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1.2 Begriffsbestimmung und theoretische Konzeptionen

1.2.5 Stressbewältigung durch Bewegung

Bisher wurden zum Stressabbau bei Kindern und Erwachsenen vorwiegend Entspannungsmethoden eingesetzt, die stressbezogene Anspannungen vermindern sollen, jedoch wurde festgestellt, dass sie keine Hilfen für einen langfristigen erfolgreichen Umgang mit Stress sind (Hampel & Petermann, 2003). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der körperlichen Aktivität als Interventionsmaßnahme, da die Freude an der Bewegung am ehesten an die Entwicklungsphasen des Kindes angepasst ist, und für die Kinder die unmittelbar erlebten positiven Folgen eines Verhaltens von Bedeutung sind und weniger die langfristigen gesundheitlichen Konsequenzen (Lohaus, Jerusalem & Klein-Heßling, 2006, Pinquart & Silbereisen, 2007). Bewegungsaktivitäten bieten den Vorteil, dass sie für Kinder und Jugendliche attraktiv sind, dem kindlichen Naturell entsprechen, und in ihren Ausprägungsformen sehr vielseitig sind, so hat körperliche Aktivität in den letzten Jahrzehnten im Bereich der Gesundheitsförderung stark an Bedeutung gewonnen (Pfeifer, Brehm, Rütten, Ungerer- Röhrich, Wegner, 2000). Durch körperliche Aktivität sollen nicht nur Risiken gemindert werden, sondern auch Ressourcen gestärkt werden. (Hoffmann, Brand &

Schlicht, 2006, Altgeld & Kolip, 2007).

Der Mensch ist von Natur aus auf Bewegung ausgerichtet, und so brauchen vor allem Kinder für eine natürliche Entwicklung Bewegung. Bewegungsreize sind dabei nicht nur bedeutsam für die physische Entwicklung der Kinder, sondern auch für die psychische Entwicklung (Zahner, Puder, Roth, Schmid, Guldimann, Pühse et al., 2006). Es ist fast eine Alltagsweisheit, dass durch körperliche Aktivität und Sport das Wohlbefinden gesteigert werden kann, jedoch stellt sich in der Wissenschaft der Versuch, die Wirkungen zwischen Befinden und Bewegung auch nachzuweisen, äußerst schwierig dar. Die bisher vorliegenden Resultate sind sehr widersprüchlich, vor allem wegen der methodischen Umsetzung (Zahner, Puder, Roth, Schmid, Guldimann, Pühse et al., 2006).

Neben der Art des Programms spielen auch Durchführungsbedingungen wie die Häufigkeit, die Dauer, die Intensität sowie nicht zuletzt auch die individuelle Ausgangslage (Fitnesszustand) eine entscheidende Rolle, ob Bewegung Effekte auf das Wohlbefinden erzielt kann. Für den Einfluss körperlicher Aktivität auf psychische Gesundheitsmaße liegen insgesamt nur wenige und vor allem kaum längsschnittliche Untersuchungen vor, jedoch sind die positiven Auswirkungen körperlicher Aktivität auf die Gesundheit unbestritten. Von hoher Bedeutung ist die Ausbildung von Bewegungsmustern und Fähigkeiten in der Kindheit für den Erhalt und die Weiterentwicklung im Erwachsenenalter (Hurrelmann, Klocke, Melzer & Ravens-Sieberer, 2003).

Das „Sich-Gut-Fühlen“ ist ein zentrales Motiv des Sportreibens (Bässler, 1988).

Das Bewusstmachen sowie die Vermittlung und die Steigerung von Wohlbefinden durch Bewegung werden als wichtiges pädagogisches Ziel genannt, wobei das Wohlbefinden als eine positive Grundbefindlichkeit des Menschen in physischer, psychischer oder in sozialer Art gesehen wird (Bässler, 1988). Es wird angenommen, dass Sporttreiben zum einen kurzfristige Effekte, die zu einer momentanen Befindlichkeitsveränderung (Stimmungssteigerung) führen gibt und zum anderen längerfristige Effekte, die überdauernde, die ganze Person bzw. Persönlichkeit erfassende Veränderungen verursachen. Dabei werden den unmittelbaren Veränderungen gegenüber den längerfristigen Veränderungen ein höherer Stellenwert zugeschrieben, da längerfristig Veränderungen nur möglich sind, wenn Sport auch kurzfristig „Spass macht“ (Bässler, 1988).

In der Studie von Biddle & Mutrie (1991) kommt es nach Durchführung eines Bewegungsprogrammes zu einer Verstärkung positiver Aspekte der Befindlichkeit und einer Abnahme negativer Aspekte, — vor allem Angst und Depressivität sind reduziert, hingegen ist die Aktiviertheit und Ruhe erhöht. Körperliche Bewegung zählt heutzutage zu dem Standardinstrumentarium bei der Therapie von Depression und Furcht ( Hollmann, 2007), denn für die positive psychische Beeinflussung durch körperliche Aktivität sind vermehrte Serotoninproduktionen im limbischen System, verstärkte Ausschüttung von opioiden Peptiden und Dopaminwirkungen verantwortlich.

Laut Knoll (1997; zitiert nach Knoll, Banzer & Bös, 2006) lassen sich mit steigender Belastungsintensität höhere gesundheitsrelevante Effekte erzielen, jedoch genügt bereits schon eine mittlere Belastungsintensität, um Verbesserungen in physischen

Gesundheitsparametern zu erreichen. Nach Wamser und Ley (2003) führen körperliche Aktivitäten zu einem signifikanten Anstieg der Konzentration bzw.

Aufmerksamkeitsleistung. Auch Dordel und Breithecker (2003) konnten bei Drittklässlern die positive Wirkung von vermehrter Bewegung auf die Aufmerksamkeitsleistung im Verlauf des Schulvormittags aufzeigen.

In einer Studie von Müller und Petzold (2002) konnten durch Bewegungsaktivitäten im Schulalltag mit dem Schwerpunkt „Bewegtes Lernen“ eine gesteigerte emotionale Befindlichkeit sowie eine erhöhte Ausgeglichenheit, weniger Nervosität und Erregtheit festgestellt werden. Auch Birrer (1999) konnte zeigen, dass Schulsport die Befindlichkeit signifikant verbessert sowie den erlebten Stress reduzieren kann.

In der Untersuchung von Bässler (1988) wurde die psychische Befindlichkeit von GymnasiastInnen vor und nach dem Laufen gemessen, wobei die positive Stimmungslage von 55,5% vor dem Laufen auf 77,1% nach dem Laufen anstieg.

Durch die Studie konnte gezeigt werden, dass sich durch das Ausdauerlaufen sowohl die physische wie auch die psychische Befindlichkeit in Richtung eines allgemeinen Wohlbefindens gesteigert hat. Studien mit Erwachsenen zeigen, dass sich durch eine regelmäßige Teilnahme an einem sportlichen Interventionsprogramm die emotionale Situation der Kursteilnehmer verbessert hatte (Brehm, Pahmeier, Tiemann, 1997). Die Mehrzahl der Teilnehmer fühlte sich nach der sportlichen Aktivierung ruhiger und besser gelaunt sowie weniger erregt, ärgerlich und deprimiert.

In einer Evaluationsstudie von Kahl (1993) konnten durch gezielte Bewegungspausen im Unterricht, im Ausmaß von zweimal drei bis fünf Minuten im Mathematik- und Deutschunterricht, sowie Bewegungspausen im weiteren Tagesablauf, statistisch bedeutsame Verbesserungen in der motorischen Entwicklung als auch eine signifikante Abnahme der Aggressivität bei Mädchen festgestellt werden. Es konnten keine statistisch nachweisbaren Verbesserungen körperlicher Beschwerden nachgewiesen werden, jedoch war ein Trend zur Abnahme körperlicher Beschwerden erkennbar.

Studien zur aktiven Erholung (Allmer, 1994) zeigen, dass nach einem konditionell belastenden Training eine Erholung mit aktiver Bewegung positiver auf das Befinden wirkt als bewegungsinaktive Erholung.

In Anlehnung an Bös & Brehm (1999) gilt es im Gesundheitssport folgende Kernziele systematisch zu planen und im Rahmen von Interventionsprogrammen anzusteuern:

(1) Gesundheitswirkung: gezielte Stärkung physischer Gesundheitsressourcen insbesondere der Meidung und Minderung von Risikofaktoren sowie Bewältigung von Beschwerden und Missbefinden .

(2) Gesundheitsverhalten: Stärkung psychosozialer Gesundheitsressourcen und Aufbau von Bindung an gesundheitssportliche Aktivität.

(3) Verhältniswirkung: durch eine systematische Optimierung der Bedingungen für Gesundheit.

Durch die beschriebenen Zielbereiche soll die Relevanz des mehrdimensionalen Ansatzes bewegungsbezogener Interventionen mit dem Ziel der Gesundheitsförderung deutlich gemacht werden.

Eine Stressreaktion zielt auf Aktivierung des Körpers durch Flucht oder Angriff und damit auf Bewegung ab. Somit kann Bewegung als einfachstes Mittel angesehen werden, um die Stresshormone abzubauen und die körperliche Widerstandskraft zu erhöhen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass ein durch Sport trainiertes Organsystem eine optimale Gesundheitsressource darstellt und maßgeblich zur besseren Lebensbewältigung beitragen kann (Bös & Brehm, 1998).

Vor dem Hintergrund eines biopsychosozialen Gesundheitsverständnisses ist davon auszugehen, dass für die Wirkung von körperlicher Aktivität nicht nur motorische Prozesse, sondern auch das subjektive Befinden bei der Aktivität sowie der Kontext (alleine oder in einer Gruppe), in dem die Aktivität stattfindet, wichtig ist (Bös, Heel, Romahn, Tittlbach, Woll, Wank, Worth & Opper, 2004).