der Versuch wurde an 41 Ratten durchgeführt. Nur eine Ratte starb während der SE-Induktion. Tiere, die trotz fünfmaliger Pilokarpin-Gabe keinen SE hatten, wurden vom Versuch ausgeschlossen. Bei den Ratten, bei denen eine Ableitelektrode implantiert wurde, wurde der Versuch unter EEG-Kontrolle durchgeführt

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4.6.3.2 SE-Induktion im fokalen Kainsäure-Modell

Die SE-Induktion durch fokale Kainsäure-Gabe erfolgte wie im Kapitel 4.3.2 beschrieben. Die Kontrollen erhielten isotone Natriumchloridlösung anstelle von Kainsäure (sham SE). Um einen Einfluss des ovariellen Zyklustandes auf die SE-Induktion ausschließen zu können, wurde bei allen Tieren direkt vor Mikroinjektion ein Vaginalabstrich zur Zyklusbestimmung durchgeführt (siehe Kapitel 4.6.7).

4.6.4 PTZ-Schwellenbestimmung

Die Bestimmung der individuellen Krampfschwelle erfolgte im intravenösen PTZ-Schwellentest, beschrieben bei LÖSCHER (2009 und 2011). Den Ratten wurde eine Kanüle in die laterale Schwanzvene eingeführt und mittels Klebeband fixiert. Die Kanüle war über einen Polyethylenschlauch mit einer Infusionspumpe verbunden.

Während des ganzen Versuchs waren die Ratten frei beweglich. Die PTZ-Infusion (PTZ-Konzentration 0,8%, gelöst in isotoner Natriumchloridlösung) erfolgte mit einer konstanten Flussrate von 1 ml/min Die Infusion wurde beim Auftreten des ersten Myoklonus gestoppt. Die individuelle Krampfschwelle wurde anhand der PTZ-Dosis, die zum Auslösen des ersten Myoklonus nötig war, des Körpergewichts der Ratte und der PTZ-Konzentration und -Flussrate berechnet und in mg/kg ausgedrückt. Die Schwellenbestimmung erfolgte bei allen Tieren 5 Tage vor SE-Induktion (Kontrollschwelle), sowie 2, 4, 6, 9, 14 und 22 Tage danach. Aufgrund der Ergebnisse aus dem ersten Versuch, wurden in der zweiten und dritten Pilokarpin-Gruppe keine Schwellenbestimmmungen nach 4, 9 und 22 Tagen durchgeführt. Drei Tiere starben infolge des PTZ-Schwellentests. Die Daten aller Gruppen waren sehr konsistent und wurden kombiniert. In der Kainsäure-Gruppe wurden alle 7 Schwellenbestimmungen durchgeführt, um beide Modelle zu vergleichen. Alle Versuche wurden zur gleichen Tageszeit (8:00-14:00 Uhr) durchgeführt. Die Tiere wurden eine Stunde vor Versuchsbeginn in den Versuchraum gebracht und beobachtet, um das eventuelle Auftreten von spontanen Anfällen zu detektieren. Im Falle von spontanen Anfällen wurde die Schwellenbestimmung erst eine Stunde nach dem Anfall durchgeführt. Bei allen Tieren, die EEG-Ableitelektroden hatten, wurde der Versuch unter EEG-Kontrolle durchgeführt.

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Bei den Tieren aus der dritten Pilokarpin-Gruppe, die sowohl hippokampale, als auch kortikale Ableitelektroden hatten, wurde der Versuch mit kortikaler ECoG-Ableitung durchgeführt. Obwohl die Infusion nach dem ersten Myoklonus gestoppt wurde, konnten weitere Endpunkte beobachtet werden. Weitere Endpunkte der Infusion waren: Klonus, Klonus mit Verlust der Stellreflexe und Vorderbeintonus. Das Auftreten von weiteren Endpunkten wurde mit einem Score-System bewertet und notiert. Da epileptische Ratten nach Ende der Infusion noch Verhaltensänderungen zeigten, wurden diese ebenfalls mit einem Score-System bewertet. Die beiden Score-Systeme sind in nachfolgender Tabelle dargestellt.

Score I „Weitere Endpunkte nach PTZ-Infusion“

0 Keine weiteren Endpunkte 1 Klonus

2 Klonus mit Verlust der Stellreflexe

3 Klonus mit Verlust der Stellreflexe, Running and bouncing

4 Klonus mit Verlust der Stellreflexe, Running and bouncing, Vorderbeintonus

Score II „Verhalten nach PTZ-Schwellenbestimmung“

0 Keine Veränderungen

1 Myoklonien, verminderte Ansprechbarkeit, Stereotypien mit einer Dauer < 2 min 2 Myoklonien, verminderte Ansprechbarkeit, Stereotypien mit einer Dauer > 2 min 3 Generalisierte Anfälle (Typ IV oder V)

4 Myoklonien und generalisierte Anfälle

Tabelle 6: Score-Systeme zur Beurteilung der Verhaltensänderungen nach PTZ-Schwellentest.

4.6.5 Bestimmung der Latenzzeit im Pilokarpin-Modell

Um die Latenzzeit (Zeit zwischen SE und dem ersten spontanen Anfall) im fraktionierten Pilokarpin-Modell zu ermitteln, wurden 6 SE-Tiere ohne Schwellenbestimmung und 4 SE+Tiere (aus dem 2. und 3. PTZ-Schwellenversuch) verwendet. Die Tiere ohne PTZ-Schwellenbestimmung waren notwendig, um den Einfluss von PTZ auf die Latenzzeit auszuschliessen. Das Studiendesign war wie folgt: Die Tiere wurden ab der SE-Induktion kontinuierlich bis zu 4 Wochen EEG- und Video-überwacht, um das Auftreten von spontanen Anfällen zu registrieren. Die SE-Induktion verlief wie im Kapitel 4.3.1 beschrieben.

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Die Überwachung erfolgte wie in Kapitel 4.4 beschrieben. Die Auswertung der Daten erfolgte visuell. Die Latenzzeit wurde in Tagen bis zum Auftreten des ersten spontanen Anfalls ausgedrückt.

4.6.6 Diazepam-Vorversuch im Pilokarpin-Modell

Dieser Vorversuch wurde durchgeführt, um zu untersuchen, ob der SE-Abbruch mittels Diazepam einen Einfluss auf die PTZ-Schwelle 48 h nach SE hat. Zu diesem Zweck wurde bei 8 Ratten eine PTZ-Kontrollschwelle bestimmt. Drei Tage später erhielten die Ratten Diazepam in der bei einem SE-Abbruch üblichen Dosierung (3 x 10 mg/kg im Abstand von 10 Minuten). Die PTZ-Schwelle wurde erneut nach 48 h bestimmt und mittels Student`s t-Test mit der Kontrollschwelle verglichen.

4.6.7 Bestimmung des ovariellen Zyklusstandes

Um den Einfluss des Zyklusstandes auf die individuelle PTZ-Krampfschwelle beschreiben zu können, wurden in der Kainsäure-Gruppe Vaginalabstriche zur Zyklusbestimmmung entnommen. Zu diesem Zweck wurde bei jedem Tier unmittelbar vor der Schwellenbestimmung ein Vaginalabstrich aus dem dorsalen Scheidendach mittels Impföse entnommen. Dieser wurde auf einem Objektträger in isotoner Natriumchloridlösung ausgestrichen und getrocknet. Die Abstriche wurden mit der Lösung nach SHORR (1940) gefärbt. Die Auswertung erfolgte am Lichtmikroskop. Anhand des Zellbildes im Vaginalausstrich konnten folgende Zyklusstadien und -zwischenstadien unterschieden werden: Proöstrus, Proöstrus-Östrus, Proöstrus-Östrus, Östrus-Metöstrus, Metöstrus, Metöstrus-Diöstrus, Diöstrus, Diöstrus-Proöstrus.

4.7 Studie 3: Infusionsversuche mit PTZ im Pilokarpin- und fokalen Kainsäure-Modell

Ziel der Studie 3 war die Behandlung von Ratten nach SE mit subkonvulsiven PTZ-Dosen. Die Tiere sollten nach Insult (SE) präventiv behandelt werden. Da PTZ ein prokonvulsiver Stoff ist, musste zuerst ein geeignetes Behandlungsprotokoll erstellt werden, um die PTZ-Dosis im subkonvulsiven Bereich zu halten.

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4.7.1 Pharmakokinetische Vorversuche

Die Vorversuche setzten sich aus der Halbwertszeitbestimmung von PTZ und der Ermittlung von konvulsiven PTZ-Plasmakonzentrationen zusammen. Anhand der Daten aus diesen Versuchen konnte ein Behandlungsprotokoll erstellt werden.

Obwohl PTZ laut Literaturangaben nicht im Gewebe kumuliert, bestand doch die Gefahr, dass es bei einer chronischen Behandlung über 48 h zu einer Kumulation von PTZ kommt, was wiederum in Krämpfen bei den behandelten Tieren resultieren

Obwohl PTZ laut Literaturangaben nicht im Gewebe kumuliert, bestand doch die Gefahr, dass es bei einer chronischen Behandlung über 48 h zu einer Kumulation von PTZ kommt, was wiederum in Krämpfen bei den behandelten Tieren resultieren