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Grundsatz der Pagatorik

1 Einführung in die steuerliche Gewinnermittlung

1.4 Grundsatz der Pagatorik

Fokussieren wir weiter unser Augenmerk auf die Jahresabschlüsse nach HGB und nach IFRS (bei letzterem besteht der Zweck ausschließlich in der Information von potentiellen und aktuellen Investoren78 – sie stellen zudem im Regelfall Konzern-abschlüsse nach IFRS dar). Obwohl beide Rechnungslegungswerke einen unter-schiedlichen Rechnungszweck verfolgen und differierende Rechnungslegungsin-halte (und damit unterschiedliche Periodisierungen) aufweisen, basieren beide auf

öffentlichen Aufträgen unter Umständen verpflichtet sein, Angebote auf Basis von Selbstkos-ten zu erteilen. Vgl. hierzu §§ 1-11 VPöA (Verordnung über die Preise bei öffentlichen Auf-trägen).

77 Wir wollen nicht verhehlen, dass bei der Berechnung dieses Kapitalwertes die Auszahlungen vergleichsweise einfach quantifizierbar sind – der Nutzen aber in vielfacher Hinsicht schwer bestimmbar sein wird. Wer sich noch einmal mit Fragestellungen des internen Rechnungswe-sens beschäftigen möchte, kann dies mit Breithecker (2020b) tun!

78 Siehe Küting/Pfitzer/Weber (2013), S. 12.

dem Grundsatz der Pagatorik79 und weisen damit „in the long run“ einen (ohne Zinseffekte) kumulierten identischen Totalgewinn aus. Gleichwohl zeigen sich deutliche Unterschiede in den Teilperiodengewinnen, die den unterschiedlichen Rechnungszwecken geschuldet sind. Um diese Zusammenhänge zu verdeutlichen, werden im Folgenden die Rechenwerke HGB und IFRS mit einer rein zahlungs-orientierten Rechnungslegung anhand verschiedener Beispiele verglichen. Dabei nehmen wir in Kauf, dass die hier geschilderten Bilanzierungen und Bewertungen teilweise vorgreifen.

Beispiel Rückstellungen:

Ausgangsfall:

Aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände kam es im Jahr 2020 in einem deutschen Atomkraftwerk zur Freisetzung radioaktiver Strahlung. Ein deutscher Atomkraftwerksbetreiber ist sich sicher, dass er zukünftig nicht unerhebliche Schadensersatzleistungen aufbringen muss. Er schätzt, dass sich der zu leistende Schadensersatz in einer Bandbreite zwischen 100 und 150 Mio. € (bester Schätz-wert: 125 Mio. €) bewegen wird und die Schadensersatzleistungen im Jahr 2021 zu zahlen sein werden. Im Jahr 2021 stellt sich heraus, dass tatsächliche Entschä-digungen i.H.v. 135 Mio. € zu leisten sind.

Grund der Rückstellungsbildung:

Rückstellungen werden gebildet, um eine periodengerechte Gewinnermittlung zu gewährleisten. Im Jahr 2020 entsteht ökonomisch eine Gewinnbelastung durch den entstandenen Schaden. Dieser Schaden führt zwar voraussichtlich erst in 2021 zu Auszahlungen, hat aber dennoch seine wirtschaftliche Ursache im Jahr 2020. Folg-lich werden die Zahlungen, die erst im Jahr 2021 zu leisten sind, periodisiert und belasten das Ergebnis im Jahr 2020.

Ansatz und Bewertung der Rückstellungen zum 31.12.2020:

Nach HGB und IFRS sind zum Bilanzstichtag (hier: 31.12.2020) Rückstellungen für die zu erwartenden Schadensersatzleistungen zu bilden. Nach HGB wird die Rückstellung, dem Vorsichtsprinzip folgend, tendenziell pessimistisch bewertet.

Demgemäß soll die Rückstellungshöhe nach HGB 150 Mio. € betragen. Nach

79 Der Grundsatz der Pagatorik besagt, dass sämtliche Bilanz- und GuV-Posten im Endeffekt auf Zahlungen basieren. Kalkulatorische Kosten und Erlöse finden demnach keinen Eingang in die externe Rechnungslegung. Oder anders formuliert: Der Grundsatz der Pagatorik be-deutet, dass – mit Ausnahme der Eigen- und der Fremdfinanzierung (Eigenfinanzierungen werden – ohne konkrete Kontenzuordnungen – gebucht über „Bank an Eigenkapital“. Fremd-finanzierungen werden – ebenso erfolgsneutral – gebucht über „Bank an Verbindlichkeit“ und die Tilgung über „Verbindlichkeit an Bank“. Dies sind folglich die einzigen Zahlungen in einer Unternehmung, die erfolgsneutral sind) – alle Einzahlungen irgendwann Ertrag und alle Auszahlungen irgendwann einmal Aufwand werden. Die einzige Frage, die in der jeweiligen Rechnungslegung beantwortet werden muss, ist: Wann? Vgl. zum Grundsatz der Periodisie-rung später S. 62.

IFRS wird die Rückstellung, der Zwecksetzung einer möglichst realistischen In-formation der Investoren folgend, mit 125 Mio. € bewertet. In einem rein zahlungs-orientierten Rechensystem ist zum 31.12.2020 nichts zu erfassen, da keine Zah-lungen angefallen sind.

Teil- und Totalperiodengewinne:80

Nach HGB wird die zu erwartende (pessimistisch geschätzte) Zahlung zum 31.12.2020 ergebnismindernd erfasst. Diese Ergebnisminderung steht nicht als Ausschüttungsvolumen zur Verfügung. In 2021 wird eine Zahlung von 135 Mio.

€ fällig. Demnach wurden in 2020 überschießende Aufwendungen in Höhe von 15 Mio. € ergebnismindernd erfasst. Diese sind in 2021 ergebniserhöhend zu verbu-chen.

Die Buchungssätze nach HGB lauten wie folgt (in Mio. €):

31.12.2020: per Aufwand 150 an Rückstellungen 150 2021 per Rückstellungen 150 an Bank 135

an Ertrag 15

Damit zeigt sich c.p. folgender Ergebnisverlauf (mit „-“ als Aufwand und „+“ als Ertrag):

Jahr 2020 2021 Gesamt Ergebnisauswirkung - 150 + 15 - 135

Nach IFRS wird die Rückstellung, dem entsprechenden Rechnungszweck folgend, mit 125 Mio. € bewertet. Allerdings wurde nur ein Teil der Zahlungen zutreffend periodisiert, so dass in 2021 zusätzlich Zahlungen in Höhe von 10 Mio. € ergeb-nismindernd zu erfassen sind.

Die Buchungssätze nach IFRS lauten wie folgt (in Mio. €):

31.12.2020: per Aufwand 125 an Rückstellungen 125 2021 per Rückstellungen 125 an Bank 135

per Aufwand 10

80 Sollen Zahlungen aus unterschiedlichen Perioden verglichen werden, sind diese auf einen einheitlichen Zeitpunkt auf- bzw. abzuzinsen. Die Auf- bzw. Abzinsung kann in den folgen-den Beispielen unterbleiben, da bei vergleichender Betrachtung der Rechenwerke die Zahlun-gen stets in denselben Perioden anfallen (hier in 2021). Nur wenn und soweit aufgrund unter-schiedlich hoher Teilperiodengewinne sekundäre und periodenverschobene Zahlungswirkun-gen auftreten (z.B. könnte ein nach IFRS im Vergleich zum HGB ermittelter höherer Teilpe-riodengewinn zu einem verbesserten Rating und damit zu vergleichsweise niedrigeren Fremd-kapitalzinsen und niedrigeren Auszahlungen führen), ist eine Auf- bzw. Abzinsung der Zah-lungen zwingend erforderlich. In den Beispielen wird von derartigen Bilanzierungsfolgeef-fekten allerdings abstrahiert.

Damit zeigt sich c.p. folgender Ergebnisverlauf:

Jahr 2020 2021 Gesamt Ergebnisauswirkung - 125 - 10 - 135

Die vergleichende Betrachtung zeigt deutlich, dass sowohl das HGB als auch die IFRS eine Gesamtergebnisbelastung in Höhe der zu leistenden Zahlungen von 135 Mio. € aufweisen. Aufgrund der unterschiedlichen Rechenzwecke werden diese Zahlungen allerdings unterschiedlich periodisiert und führen zu divergierenden Teilperiodengewinnen. Durch die pessimistische Schätzung der Inanspruchnahme in 2021 werden bei der HGB-Rechnungslegung zu hohe Aufwendungen in 2020 ergebniswirksam erfasst. Die Gewinnminderung – und damit gleichzeitig die Aus-schüttungsminderung (= Innenfinanzierung) – i.H.v. 150 Mio. € reicht aus, um die Zahlungsverpflichtung i.H.v. 135 Mio. € zu begleichen. Die IFRS hingegen wären für eine Ausschüttungsbemessung zur Realisierung des Gläubigerschutzes nur be-dingt geeignet, da der in 2020 als Innenfinanzierungspotential gebundene Betrag nicht ausreicht, um der Zahlungsverpflichtung vollständig nachzukommen.

Besonders deutlich werden die Zahlungsperiodisierung und deren Bezug zum Re-chenzweck durch den Vergleich zu einer rein zahlungsorientierten Rechnung. In dieser wird nur im Jahre 2021 die Auszahlung in Höhe von 135 Mio. € ergebnis-mindernd erfasst.

Jahr 2020 2021 Gesamt Ergebnisauswirkung 0 - 135 - 135

Würde eine rein zahlungsorientierte Rechnung, in der zukünftige Zahlungen nicht periodisiert werden, zur Bemessung des ausschüttbaren Gewinns herangezogen, wird deutlich, dass in 2020 keine Ergebnisminderung erfasst und somit der aus-schüttbare Gewinn nicht geschmälert würde. Damit ist die Wahrscheinlichkeit im Vergleich zur HGB-Rechnungslegung hoch, dass die Zahlungsverpflichtungen in 2021 nicht erfüllt werden könnten, denn für den 2020 verursachten Schaden wird keine Innenfinanzierung (durch Aufwandsverrechnung in 2020) bereitgestellt.

Auch eine Information aktueller und potentieller Investoren wäre nicht gegeben, denn diese würden in 2020 nicht über die inhärente Belastung des Unternehmens durch zukünftige Zahlungen informiert.

Beispiel Aktivierung von Vermögensgegenständen/Assets:

Zahlungen werden nach HGB und nach den IFRS auch im Rahmen der Aktivie-rung von Vermögensgegenständen bzw. Assets periodisiert. Die AktivieAktivie-rung führt dazu, dass Auszahlungen in der Periode der Anschaffung bzw. Herstellung (noch)

nicht erfolgswirksam werden. Dies bedeutet auch, dass nicht aktivierte81 Bestand-teile eines Vermögensgegenstands/Assets nicht zu einer Zahlungsperiodisierung führen, sondern die Auszahlungen im Jahr der Anschaffung bzw. Herstellung er-gebniswirksam werden.

Die Aktivierung eines Sachverhalts (zumeist die Gegenleistung aus einem schuld-rechtlichen Vertrag) als Vermögensgegenstand bzw. als Asset kommt nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen eines Vermögensgegenstands bzw. Assets er-füllt werden (Aktivierung dem Grunde nach). Diese Voraussetzungen sind je nach Rechenwerk, den divergierenden Rechnungszwecken folgend, unterschiedlich re-striktiv. Die informationsorientierten IFRS sehen regelmäßig weniger strenge Kri-terien für die Aktivierung eines Assets vor als das HGB für die Aktivierung eines Vermögensgegenstands (die Hürde „Vermögensgegenstand“ ist höher als die Hürde „Asset“). Damit ist der Begriff des Assets weiter gefasst als der Begriff des Vermögensgegenstandes. Dies hat zur Konsequenz, dass nach HGB ein Sachver-halt vergleichsweise spät oder mangels Erfüllung der Aktivierungskriterien über-haupt nicht als Vermögensgegenstand aktiviert (und damit sofort aufwandswirk-sam) wird, während nach IFRS ein Asset vorliegt (und zunächst durch die Akti-vierung eine Erfolgsneutralität resultiert).

Die weitere Fassung des Assetbegriffs kann auch dazu führen, dass künftige Ein-zahlungen früher erfasst und damit früher periodisiert werden, als dies nach HGB der Fall wäre. Zu denken wäre hier beispielsweise an eine, im Vergleich zum HGB, frühere Erfassung einer Forderung und eine damit einhergehende vergleichsweise frühe Ertragsrealisation.

Ausgangsfall:

Die xy-GmbH schließt mit der z-GmbH einen Vertrag über die Fertigung einer großen Produktionshalle zum 01.01.2020 ab. Die Fertigstellung ist für das Ende des Jahres 2021 geplant. Der vertraglich fixierte Kaufpreis beträgt 3 Mio. €. Die xy-GmbH rechnet mit Herstellungskosten für die Halle i.H.v. 2 Mio. €, die gleich-mäßig in den Jahren 2020 und 2021 anfallen werden. Der Kaufpreis wird noch im Jahr 2021 von der z-GmbH gezahlt.

Ansatz- und Bewertung:

Beim o.g. Sachverhalt handelt es sich um eine sog. langfristige Auftragsfertigung.

Die Herstellung der Produktionshalle erstreckt sich über zwei Jahre. Dem Vor-sichtsprinzip folgend werden bei der xy-GmbH nach HGB die Auszahlungen zur Herstellung der Produktionshalle in den jeweiligen Perioden als Herstellungskos-ten aktiviert. Erst mit Fertigstellung der Produktionshalle und Abnahme durch die z-GmbH wird handelsrechtlich der Ertrag aus dem Geschäft realisiert. Nach den

81 Die Nichtaktivierung kann einerseits auf einem Aktivierungsverbot oder auf einem nicht aus-geübten Aktivierungswahlrecht beruhen.

IFRS wird hingegen, dem Rechnungszweck der möglichst realitätsnahen Informa-tion der Investoren folgend, eine TeilgewinnrealisaInforma-tion durchgeführt. Diese Teil-gewinnrealisation führt dazu, dass in den jeweiligen Perioden, unabhängig davon, ob die Produktionshalle schon fertiggestellt wurde und damit ein Rechtsanspruch auf die Zahlung des Kaufpreises besteht, der Anteil des Gesamtgewinns am Grad der Fertigstellung ergebniswirksam erfasst wird.82

Teil- und Totalperiodengewinne:

Nach HGB werden die Auszahlungen in 2020 und 2021 aktiviert und damit grund-sätzlich erfolgsneutral behandelt.83

Buchungssatz (jeweils in 2020 und 2021):

per Aufwand an Bank 1 Mio.

per Vermögensgegenstand an Bestandserhöhung 1 Mio.

Der Vermögensgegenstand steht somit mit einem Wertansatz von 2 Mio. € Ende 2021 in der Bilanz. Durch die Zahlung des Kaufpreises von 3 Mio. € entsteht ein Gewinnbeitrag in Höhe von 1 Mio. €.

Buchungssatz:

per Bank 3 Mio. an Umsatzerlöse 3 Mio.

Bestandsminderung 2. Mio. an Vermögensgegenstand 2 Mio.

Damit ergeben sich c.p. folgende Ergebnisauswirkungen (in Mio. €):

Jahr 2020 2021 Gesamt Ergebnisauswirkung 0 1 1

Nach IFRS werden die anteiligen Erträge (hier: 1,5 Mio. €) in 2020 und 2021 rea-lisiert und den Aufwendungen für die Herstellung der Produktionshalle (hier: 1

82 Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2019), S. 383 f.

83 Eine grundsätzliche Erfolgsneutralität kann nur angestrebt werden. Während die einzelnen Aufwandsposten durch Begleichung von Rechnungen erfasst werden, muss am Jahresende eine unfertige Leistung erfasst und bewertet werden. Idealerweise werden alle verursachungs-gerecht auf die unfertige Leistung entfallenden Aufwendungen quantifiziert. Wir wissen al-lerdings – und ein Blick in § 255 Abs. 2 HGB bestätigt uns mit der Formulierung, dass „an-gemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten und des Wertever-zehrs des Anlagevermögens, soweit dieser durch die Fertigung veranlasst ist, zu aktivieren sind – dass eine zutreffende verursachungsgerechte Erfassung von Fixkosten als Gemeinkos-ten nicht möglich ist, so dass nur im theoretischen Idealfall die Erfolgsneutralität gegeben ist.

Mio. €) gegenübergestellt.84 Bilanziell werden die Herstellungskosten und die an-teiligen Erlöse in einem Posten als Forderung (Receivables) in Höhe von 1,5 Mio.

€ aktiviert.85

Buchungssätze (jeweils in 2020 und 2021):

per Forderung 1,5 Mio. an Umsatzerlöse 1,5 Mio.

per Aufwendungen 1,0 Mio. an Bank 1,0 Mio.

Damit wird in 2021 ein Forderungsbestand in Höhe von 3 Mio. € ausgewiesen. Die Kaufpreiszahlung erfolgt dann erfolgsneutral.

Buchungssatz:

per Bank 3 Mio. an Forderung 3 Mio.

Jahr 2020 2021 Gesamt Ergebnisauswirkung + 0,5 + 0,5 1

Im Ergebnis zeigt sich, dass sowohl nach den Regelungen des HGB als auch nach den IFRS Auszahlungen i.H.v. 2 Mio. € und Einzahlungen in Höhe von 3 Mio. € erfasst werden, die zu einem kumulierten Gewinnbeitrag in der Totalperiode i.H.v.

1 Mio. € führen. Die Teilperiodengewinne hingegen differieren, denn die Einzah-lungen i.H.v. 3 Mio. € werden unterschiedlich periodisiert (nach HGB Erfassung in 2021 nach IFRS Verteilung über die Jahre 2020 und 2021).

Im Vergleich hierzu zeigt eine rein zahlungsorientierte Rechnungslegung folgen-den Ergebnisverlauf:

Jahr 2020 2021 Gesamt Ergebnisauswirkung - 1 + 2 1

Beispiel: Folgebewertung von Vermögensgegenständen/Assets

Die Anschaffung oder Herstellung von Vermögensgegenständen bzw. Assets des abnutzbaren Anlagevermögens ist regelmäßig, soweit die Auszahlungen der An-schaffung oder Herstellung aktiviert werden, ein erfolgsneutraler Vorgang (siehe aber Fn. 83 in Bezug auf Herstellungskosten). Die Auszahlungen werden durch Abschreibungen periodisiert. Den unterschiedlichen Rechnungszwecken folgend wird die Nutzungsdauer nach HGB eher pessimistisch, die Nutzungsdauer nach

84 Siehe IFRS 15.38 – PoC-Methode (Percentage-of-Completion-Methode).

85 Vgl. Buchholz (2021), S. 160. Damit zeigt sich, dass zusätzlich zur auch nach den Regelungen des HGB notwendigen Aktivierung der Herstellungskosten eine zusätzliche Forderung in Höhe der anteiligen Erträge gebildet wird. Diese zusätzliche Forderung darf aufgrund des Realisationsprinzips des HGB handelsrechtlich nicht gebildet werden.

IFRS eher realistisch geschätzt, so dass sich aufgrund der unterschiedlichen Nut-zungsdauern unterschiedliche Zahlungsperiodisierungen ergeben können.

In einigen Fällen (z.B. Firmenwert) sehen die IFRS für abnutzbare Assets, anders als das HGB, keine planmäßigen Abschreibungen vor. Vielmehr werden die As-sets einem jährlichen Wertminderungstest unterzogen, so dass die Auszahlungen nicht planmäßig periodisiert werden.

Ausgangsfall:

Die deutsche Atomkraftwerksbetreiberin A-GmbH erwirbt zum 01.01.2020 im Zuge eines Asset-Deals das Vermögen der Atomkraftwerksbetreiberin B-GmbH.

Der Kaufpreis beträgt 20 Mio. €, der Substanzwert der B-GmbH (= Wert aller Vermögensgegenstände abzüglich Wert der Schulden im Zeitpunkt der Über-nahme) beträgt 15 Mio. €. In 2025 müssen aufgrund einer Gesetzesänderung alle Atomkraftwerke vom Netz genommen werden.

Ansatz- und Bewertung:

Der positive Unterschiedsbetrag zwischen dem Kaufpreis und dem Substanzwert führt zur Entstehung eines Geschäfts- oder Firmenwertes (GoF). Dieser ist han-delsrechtlich regelmäßig über 10 Jahre abzuschreiben (§ 246 Abs. 1 HGB i.V.m.

§ 253 Abs. 3 S. 3 f. HGB). Die IFRS hingegen sehen einen „Impairment Only-Approach“ vor, der nur außerplanmäßige Abschreibungen des GoF zulässt.86 Teil- und Totalperiodengewinne:

Nach HGB wird die Anschaffungsauszahlung, die auf den GoF entfällt, erfolgs-neutral aktiviert.87

Buchungssatz:

per GoF an Bank 5 Mio.

In den folgenden Jahren wird die (historische) Auszahlung für den GoF (bei line-arer Abschreibung) gleichmäßig erfolgswirksam über die Nutzungsdauer von 10 Jahren verteilt. Allerdings erfolgt in 2025 die Ausbuchung des GoF.

Buchungssatz (jeweils in 2021-2024)

per Abschreibungen an GoF 500.000 Buchungssatz (zum 31.12.2025)

per Abschreibungen an GoF 3.000.000

86 Vgl. Buchholz (2021), S. 133-137.

87 Daneben werden natürlich die erworbenen Vermögensgegenstände und Schulden – das Ge-schäft war ein Asset-Deal! – einzeln aktiviert und bewertet.

Nach IFRS wird die Anschaffungsauszahlung in 2020 ebenfalls erfolgsneutral er-fasst.

Buchung (2020):

per GoF an Bank 5 Mio.

In den Folgejahren wird jährlich ein Wertminderungstest durchgeführt. Nur für den Fall, dass der GoF in seinem Wert gemindert ist, werden insoweit außerplan-mäßige Abschreibungen durchgeführt. Ansonsten wird der Buchwert fortgeführt.88 Eine derartige Wertminderung liegt im Jahr 2025 vor. Aufgrund der Tatsache, dass alle Atomkraftwerke vom Netz genommen werden müssen, wird der GoF wertlos.

Buchung (zum 31.12.2025):

per Abschreibung an GoF 5 Mio.

Damit ergeben sich folgende Ergebnisauswirkungen:

Jahr 2020 2021 2022 2023 2024 2025 Gesamt Ergebnisauswirkung IFRS 0 0 0 0 0 - 5 - 5 Ergebnisauswirkung HGB - 0 - 0,5 - 0,5 - 0,5 - 0,5 - 3 - 5

In einer rein zahlungsorientierten Rechnung wird die Anschaffungsauszahlung von 5 Mio. € in 2020 ergebniswirksam erfasst. Weitere Ergebnisauswirkungen existieren nicht.

Auch dieses Beispiel zeigt, dass sämtliche Ergebniswirkungen auf Zahlungen zu-rückzuführen sind und damit identische Totalperiodengewinne erzielt werden.

Aufgrund der divergierenden Rechenzwecke werden die Zahlungen unterschied-lich periodisiert und führen zu unterschiedunterschied-lichen Teilperiodengewinnen.

Aufgabe:

Schauen Sie sich die Aufwendungen a) Abschreibungen

b) Bildung einer Rückstellung

c) Wertberichtigung auf Forderungen

d) Begleichung einer Rechnung für Strombezug

an. Klären Sie, ob der Liquiditätsabfluss vor, zeitgleich oder nach der Aufwands-buchung erfolgt!

88 Der GoF würde im Extremfall so lange in der Bilanz des Erwerbers verbleiben, bis dieser den Geschäftsbetrieb einstellt oder selbst übernommen wird.

(Lösung: a) Aufwand nach Auszahlung; b) Aufwand vor Auszahlung; c) Korrek-tur des Ertrags [durch die Buchung der Forderung gegen Umsatzerlöse] vor [ge-ringerer] Einzahlung; d) Aufwand zeitgleich mit Auszahlung). Mit Blick auf die Lösung lässt sich ausschließlich mit einem eingeengten Periodenbezug von „nicht zahlungswirksamen Aufwendungen oder Erträgen“ sprechen.

Wiederholungsfragen zu Kapitel 189

Nehmen Sie Stellung zu den folgenden Aussagen:

a. Die Gesellschafterversammlung einer managementgeführten GmbH überlegt, nach welchen rechnungslegungsgestützten Rechenwerken sie dem Manage-ment eine Erfolgsprämie zubilligen soll.

b. Ein Investor plant den Erwerb eines Gewerbebetriebs. Welches Rechenwerk wird er zur Unterstützung seiner Entscheidungsfindung heranziehen?

c. Der Gesetzgeber einer der neuen EU-Beitrittsstaaten sucht eine rechnungsle-gungsgestützte Lösung zur Findung einer maximalen Ausschüttungsbemes-sungsgröße.

d. Bei einer GmbH ist die Fortführungsprämisse zu verneinen. Nach welcher Ver-mögenskonzeption soll der Insolvenzverwalter einen Status erstellen?

e. Die Geschäftsleitung einer Brauerei-KG plant den Erwerb einer neuen Abfüll-anlage. Welches Rechenwerk gibt notwendige Informationen?

f. Der Vorstand einer AG überdenkt die Produktpalette hinsichtlich der sofortigen Eliminierung einzelner Erzeugnisse aus dem Programm. Welches Rechenwerk hilft hier weiter?

g. Der Steuerbilanzgewinn ist die Bemessungsgrundlage für alle Gewinnsteuerar-ten, also für die Einkommen-, Gewerbe- und Körperschaftsteuer.

h. Den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt man mit der Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 3 EStG.

i. Die Ergebnisse der Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 3 EStG sind stets höher als die Ergebnisse nach § 5 EStG.

j. Die Gewinnermittlungsart nach § 4 Abs. 3 EStG folgt einer Gewinn- oder Ver-mögenskonzeption, die auf der Grundlage der Einzelbewertung bei unterstellter Unternehmensfortführung ausschließlich zahlungsorientiert ist.

k. Die Gewinnermittlungsformen nach § 4 Abs. 1 und § 5 EStG unterschieden sich ehemals im Ansatz von Grund und Boden. Heute werden nur bei der Ge-winnermittlungsform nach § 4 Abs. 1 EStG Entnahmen und Einlagen korri-giert.

l. Obwohl nach § 5 Abs. 1 EStG die Handelsbilanz maßgeblich für die Steuerbi-lanz ist, unterscheiden sich die beiden Rechenwerke heute – eine EinheitsbiSteuerbi-lanz ist kaum noch möglich.

89 Lösungsvorschläge befinden sich auf den S. 141-143.

2 Gewinnbegriff des Einkommensteuerrechts und Techniken der