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Platzack/Rosengren: ״On the Subject of Imperatives44

43Genetiv-Akkusativ

2. Platzack/Rosengren: ״On the Subject of Imperatives44

seits, die verschiedenen Realisienmgsformen direktiver Äusserungen andererseits vor- gestellt. Da im Ergebnis dieser Überlegungen die behauptete enge Verknüpfung zumin- dest für das Russische wenig plausibel erscheint, werden im letzten Abschnitt andere Lösungsmöglichkeiten angerissen.

2. Platzack/Rosengren: ״On the Subject of Imperatives44

2.1 Die Autoren benennen zunächst (26f.) drei in der Literatur häufiger festgestellte Be- Sonderheiten des Imperativs, (1) den Umstand, daß in vielen Sprachen die Imperativ- form des Verbs morphologisch sehr ״meagre“ sei, sich häufig auf den Stamm reduziere;

(2) den Umstand, daß das Subjekt nie obligatorisch zu sein scheint und (3) den Um- stand, daß Imperativsätze nicht syntaktisch einbettbar seien. Ihr Interesse konzentriert

Horst Dippong: Zum Subjekt von Imperativsätzen in: Dippong, H. {edy. Linguistische Beitrage zur Slavistik.

München. Sagner 1995. S. 47-61

sich auf den zweiten Punkt, während sie sich in Hinblick auf den dritten Punkt mit we- nigen Spekulationen begnügen.

Platzack/Rosengrens zentrale Hypothese lautet, daß Imperativsätze kein syntaktisches Subjekt im Sinne einer AgrS-Projektion besitzen1. Während also indikativische Sätze mit einem - im gewählten Falle transitiven - Verb eine vereinfachte Struktur besitzen wie in (2-1) dargestellt, wäre diese auf Imperativsätze angewandt unzulässig, da diese laut Hypothese keine AgrS-Konstituente mit Projektionen besitzen.

(2-1) Indikativische Struktur:

AgrSP .

/ \

48 Horst Dippong

AgrS’

/ \

SpecAgrS

AgrS

A

AgrOP

VP

/ \

SpecV v ״ [DP]

Neben der fehlenden AgrS-Konstituente verzichten Platzack/Rosengren auch auf die Tempuskonstituente - ״ Imperatives do not seem to be related to time (...), so we assume that there is no tense-feature in their lexical entry and hence no T P ‘ (31) -, so daß sie letztlich zu einer Struktur gelangen, die sich stark von der indikativischer Sätze unter- scheidet. Inwieweit sie mit der Annahme einer fehlenden AgrS-Konstituente in Wider- spruch zu dem oben erwähnten Verallgemeinerten Projektionsprinzip stehen, diskutie- ren die Autoren nicht, allerdings scheint diese Frage nicht vorrangig klärungsbedürftig im Hinblick auf ihre Auffassung, daß das entsprechende Verbargument, Imppro be- nannt, als SpecV direkt unter VP situiert sei, wo es nach Numerus und Person, nicht aber nach Kasus spezifiziert sei - den Kasus könnte es bekanntlich nur von AgrS erhal- ten, resp. der Kasus müßte in AgrS überprüft werden2, was in Ermangelung dieser Kon- stituente ausgeschlossen ist. Dementsprechend vertreten sie - These 2 - die Auffassung,

1 ״The thesis we want to defend in this paper is that there is no syntactic subjekt in imperative clau- ses, in the sense that there is no AgrsP projection, although there is a syntactic representation of the corresponding argument o f the imperaüve verb within VP* (28).

2 In der derzeit vorherrschenden Variante der generativen Grammatik wird davon ausgegangen, daß die Lexeme voll spezifiziert aus dem Lexikon in die syntaktische Struktur eingegeben werden, wo- nach sie durch verschiedene Position hindurchzubewegen sind, wo diese Spezifizierungen über- prüft werden (״checking theory“). Dementsprechend würde der Kasus Nominativ in AgrS über- prüft. Da bei Fehlen von AgrS der Kasus nicht überprüft werden kann, andererseits aber auch kei- ne kasuslosen NPs phoneüsch Gehalt haben dürfen (Kasusfilter) folgert hieraus, daß Imppro nie phonetisch Gehalt haben kann: was immer wie ein Subjekt aussehen mag, es kann nicht eine Rea- lisierung von Imppro sein.

00056456

daß die in vielen Sprachen zu findenden Imperativpronomen insbesondere der 2. Person keine overten Realisatoren von Imppro darstellen3. Deren Platz befinde sich in der Spe- zifizierer-Position der DP, als deren Kopf Imppro angesetzt wird. Als dritte These darf die Auffassung betrachtet werden, daß Imperative universellerweise in einer Satztyp- Projektion SP, die ihrerseits mit dem semantischen Satzmodus assoziiert ist (vgl. das nachstehende Zitat), oberhalb von VP überprüft werden müssen. Während der Verfasser sich mit der zweiten (״ Ungleichungs-“) Hypothese problemlos identifizieren kann und gegen die erste (״ Kein-AgrS-“) Hypothese eher metatheoretische und methodologische Einwände vorzutragen hat, wird sich herausstellen, daß diese dritte Hypothese in An- wendung auf das Russische sehr problematisch ist. Zentral für diese Hypothese ist die Negierung eines Zusammenhangs von verbalem Modus und Satztyp (mit assoziiertem Satzmodus), die in der vorliegenden Arbeit nur recht kurz in einer Fußnote ausgeführt wird. In Anbetracht der Bedeutung dieser Auffassung für das Untenstehende soll diese ausführlicher wiedergegeben werden.:

״ SP must not be mixed up with the Mood Phrase suggested recently by se- veral scholars (...) as a modality projection responsible for verbal mood fea- tures. SP carries the relevant sentence type features (...) defining the sen- tence type syntactically, and is associated with semantic sentence mood fea- tures. Hence independently of main or constituent clause status, there is an SP in the extended projection of the verb, defining it as declarative, interro- gative, or imperative. The difference between imperatives on the one hand and declaratives and interrogatives on the other is found in the fact that the imperative verb has a specific imperative feature (a sentence type feature), whereas in declaratives and interrogatives the verb is indicative or subjunc- tive, these features being just verbal mood features, not sentence type fea- tures. From this difference it follows among other things that the verb in de- claratives and interrogatives does not signal sentence type.“ (28, Anm. 6)

Diese Argumentation enthält einige problematische Punkte, auf die hier nicht näher ein- gegangen werden kann, hierzu bedürfte es einer ausführlicheren Auseinandersetzung mit den Arbeiten Rosengrens der vorausgegangenen Jahre, insbesondere Brandt et al.

1992 und Rosengren 1993. Kaum zu bestreiten ist sicherlich, daß der verbale Modus - Indikativ, Konjunktiv, an anderer Stelle finden sich in dieser Reihe auch der Optativ - keine hinreichende Anweisung für den zu realisierenden Satztyp/Satzmodus4 darstellt.

Dem Imperativ als Satzmodus eine Sonderrolle zuzuschreiben, die Imperativform des Verbs als Realisierung eines Satztyp-Merkmals und nicht als Realisierung des verbalen Modus zu betrachten ist jedoch zumindest voreilig, behauptet dies doch letztlich, daß

Zum Subjekt von Imperativen 49

3 ״We will also argue that the imperative pronoun in the second person is not an overt realization of Imppro, suggesting instead that it is syntactically realized in a specifier position within the extend- ed projection of Imppro“ (ebd.). Die Ungleichung ״ Imperativpronomen * Imppro“ erschwert gele- gentlich die Lektüre überflüssigerweise.

4 Zweifelsfrei sind Satztyp als formal-strukturelle und Satzmodus als semantische Größe üblicher- weise streng auseinanderzuhalten. Im Falle des Imperativsatzes scheint diese Unterscheidung auf- grund deren enger Verknüpfung jedoch läßlich.

wohl als Konsequenz angesehen werden, wenn das, was zu einer Markierung des Verbs als imperativisch führt, als Sentence type feature mit S°=IMP betrachtet wird6.

Die bisherigen Überlegungen führen die Autoren zu einer universalen Struktur von Imperativsätzen folgender Gestalt:

5 ״The absence of a subject on the one hand and the status of Imppro and the imperative pronoun (in cooperation with the imperative verb) on the other determine the pragmatic functions of the impe- rative clause, in illocuüonary terms, its function e.g. as a directive.28) ״ ) - Da die behauptete Sub- jektlosigkeit wie Status von Imperativpronomen und Imppro vom Satztyp abhängt (und nicht be- dingt: Imperativpronomen und Imppro kommen anscheinend nur in diesem Satztyp vor, sind also nicht ״ frei“), zugleich das Verb laut Hypothese ein Satztyp-Merkmal besitzt, so ergibt sich, daß das imperativische Verb letzüich allein für die direktive (oder z. В . permissive) Funktion verant- wörtlich ist. - Vgl. auch: ,Zwischen [dem Satztyp] Imperativsatz und Imperativverbmodus besteht ein 1: !-Verhältnis“ (Rosengren 1988, 7); in der gleichen Arbeit werden auch die Satztypen zu den grundlegenden Satzmodi Deklarativmodus, Interrogativmodus und Imperativmodus zusammenge- fasst (Rosengren 1988, 24).

6 Wir werden uns unten ausschliesslich mit dem Zusammenhang direktive Äuserungen - imperativi- sehe Verbform befassen und nicht auf die weitere Argumentation in bezug auf den Sonderstatus von Imperativen eingehen. Tatsächlich ist, wie schon angedeutet, die Argumentation für die ein- zelnen Thesen interdependent bis zur Zirkularität. So argumentieren die Autoren ausgehend von der zweifelsohne richtigen Beobachtung, Imperativsätze müßten ״ in some way or other distinguish between the addressee being the actor and the addressee being the person spoken to“ (31), daß Im- perativsätze nicht die funktionale Position SpecAgrSP besäßen, woraus wiederum folgere ״ that the imperative clause does not refer to the addressee as the person spoken about“. Man mag sich zum einen fragen, ob nicht in jedem Satz (wenigstens in der 2.Person) das Problem besteht, ob und wenn ja wie addressee und actor auseinanderzuhalten sind (ты не прав!). Wichtiger jedoch: man mag sich fragen, ob nicht der Umstand, daß in Imperativsätzen nicht auf den actor sondem auf den addressee verwiesen wird, erst der Auslöser für die Überlegung ist, daß vielleicht die AgrS-Konsti- tuente fehlen könnte. Setzen wir aber erst einmal voraus, daß nicht der actor erscheint, können wir auch nach anderen Wegen fragen, wie strukturell ein Erscheinen des actors ausgeschlossen werden könnte.

Als weitere Eigenschaft von Imperativsätzen wird, wie bereits erwähnt, deren fehlende Einbett- barkeit bezeichnet, die wiederum mit der fehlenden AgrS-Konstituente erklärt wird: ״ If embedd- ing always requires a clause, where the argument in SpecVP in some way or other must be check- ed in AgrsP, then imperatives cannot be embedded“ (33) - Die Erklärung bedarf einer Zusatzan- nähme, die zwar plausibel scheint, aber doch auf ein recht weites und grundsätzliches Feld ver- weist, als daß man sie so problemlos in die Argumentation einführen kann. Tatsächlich scheint aber auch die Evidenz für die Nicht-Einbettbarkeit auf eher schwachen Füßen zu stehen. So wird als Beleg für das Deutsche angeführt Ich bitte Dich, sitz still a u f dem Stuhl! und per Asterisk als ungrammatisch erklärt. Bei aller Problematik mit Muttersprachler-Urteilen: der genannte Satz ist für den Verfasser jedenfalls durchaus korrekt. Daruberhinaus stellen Konstruktionen mit Verba di- cendi ein gewisse Grauzone dar: Ich sage Dir zum letzten mal, laß das sein! - bei denen der impe- rativische Satz eine Argumentstelle des übergeordneten Verbs auszufüllen scheint. - Es scheint kein zwingender logischer Zusammenhang zwischen der Sonderstellung des Imperativsatzes qua behaupteter AgrS-Losigkeit einerseits und Sentence-type-feature des Verbs (anstelle verbal-mood- feature) andererseits zu bestehen. Daher muß ein Verzicht auf die eine Behauptung nicht zum Verzicht auf die andere führen. Allerdings schwächt ein solcher Verzicht die Plausibiltät der be- haupteten Sonderstellung.

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