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Steuerliche Besonderheiten bei der Folgebewertung

3 Gewinnkonzeption der Steuerbilanz

3.4 Bewertungsvorschriften

3.4.2 Folgebewertung von Aktiva

3.4.2.3 Steuerliche Besonderheiten bei der Folgebewertung

Wirt-schaftsgütern des Anlagevermögens

Aufgrund zahlreicher steuerlicher Sonderregelungen hinsichtlich der Nutzungs-dauer und der zulässigen Abschreibungsverfahren sowie aufgrund von Unterschie-den in der Zugangsbewertung können sich folgende Durchbrechungen der Maß-geblichkeit ergeben:

 Die Bemessungsgrundlage der steuerlichen AfA sind i.d.R. die Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Da sich bezüglich dieser Bewertungsmaßstäbe han-dels- und steuerrechtliche Unterschiede ergeben können, unterscheidet sich ggf. auch die Bemessungsgrundlage der steuerlichen AfA von der der handels-rechtlichen Abschreibungen.

 Die Nutzungsdauer der steuerlichen AfA ist in sog. AfA-Tabellen normiert.

Handelsrechtlich ist hingegen die (betriebsindividuelle) wirtschaftliche zungsdauer relevant. Daher können die in den AfA-Tabellen normierten Nut-zungsdauern274 nicht generell für handelsrechtliche Belange herangezogen werden.275

 Die aufgrund des BMF-Schreibens vom 26.2.2021 für digitale Wirtschaftsgü-ter auf ein Jahr verkürzte „betriebsgewöhnliche“ Nutzungsdauer ist nicht das Ergebnis von betrieblichem Erfahrungswissen, sondern eine politisch begrün-dete Liquiditätsverbesserung.276 Damit wird diese Nutzungsdauerverkürzung i.d.R. nicht den GoB entsprechen und darf nicht automatisch in der Handelsbi-lanz erfasst werden.277

 Weiterhin existieren Sonderregelungen für den Geschäfts- oder Firmenwert, für Gebäude und für GWG:

 Der Geschäfts- oder Firmenwert ist steuerlich linear über eine Nutzungs-dauer von 15 Jahren abzuschreiben (§ 7 Abs. 1 Satz 3 EStG).278

Wirtschaftsgebäude, die zum Betriebsvermögen gehören und nicht Wohn-zwecken dienen, werden linear – im Zugangs- und Abgangsjahr pro rata

274 Für Gebäude werden steuerlich in § 7 Abs. 4 EStG AfA-Sätze festgeschrieben, aus denen vorgeschriebene AfA-Zeiträume (Absetzungsdauern) berechnet werden können, die aber nichts mit Nutzungsdauern zu tun haben.

275 Vgl. Schubert/Andrejewski (2020), Rz. 231 zu § 253 HGB.

276 Siehe zum Zustandekommen dieser Regelung in BMF (2021c) oben S. 94/95.

277 Vgl. insoweit auch Endert (2021), S. 593.

278 Für Abschlüsse nach dem 31.12.2015 ist gem. § 253 Abs. 3 S. 3f. HGB handelsrechtlich ein entgeltlich erworbener Geschäfts- oder Firmenwert über einen Zeitraum von zehn Jahren ab-zuschreiben, wenn dessen voraussichtliche Nutzungsdauer nicht verlässlich geschätzt werden kann.

temporis – mit einem Abschreibungssatz von 3% pro Jahr (was einer Ab-setzungsdauer von 33 1/3 Jahren entspricht) abgesetzt, sofern der Bauan-trag nach dem 31.03.1985 gestellt worden ist (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG).

 Bei Wohngebäuden oder Wirtschaftsgebäuden, deren Bauantrag vor dem 31.03.1985 gestellt wurde, betragen die Absetzungssätze der linearen AfA o bei Fertigstellung nach dem 31.12.1924: 2 % (Absetzungsdauer 50

Jahre; § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG) und

o bei Fertigstellung vor dem 01.01.1925: 2,5 % (Absetzungsdauer 40 Jahre; § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2b EStG).279

 Im Zuge der Sammelpostenaktivierung von GWG ist der Sammelposten auf das Jahr des Zugangs und die folgenden vier Jahren linear zu verteilen (§ 6 Abs. 2a Satz 2 EStG).280

 Handelsrechtlich sind grundsätzlich alle betriebswirtschaftlich sinnvollen (=

GoB-gemäßen) Abschreibungsverfahren zulässig.281 Steuerlich hingegen exis-tieren diverse Beschränkungen:

 Steuerlich ist im Grundsatz die lineare AfA als Regelmethode anzuwenden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EStG).

 Bei beweglichen Wirtschaftsgütern kann der Steuerpflichtige statt der line-aren AfA die AfA nach Maßgabe der Leistung wählen, wenn dies wirt-schaftlich begründet ist (§ 7 Abs. 1 Satz 6 EStG).282

 Bei beweglichen Wirtschaftsgütern, die nach dem 31.12.2019 und vor dem 1.1.2022 (ebenso wie für solche, die nach dem 31.12.2008 und vor dem 01.01.2011) angeschafft oder hergestellt worden sind, kann der Steuer-pflichtige statt der linearen AfA die geometrisch degressive AfA vorneh-men, wobei der AfA-Satz höchstens das Zweieinhalbfache des (nutzungs-dauerabhängigen) linearen AfA-Satzes und höchstens 25 % betragen durfte (§ 7 Abs. 2 EStG). Ein Übergang von der geometrisch degressiven zur line-aren AfA ist zulässig und notwendig (§ 7 Abs. 3 Satz 1 EStG), nicht hinge-gen umgekehrt (§ 7 Abs. 3 Satz 3 EStG). Die Wiedereinführung der degres-siven AfA für die Wirtschaftsjahre 2020 und 2021 ist coronabedingt und soll Investitionsanreize setzen.

 Für bestimmte Gebäude kann der Steuerpflichtige eine Abschreibung in Form fallender Staffelsätze in Anspruch nehmen (lies § 7 Abs. 5 EStG mit

279 Absetzungen auf einen längeren Zeitraum sind unzulässig („Bei Gebäuden sind … abzuzie-hen“ – § 7 Abs. 4 EStG)! Sollte die Restnutzungsdauer kürzer sein als die Absetzungsdauern aufgrund von § 7 Abs. 4 EStG darf auf die kürzere Restnutzungsdauer abgesetzt werden (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG).

280 Vgl. zur getrennten Behandlung von Sammelposten und GWG sowie zur fehlenden GoB-Konformität nochmals Kapitel 3.3.1, S. 73.

281 Vgl. neben vielen Ernst/Naumann (2009), S. 85.

282 Vgl. zu den Voraussetzungen oben S. 94.

den entsprechenden Voraussetzungen). Bei Baudenkmälern kommt ein spe-zieller Staffelabsetzungssatz zur Anwendung (§ 7i Abs. 1 EStG).

 Im Mietwohnungsneubau (Antrag auf Baugenehmigung nach dem 31.8.2018 und vor dem 1.1.2022) hat der Gesetzgeber mit § 7b EStG eine Regelung für Sonderabschreibungen geschaffen, die der (bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung) Anschaffende oder der Hersteller in Anspruch nehmen kann. Die Sonderabschreibung beläuft sich im Jahr der Anschaf-fung der Herstellung und in den drei Folgejahren auf jährlich 5 % der AfA-Bemessungsgrundlage – neben der AfA gem. § 7 Abs. 4 EStG.283

Steuerliche Besonderheiten bei der außerplanmäßigen Absetzung von Aktiva Handels- und steuerrechtliche Unterschiede bei der außerplanmäßigen Abschrei-bung von Aktiva können sich hinsichtlich des Wertansatzes ergeben:

Handelsrechtlich ist (kein Wahlrecht!) bei Vermögensgegenständen des Anla-gevermögens bei voraussichtlich dauerhafter Wertminderung (gemildertes Niederstwertprinzip) auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB)284, bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermö-gens ist (kein Wahlrecht!) – auch ohne dauerhafte Wertminderung (strenges Niederstwertprinzip) – auf den Börsen- oder Marktpreis, oder, wenn dieser nicht festgestellt werden kann, auf den niedrigeren beizulegenden Wert abzu-schreiben (§ 253 Abs. 4 HGB).

Steuerlich hingegen darf (Wahlrecht!285) im Fall einer voraussichtlich dauer-haften Wertminderung eine Bewertung zum niedrigeren Teilwert vorgenom-men werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).

283 Als eine weitere Nebenbedingung hat der Gesetzgeber in § 7b Abs. 2 Nr. 2 EStG einen Höchstbetrag der Anschaffungs-/Herstellungskosten von 3.000 €/m² Wohnfläche und bezüg-lich der Bemessungsgrundlage der Sonderabschreibung maximal 2.000 €/m² Wohnfläche festgeschrieben. Zudem wird verlangt, dass die Wohnung im Jahr der Anschaffung/Herstel-lung und in den folgenden neun Jahren entgeltlich zu dauerhaften Wohnzwecken vermietet wird (§ 7b Abs. 2 Nr. 3 EStG). Die Sonderabschreibungen sind rückgängig zu machen, wenn die Überlassung zu dauerhaften Wohnzwecken den genannten Zeitraum unterschreitet oder die Wertobergrenzen durch nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten innerhalb der ersten drei Jahre überschritten werden (§ 7b Abs. 4 EStG). Vgl. zu Details auch Kulosa (2021c) zu § 7b EStG.

284 Fehlt eine dauerhafte Wertminderung könnte § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB so gelesen werden, dass eine außerordentliche Abschreibung wahlweise statthaft ist. Lesen wir allerdings Satz 6 von § 253 Abs. 3 HGB stellen wir fest, dass ausnahmsweise eine außerordentliche Abschrei-bung bei nur vorübergehender Wertminderung im Finanzanlagevermögen gestattet wird.

Folglich ist bei dauerhafter Wertminderung von Vermögensgegenständen im Anlagevermö-gen abzuschreiben und darf bei vorübergehender Wertminderung (mit der Ausnahme des Finanzanlagevermögens) nicht abgeschrieben werden.

285 Inwieweit dieses Wahlrecht auch steuerlich zu einer Verpflichtung zum Ansatz des niedrige-ren Teilwerts führt, hängt von der Interpretation von § 5 Abs. 1 Satz 1 letzter Teilsatz EStG ab (…, es sei denn, im Rahmen der Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts wird oder wurde

Hinsichtlich der Dauerhaftigkeit der Wertminderung können sich weitere Unter-schiede ergeben:

 Handelsrechtlich ist beim Anlagevermögen grundsätzlich eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert bei dauerhafter Wertminderung vor-gesehen (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB).286 Bei Finanzanlagen kann (Wahlrecht) auch bei nicht dauerhafter Wertminderung eine Abschreibung vorgenommen werden (§ 253 Abs. 3 Satz 6 HGB). Steuerlich ist eine außerordentliche Abset-zung bei nur vorübergehender Wertminderung generell unzulässig (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).287 Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens ist handelsrechtlich unabhängig von der Dauer der Wertminderung eine außer-planmäßige Abschreibung vorzunehmen (§ 253 Abs. 4 Satz 1 HGB). Steuerlich hingegen bedarf es einer dauernden Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).288

Während beizulegender Zeitwert und Teilwert beim Anlagevermögen i.d.R. iden-tisch sind,289 ergibt sich beim Umlaufvermögen folgender Unterschied:

 Im Zuge der verlustfreien Bewertung und damit der Teilwertabschreibung auf Waren darf steuerlich ein Rohgewinnaufschlag abgesetzt werden.290 Dem fik-tiven Erwerber von Waren oder sonstigen zum Kauf bestimmten Wirtschafts-gütern des Umlaufvermögens würde es nicht genügen, mit dem erfolgreichen späteren Verkaufsakt ein Nullergebnis zu erzielen (= verlustfreie Bewertung).

ein anderer Ansatz gewählt“). Dürfen Wahlrechte generell in der Steuerbilanz isoliert von der Handelsbilanz ausgeübt werden? Oder bezieht sich dieser Satz auf – so auch die Regierungs-begründung zum BilMoG – nur auf GoB-widrige Wahlrechte? Wir neigen bei der Interpreta-tion – vgl. auch oben S. 57-59 – zur lediglich GoB-widrigen Auslegung. Insoweit wäre das Wahlrecht u.E. ein solches, das über die handelsrechtliche außerordentliche Abschreibung formell gebunden ist.

286 Aufgrund des Vorsichtsprinzips ist im Zweifel von einer dauerhaften Wertminderung auszu-gehen.

287 Die Frage, wann eine Wertminderung dauerhaft ist, hat die Finanzverwaltung in ihrem BMF-Schreiben – vgl. BMF (2016b) und oben S. 95-97 – konkretisiert. Dies ist eine Abkehr von der zuvor vertretenen Auffassung. Für weitere Details auch für Teilwertabschreibungen bei anderen Wirtschaftsgütern siehe das o.g. BMF-Schreiben.

288 Auch bei der Teilwertabschreibung existiert, wie schon bei der Bildung von Pensionsrück-stellungen, steuerlich entgegen dem Wortlaut des Gesetzes kein (isoliertes) steuerliches Wahl-recht. Eine dauerhafte Wertminderung beim Umlaufvermögen ist steuerlich insoweit anzu-nehmen, wie die zum Bilanzstichtag festgestellte Wertminderung zum Zeitpunkt der Aufstel-lung der Bilanz anhält; vgl. Kulosa (2021b), Rz. 373 zu § 6 EStG mit weiteren Nachweisen.

289 Vgl. Breithecker/Schmiel (2003), S. 200.

290 Vgl. Breithecker/Schmiel (2003), S. 218 f. Der Terminus „Rohgewinnaufschlag“ ist in der Literatur gebräuchlich, wenngleich es sich eigentlich um einen „Rohgewinnabschlag“ han-delt. Das Wahlrecht ergibt sich aus der Überlegung, dass die Absetzung eines Rohgewinnauf-schlages außerhalb der GoB liegt und damit die Kann-Vorschrift § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG tat-sächlich Wahlrechtscharakter entfaltet und die Maßgeblichkeit nicht durchschlägt. Bzgl. der Interpretation des Gewinns vgl. unseren Hinweis in Fn. 3!

Er möchte einen typischen Gewinn mit seinen Verkaufsaktivitäten erwirtschaf-ten, würde folglich einen unter dem handelsrechtlichen Wertansatz liegenden Teilwert ansetzen.

Ein Auseinanderfallen von Handels- und Steuerbilanz ist ebenfalls im Bereich der Wertaufholung im Rahmen des Geschäfts- oder Firmenwertes denkbar. Handels-rechtlich ist grundsätzlich eine durchgeführte Wertminderung stets insoweit rück-gängig zu machen, als die Gründe für die Wertminderung nicht mehr bestehen (§ 253 Abs. 5 Satz 1 HGB). Dies gilt nicht für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert (§ 253 Abs. 5 Satz 2 HGB). Hier ist der niedrigere Wert beizubehalten.

Steuerlich hingegen existiert ein ausnahmsloses Wertaufholungsgebot (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 und Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG).291

Abbildung 12 auf der Folgeseite fasst die obigen Überlegungen zusammen.