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Folgebewertungsgrundsätze in der Steuerbilanz

3 Gewinnkonzeption der Steuerbilanz

3.4 Bewertungsvorschriften

3.4.2 Folgebewertung von Aktiva

3.4.2.2 Folgebewertungsgrundsätze in der Steuerbilanz

In der Steuerbilanz sind abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zwin-gend um Absetzungen für Abnutzung (AfA gem. § 7 EStG)258 zu vermindern. Als

254 Vgl. beispielsweise Harms/Marx (2020), Fall 31, S. 124-137.

255 Sollten sich Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens zum nächsten Bilanzstichtag noch im bilanzierten Vermögen befinden, müsste stattdessen zwingend über einen Bewer-tungsabschlag für „Ladenhüter“ nachgedacht werden. Vgl. später S. 97.

256 An dieser Stelle stellt sich die – schon auf S. 71, Fn. 190 angeschnittene – Frage, ob eine eigenständige Bewertung eines Geschäfts- oder Firmenwertes überhaupt gelingen kann? U.E.

gelingt weder eine Zuordnung von Aufwendungen zum GoF noch ist dieser einer besonderen Bewertung zugänglich. Damit scheidet u.E. bereits eine außerordentliche Abschreibung aus.

Dann braucht man sich über Zuschreibungen auch keine Gedanken zu machen.

257 Vgl. beispielsweise Teutloff (2013a), Rn. 15 oder Meyer/Theile (2019), S. 134 und auch die dortige Tabelle 52.

258 Steuerlich wird in § 7 EStG von der „Absetzung für Abnutzung“ – kurz AfA – gesprochen.

Handelsrechtlich (aber auch in der BWL) wird die Verteilung der Anschaffungs- oder Her-stellungskosten auf die Laufzeit der Nutzung unter dem Begriff „Abschreibungen“ erfasst.

AfA-Methode sieht § 7 EStG grundsätzlich die lineare AfA vor (§ 7 Abs. 1 Satz 1 EStG). „Bei beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, bei denen es wirtschaftlich begründet ist, die Absetzung für Abnutzung nach Maßgabe der Leis-tung des Wirtschaftsguts vorzunehmen, kann der Steuerpflichtige dieses Verfahren statt der Absetzung für Abnutzung in gleichen Jahresbeträgen anwenden, wenn er den auf das einzelne Jahr entfallenden Umfang der Leistung nachweist“ (§ 7 Abs.

1 Satz 6 EStG).259

Für die Bemessung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauern hat die Finanzver-waltung AfA-Tabellen herausgegeben.260 Das BMF schreibt hierzu folgendes:

„Die Nutzungsdauer ist unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen Ver-hältnisse zu schätzen. Sog. AfA-Tabellen sind ein Hilfsmittel, um die Nutzungs-dauer von Anlagegütern zu schätzen. Die in ihnen festgehaltenen Werte beruhen auf Erfahrungswissen. Die AfA-Tabellen stellen keine bindende Rechtsnorm dar.

Dennoch werden die in den AfA-Tabellen festgelegten Abschreibungssätze so-wohl von der Rechtsprechung, der Verwaltung als auch der Wirtschaft allgemein anerkannt, da sie umfangreiches in der Praxis gewonnenes Fachwissen widerspie-geln.“261 In der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungspraxis kann man fest-stellen, dass Abweichungen von den in den AfA-Tabellen vorgeschlagenen (ten-denziell kurzen) Nutzungsdauern möglich sind aber i.d.R. äußerst akribisch belegt werden müssen.262

Coronazeiten sind allerdings besondere Zeiten. Auf der Suche nach liquiditätsver-bessernden Maßnahmen gab es auch die „Videoschaltkonferenz der Bundeskanz-lerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 19. Januar 2021“ in der beschlossen wurde, dass „[z]ur weiteren Stimulierung der Wirtschaft und zur Förderung der Digitalisierung … bestimmte digitale Wirtschaftsgüter rückwirkend zum 1. Januar 2021 sofort abgeschrieben (werden dürfen). Damit können insoweit die Kosten für Computerhardware und Software zur Datenein-gabe und -verarbeitung zukünftig im Jahr der Anschaffung oder Herstellung steu-erlich vollständig berücksichtigt werden. Gleichzeitig profitieren davon auch alle, die im HomeOffice arbeiten. Die Umsetzung soll untergesetzlich geregelt und da-mit schnell verfügbar gemacht werden.“263 Konkretisiert wurde diese – keinesfalls auf Erfahrungswerten beruhende – AfA-Begünstigung durch ein BMF-Schreiben

Diese terminologische Differenzierung sollte immer beachtet werden! Der Ausdruck „han-delsrechtliche AfA“ outet den Kenntnisfreien!

259 Wegen der Voraussetzung der Beweglichkeit entfällt für das – subjektiv – plastisch schöne Beispiel eines Marmor- oder Steinbruchs, bei dem exakt das Volumen der Steine und damit auch der Abbau bestimmt werden können, die steuerliche Möglichkeit der Leistungs-AfA.

Handelsrechtlich ist diese zulässig!

260 Siehe BMF (2020c).

261 BMF (2021d). Vgl. auch Scheffler (2018), S. 198-200.

262 So auch BFH (1996e).

263 Videoschaltkonferenz (2021), S. 6 Ziffer 8.

vom 26.2.2021264, in dem die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer für bestimmte

„materielle Wirtschaftsgüter „Computerhardware“ sowie die in Rz. 5 näher be-zeichneten immateriellen Wirtschaftsgüter „Betriebs- und Anwendersoft-ware““ auf ein Jahr festgelegt wird.265

Über die planmäßigen Absetzungen für Abnutzung hinaus sind in der Steuerbilanz die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 sowie Nr. 2 Satz 2 EStG verorteten Regelungen getroffen worden. Wortgleich heißt es – vergleichend zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten –: „Ist der Teilwert auf Grund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger (als der planmäßig errechnete Buchwert, V.B.), so kann dieser angesetzt werden.“ Das EStG verlangt eine dauerhafte Wertminderung als Voraussetzung für eine außerplanmäßige Absetzung für Abnutzung und formuliert die außerplanmäßige Absetzung als Wahlrecht („kann“). Stichworte/Begründun-gen im Zusammenhang mit außerplanmäßiStichworte/Begründun-gen AbsetzunStichworte/Begründun-gen sind z.B. Abnahme der technischen Nutzungsfähigkeit, Reduktion des wirtschaftlichen Nutzens, recht-liche Einschränkungen in der Nutzung eines Wirtschaftsgutes, gesunkene Wieder-beschaffungskosten, gesunkene Wiederherstellungskosten, gesunkene Verkaufs-preise oder Fehlmaßnahmen.266

Exkurs: Dauerhaftigkeit der Wertminderung

Die Frage der Dauerhaftigkeit einer Wertminderung zielt auf eine subjektive Prog-nose des Steuerpflichtigen ab. Bei der Überprüfung der gesetzmäßigen Anwen-dung der Vorschriften wird die Finanzverwaltung eine eigene Prognoseprüfung durchführen, die i.d.R. von der des Steuerpflichtigen abweichen wird. Mit dem strittigen Versuch, Prognosen zu operationalisieren, haben sich die Literatur, die Rechtsprechung und die Finanzverwaltung befasst. Dies erkennt man an frühen Versuchen der Interpretation durch BAETGE/BROCKMEYER267, an der Recht-sprechung aber auch an mehreren Schreiben des Bundesfinanzministeriums.268 Bei abnutzbarem Anlagevermögen ist nach Auffassung des BMF dann von einer dauerhaften Wertminderung auszugehen, wenn der Wert des Wirtschaftsgutes zum

264 Vgl. BMF (2021c).

265 Vgl. BMF (2021c), Rn. 1. Vgl. zur kritischen Analyse dieses BMF-Schreibens z.B. Endert (2021) oder Bolik/Reifarth-Belli/Mayer (2021). Letztere sprechen in ihrem Beitragstitel un-glücklich von einer „sog. digitalen AfA“. Mit einer digitalen Abschreibung wird allerdings seit langem die besondere Form der in konstanter Höhe fallenden arithmetisch degressiven Abschreibung bezeichnet (vgl. hierzu beispielsweise Wöhe/Döring/Brösel [2020], S. 712).

266 Vgl. hierzu R 6.8 Abs. 2 EStR, Kulosa (2021b), Tz. 244-248 zu § 6 EStG; Weber-Grellet (2017), S. 223-225 oder Scheffler (2018), S. 216-217,

267 Vgl. Baetge/Brockmeyer (1986).

268 Vgl. BMF (2016b) mit Bezugnahmen auf BMF (2014), wobei dieses Schreiben erneut Bezug nimmt auf BMF (2012), BMF (2011b), BMF (2009), BMF (2002) und BMF (2000). Die ent-sprechenden BFH-Urteile sind in den Schreiben benannt und besprochen.

Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßi-gen Restbuchwert liegt (vgl. BMF [2014], Rz. 8)269. Bei nichtabnutzbarem Anla-gevermögen ist stets darauf abzustellen, ob die Gründe für die Wertminderung vo-raussichtlich anhalten werden (vgl. ebenda, Rz. 11). Die Bewertung von börsen-notierten Aktien war bislang von hoher Rechtsunsicherheit gekennzeichnet, weil die Regelungen des vorangegangenen BMF-Schreibens gegen die BFH-Recht-sprechung verstoßen haben.270 Nach Rz. 15-19 des o.g. BMF-Schreibens führt jede Minderung des Börsenwerts um mehr als 5 % (Bagatellgrenze) zum Bilanzstichtag zu einer dauernden Wertminderung. Bemerkenswert ist hierbei, dass bis zum Tag der Bilanzaufstellung eingetretene (Börsen-) Wertveränderungen als wertbegrün-dend und nicht -erhellend angesehen werden.271 Da der niedrigere Teilwert (rein von der Definition) nicht exakt bestimmbar ist, stellt der Steuerpflichtige u.U.

schnell fest, dass eine etwas pessimistischere Einschätzung des Teilwerts u.U. zu einer dauerhaften Wertminderung führt im Vergleich zu einer optimistischeren Einschätzung. Dies belegt – wenn auch unfreiwillig – das Beispiel in Tz. 9 und 10 in BMF (2016b):

Beispiel: Der Steuerpflichtige hat eine Maschine zum 1.1.01 zu Anschaffungskos-ten von 100.000 € erworben. Die Nutzungsdauer beträgt zehn Jahre, die jährliche AfA beträgt 10.000 €. Zum 31.12.02 beträgt der Teilwert nur noch 30.000 € bei einer Restnutzungsdauer von acht Jahren.

Lösung: Eine Teilwertabschreibung auf 30.000 € ist zulässig. Die Minderung ist voraussichtlich von Dauer, da der Wert des Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag bei planmäßiger Abschreibung erst nach fünf Jahren (Ende Jahr 07), das heißt, erst nach mehr als der Hälfte der Restnutzungsdauer, erreicht wird.

Abwandlung: Der Teilwert beträgt 50.000 €.

269 Diese aus der Finanzrechtsprechung resultierenden Grundsätze werden prinzipiell auch han-delsrechtlich angewandt. Vgl. insoweit Breithecker/Weyers (2013a), S. 806 f, Tz. 27 oder Boecker (2019), Tz. B 134 in Anlehnung an den Beck’schen Bilanzkommentar. Liest man dort bei Schubert/Andrejewski (2020), Tz. 316-319 zu § 253 HGB nach, sind auch stark vom Vorsichtsprinzip geleitete Maßstäbe zu finden. „Bei Zweifeln über den Zeitpunkt und Umfang einer künftigen Werterholung sollte von einer dauernden Wertminderung ausgegangen wer-den“ (ebenda Tz. 316).

270 Vgl. Vinken/Seewald/Korth/Dehler (2011), S. 109 mit Verweis auf BMF (2009) und BFH (2011b), S. 91. Vgl. auch Horst (2012), S. 544f.

271 „Bei den bis zum Tag der Bilanzaufstellung eintretenden Kursänderungen handelt es sich um wertbeeinflussende (wertbegründende) Umstände, die die Bewertung der Wertpapiere zum Bilanzstichtag grundsätzlich nicht berühren“ (vgl. BFH [2011b]); Tz. 19 in BMF [2016b]).

Vgl. auch Meyering/Gröne/Portheine (2014) oder Schneeloch/Meyering/Patek (2017), S. 71 f. So auch Teutloff (2013b), Rn. 31.

Lösung: Eine Teilwertabschreibung auf 50.000 € ist nicht zulässig. Die Minde-rung ist voraussichtlich nicht von Dauer, da der Wert des Wirtschaftsguts zum Bi-lanzstichtag bei planmäßiger Abschreibung schon nach drei Jahren (Ende Jahr 05) und damit früher als nach mehr als der Hälfte der Restnutzungsdauer erreicht wird.

Mit Blick auf den planmäßigen AfA-Verlauf (s.u.) erkennt man den kritischen (niedrigeren) Teilwert. Die Hälfte der Restnutzungsdauer (= vier Jahre) ist am 31.12.06 erreicht. Der planmäßige Restbuchwert beträgt dort 40.000 €. Jede Teil-werteinschätzung zum 31.12.02 von unter 40.000 € führt folglich zu einer „voraus-sichtlich dauerhaften Wertminderung“.

31.12. planmäßiger Restbuchwert 03 70.000

04 60.000 05 50.000 06 40.000 07 30.000 08 20.000 09 10.000 10 0

Das (kurzfristig abzusetzende) Umlaufvermögen passt definitorisch kaum zur Ter-minologie einer dauerhaften Wertminderung – die Dauerhaftigkeit bezieht sich deshalb auf den eher kurzen Zeitraum, in dem das Wirtschaftsgut typischerweise im Unternehmen verbleibt Aus diesem Grund sieht das BMF-Schreiben (2016b) in Tz. 16 folgende Regelung vor: „Hält die Minderung bis zum Zeitpunkt der Auf-stellung der Bilanz … oder dem vorangegangenen Verkaufs- oder Verbrauchszeit-punkt an, so ist die Wertminderung voraussichtlich von Dauer.“272 Eine Überprü-fung zu einem (noch) späteren Zeitpunkt scheidet nahezu aus. Wäre das Wirt-schaftsgut im Umlaufvermögen noch zum nächsten Bilanzstichtag im Vorratsver-mögen vorhanden, müssten außerordentliche Abschreibungen (Teilwertabschrei-bungen) vorgenommen werden, da zu diesem Zeitpunkt offensichtlich alle be-triebswirtschaftlich sinnvollen und notwendigen Versuche einer Preisminderung noch nicht zum Absatz geführt haben. Man bezeichnet solche (zu lange sich im Vorratsvermögen befindlichen) Wirtschaftsgüter landläufig auch als Ladenhü-ter.273

Exkursende

272 Die Tatsache, dass selbst die Finanzverwaltung in Ermangelung greifbarer objektiver Krite-rien zur Dauerhaftigkeit einer Wertminderung im Umlaufvermögen auf einen Zeitpunkt (Auf-stellung der Bilanz) zurückgreift, den der Steuerpflichtige selbst beeinflussen kann, finden wir bemerkenswert!

273 Vgl. zur aufsehenerregenden Abschreibung auf einen niedrigeren (beizulegenden) Wert initi-iert durch Ladenhüter die Abschreibung von Microsoft auf Nokia, die mit 7,6 Milliarden US-$ sogar den Kaufpreis überstiegen haben soll. Vgl. ntv (2015).

3.4.2.3 Steuerliche Besonderheiten bei der Folgebewertung von Aktiva