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Beurteilung der Gewinn- und Vermögenskonzeptionen

1 Einführung in die steuerliche Gewinnermittlung

1.2 Gewinn- und Vermögensermittlung in der Betriebswirtschaftlichen

1.2.7 Beurteilung der Gewinn- und Vermögenskonzeptionen

Nach der Skizze ausgewählter Gewinn- und Vermögenskonzeptionen in den Ka-piteln 1.2.1 bis 1.2.6 stellt sich nun die Frage, welche Konzeption die „richtige“

ist. Die Frage wollen wir im Folgenden beantworten, indem wir jede Gewinn- und Vermögenskonzeption auf ihre „Richtigkeit“ hin analysieren.

Die Konzeption des einzelbewerteten Liquidationsvermögens (bzw. der einzelbe-werteten Liquidationsvermögensänderung) (Fall 1) lag ursprünglich der (zerschla-gungsstatischen) handelsbilanziellen Vermögensermittlung zugrunde. So heißt es in einem Urteil des Reichsoberhandelsgerichts vom 03.12.1873: „Der Bilanz liegt hiernach in der That die Idee einer fingirten augenblicklichen allgemeinen Reali-sirung sämmtlicher Activa und Passiva zum Grunde“. Allerdings lässt sich aus dem Urteil nicht eindeutig entnehmen, wie weit die Liquidationsprämisse greift.

Denn in dem Urteil wird weiter ausgeführt: „wobei jedoch davon ausgegangen werden muß, daß in Wirklichkeit nicht die Liquidation, sondern vielmehr der Fort-bestand des Geschäftes beabsichtigt wird und daß daher bei der Ermittlung und

Feststellung der einzelnen Werthe derjenige Einfluß unberücksichtigt zu lassen ist, welchen eine Liquidation auf dieselben ausüben würde“.40

Die Annahme einer fiktiven Unternehmensliquidation widerspricht der Wirklich-keit, wenn (wie in unserem Beispiel) davon auszugehen ist, dass ein Unternehmen fortgeführt wird. Die handelsbilanzielle Gewinn- und Vermögensermittlung wird deshalb seit langem von dem Grundsatz der Unternehmensfortführung bestimmt (fortführungsstatische Gewinn- und Vermögensermittlung).41 Diese Going-Con-cern-Prämisse ist in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB kodifiziert worden.42 Danach ist grundsätzlich von einer Unternehmensfortführung auszugehen. Eine zerschla-gungsorientierte handelsbilanzielle Vermögensermittlung kommt aber unter Um-ständen zum Tragen, wenn rechtliche und/oder wirtschaftliche Gegebenheiten ge-gen eine Unternehmensfortführung sprechen. Darüber hinaus ist das Liquidations-vermögen Gegenstand der Überschuldungsrechnung nach § 19 Abs. 2 InsO.43 Als

„richtige“ Gewinn- und Vermögenskonzeption ist die Ermittlung des Vermögens unter der Prämisse der Liquidation zumindest immer dann abzulehnen, wenn von einer Unternehmensfortführung auszugehen ist.

Der Ertragswert (bzw. die Ertragswertänderung) (Fall 2) wurde in der Vergangen-heit als gesetzliche Gewinn- und Vermögenskonzeption in der BWL im Zusam-menhang mit der Konzeption des ökonomischen Gewinns diskutiert. Der ökono-mische Gewinn, definiert als die Veränderung der Ertragswerte, sollte neben dem handelsbilanziellen Gewinn ermittelt werden. Der niedrigere dieser beiden Ge-winne repräsentierte die maximal zulässige Gewinnausschüttung an bzw. die ma-ximal zulässige Entnahme durch die Anteilseigner. Diese Konzeption des „dop-pelten Minimums“ sollte die Erhaltung des Unternehmensvermögens mindestens in Höhe des handelsbilanziellen Vermögens oder des Ertragswerts (Ertragswerter-haltung) gewährleisten. Sie diente den Interessen der Anteilseigner, aber auch gleichzeitig dem Schutz der Gläubiger.44

Wenn diese Konzeption des „doppelten Minimums“ heute weitgehend unbedeu-tend ist, dann auch, weil sie auf einem Zirkelschluss beruht.45 Der Ertragswert, verstanden als objektiver Unternehmenswert, existiert nur in einem vollkommenen

40 Beide Zitate aus Reichsoberhandelsgericht (1873), S. 19 [im Original teilweise hervorgeho-ben]. Siehe zu dieser zerschlagungsorientierten Vermögensermittlung auch Euler (1996), S. 23-37.

41 Siehe bereits Simon (1898), S. 289-325. Simon gilt als Begründer der fortführungsstatischen Gewinn- und Vermögensermittlung.

42 „Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.“

43 Siehe hierzu Zisowski (2001), S. 91-116, und S. 151-162.

44 Siehe zu dieser Konzeption des doppelten Minimums Schneider (1963), insbesondere S. 469, und Schneider (1968), insbesondere S. 15 f.

45 Siehe aber zur (geänderten) Bedeutung des Ertragswerts für die Konzeption der Gewinner-mittlung Schneider (1997), S. 264-273.

und vollständigen Kapitalmarkt.46 In einem vollkommenen und vollständigen Ka-pitalmarkt sind jedoch Gläubigerschädigungen ausgeschlossen, so dass eine Aus-schüttungs- bzw. Entnahmebegrenzung mit der Zielsetzung, Gläubiger zu schüt-zen, nicht erforderlich ist.47

In unserer realen Welt existiert kein vollkommener und vollständiger Kapitalmarkt und damit insbesondere kein einheitlicher Marktzins, zu dem Zahlungsströme ge-handelt werden. Deshalb kann auch nicht der objektive Unternehmenswert be-stimmt werden. Grundsätzlich kann nur ein Unternehmenswert ermittelt werden, der aufgrund des subjektiv hergeleiteten Kalkulationszinsfußes den subjektiven Erwartungen und Präferenzen der Person entspricht, in deren Interesse die Bewer-tung vorgenommen wird.48 Im Folgenden wird der Ertragswert, wie im betriebs-wirtschaftlichen Schrifttum üblich, im Sinne dieses subjektiven Reinvermögens eines Unternehmens verstanden.

Der Ertragswert und somit auch die Ertragswertänderung basieren auf zukünftigen Einzahlungsüberschüssen. Die Bestimmung dieser Zukunftsgrößen unterliegt ebenfalls dem subjektiven Ermessen des Bewertenden. Der Bewertende (bzw. sein Auftraggeber) hat die Möglichkeit, das Ergebnis der Bewertung unter Berücksich-tigung seiner persönlichen Interessen zu beeinflussen, ohne dass dieses Verhalten sanktioniert werden kann. Treten die prognostizierten Einzahlungsüberschüsse nicht ein, kann der Bewertende sich mit der Unsicherheit der Zukunft auch dann exkulpieren, wenn diese Entwicklung durch ihn verursacht ist.

Damit ist der Ertragswert aufgrund der fehlenden Rechtssicherheit als Bemes-sungsgrundlage für gesetzlich festgelegte Ansprüche der Anteilseigner49 oder des

46 Siehe nur Ballwieser (1993), S. 114, und Schneider (1995), S. 283. Siehe zur Definition eines vollkommenen (unendlich viele Anbieter und Nachfrager, symmetrische Informationsvertei-lung, fehlende Präferenzen der Wirtschaftssubjekte sowie nicht vorhandene Transaktionskos-ten) und vollständigen Kapitalmarkts (jede beliebige Einheit eines Zahlungsstroms kann ge-handelt werden, daraus folgend bestehen keine Liquiditätsprobleme) Schmidt/Terberger (1997), S. 91, und Franke/Hax (1999), S. 153. In einem vollkommenen und vollständigen Kapitalmarkt sind nur sichere oder ungewisse, nicht hingegen unsichere Erwartungen mög-lich, siehe R.H. Schmidt (1980), S. 104 f.

47 Siehe zu dieser konzeptionellen Kritik Wagner (1993), S. 5, und auch Wagner (1994), S. 1180-1183. Siehe zur Kritik am ökonomischen Gewinn bereits Leffson (1966), S. 379, und Lippmann (1970), S. 113-115. Weitere Probleme der ökonomischen Gewinnkonzeption be-schreibt Drukarczyk (1973).

48 Dieser subjektive Unternehmenswert wird unter Umständen objektiviert, wenn die Eigenka-pitalkosten mit Hilfe des Capitel Asset Pricing Modells marktmäßig hergeleitet werden, siehe zum Capital-Asset-Pricing-Modell Schmidt/Terberger (1997), S. 343-375. Siehe zur objekti-vierten Ermittlung der Eigenkapitalkosten im Rahmen der Unternehmensbewertung mit Hilfe des Capital-Asset-Pricing-Modells nur Drukarczyk (2001), S. 350-374, sowie zu seinen Prä-missen kritisch Schneider (1998), S. 1474-1478.

49 Vgl. zum Beleg hierzu später S. 28/29.

Fiskus nicht adäquat. Die Zahlungsbemessungsaufgabe des Rechnungswesens er-füllt der Ertragswert nur eingeschränkt.

Der Ertragswert könnte aber der Geschäftsführung als Zielgröße für strategische betriebswirtschaftliche Entscheidungen dienen.50 Für die Eignung des Ertrags-werts im Rahmen der Planungsaufgabe des Rechnungswesens spricht insbeson-dere, dass die Ertragswertkonzeption an zukünftige Zahlungen anknüpft. Indem der Ertragswert den finanziellen Nutzen der Anteilseigner aus dem Unternehmen widerspiegeln soll, ist darüber hinaus zu vermuten, dass Manager, die ihre Ge-schäftspolitik an der Maximierung des Ertragswerts orientieren, im Interesse der Anteilseigner handeln.51 Die bereits skizzierten Konflikte zwischen Anteilseignern und Managern könnten dann unter Umständen vermieden werden.

Eine fortführungsorientierte Einzelbewertungskonzeption, die ausschließlich an Zahlungsgrößen anknüpft (zahlungsorientiertes Fortführungsvermögen, Fall 3) ist gesetzlich nicht kodifiziert. Eine modifizierte Geldvermögenskonzeption ist die Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Diese dient Steuerpflichti-gen, die Gewinneinkünfte erzielen, aber nicht (steuer-)bilanzierungspflichtig sind, in der Regel zur Gewinnermittlung. Eine ausschließlich an Zahlungsgrößen orien-tierte Einzelbewertungskonzeption wird von einigen Ökonomen als Steuerbemes-sungsgrundlage im Rahmen der so genannten „Cash-Flow-Steuer“ vorgeschla-gen.52

Als „richtige“ Gewinn- und Vermögenskonzeption scheidet das (ausschließlich) zahlungsorientierte Fortführungsvermögen aus, wenn die Gewinn- und Vermö-genskonzeption der Berechnung von Ausschüttungs- oder Entnahmebeschränkun-gen zum Schutz von Gläubigern dienen soll. So würde eine zu erwartende, aber noch nicht eingetretene Auszahlung (wie die in unserem Beispiel angeführte

50 Dazu zählt unter Umständen auch die Ausübung steuerlicher Wahlrechte. Neben dieser stra-tegischen Zielgröße, die sich auf das Gesamtunternehmen bezieht, werden strategische und kurzfristige Zielgrößen für Teile des Unternehmens (z. B. der Kapitalwert einer Investition) sowie eine kurzfristige Zielgröße für das Gesamtunternehmen (z. B. der kurzfristige Unter-nehmenserfolg der Kosten- und Erlösrechnung) benötigt. Hinsichtlich der strategischen und kurzfristigen Zielgrößen ist zu berücksichtigen, dass diese aufeinander abgestimmt sein müs-sen.

51 Die Verpflichtung von Managern, das Aktionärsvermögen zu maximieren, ist Gegenstand der Shareholder-Value-Konzeption. Siehe dazu grundlegend Rappaport (1999).

52 Siehe zur Frage, wer eine Einnahmen-Überschussrechnung aufstellen muss bzw. kann, später in Kapitel 2.1, S. 41/42 und Abbildung 6, S. 49. Zur Cash-Flow-Steuer vgl. z.B. Wagner (1989), Wagner/Schwinger (1991), Bach (1993) oder Bazlen (2019). Eine besondere Form der (am Absatzgebiet orientierten) Cash-Flow-Steuer könnte die vom Berkeley-Professor Alan Auerbach geplante Steuerreform in den USA werden (Destination-based Cash Flow Tax, auch Auerbach-Steuer genannt). Vgl. zu einigen Eckpunkten Auerbach (2010), Eng-lisch/Becker (2017) oder Petersdorff (2017) und zur Wirkung der Steuerreform z.B. Sommer (2018).

spruchnahme aufgrund des entstandenen Schadens) den Gewinn der laufenden Pe-riode nicht mindern. Entsteht insoweit ein (höherer) Gewinn, der an die Anteils-eigner ausgeschüttet bzw. von diesen entnommen wird und haften53 die Anteils-eigner den Gläubigern der Gesellschaft nicht bzw. nur gegenüber der Gesellschaft auf Erbringung ihrer Einlage, ist es möglich, dass bei Fälligkeit der Verbindlich-keit die Gläubigeransprüche nicht erfüllt werden können, weil der Gewinn (die Geldvermögensmehrung) an die Gesellschafter geflossen ist und von diesen grundsätzlich nicht zurückverlangt werden kann.

Ebenso wenig ist das zahlungsorientierte Fortführungsvermögen zur Erfüllung von Planungsaufgaben geeignet. Es wird nicht der mit dem Unternehmen verbundene zukünftige finanzielle Nutzen in Form zukünftiger Einzahlungsüberschüsse ermit-telt. Vielmehr sind erhaltene Einzahlungen oder geleistete Auszahlungen und da-mit „vergangene“ Zahlungen Gegenstand der Gewinn- und Vermögenserda-mittlung.

Ein vorsichtig und objektiviert ermitteltes Fortführungsvermögen (Fall 4) ist die in den §§ 242 ff. HGB kodifizierte handelsbilanzielle Gewinn- und Vermögens-konzeption. Diese Vermögensermittlung soll den Eigentümern des Unternehmens angeben, wie viel sie aus einem Einzelunternehmen oder aus einer Personengesell-schaft maximal entnehmen bzw. aus einer KapitalgesellPersonengesell-schaft maximal ausschüt-ten können, ohne Gläubigerpositionen und die Erhaltung ihrer Einkommensquelle Unternehmung zu gefährden.54 Die gläubigerschutzorientierte Vermögensermitt-lung beschränkt sich im deutschen Recht jedoch nicht auf die ErmittVermögensermitt-lung gesetzli-cher Ansprüche von Anteilseignern. Über das in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG kodifi-zierte Maßgeblichkeitsprinzip und über den § 95 Abs. 1 BewG hat die Konzeption grundsätzlich auch Gültigkeit für den Ertragsteuer- sowie – dem Grunde nach – den Erbschaft- und Schenkungsteueranspruch des Fiskus.

Das Fortführungsvermögen gemäß kaufmännischer Vorsicht knüpft an zukünftige Zahlungen an, wenn eine zukünftige Einzahlung in einem Vermögensgegenstand oder eine zukünftige Auszahlung in einer Verbindlichkeit greifbar geworden ist.

Diese Gewinn- und Vermögenskonzeption ist deshalb nicht geeignet, den mit dem Unternehmen verbundenen finanziellen Nutzen zu ermitteln. Damit scheidet sie für Planungsaufgaben grundsätzlich aus.

Als entobjektiviertes einzelbewertetes Fortführungsvermögen ist insbesondere die Konzeption der International Financial Reporting Standards (IFRS) zu qualifizie-ren, die zumindest für den Konzernabschluss das Handelsbilanzrecht bestimmen

53 Vgl. zu Haftungsfragen in den unterschiedlichen Rechtsformen beispielhaft Breithecker (2020a), Folien 9-12.

54 Sollten natürliche Personen in einer Rechtsform unbeschränkt haften, stünde allerdings nicht ausschließlich das Unternehmensvermögen als Gläubigerschutzmasse zur Verfügung. Inso-fern stellt sich generell die Frage des Zwecks einer HGB-Rechnungslegung bei solchen Rechtsformen?

wird.55 Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere entobjektivierte einzelbewertete Fortführungsvermögen. Hierzu zählt z. B. die in der Unternehmenspraxis noch an-gewandte Substanzwertkonzeption.56 Der Substanzwert beruht auf der konzeptio-nellen Vorstellung einer fiktiven Reproduktion des Unternehmens. Der Unterneh-menswert resultiere daraus, dass mit den bereits geleisteten Auszahlungen für Ver-mögensgegenstände bei einer fiktiven Reproduktion Auszahlungen erspart wür-den.57

Der Substanzwert ist dann die Summe der zu ihren Wiederbeschaffungskosten ak-tivierten (weit gefassten) Vermögensgegenstände unter Berücksichtigung der Ver-bindlichkeiten. Über diesen Teilreproduktionswert hinaus ist ein originärer Ge-schäfts- oder Firmenwert anzusetzen. Dieser ergibt sich aus der Differenz zwi-schen Ertrags- und Teilreproduktionswert, so dass der Vollreproduktionswert dem auf einzelne Vermögensgegenstände zerlegten Ertragswert entspricht.58 Weil der Substanzwert dann keine weiteren Erkenntnisse als der Ertragswert bietet, ist er überflüssig.59

Als „entobjektiviert“ ist auch die dynamische Bilanzkonzeption von SCHMA-LENBACH zu qualifizieren. SCHMASCHMA-LENBACH vertrat die Auffassung, mit Hil-fe einer Einzelbewertung sei die „richtige“ Vermögensermittlung nicht möglich, denn „der Wert einer Unternehmung besteht nicht aus der Summe der Werte der einzelnen Teile“60. Der „wesentliche Zweck der kaufmännischen Gewinnermitt-lung ist die Nötigung, den Erfolg des kaufmännischen Betriebes zum Zwecke rich-tiger Betriebssteuerung festzustellen.“61 Mit Hilfe periodischer Gewinnrechnun-gen solle die Rentabilität einer Unternehmung im Vergleich zu der bzw. zu den Vorperiode(n) ermittelt werden. Wird so festgestellt, dass ein Betrieb nicht mehr

55 Unser vereinfachtes Beispiel soll bei den Leserinnen und Lesern nicht den (völlig falschen) Eindruck erwecken, dass sich die bisherige HGB-Konzeption und die Konzeption der Inter-national Financial Reporting Standards nur dahingehend unterscheiden, dass nach den IFRS eine Bewertung von Sachanlagen über die Anschaffungskosten hinaus zulässig ist, siehe dazu aber Bolin (2013), S. 973-974. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der hieraus entstehende Gewinn nach IFRS erfolgsneutral in eine Rücklage (revaluation surplus in other comprehen-sive income) einzustellen ist.

56 Der Substanzwert oder eine Kombination aus Ertrags- und Substanzwert ist häufig in Gesell-schaftsverträgen zur Ermittlung gesellschaftsrechtlicher Abfindungen vorgesehen.

57 Dieser Ansatz, den Substanzwert als vorgeleistete Ausgaben zu verstehen, geht auf Sieben (1963), S. 79-97, zurück. In der Praxis der Unternehmensbewertung findet sich freilich auch immer noch die Auffassung, der Substanzwert sei der objektive Unternehmenswert, siehe hierzu bereits kritisch Sieben (1963), S. 68.

58 Siehe hierzu Sieben (1963), S. 81.

59 Siehe Sieben (1963), S. 96, und Moxter (1983), S. 48 f.

60 Schmalenbach (1962), S. 45.

61 Schmalenbach (1962), S. 50, [im Original teilweise hervorgehoben].

rentabel ist, könne unter Umständen durch ein „Umwerfen des Steuers“62 sein Ver-fall vermieden werden. Deshalb hat das „Prinzip der Vergleichbarkeit der Jahres-rechnungen untereinander“63 einen besonderen Stellenwert.64

Entobjektivierte einzelbewertete Fortführungsvermögen haben die Zielsetzung, Planungsaufgaben zu erfüllen. Indem entobjektivierte Fortführungsvermögen Pla-nungsaufgaben erfüllen sollen, sind sie zwangsläufig durch subjektive Elemente charakterisiert. Im Vergleich zum Ertragswert können sie jedoch unter Umständen als weniger subjektiv qualifiziert werden. Als Grundlage für die Bemessung der gesetzlichen Ansprüche der Anteilseigner oder des Fiskus sind diese Gewinn- und Vermögenskonzeptionen aufgrund dieser subjektiven Elemente jedoch grundsätz-lich nicht geeignet.

Die kritische Analyse einiger möglicher Gewinn- und Vermögenskonzeptionen zeigt, dass die Beantwortung der Frage „Was ist Gewinn und was ist Vermögen?“

nicht möglich ist. Es existiert weder das richtige Vermögen noch der richtige Ge-winn. Vielmehr wurde deutlich, dass Gewinn- und Vermögenskonzeptionen von ihrem zugrundeliegenden Zweck bestimmt werden.

Diese Erkenntnis ist nicht neu. STÜTZEL hat bereits 1967 ausgeführt: „Konnten frühere Generationen noch – etwa genarrt von der Mystik eines valor intrinsecus – von dem Vorurteil ausgehen, als müsse es letzten Endes doch eine richtige Bilanz geben, an die wir uns mühselig herantasten, so muß die Bilanztheorie heute not-wendig von dem Vorurteil ausgehen, daß jedem Zweck seine eigene Bewertung, jedem Bilanzzweck seine eigene Bilanz entspricht.“65

Die Frage nach der „richtigen“ Gewinn- und Vermögenskonzeption kann sich so-mit nur darauf beziehen, ob der Zweck, der der Gewinn- und Vermögenskonzep-tion zugrunde liegt, auch tatsächlich erreicht wird. Wir gehen davon aus, dass die Ausführungen des BFH hinsichtlich des „vollen Gewinns“66 auch so zu verstehen sind.

Für die Steuerbilanz stellt sich deshalb für uns die Frage nach ihrem Rechnungs-zweck und ob dieser in der Gewinn- und Vermögenskonzeption richtig, d. h.

zweckadäquat umgesetzt wurde. Wir werden später jedoch zeigen, dass auch der Beantwortung dieser Fragen Grenzen gesetzt sind.

62 Schmalenbach (1962), S. 50.

63 Schmalenbach (1962), S. 51, [im Original teilweise hervorgehoben].

64 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich die inhaltliche Ausgestaltung der „dynamischen Bilanz“ im Zeitablauf, d. h. von der ersten 1919 erschienenen bis zur (von Richard Bauer überarbeiteten) 13. Auflage verändert hat. Darüber hinaus war Schmalenbach ein „ideenrei-cher, aber nur begrenzt präziser Autor“, Moxter (1993), S. 66. Siehe zur Konzeption von Schmalenbach die Ausführungen von Euler (1996), S. 72-95.

65 Stützel (1967), S. 320.

66 Siehe noch einmal den Beschluss des BFH (1969), S. 293.