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Auf der strukturellen Ebene ist die Pferdebranche ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der Arbeits-stellen und einen Umsatz von 1.5 Milliarden Franken schafft. Die Pferdebranche induziert schätzungsweise 20'000 Vollzeitstellen, von denen 10'000 direkt generiert werden.

Sie trägt zur Berufsbildung Jugendlicher und zu ihrer sozialen und umweltpolitischen Erzie-hung bei, indem sie sportliche und körperliche Aktivitäten in der Natur bietet.

Dieser landwirtschaftliche Produktionszweig entspricht zugleich der Notwendigkeit nach Diver-sifizierung der Landwirtschaft und der starken gesellschaftlichen Nachfrage nach Dienstleis-tungen (Pferdepension und Pferdetourismus). Damit stellt das Pferd ein wichtiges soziales Bindeglied zwischen der Stadt und dem Land dar.

Die Robustheit des Pferdes erlaubt eine extensive Tierhaltung, bei der Massenproduktion ausgeschlossen ist. Damit trägt das Pferd zur Ökologisierung der Landwirtschaft und zum Unterhalt der Landschaft bei.

Pferdeaktivitäten leisten ebenfalls einen Beitrag an die Biodiversität, beispielsweise durch die Erhaltung und die genetische Verbesserung der Freibergerrasse.

15.2.2 Schwächen der Branche

Ein vielfältiges und zersplittertes Umfeld erlaubt keine optimale Kommunikation

Die Branche weist ein sehr diversifiziertes und fragmentiertes Umfeld auf. Es gibt keine bran-chenübergreifende Organisation, die funktional die vor- (Züchter und Pferdehalter) und nach-gelagerten (Vermarktung und Nutzung) Sektoren zusammenbringt.

Im nachgelagerten Sektor verwaltet der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS), entsprechend seiner Bezeichnung, den Pferdesport auf allen Wettkampfniveaus. Seine Reg-lemente kodifizieren in erster Linie die Pferdesportaktivitäten (Organisation von Veranstaltun-gen, Teilnahmerechte, Sportlerlizenzen, Identifizierung der Sportpferde, Klassierung der Reiter, Preisgelder, usw.). Der SVPS kontrolliert lediglich einen Drittel des Equidenbestands.

Die meisten Freizeitreiter, namentlich diejenigen, die nie an Wettkämpfen teilnehmen, gehören keiner Vereinigung an.

Im vorgelagerten Sektor sind die Pferdehalter, abgesehen von dem die Mehrheit der Mane-genbesitzer zusammenfassenden Schweizerischen Verband für Berufsreiter und Reitschulbe-sitzer SVBR, in ihrer Eigenschaft als Anbieter von Dienstleistungen nicht organisiert. Die Landwirte sind Mitglieder einer beruflichen Organisation für Landwirte152, aber letztere misst der quantitativen und qualitativen Bedeutung der Pferdebranche nur wenig Gewicht bei. Dies ist zweifellos auf die Tatsache zurückzuführen, dass Bedeutung und Auswirkung der Pferde-branche nicht bekannt sind. Die Pferdezüchter ihrerseits sind in Zuchtverbänden für die ein-zelnen Rassen organisiert und die Befragung der Interessierten zeigt, dass ihr Dachverband153 zurzeit nicht wirklich imstande ist, alle mit der wünschenswerten Unparteilichkeit zu vertreten, d.h. einerseits die berufsmässigen Landwirte (welche die Mehrheit der Freibergerpferde züch-ten) und andererseits die passionierten Liebhaber und Züchter anderer Pferderassen ausser-halb der Landwirtschaft. So scheinen soziokulturelle Unstimmigkeiten die Lage zu blockieren und eine schwer zu überbrückende Kluft zwischen dem prestigeträchtigen Vollblutpferd und der Natürlichkeit des ländlichen Pferdes zu schaffen.

Diese fragmentierte Struktur ist kaum optimal, um die gesamte Pferdebranche ins richtige Licht zu rücken und ihren Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Zu Recht verbreiten alle Akteure ihre eigenen Informationen über die Fachpresse, jedoch scheint niemand über die notwendige Berechtigung zu verfügen, um Informationen zur Aufwertung der gesamten Pferdebranche in der Presse zu veröffentlichen. Ohne in Einzelheiten gehen zu wollen, kann allgemein gesagt werden, dass - mit einigen Ausnahmen - die Tages- und Wochenpresse zumeist nur Informati-onen über Pferdeveranstaltungen auf hohem Niveau veröffentlicht (Concours, Messen, be-kannte Reiter und Pferde). Insgesamt vermittelt diese Art von Kommunikation eher ein elitäres Bild des Pferdesports anstelle einer starken Wirtschaftsbranche mit wichtigen sozialen Funkti-onen.

152 Schweizerischer Bauernverband, http://www.bauernverband.ch

153 Verband Schweizer Pferdezuchtorganisationen (VSP)

Bericht der Arbeitsgruppe Pferdebranche 135 Unpassendes Bildungssystem für landwirtschaftliche Pferdehalter

Verschiedene Indikatoren weisen darauf hin, dass die Ausbildung für Pferdehalter den Inha-bern von Landwirtschaftsbetrieben keine Möglichkeit bietet, ihr Spezialisierungspotential umzusetzen. Die mangelnde Rentabilität der Branche und die zahlreichen Kritiken hinsichtlich der Haltungsbedingungen für Equiden sind einige Beispiele für diesen Missstand. In dieser Hinsicht sind auch bei der neuen Organisation der Arbeitswelt (OdA) keine Anzeichen zu sehen, dass die Ausbildung der Pferdehalter der wirtschaftlichen und strukturellen Realität der Branche angepasst werden soll, obwohl die meisten Equiden nicht von Reitern in Reitschulen oder Manegen gehalten werden, sondern von Landwirten.

Letztere haben grosse Wissenslücken. Die landwirtschaftlichen Schulen haben fast alle das Pferd als Pflichtfach abgeschafft und es den Interessierten überlassen, sich in den vielfältigen und oft miteinander unvereinbaren Kursen, die auf dem Markt angeboten werden, zu bilden.

Junge Leute haben kaum mehr die Möglichkeit, sich bei den Pferdetruppen die notwendigen Kenntnisse zu holen. Unter diesen Umständen ist es nicht erstaunlich, dass lediglich ein Drittel der Pferdehalter über spezifische Kenntnisse in der Haltung dieser Tiere verfügt und dass einer von fünf Haltern gar keine Ausbildung aufweist. Fast die Hälfte der Pferdehaltenden Landwirte sind Autodidakten, die andere Hälfte verfügt lediglich über ein Brevet in Fahren und Reiten.

Die Ausbildung der Pferdehalter wird nicht vom Schweizerischen Bauernverband übernom-men154, im Gegensatz zu anderen Produktionszweigen (Geflügel, Weinbau, Gemüsebau, biologische Landwirtschaft, usw.). Ausserdem ist die Organisation der Arbeitswelt (OdA) hinsichtlich der Pferdeberufe dem Schweizerischen Verband für Berufsreiter und Reitschulbe-sitzer (SVBR) unterstellt und demnach mehr auf die sportlichen Aktivitäten und die Concours ausgerichtet sowie auf den Unterricht für diese Branche. Eine berufliche Spezialausbildung für Pferdehaltung, selbst als Pferdepfleger, ist in diesem Rahmen nur möglich, sofern der Interes-sent zumindest selber reitet. Dazu kommt, dass Branchen, welche die Grundlagen für die Haltung (Wohlergehen, Verhalten, Haltungssysteme) und die Wirtschaft (Marketing, Bench-marking, Pferdehandel, Kommunikation, usw.) darstellen, in dieser Grundausbildung eher stiefmütterlich behandelt werden.

Faktoren, welche die Entwicklung der Branche hemmen könnten

Es besteht das Risiko, dass die gute Entwicklung, welche die Branche in den letzten Jahren zeigte, in Zukunft aufgehalten wird. Die wachsende Zahl von Pferden in den Randgebieten könnte zu Problemen im Zusammenleben im den anderen Nutzern der Naturräume führen (Spaziergänger, Velofahrer, Jogger, usw.), was unweigerlich zu Diskussionen über die Nut-zung der öffentlichen Wege führen wird. In ländlichen Gegenden mögen die Probleme geringer sein, werden jedoch durch Fragen des Zugangs zu den Wäldern kompliziert. In der Tat sind die Förster und öffentlichen Instanzen sehr empfindlich bezüglich des Schutzes des Baumbe-stands, der in vielen Kantonen sehr restriktiv gehandhabt wird. Da gegenwärtig nicht alle Freizeitreiter Mitglieder eines Verbandes sind, wird es schwierig sein, alle Beteiligten in einen konstruktiven Dialog einzubinden.

Weitere zukünftige Hemmnisse könnten durch die häufig widersprüchlichen Ziele der Gesetze auf der Bundes- und Kantonsebene betreffend Raumplanung einerseits und der Gesetze, welche das Wohl der Tiere im Auge haben andererseits entstehen, insbesondere was die Unterbringung der Pferde und die für ihren Bewegungsanspruch unentbehrliche Auslaufflä-chen betrifft.

154 http://www.sbv-bildung.ch

Die Pferdebranche ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der Arbeitsstellen und einen Umsatz von 1.5 Milliarden Franken schafft. Sie trägt zur Berufsbildung Jugendlicher bei und kommt zugleich den Erfordernissen einer diversifizierten Landwirtschaft und der gesellschaftlichen Nachfrage nach Dienstleistungen entgegen. Mit dem System extensi-ver Haltung bietet die Pferdebranche echte Möglichkeiten für eine nachhaltige Entwick-lung, die Umwelt sowie für die Aufwertung der ländlichen Räume und ihres Erbes.

Die grösste Schwäche der Pferdebranche liegt darin, dass ihre Vorteile und Stärken weder in der Bevölkerung bekannt noch von den Entscheidungsträgern in der Politik und den Akteuren der Branche wahrgenommen werden. Der Grund für dieses Handicap liegt in der komplexen und unvereinbaren Struktur der Branche und einem Kommunika-tionssystem, das für die Richtigstellung des immer noch elitären Images, mit dem alle Aktivitäten um das Pferd behaftet sind, ungeeignet ist. Auch die Ausbildung der Halter ist mangelhaft und verunmöglicht es der Branche, die technische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung vor allem hinsichtlich der Nachhaltigkeit und der Schaffung von Mehrwert sicherzustellen.

Durch die Konzentration der Pferde in einigen Regionen könnten zunehmend Probleme des Zusammenlebens unter den verschiedenen Nutzern der Naturräume entstehen und so die Entwicklung der Pferdebranche hemmen. Ohne konstruktiven Dialog unter den Interessierten wird es immer schwieriger werden, für alle Beteiligten zufrieden stellende Lösungen zu finden. Die sich häufig widersprechenden Ziele der Gesetzgebung über die Raumplanung und den Tierschutz stellen ebenfalls ein Risiko dar.