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Bilanzrechnung de lege lata

1 Einführung in die steuerliche Gewinnermittlung

1.3 Bilanzrechnung de lege lata

Die Bilanzrechnung ist Bestandteil des externen Rechnungswesens und hat die Be-sonderheit, dass hier für die Erstellung von Handelsbilanzen67 (zumindest für alle Kaufleute i.S.v. §§ 1-7 HGB68) gesetzlich verpflichtende Regelungen existieren.69 Für alle Betriebswirte ist die Kenntnis wichtig, dass – neben der Informationsfunk-tion – ein wesentlicher Zweck in der (handels-)bilanziellen Rechnungslegung die Zahlungsbemessungsfunktion ist.70 Die Eigenkapitalgeber haben auf der einen Seite einen Eigenkapitalverzinsungsanspruch in Höhe des handelsrechtlichen Jah-resergebnisses (als Dividende bei Kapitalgesellschaften71 oder als Entnahmerecht

67 Und die Handelsbilanz haben wir oben (S. 25) als zweckdienlichen Inhalt zur vorsichtigen objektivierten gläubigerschützenden Bestimmung eines entnahmefähigen Ergebnisses und als Ausgangsgröße zur Ermittlung ertragsteuerlicher Bemessungsgrundlagen identifiziert.

68 Nach § 1 Abs. 2 HGB ist jeder, der einen Gewerbebetrieb betreibt (wobei die Definition eines Gewerbebetriebs nicht identisch ist zu § 15 Abs. 2 S. 1 EStG!), Kaufmann i.S.d. Handelsge-setzbuches, es sei, dass „das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.“ Letzteres wäre z.B. dann der Fall, wenn – wie bei einer Trinkhalle – nur Bargeschäfte erfolgen und der Einkauf nahezu aus-schließlich bei einem Großmarkt getätigt wird. Ohne diese Voraussetzungen zu erfüllen führt auch die Eintragung ins Handelsregister zur Kaufmannseigenschaft (§ 2 HGB). Daneben sind alle Handelsgesellschaften – unabhängig von ihrer Tätigkeit – stets Kaufleute i.S.d. HGB (Formkaufleute gem. § 6 HGB). Dies gilt auch für alle Kapitalgesellschaften (vgl. § 3 AktG für die AG, §§ 11, 13 Abs. 3 GmbHG für die GmbH, §§ 3, 278 Abs. 3 AktG für die KGaA, Art. 10 SE-VO i.V.m. § 3 AktG für die SE) sowie für die OHG (§ 105 Abs. 1 HGB) oder KG (§ 161 Abs. 1 HGB).

69 Bekanntlich müssen alle Kaufleute in Deutschland nach den Vorschriften des HGB – hier speziell § 242 Abs. 1: „Der Kaufmann hat zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluß eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schul-den darstellenSchul-den Abschluß (Eröffnungsbilanz, Bilanz) aufzustellen“ – einen handelsrechtli-chen Jahresabschluss zum Ende des Wirtschaftsjahres erstellen. Befreit von dieser auf der Buchführungspflicht beruhenden Bilanzierungsverpflichtung sind gem. § 241a HGB: „Ein-zelkaufleute, die an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjah-ren nicht mehr als jeweils 600 000 Euro Umsatzerlöse und jeweils 60 000 Euro Jahresüber-schuss aufweisen.“ Diese „brauchen die §§ 238 bis 241 nicht anzuwenden. Im Fall der Neu-gründung treten die Rechtsfolgen schon ein, wenn die Werte des Satzes 1 am ersten Ab-schlussstichtag nach der Neugründung nicht überschritten werden.“

70 Vgl. z.B. Coenenberg/Haller/Schultze (2021): 18 f. oder Bareis (2016), Rn. 174 mit Bezug auf die „Gewinnanspruchs-GoB“ vom Moxter (2003).

71 Zur Begründung dieser These schauen wir uns die Vorschriften im GmbHG (anzuwenden auf GmbHs und UGs – haftungsbeschränkt –) sowie im AktG (anzuwenden auf AGs oder KGaAs) an. Die Terminologien „Jahresüberschuß“ und „Jahresabschluss“ beziehen sich im-mer auf den handelsrechtlichen Einzelabschluss!

In § 29 GmbHG (Ergebnisverwendung) heißt es: „(1) Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuß zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, soweit der sich ergebende Betrag nicht nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag, durch Be-schluß nach Absatz 2 oder als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Beschlusses über die Ver-wendung des Ergebnisses von der Verteilung unter die Gesellschafter ausgeschlossen ist.

Wird die Bilanz unter Berücksichtigung der teilweisen Ergebnisverwendung aufgestellt oder werden Rücklagen aufgelöst, so haben die Gesellschafter abweichend von Satz 1 Anspruch

bei Personengesellschaften72). Der Fiskus leitet zum anderen aus der Handelsbi-lanz über eine SteuerbiHandelsbi-lanz seine Ertragsteueransprüche ebenfalls aus der BiHandelsbi-lanz- Bilanz-rechnung ab.73

Systematisieren wir bevor wir weiter im Überblick voranschreiten uns bekannte Jahresabschlüsse (Bilanzrechnungen).74 Wir unterscheiden – ohne Anspruch auf

auf den Bilanzgewinn. (2) Im Beschluß über die Verwendung des Ergebnisses können die Gesellschafter, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, Beträge in Gewinn-rücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen. (3) Die Verteilung erfolgt nach Verhältnis der Geschäftsanteile. Im Gesellschaftsvertrag kann ein anderer Maßstab der Verteilung fest-gesetzt werden.“

§ 174 AktG (Gewinnverwendung) lautet: „(1) Die Hauptversammlung beschließt über die Verwendung des Bilanzgewinns. Sie ist hierbei an den festgestellten Jahresabschluß gebun-den. (2) In dem Beschluß ist die Verwendung des Bilanzgewinns im einzelnen darzulegen, namentlich sind anzugeben 1. der Bilanzgewinn; 2. der an die Aktionäre auszuschüttende Be-trag oder Sachwert; 3. die in Gewinnrücklagen einzustellenden Beträge; 4. ein Gewinnvor-trag; 5. der zusätzliche Aufwand auf Grund des Beschlusses. (3) Der Beschluß führt nicht zu einer Änderung des festgestellten Jahresabschlusses.“

72 Zur Begründung dieser Aussage ziehen wir die relevanten Vorschriften des HGBs heran.

§ 120 HGB betrifft die OHG. Hier heißt es (ohne Kommentierung unsererseits bezüglich der Formulierungsfähigkeit des Gesetzgebers; der mir im Zugriff befindliche DUDEN kennt al-lerdings weder „Schlusse“ noch „Betrage“): „(1) Am Schlusse jedes Geschäftsjahrs wird auf-grund der Bilanz der Gewinn oder der Verlust des Jahres ermittelt und für jeden Gesellschafter sein Anteil daran berechnet. (2) Der einem Gesellschafter zukommende Gewinn wird dem Kapitalanteile des Gesellschafters zugeschrieben; der auf einen Gesellschafter entfallende Verlust sowie das während des Geschäftsjahrs auf den Kapitalanteil entnommene Geld wird davon abgeschrieben.“ In § 167 HGB (anwendbar für Kommanditgesellschaften) heißt es:

„(1) Die Vorschriften des § 120 über die Berechnung des Gewinns oder Verlustes gelten auch für den Kommanditisten. (2) Jedoch wird der einem Kommanditisten zukommende Gewinn seinem Kapitalanteil nur so lange zugeschrieben, als dieser den Betrag der bedungenen Ein-lage nicht erreicht. (3) An dem Verluste nimmt der Kommanditist nur bis zum Betrage seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teil.“

73 Vgl. zum Maßgeblichkeitsprinzip später Kap. 3.1. Da finanzielle Mittel, die z.B. an den Fis-kus gehen, nicht erneut an die Eigenkapitalgeber gelangen können, wird auch deutlich, dass es in der handelsrechtlichen Rechnungslegung keine „nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben“

geben kann. Ein Euro kann nur einmal ausgegeben werden! „Nicht abzugsfähige Betriebsaus-gaben“ gibt es somit lediglich im Steuerrecht, weil der Steuergesetzgeber selber bestimmen darf, wie sich eine ertragsteuerliche Bemessungsgrundlage zusammensetzt. Hier hat er das Recht zu bestimmen, dass z.B. die Ertragsteuern selbst (also die ESt, die KSt, der SolZ oder die GewSt) oder andere Betriebsausgaben (wie z.B. Strafgelder aber auch die Hälfte der Auf-sichtsratsvergütungen) die steuerliche Bemessungsgrundlage nicht mindern dürfen (vgl.

§§ 3c, 4 Abs. 5, 4 Abs. 5b, 10, 12 Nr. 1, Nr. 3 EStG, 8b, 10 KStG). Vgl. zum Weg der modi-fizierten Handelsbilanz über die Steuerbilanz zu den ertragsteuerlichen Bemessungsgrundla-gen auch Breithecker (2020a), Folie 76 (für Kapitalgesellschaften) und 51 (zu Mitunterneh- merschaften).

74 Diese systematische Analyse sollte immer erfolgen! Es sollte uns stets bewusst sein, dass z.B.

ein handelsrechtlicher „Gewinn“ in einem Einzelabschluss natürlich etwas (in der Technik der Ermittlung, in der Aussagekraft und im Rechnungsziel) vollkommen anderes ist als ein

„Gewinn“ im Konzernabschluss nach IFRS! Einklagbare Zahlungsverpflichtungen können

Vollständigkeit und tendenziell aus bundesdeutscher Sicht – zwischen der Rech-nungslegung nach Regelungen des

 HGB,

 IFRS oder

 US-GAAP.

Als Grundlage für die hier später zu behandelnde Steuerbilanz dient alleine der Jahresabschluss nach HGB. Handelsrechtliche Jahresabschlüsse können wiede-rum

 als Einzelabschluss oder

 als Konzernabschluss

vorliegen. Eine Steuerbilanz baut auf dem Einzelabschluss nach HGB auf (vgl.

später das Prinzip der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen GoB für die Steuer-bilanz nach § 5 Abs. 1 EStG – Maßgeblichkeitsgrundsatz – in Kap. 3.1). Diese Rechtsfolge bedeutet für uns, dass wir grundlegende Kenntnisse zum Einzelab-schluss nach HGB haben müssen um eine Steuerbilanz aufzustellen! Das betonen wir auch, weil über (geschätzte) zwei Millionen Kaufleute in der Bundesrepublik Deutschland handelsrechtliche Jahresabschlüsse machen müssen und lediglich rund 1.000 kapitalmarktorientierte, börsennotierte Unternehmen (zusätzlich) einen Konzernabschluss nach den Regeln der IFRS aufzustellen haben.75 Unterschätzt bitte niemals die handelsrechtliche Rechnungslegung!

Die übrigen denkbaren und in vielfältiger Weise gestaltbaren Teilgebiete des Be-triebswirtschaftlichen Rechnungswesens sind dem internen betriebswirtschaftli-chen Rechnungswesen zuzuordnen. Im Einzelnen handelt es sich um: Kosten- und Erlösrechnung, Investitionsrechnung und Finanzrechnung. Wesentliches Merk-mal dieser weiteren Teilgebiete ist die (grundsätzlich) fehlende gesetzliche Veror-tung.76 Der Gesetzgeber schreibt diese Teilgebiete i.d.R. nicht vor, belässt also die

sich nur aus dem handelsrechtlichen Jahresabschluss und aus der daraus abgeleiteten Steuer-bilanz ergeben! Vgl. zur immer wieder aufkeimenden Idee, Ausschüttungs- und Steuerbemes-sungen an Abschlüsse nach IFRS zu koppeln, z.B. Böcking (2007) oder Breithecker/Klapdor/

Rokitta (2007). Zur Kritik, dass IFRS-Abschlüsse schon zu Informationszwecken weniger brauchbar sind (und damit zur Zahlungsbemessung noch weniger beitragen) vgl. z.B. Brink-mann (2006).

75 Zu den Rechtsformen in Deutschland vgl. z.B. Breithecker (2020a), Folie 7. Vgl. zu Konzern-abschlüssen nach IFRS EU (2002) sowie § 315a HGB.

76 Zu nennen sind hier als Ausnahmen insbesondere öffentlich geförderte Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflegeeinrichtungen, für welche sich die Pflicht zur Einrichtung einer Kosten- und Erlösrechnung aus § 8 KHBV (Krankenhaus-Buchführungsverordnung) bzw.

§ 7 PBV (Pflege-Buchführungsverordnung) ergibt. Des Weiteren können die Empfänger von

Entscheidung, ob eine Kosten- und Erlös-, eine Investitions- und/oder eine Finanz-rechnung eingeführt werden, der Beurteilung der Unternehmensleitung. Damit kann jede Unternehmensleitung selbst entscheiden, ob sie für die zusätzlichen In-formationen, die durch die weiteren Teilgebiete des Betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens generiert werden (können), finanzielle Mittel aufwenden – so z.B. die durch Personal oder Räumlichkeiten oder IT verursachten Aufwendun-gen/Kosten –, die (hoffentlich) einen höheren Nutzen für die Unternehmung er-bringen als sie Aufwand/Kosten verursachen. Damit handelt es sich hier – also bei der Frage: Soll ich eine zusätzliche „Abteilung“ schaffen, die kein Gesetzgeber verlangt? – um eine betriebliche Investitionsentscheidung, die dann bejaht wird, wenn der Nutzen den Aufwand übersteigt, also sozusagen einen positiven Kapital-wert aufweist.77

Gleichzeitig bedeutet die fehlende gesetzliche Verortung für das interne Rech-nungswesen ein Mehr an Gestaltungsfreiheit. Bezüglich der Erstellung eines (mit geringen Gestaltungsfreiheiten ausgestatteten) handelsrechtlichen Jahresabschlus-ses hat der Gesetzgeber in den §§ 242-278 HGB die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung kodifiziert und ermöglicht damit dem Stakeholder/

Bilanzleser eine einheitliche Interpretation der Handelsbilanz. Adressat der Infor-mationen aus dem internen Rechnungswesen ist jedoch derjenige, der die Ent-scheidung für oder gegen zusätzliche Teilgebiete und deren inhaltliche Ausgestal-tung getroffen hat – also er/sie selbst! Eine Lese- und Interpretationsfähigkeit für alle denkbaren Stakeholder ist somit von vornherein unnötig und in Ermangelung der Nicht-Verbreitung der Informationen auch nahezu ausgeschlossen. Damit muss der Unternehmer aber nicht nur eine Entscheidung für oder gegen zusätzliche Bestandteile des internen Rechnungswesens sondern auch über die inhaltliche Ausgestaltung dieser Zusätze treffen.