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Stilistische Aspekte der Bildung und Verwendung von Werbeslogans

Schicht 4: Explizite und implizite Faktoren im Satz a. P2xplizite Faktoren

4. Herausprägung von Slogans in der Wirtschaftswerbung in Rußland und ei- nige ihrer linguistischen Besonderheiten

4.2. Stilistische Aspekte der Bildung und Verwendung von Werbeslogans

Während bisher versucht wurde, die Abhängigkeit der Slogans in der Wirtschaftswer- bung von einer Vielzahl überwiegend extralinguistischer Faktoren zu zeigen, soll im folgenden die Funktionalität der Slogans unter weitestgehender Eliminierung aller ande- ren Bestandteile des Werbediskurses aus stilistischer bzw. rhetorischer Sicht beleuchtet werden. Ihre komprimierende und zusammenfassende Funktion innerhalb einer Werbe- anzeige, aber auch im gesamten Werbediskurs, erfüllen Slogans in besonderem Maße durch die mehr oder weniger geschickte Auswahl von überwiegend wortbezogenen, aber auch satzbezogenen rhetorischen Figuren. Als solche stehen Beschönigung, Ent- konkretisierung, Neologismus, Komparativ, Superlativ, Metapher, Jargonismus, Fremd- und Fachwort, Euphemismus, Archaismus und Ellipse im Vordergrund. Bei der geziel- ten Verwendung rhetorischer, stilistischer und lexikalischer Mittel handelt es sich nach Schifko (1982, 991) um ״ Verführung durch die Qualität der sprachlichen Formulierung mittels einer textbezogenen Art der Argumentation, bei der die ästhetisch-poetische und auch metasprachliche Funktion der Sprache besonders zum Tragen kommen“. Eine ein- fache oder auch verkürzte Syntax ist unter diesen Umständen naheliegend und soll da- her keiner besonderen Betrachtung unterliegen (vgl. zum Deutschen Möckelmann/Zan- der 1970, 46-50). In Ansätzen sollen jedoch auch werbetypische Stilmittel auf der Text- ebene erfaßt werden. Die folgende Auflistung widerspiegelt den noch relativ geringen Auswertungsstand des Korpus und muß daher einer gewissen Konsistenz entbehren.

Zunächst entspricht dem eingangs beschriebenen Charakter von Slogans ein reger Gebrauch von Superlativen. Superlative finden als Mittel der Diversifikation vergleich- barer Angebote in der Werbung einige Verbreitung. Gass (1982, 1028) bezeichnet sie zwar als ״hinterwäldlerisch“ und ״ verstaubt“, und auch Möckelmann/Zander (1970, 33)

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stellen fest, daß ״ krasse Übertreibungen und vor allem das Anpreisen in der Form des unverhüllten Superlativs ... eher abstoßend und entlarvend als werbend“ wirken - in rus- sischen Werbeanzeigen finden sich superlativische Slogans hingegen in erstaunlich gro- ßer Zahl:

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Komparativische Formen tarnen gewissermaßen eigentliche grammatikalische superlati- vische Formen. Ihr lexikalischer Variantenreichtum ist relativ gering. Aufgrund der Selbstbeschränkungen vieler Werbetreibender hinsichtlich vergleichender Werbung sind auch Komparative ohne Bezugsgröße anzutreffen:

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Das Bestreben, die vorhandenen Angebote gegenüber M itanbietem hervorzuheben, kommt nicht nur bei Slogans mit grammatikalischen Superlativen oder Komparativen zum Ausdruck, sondern resultiert auch in der Verwendung zahlreicher übertreibender Klischees, so etwa hinsichtlich einer Spitzenstellung oder eines besonderen Qualitäts- und Traditionsanspruches des beworbenen Produktes oder des Werbetreibenden. Diese Formen können zumindest teilweise als lexikalisch realisierte Superlative beschrieben werden (vgl. auch Linke 1993, 38f.):

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In einer auffallend großen Zahl von Slogans widerspiegelt sich die inszenierte Dialogi- zität des Werbediskurses durch den Gebrauch verschiedenster Anredeformen. Diese Formen sind zwar eher typisch für Headlines, da ihr Potential besonders groß ist, die Aufmerksamkeit des Adressaten auf eine Werbebotschaft zu lenken. Sie finden sich in Rußland aber auch auffallend oft in Slogans. Dabei überwiegen Formen der höflichen Anrede. Mit derartigen Formen wird dem Adressaten eine scheinbar aktive Rolle zuge- standen. Es entsteht der Eindruck einer kommunikativen Interaktivität:

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Die vertrauliche Anrede ist in W erbeslogans wie überhaupt in W erbeanzeigen kaum noch zu finden und weckt nach Cook (1992, 234) Assoziationen zu politischen Slogans aus der Sowjetzeit. Allerdings können auch andere Faktoren derartige Formen entstehen lassen, wie etwa bei folgendem Slogan, wo das deutsche Original Pate stand:

(12) Фольксваген - знаешь, что имеешь. / VW. Da weiß man, was man hat.

In der Headline heißt es aber bezeichnenderweise: Вы знаете, чт о имеете.

Neben diesen gram matikalischen Anredeformen wird auch versucht, mit Slogans eine Adressatengruppe einzugrenzen und anzusprechen. In der westlichen Wirtschafts- Werbung erfolgt dies hingegen in der Regel über die Mediaselektion oder eine entspre- chende Gestaltung des Kontextes:

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Die Adressatenorientierung wird ferner durch den Gebrauch von Possessivpronomina sowie unpersönliche und passivische Konstruktionen realisiert. Dabei wird trotz unter- schiedlichster rhetorischer, syntaktischer oder auch pragmatischer Inhalte häufig das wirtschaftliche Interesse des Senders unter einer scheinobjektiven Maske verborgen. In der Folge erscheint auch hier Werbung als symmetrische Kommunikation:

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Eine weitere wichtige rhetorische Figur in Werbeslogans sind Periphrasen, insbesondere Hyperbeln, seltener auch Euphemismen und Litotes. Mit ihrer Hilfe kann Slogans zu besonderer Wirksamkeit verholfen werden, denn sie sind in besonderer Weise dazu ge- eignet, einen Werbetext suggestiv zu resümieren und die beworbene Ware bzw. das be- worbene Unternehmen entsprechend den werblichen Intentionen aus der Anonymität zu heben:

(15) Наш а продукция - красота и тепло в Вашем доме (Люберецкие ковры)

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Bei der Betrachtung rhetorischer Strategien in Werbeslogans fällt der Gebrauch von englischsprachigen Originalslogans in im übrigen russischsprachigen W erbeanzeigen auf. Einerseits reflektiert er in vielen Fällen einen überhasteten Markteinstieg der betref- fenden Firmen, andererseits ist er ein weiteres Mittel zur Akzentuierung von mehr oder weniger realen Produktvorzügen gegenüber Mitbewerbern (vgl. auch Baumgart 1992,

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bes. 119-123), so daß man hier von einer besonderen Erscheinungsform der Hyperbel sprechen sollte:

(16) ComputerLand. Business to business. Person to person.

Verbatim. Data for life.

Technology that works for Life (Samsung Electronics) Xerox. The Document Company.

IBM. Personally yours.

Unter der Rubrik ״ Через прост ранст во и время“ (Slogan von GMM) lassen sich zahlreiche Slogans subsumieren, denen gewissermaßen positive Hyperbeln und Meto- nyme zu einem besonderen Anspruch auf eine exklusive Dimension im Raum-Zeit-Ge- füge verhelfen:

(17) Было. Есть. Будет. Московский Городской Банк.

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Metaphern entfalten in Slogans eine suggestive Wirkung, indem einerseits die emotio- naie Nebenbedeutung des Produktes hervorgehoben wird und andererseits ungünstige Assoziationen ausgeschlossen werden. Sie sollen beim Adressaten Vertrauen und At- mosphäre schaffen. Ob allerdings Metaphern ״ in fast allen Fällen der semantischen Auf- wertung des Markennamens“ (Möckelmann/Zander 1970, 73) dienen, muß hier dahin- gestellt bleiben:

(18) C ETPA - дирижер внешних связей Тайваня.

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Eine ähnliche Funktion nehmen verschiedene Formen der Entkonkretisierung ein. Dabei werden Mittel und Zweck, Ursache und Wirkung oder Abstraktes und Konkretes ver- tauscht oder zumindest kaschiert. Es handelt sich dabei vielfach um die geschickte Aus- nutzung von semantischer Ambiguität, die vom Adressaten entsprechende Disambiguie- rungsstrategien anhand seines Vorwissens und des Diskurskontextes erfordert. Mehr noch als bei Metaphern lassen sich durch Entkonkretisierung Assoziationen erzielen und steuern (vgl. Baumgart 1992, 57):

(19) W o n d erlite - ״ чудесная л егко сть“ решения Ваших проблем!

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״ Виктория“ - это Ваша победа над случайностью.

Д И А Л О Г-О П Т И М . О кеан, который прибьет золото к Вашему берегу.

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Repetitive Figuren verschiedener Art findet man in einer Reihe weiterer Slogans. Dabei handelt es sich vorzugsweise um Wiederholungen von Wörtern, deutlich seltener um Reim, Alliteration und syntaktischen oder rhythmischen Parallelismus. Derartige

Figu-ren erhöhen die Memorierbarkeit von Slogans in besonderer Weise. In einigen Fällen wird darüber hinaus der Markenname oder der Name der betreffenden Wirtschaftsein- heit in diese Figuren einbezogen:

(20) Мы не обещаем больше, чем можем сделать, но делаем больше, чем обещаем. (Ч А С П РО М Б А Н К )

Не многое, но много. (Дорстройсервис)

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Nur sehr selten finden sich in Slogans formale imperativische Formen. Bei diesen For- men handelt es sich bei weitem nicht nur um Aufforderungen, sondern auch um Em- pfehlungen. Unabhängig davon ist die ״ indirekt realisierte appellative Funktion“ (Rath- mayr 1988a, 353) zu beachten, die in Slogans mitunter durch völlig andere Sprechhand- lungen, z.B . Deklarativa, realisiert wird:

(21) GLOBAL USA - Откройте для себя Америку!

РОНДО. Почувствуйте себя счастливыми!

Ж ивете в России - Живите красиво! (ROSS) Копируйте с нами, (mita)

Я выбираю ״ Радом“.

Die vorliegende Auswahl ließe sich durch weitere Stilmittel auf den verschiedensten Sprachebenen bzw. rhetorische Figuren fortführen, so z.B. durch verbale Antithese und Klimax oder Anlehnung an idiomatische Wendungen. Der Verfasser ist sich dessen be- wußt, daß die vorliegende Auswahl von Werbeslogans angesichts des beschränkten Raumes nicht annähernd die gesamte Vielfalt der Werbekommunikation widerspicgeln kann. W eitergehende Untersuchungen müssen weitaus stärker, als dies in den einfüh- renden Teilen geschehen ist, sowohl den propositionalen Gehalt eines Slogans als auch Illokutionen und Perlokutionen als Einheit begreifen und zugleich versuchen, die Kom- plexität des Werbediskurses in Rußland in Abhängigkeit von den allgemeinen kontex- tuellen Rahmenbedingungen aufzuzeigen.

Viele der untersuchten Slogans weisen deutliche syntaktische, morphologische oder le- xikalische Defekte auf, die weder durch die besondere Funktion von Slogans in der Werbekommunikation noch durch werbliche Intentionen der Sender gerechtfertigt wer- den können. Obwohl in Rußland eine umfassende Auseinandersetzung mit derartigen Problemen gerade erst begonnen hat (vgl. bes. Kochtev 1991), können zukünftige Untersuchungen auf dem Gebiet der russischen Werbesprache nicht an Aspekten von Sprachkultur bzw. -pflege Vorbeigehen.

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Z u m A u s d r u c k v o n G e w i ß h e i t -U n g e w i ß h e i t i m R u s s i s c h e n

Marion Krause, Jena

Die Ebenen von Kom m unikation

Die Erkenntnis, daß Sprache nicht allein Sachverhalte bzw. deren mentale Korrelate projiziert, hat sich in der Linguistik längst etabliert. Sie führt zu einem Kommunika- tionsverständnis, das Sprache als Medium von Interaktion begreift. Kommunizieren Menschen miteinander, dann

- treten sie in soziale Beziehungen, - bestimmen sie ihre soziale Identität,

- gestalten sie die Situation, in der sie agieren,

bestimmen und gestalten sie Handlungszusammenhänge (Fiehler 1990, 29).

Ein adäquates Kommunikationsmodell muß daher die funktionale Komplexität sprachli- eher Zeichen in den Mittelpunkt stellen und gleichzeitig in der Lage sein, die Dynamik kommunikativer Prozesse zu erfassen. In der jüngeren Literatur trägt das von Yokoya- ma (1986) erarbeitete Kommunikationskonzept diesen Anliegen Rechnung. Es be- schreibt das Funktionieren von Sprache als interaktiven Austausch von Bewußtseinsin- halten. Für die Kommunikationspartner werden jeweils zwei Arten von Wissensbestän- den angenommen: das globale Weltwissen einer jeden Person und deren für die aktuelle Kommunikation relevante Teilmenge (current concern). Das Verhältnis dieser Wissens- bestände charakterisiert die Kommunikationssituation. Kommunikation bedeutet in jedem Falle Wissenstransfer (Transfer von Bewußtseinsinhalten). Der Begriff Transfer umfaßt nicht nur die Informationsübermittlung in dem Sinne, daß aus dem Bereich des current concern (der aktivierten Bewußseinsinhalte) des einen Kommunikationspartners Wissen in den current concern des anderen Partners transferiert wird. (Yokoyama spricht in diesem Fall von ״ location of knowledge“.) Er umschreibt auch die Aktivie- rung von Bewußtseinsinhalten, die sich aktuell nicht im current concern eines Kommu- nikationspartners befinden, aber in seinem Weltwissen vorhanden sind bzw. als vorhan- den angenommen werden (״relocation of knowledge“ ).1

Die transferierbaren Bewußtseinsinhalte können sehr unterschiedlicher Art sein. Mit Yokoyama (ibd.) sollen drei Arten unterschieden werden:

- informationelles Wissen (informational knowledge), also Wissen über Dinge und Sachverhalte (anders auch: kognitives W issen), das in einem hierarchisch angelegten Modell von Wissenskomponenten er- faßt wird: als existentielles Wissen, referentielles Wissen, spezifizie- rendes Wissen, prädikatives Wissen und propositionales Wissen;

- metainformationelles Wissen (metinformational knowledge) - Wissen über Situation und Code; das schließt Annahmen über die Wissensba- sis des Kommunikationspartners ein, und zwar sowohl in bezug auf

1 Auf diese Weise wirkt z. B. die Partikel же im Russischen (Rathmayr 1985; Parrott 1990).

Marion Krause: Zum Ausdruck von Gewißheit-Ungewißheit im Russischen in: Dippong, H. (ed): Linguistische Beiträge zur Slavistik.

München: Sagner /995. S. /0 5 -//6

das aktualisierte Wissen als auch in bezug auf Bewußtseinsinhalte, die im Moment nicht aktualisiert sind; es schließt außerdem Wissen über sprachliche und kommunikative Konventionen und Rituale) ein;

- attitudinales Wissen (attitudes) - Sprechereinstellungen bzw. Bewer- tungen.

Dieses Modell impliziert, daß die Kommunikationspartner ständig Bewertungen vor- nehmen. Fiehler verweist in diesem Zusammenhang darauf, ״ daß Kommunikation min- destens zwei prinzipiell gleichrangige Aspekte hat: die Verständigung über Sachverhalte und die Verständigung über Bewertungen“ (1990, 36). Er verbindet die Kommunikation von Bewertungen mit der phatischen Funktion von Sprache und hebt die Teilfunktionen der Bewertungsteilung, Identitätsstabilisierung bzw. -diskreditierung hervor (ibd., 35).

Bewertungen funktionieren demzufolge beziehungsstiftend und diskursorganisierend und können der metainformationellen Wissens- und Austauschebene zugeordnet wer- den. Am Beispiel epistemisch motivierter Bewertungen will ich zeigen, daß auch die informationelle Austauschebene beeinflußt werden kann. In gewisser Hinsicht bilden Bewertungen die ״ Voraussetzung [...] für den Austausch (relevanter) Informationen“

(Fiehler 1990, 39; vgl. Yokoyama 1986, 25). Die Herauslösung einer attitudinalen Komponente aus der metainformationellen Wissensebene ist daher genaugenommen nur eine analytische Prozedur.

Der äußerungsimmanente Charakter von Bewertungen

Bewertungen verfügen über eine kognitive und eine emotionale Dimension. Zu analyti- sehen Zwecken sind diese zwar trennbar, in der psychischen Realität existieren sie je- doch nicht isoliert voneinander. Mit anderen Worten: Sowohl kognitiven als auch emo- tionalen Prozessen liegen Bewertungen zugrunde. Ich betrachte Bewertung deshalb als universale gnoseologische Kategorie; Erkenntnis hat m. E. eben nicht nur einen rationa- len, sondern auch einen emotionalen Aspekt. Damit wird Kognition nicht von Bewer- tung getrennt, sondern als eine Komponente im Kognitionsprozeß analysiert. Die Glo- balität des hier vertretenen Bewertungskonzepts hat ihre Wurzeln in der Auffassung, daß Emotion und Kognition ״eher unterschiedliche Akzentuierungen eines einheitlichen psychischen Geschehens ... als scharf voneinander getrennte psychische Prozesse“ dar- stellen (Lantermann 1983, 275).

Bewertungen lassen sich mit Hilfe dreier Strukturkomponenten beschreiben. Sie er- folgen zu X auf der Grundlage von Y als Z (Fiehler 1990, 46). Aus kommunikativer Perspektive sind folgende Bewertungsobjekte (X) denkbar:

- Kommunikationssituation, - Gesprächspartner,

- Sachverhalt, Ereignis (Reiz) - Referent(en),

106 Marion Krause

2 Allerdings faßl Yokoyama den Begriff ״ metainformationell“ weiter, als dies mit der phatischcn Funktion in Jakobsonschem Sinne geschieht:... metainformational function is morc extensive:

no less important than the ,set for contact‘ is the metinformational exchange concerning that part of the knowledge of the discourse situation that enables one to have a correct picture of the interlo- cuter’s knowledge originally located outside this intersection.“ (1986, IS).

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