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61Zum Subjekt von Imperativen

3. Das Phänomen 1. Russisch

Russisch ist offensichtlich die slawische Sprache, in der die Indeklinabilität am weite- sten fortgeschritten und am ausgeprägtesten ist (M učnik 1971, 254ff.). Wir können hier folgende Gruppen von Indeklinablen unterscheiden:

3.1.1. Fremdwörter, die auf Vokal enden: амплуй, альпака, форте, шоссе, алиби, такей, гетто, метро, иглу, рагу.

Jene auf /і/ und /и/ entsprechen klar keinem Grundformtyp einer russischen Deklina- tionsklasse. А м плуа ist wie gesagt indeklinabel, weil die Abtrennung des /a/ einen vo- kalischen Stammauslaut hinterlassen würde, шоссе mit betontem /е/ hat ebenfalls kein Vorbild im modernen Russischen, denn alle weichen Neutra sind stammbetont (wie море), d.h. für diese Wörter können wir die Phonologie für die Indeklinabilität verant- wörtlich machen. Bei альпака, ф орт е, м ет ро, гет т о и. ä. hingegen ist dies nicht möglich. Alle drei Vokale entsprechen den Endungen der Grundform russischer Dekli- nationsklassen. Dabei stellt der Fall альпака die Ausnahme dar: Fremdwörter auf /а/

deklinieren im allgemeinen nach der 2. Deklination, z. В . auch okkasionelle Entlehnun- gen wie тосиба (купила тосибу), vor allem wenn es sich um Appellativa handelt. Die Indeklinabilität von auf /о/ oder /e/ endenden Fremdwörtern hingegen ist produktiv und

1 Bei ausländischen Frauennamen wie Claudia kann es doch noch zu dieser Anpassung kommen (s.

Kalakuckaja 1984,75f.), dabei spielt jedoch m. E. die Nähe dieses Namens zum russischen Клав- дия eine nicht unbeträchtliche Rolle.

т о ), с коф еем , в м ет ре als immer unannehmbarer erscheinen. Am Anfang dieses Jahrhunderts wurden solche Deklinationsformen zwar nicht als Standard eingestuft, fan- den sich aber in der gehobenen Umgangssprache z.B . N. S. Trubetzkoys (M učnik 1971, 26 lf.), heutzutage hingegen können sie nur noch scherzhaft oder zur Stilisierung ungebildeter Sprache im Standard eingestreut werden (ebd., 266).

Es lassen sich hier drei Faktoren ausmachen, die mehr oder weniger zur Indeklinabi- lität beitragen: die Fremdheit, der vokalische Auslaut und die Deklination, welcher dieser eventuell zuzuordnen wäre (vgl. Graudiņa 1980, 150f.).

3.1.2. Eine zweite sehr ähnlich gelagerte Gruppe stellen fremde Orts- und Ländernamen dar, die auf Vokal (außer /а/, /1/) enden: Кале, Сухуми, Б рно, Б аку, Сьерра Л еоне, М али, Конго, Перу usw. Wieder fallt auf, daß auf /е/ oder /о/ endende Wörter wie die meisten anderen Vokale (außer /а/, /1/) behandelt werden, obwohl sie einer russischen Grundform entsprechen würden. Davon sind sogar slawische Städtenamen wie Brno oder Gródno betroffen. Von fremden Städtenamen auf /a/ ist zu sagen, daß auch sie zur Undeklinierbarkeit neigen, wenn sie nicht allgemein bekannt sind und außerhalb des Territoriums der ehemaligen Sowjetunion liegen (Graudiņa 1980, 153ff.), und auch be- kannte ״ inländische“ Städtenamen wie А лм а -А т а variieren jetzt angeblich zwischen Deklinierbarkeit und Undeklinierbarkeit. Vielleicht ist auch hier (wie übrigens bei den Appellativa) die Endbetonung ein fördernder Faktor.

3.1.3. Eine weitere relativ leicht beschreibbare Gruppe stellen die diversen Abkürzun- gen dar. Abkürzungen aller Art sind im allgemeinen undeklinierbar . Wesentlich ist daei auch, daß sie das Genus ihres semantischen Kopfes behalten.

Buchstabeninitialwörter: СССР, СНГ, ЦК, В Д Н Х Lautinitialwörter: РО СТА, ГА И , Ж ЭК, МИД, ТАС С Initialsilbenwörter: гороно, сельпо

entlehnte: Ю НЕСКО, ФИФА, Н АТО

zusammengesetzte Initialsilbenwörter: завкафедрой, замдиректора

Abgesehen davon, daß Abkürzungen in allen Sprachen ein Fremdkörper sind, dürfte im Russischen auch der Faktor der häufigen Nichtübereinstimmung von Genus und Grund- form hier eine Rolle spielen. Gemeint ist das Faktum, daß Wörter, die auf Konsonant enden, im Russischen prototypisch maskulin, jene, die auf /a/ enden, prototypisch fe- minin und jene auf /0/ prototypisch neutral sind.

Tatsächlich ist die Indeklinabilität von Abkürzungen ein graduelles und variations- reiches Phänomen, (vgl. Šanskaja 1964, Doleschal 1993, 1995). Abkürzungen, die auf Konsonant enden wie Ж Э К , М И Д , werden nämlich in der Umgangssprache häufig nach der 1. Deklination dekliniert, wobei sie gleichzeitig auch ihr Genus verändern.

Auch замдирект ора entwickelt ein eigenständiges Deklinationsparadigma: G: -a, D:

-и, А: -а, I: - о т , P: -e.

2 Ausgenommen die sogenannten ,,Kopf-Schwanzwörter", die ihre ursprüngliche Endungsstruktur behalten wie торгпредство, мопед.

Indeklinabilität 67

Die auf Vokal endenden Abkürzungen ändern zwar oft ihr Genus (besonders jene auf /о/ und /e/ werden Neutra), bleiben aber stets indeklinabel. Auch Fälle wie РО С ТА gel- ten im allgemeinen als indeklinabel (Graudiņa 1980, Šanskaja 1964), aber m .E. gibt es über auf /a/ endende Abkürzungen keine zuverlässigen Materialien aus Umgangs- sprachlichen Quellen, wo möglicherweise Variation anzutreffen wäre. Meine eigenen Beobachtungen zeigen, daß solche Abkürzungen äußerst selten in der gesprochenen Sprache Vorkommen.

Auch hier bestätigt sich in gewisser Form das bereits gewonnene Bild, daß vokali- scher Auslaut zusammen mit einem weiteren Faktor zur Indeklinabilität führt, während konsonantischer Auslaut eher die Deklinierbarkeit begünstigt.

3.1.4. Es gibt jedoch auch konsonantisch auslautende Wörter, die keiner Deklination zu- geführt werden können: weibliche Namen und Personenbezeichnungen, die auf Konso- nant enden wie м исс, миссис, ф рейлейн, Дагмар, Карин, Дж ейн und alle weiblichen Familiennamen dieses Typs wie Шур, З а л и зн я к , Д о леш а ль usw. Hier kommt es of- fensichtlich zu einem noch heftigeren W iderspruch zwischen Genus und Grundform bzw. möglicher Deklination als bei den Abkürzungen, denn dieser Widerspruch ist un- auflöslich: Diese W örter werden nie dekliniert.

Es ist interessant anzumerken, daß in früheren Sprachstufen biblische Namen wie Руфь, Рахиль, Эсфирь sehr wohl dem russischen Flexionssystem angepaßt wurden, in- dem ihr Stammauslaut als weicher Konsonant interpretiert wurde und sie somit der 3.

Deklination zugeordnet werden konnten. Im modernen Russischen ist sowohl dieser morphonologische Anpassungsmechanismus verschwunden, als auch die Möglichkeit der Eingliederung inhärent weich auslautender Familiennamen wie z. В . meines eigenen in die 3. Deklination.

Bei den weiblichen Familiennamen bewegen wir uns bereits aus den exotischeren Gebieten des Wortschatzes, dem Bereich der Fremdwörter und Abkürzungen, auf ge- nuin russisches Gebiet vor, denn auch russische Familiennamen wie Бегун bleiben in- deklinabel, wenn sie sich auf Frauen beziehen. Abgesehen davon gibt es eine Reihe w eiterer russischer Familiennamen, die heute nicht dekliniert werden können, wie Ж иваго, Д о лги х , die als erstarrte Genitivformen behandelt werden (aber nicht immer wurden, vgl. Kalakuckaja 1984, 54), sowie auch russische und ukrainische, die auf /о/

enden wie Д ы б о , Шевченко.

Es kehrt hier unser Anfangsthema (3.1.1.) wieder: Auf /о/ endende Substantive wer- den, wenn es einen behindernden Faktor gibt, nicht dekliniert. Der behindernde Faktor, der wohl auch gleichzeitig für die Indeklinabilität ererbter slawischer Männemamen wie Садко, Я н к о verantwortlich ist, ist m E . folgender: Eine Grundform auf /о/ zeigt im Russischen prototypisch das Neutrum an, die Zugehörigkeit belebter Substantive zu die- sem Genus wurde jedoch im Laufe der Geschichte des Russischen beinahe vollkommen ausgemerzt. Es kommt daher auch hier wieder zu einem Widerspruch zwischen außer- sprachlich bestimmtem Genus und möglicher Flexionsklasse, genauer gesagt zwischen dem Subgenus belebt-maskulin und der Flexionsklasse.

Einen ähnlichen W iderspruch finden wir auch bei männlichen Namen auf /a/, die nach der 2. Deklination deklinieren (würden). Die Situation ist hier jedoch komplizier- ter. Denn einerseits ist zwar die 2. Deklination mit Grundform auf /a/ die prototypisch

feminine, andererseits dringt das maskuline Genus immer mehr in diese Deklination vor (wie an Hypochoristika wie А леш а, an Communia wie умница, an durchsichtigen Suf- fixen wie -ина in домина zu ersehen ist). Diese uneindeutige Situation führt zu Varia- tion bezüglich der Deklinierbarkeit, insbesondere bei Familiennamen auf /a/: Im allge- meinen werden fremdere3 Namen wie Гамсахурдиа nicht dekliniert, bekanntere wie Окудж ава schon. Dazwischen gibt es aber eine Palette komplexer Faktoren, auf die hier nicht eingegangen werden kann (vgl. dazu Kalakuckaja 1984, 62ff.). Es kommt in der Folge auch dazu, daß sogar weibliche Familiennamen auf /a/ nicht dekliniert wer- den, wie im Falle von Jane Fonda: Намерения Джейн Фонда бы ли серьёзны.

3.1.5. Als letzten Typ der Indeklinablen im Russischen sind die ererbt russischen Orts- namen auf -ин о und -oeo anzuführen, wie П ер ед елки н о , П ерово. Dieser Typ von Ortsnamen zeigt große Variation bezüglich seiner Deklinierbarkeit, wird aber zuneh- mend von der Indeklinabilität erfaßt (Graudiņa 1980, 158). Dies ist einigermaßen ver- wunderlich, da es doch keinen deklinationsbehindernden Faktor zu geben scheint, der zu Deklinationsklasse bzw. Auslaut auf /о/, /е/ hinzutreten würde. Es wird jedoch in der linguistischen Literatur (z.B . Mučnik 1971, 272) darauf hingewiesen, daß ein solcher Grund einmal bestanden hat: Im 2. Weltkrieg wurden Befehle ausgegeben, Ortsnamen in militärischen Nachrichten nicht zu deklinieren, damit es zu keinen Verwechslungen kom m e. Davon sind besonders solche O rtsnam en betroffen wie П у ш к и н und П уш кино, Репин und Репино, deren oblique Kasus bis auf den Akkusativ homonym sind. Interessant ist dabei, daß die auf Konsonant endenden maskulinen Ortsnamen die- ses Typs in der Standardsprache voll deklinierbar bleiben, während jene, die auf /о/, /е/

enden, durch die Militärpraxis in ihrer Deklinierbarkeit beeinträchtigt wurden.

3.1.6. Zwischenbilanz: Es zeigt sich sehr deutlich, daß die Deklinationsklassen im Rus- sischen bezüglich ihrer Fähigkeit neue Wörter aufzunehmen, unterschiedlich produktiv sind. Dies bestätigt einerseits die lange vertretene These von der allgemeinen Unpro- duktivität der 3. Deklination (кост ь), andererseits in gewisser Weise die These von der Unproduktivität des Neutrums (wie sie von Obnorskij formuliert wurde, s. Mučnik

1971, 194-205). Es stimmt jedoch nicht, daß das Neutrum als Genus unproduktiv ge- worden ist: Tatsächlich wird es ja durch die Indeklinabeln immer mehr bereichert, aber die für das Neutrum im Russischen prototypische Deklinationsklasse ist praktisch nicht mehr produktiv: Sie nimmt nicht nur keine neuen W örter auf, sondern verliert sogar ur- spninglich nach ihr flektierende Substantive wie Hypochoristika auf -ко und Ortsnamen auf -иноі-ово4.

Auch die 2. Deklination zeigt sich weniger produktiv als der konsonantisch auslau- tende Untertyp der 1. Deklination. Denn sowohl bei den Fremdwörtern, fremden O rts­

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3 Dabei ist unter ״ fremd“ und ״ bekannt" auch der Ausschluß bzw. die Zugehörigkeit zur eigenen Sphäre zu verstehen. Aus diesem Grund wird etwa ein allgemein bekannter Name wie Б ерия oft nicht dekliniert.

4 Einschränkend muß hier darauf hingewiesen werden, daß sowohl die 3. als auch die 1. Deklination auf /о / durch die ihnen angehörigen produktiven Suffixe -ость, -ение u.a. beschränkt produktiv sind.

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namen, Familiennamen als auch den Abkürzungen werden auf /a/ endende Wörter nicht automatisch dekliniert. Die 1. Deklination mit konsonantischem Auslaut erweist sich als die robusteste: Sie kann nur in einem Fall überhaupt nicht zum tragen kommen: Wenn auf Konsonant endende Substantive Frauen bezeichnen.

Damit kommen wir zum wichtigsten außersprachlichen Faktor der Indeklinabilität im Russischen: dem Geschlecht, sprachlich vermittelt durch die Kategorien Genus und Be- lebtheit. Offensichtlich sind im modernen Russischen die Deklinationen sehr stark mit dem Genus verbunden, und bei einem Konflikt zwischen außersprachlich bestimmtem G enus und m orphologisch m öglicher Deklinationsklasse (oder ״ m orphologischem Genus“ , Zaliznjak 1967) ist in den meisten Fällen das Genus der stärkere Faktor5. Dies gilt mutatis mutandis auch für Abkürzungen, bei denen die Genuszuweisung zwar in- nersprachlich ist, aber unabhängig von der Grundform bzw. der dieser zugeordneten Deklinationsklasse.

3.2. Tschechisch

Im Vergleich mit dem Russischen besitzt Tschechisch ein viel größeres Potential, Wör- ter, insbesondere Substantive, zu deklinieren6.

Nach Auskunft der tschechischen Akademiegrammatik sind im Tschechischen nur Fremdwörter indeklinabel und zwar in folgenden Fällen:

3.2.1. W enn sie auf einen Langvokal enden, genauer gesagt, wenn sie bei der Ent- lehnung so interpretiert werden wie z.B . angaim á, apartm á, drazé, kupé, p la tó , roló, ragù, sári (letzteres nur weil das /г/ nicht weich ist). Im Prinzip könnten, von einem rein strukturellen Standpunkt, jene auf langes /a/ oder /е/ auch in die adjektivische Deklina- tion eingeordnet werden, was jedoch nicht geschieht. Hierbei ist noch zu sagen, daß be- lebte auf langes /i/ wie kád(, m uftì durchaus (wie weiche Adjektive) dekliniert werden, wie überhaupt die Einordnung belebter Substantive produktiver sein dürfte als jene un- belebter (deklinierbares kuli, kakadu vs. indeklinables alibi, tabu). D. h . es werden im Tschechischen auch Substantive dekliniert, die keinem einheimischen Grundformtyp entsprechen.

3.2.2. Dies ist besonders auch bei den fremden Namen bemerkenswert: Tschechisch hat keine Schwierigkeiten Basilio und Boccaccio zu deklinieren, ebenso dekliniert es Dag- mar, Ingrid. Einige auf Konsonant endende weibliche Namen wie Rachel, Dolores, Lju- bov sind jedoch auch im Tschechischen indeklinabel - interessanterweise u.a. jene, die im Russischen dekliniert werden können. Weiters sind bei den weiblichen Namen auch solche auf /i/ wie Bety, Fany indeklinabel und variant auch auf Langvokal endende wie Ildikó.

5 außer in jenen Fällen, wo Abkürzungen deklinierbar und gleichzeitig maskulin werden.

6 Ich stütze mich hier ausschließlich auf die Angaben der M luvnicc češtiny, die ich weder erweitern noch durch eigene Anschauung bestätigen kann. Franz Schindler hat mich darauf hingewiesen, daß sich in der Umgangssprache viele indeklinable Adjektive finden lassen, z. B .fa jn wie in moc fa jn flo vfk.

3.2.3. Bei den fremden Ortsnamen ist die Indeklinabilität etwas stärker ausgeprägt: Auf Langvokal oder /е/, /і/, /и/ endende werden oft nicht dekliniert: Roubaix, Bordeau, Wa- terloo, Timbuktu, Sydney, Frunze sowie einige idiosynkratische: Lille, Dieppe, Bourges, H am eln, Buenos Aires, Los Angeles, letztere beide nach Angabe der Mluvnice öeStiny wegen ihrer pluralischen Form. Das weist darauf hin, daß im Tschechischen viel mehr als im Russischen auf die morphologische Struktur der Wörter der Gebersprache geach- tet wird (auch Stammaltemationen wie bei muze-um,-a, centurio, -iona belegen dies).

3.2.4. Schließlich bleiben auch viele auf Kurzvokal (außer /of) endende Fremdwörter in- deklinabel wie die Neutra: alibi, delta, tabu, auch solche, die eigentlich in die weiche Neutradeklination einordenbar wären wie faksim ile, penale (nach more). Es handelt sich dabei fast ausschließlich um unbelebte (außer lady).

3.2.5. Die Verhältnisse im Tschechischen sind also anscheinend weniger klar als im Russischen. Es lassen sich aber einige Ähnlichkeiten feststellen: Von der Indeklinabili- tat sind in erster Linie Fremdwörter a u f Vokal betroffen, besonders unbelebte. Im Unterschied zum Russischen zeigt das Tschechische ein starkes Bestreben, belebte Sub- stantive zu deklinieren. Die Toleranzgrenze für die phonologische Inkompatibilität ist insgesamt höher als im Russischen, vor allem werden Fremdwörter (Appellativa) auf /о/

offensichtlich immer dekliniert, was auf die Produktivität dieser Deklination (mèsto) im Tschechischen schließen läßt. Gleichzeitig läßt die Indeklinabilität von Neutra auf /е / au f die Unproduktivität der Deklination des Typs more schließen. Auch die a- Deklination ist im Tschechischen produktiver als im Russischen, denn sie nimmt z.B.

fremde Namen wie Dagmar auf. Gleichzeitig zeigt sie aber auch eine Tendenz zur Un- Produktivität, da ihr nicht automatisch alle auf /a/ endenden Fremdwörter zugewiesen werden (delta). Daß auf Konsonant endende Frauennamen der a-Deklination und nicht dem Typ kost zugewiesen werden, läßt wieder Rückschlüsse auf die Produktivität dieser Deklination zu. Ansatzweise zeigt das Tschechische auch die Tendenz des Russischen, weibliche Namen auf Konsonant nicht zu deklinieren, also der Diskrepanz zwischen Grundform und Genus Rechnung zu tragen.

3 3 . Kurze Anmerkung zum Polnischen

Im Polnischen werden maskuline Personenbezeichnungen indeklinabel, wenn sie auf eine Frau referieren, z.B . nasza redaktor zachorowała, naszej nowej redaktor (Weiss

1991).

Dieses Phänomen hat dieselben Voraussetzungen wie die Indeklinabilität weiblicher Familiennamen auf Konsonant im Russischen, aber es wirkt sich bei einer anderen Gruppe von Wörtern aus - nämlich bei Appellativa, wo Russisch das im allgemeinen nicht zuläßt (oder noch nicht).

4. Schluß

Es scheint also der Fall zu sein, daß in den slawischen Sprachen der Zusammenhang von Genus und Flexionsklasse sehr stark ausgeprägt ist - insofern hat es auch Sinn von morphologischem Genus zu sprechen - und daß diese Interdependenz immer stärker

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ausgebildet wird, in erster Linie im Russischen, aber auch im Polnischen und weniger aber ansatzweise doch auch im Tschechischen. Weiters läßt die Integrierbarkeit von Fremdwörtern in bestehende Deklinationsklassen Aussagen über die Produktivität die- ser Deklinationen zu.

Ich möchte an dieser Stelle allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen des Treffens in Hamburg für ihre weiterführenden Hinweise danken, die ich jedoch in diesem Beitrag noch nicht berücksichtigen konnte.

Literatur

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und Österreich. II. Jungslawistlnnen-Treffen Leipzig 1993. 5. 75-96. (Wiener Slawistischer Almanach Sonderband 37)

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L o k a l i s a t i o n : T e s t v e r f a h r e n u n d p r o z e ß o r i e n t i e r t e M o d e l l i e r u n g

Björn Hansen, Hamburg

1. Fragestellung

In dem vorliegenden Beitrag möchte ich mich mit der funktionalen Kategorie der Loka- lisation beschäftigen. Diese verstehe ich, wie andernorts bereits dargelegt (Hansen, in Druck a), als eine Superkategorie des Satzes, die die Referenz des Nomens und die Epi- sodizität des Verbs beinhaltet. Meine Frage lautet nun, wie der Lokalisationsstatus der sprachlichen Einheiten im Satz zustande kommt; d. h . mich interessiert, welche sprach- liehen Mittel bei der Festlegung des Referenzstatus eines Nomens und der Episodizität des Verbs beteiligt sind. In einem Satz wie Ребенок съел мороженое haben wir es mit spezifischer Referenz der beiden Nomen ребенок und мороженое sowie einem episo- dischen Verb zu tun. Wie kommt es dagegen, daß in dem Satz Д ет и лю бят мороже- ное beide Nomen allgemein, also auf die ganze Klasse, referieren und ein nichtepisodi- sches Verb vorliegt? Welche sprachlichen Faktoren bedingen die unterschiedlichen Interpretationen? Werfen wir zunächst einen kurzen Blick in die Forschungsliteratur.