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Günstiges Umfeld für die Entwicklung von Aktivitäten in der Pferdebranche

Frei-zeitaktivitäten

Die grosse Beliebtheit des Pferdes unter Kindern und Jugendlichen, vor allem unter jungen Mädchen, hat zum Aufschwung dieser Sportart geführt. Diese Besonderheit ist darauf zurück-zuführen, dass es sich nicht um ein beliebiges Tier, sondern um das Pferd handelt, das ein Symbol für Macht, Freiheit und Natur ist. In jedem Pferdestall kann man beobachten, wie die Pferde von einem Schwarm junger Mädchen umgeben sind, die sie putzen, bemuttern und für den Ausritt vorbereiten und vermutlich von der vollkommenen Harmonie mit diesem zugleich starken und sanften Tier träumen.

Waren Pferdeaktivitäten wie Reiten in der Freizeit und die Teilnahme an Pferdespielen früher einer sehr sportlichen zivilen Elite und dem Training militärischer Kader vorbehalten, haben sie sich in der neueren Zeit stark demokratisiert. Unter Freizeitpferdesport sind Tätigkeiten zu verstehen, die nicht in die Kategorie Wettkampf fallen. In Europa nehmen die meisten Freunde des Pferdesports nicht an Wettkämpfen teil, sondern üben diese Tätigkeit in ihrer Freizeit oder als Pferdetourismus aus. Für die Schweiz, Deutschland und Frankreich gilt, dass 90 % der Pferdesport ausübenden kein Interesse an Wettkämpfen haben und in ihrer Freizeit eher einen für sie wertvollen und heilsamen Kontakt mit dem Pferd suchen150. Pferdesport wird heute für die meisten Reiter mit Freizeitsport gleichgesetzt. Die seit fünfzehn Jahren gleichbleibende

150 Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), Umfassende Untersuchung stellt Weichen für die Zukunft, Warendorf, www.fndownload.de, 2001, pp. 1-2.

Bericht der Arbeitsgruppe Pferdebranche 131 jährliche Zahl von 3'000 Einschreibungen ins Register des Schweizerischen Verbands für Pferdesport zeigt, dass nicht der Wettkampf der Motor dieses Wachstums ist.

Obwohl in vielen Sportarten eine Tendenz zur Professionalisierung besteht, wird beim Pfer-desport seit seiner Öffnung für die breite Mittelschicht eine entgegengesetzte Entwicklung beobachtet. Ein eigenes Pferd ist nicht unbedingt erforderlich, so wie es früher der Fall war.

Unsere Umfrage zeigt, dass die 85'000 Equiden von 230'000 Personen für das Reiten oder andere Sportarten genutzt werden. Für Pferdeliebende junge Leute ist es heute relativ einfach, in den Landwirtschaftsbetrieben der ländlichen und Randgebieten eine Möglichkeit zum Reiten zu finden. Häufig wird bei der Pferdepflege mitgeholfen oder als Gegenleistung für eine oder zwei Stunden Ausreiten werden Stallarbeiten ausgeführt.

Der Preis für eine Reitausrüstung ist ebenfalls weniger hoch als früher. Die Freizeitreiter kümmern sich heute wenig um die Kleidervorschriften des akademischen und sportlichen Reitens. Es handelt sich hier um eine andere kulturelle Norm und man fühlt sich nicht mehr verpflichtet, das für die Identifikation mit einer Pferdeelite unentbehrliche Kostüm anzuschaf-fen. Man ist mit Reitstiefeln aus Kunststoff oder Gamaschen und Sportschuhen zufrieden und ersetzt die Reithose durch ein Paar Jeans.

15.1.2 Starker Anstieg spezifischer Freizeitrassen

Im Bereich der bevorzugten Rassen ist ein starker Anstieg der spezifischen Freizeitrassen zu beobachten. Neben den Reitern, die ihr Pferd nach Wettkampf-Kriterien aussuchen und sei es bloss für solche auf einfachem Niveau, suchen immer mehr Amateure beim Kontakt mit dem Pferd und den Aktivitäten im Freien ausgefallenere Formen des Pferdesports und wollen so dem Medienspektakel der Wettkämpfe entgehen. Für sie hat das luxuriöse und wettkampfori-entierte Umfeld des traditionellen Pferdesports keine Anziehungskraft, ihre Motivation besteht eher im Spass am Spiel mit dem Pferd als in sportlichem Ehrgeiz. Für diese Art von Aktivitäten eignen sich robuste Rassen wie Ponys, Kleinpferde oder Freiberger hervorragend, weshalb die Warmblutpferde anteilsmässig zurückgehen. So ist das Freizeitpferd zu einem sozialen Markenzeichen naturverbundener Reiter und Fahrer geworden. Damit liegt es zwischen dem Blutpferd, das oft mit Arroganz und Machtattributen gleichgesetzt wird und dem Zugpferd als Inbegriff von Unterwerfung, Demut und Schwerarbeit. Diese Entwicklung erklärt die Verdoppe-lung der Anzahl Ponys und Kleinpferde in den letzten 10 Jahren und die Tatsache, dass die Freiberger fast einen Viertel des Schweizer Equidenbestands ausmachen, ein weiteres uner-wartetes Resultat der Studie.

In der Tat ist der Freiberger nicht ein Pferd wie alle anderen, denn er ist die einzige Schweizer Pferderasse, die sich ohne Mühe den Erfordernissen der modernen Zeit angepasst hat. Diese fast anachronistisch zu nennende Überlebenskraft ist der Ausdruck eines starken und über-zeugten Willens der Freibergerzüchter in einer vom Marktdenken geprägten Gesellschaft, in der „der Bezug zum Tier und damit zum Lebendigen von der Wirtschaft und den harten Wis-senschaften fast als „Beschämung“ angesehen wird, als Verrücktheit in der vorherrschenden Kultur“151. Der Freiberger ist neben anderen Pferden ebenfalls ein bedeutender Motor für die Belebung ländlicher und periurbaner Zonen, mit deren Attraktivität das Interesse für die Wie-derentdeckung der Vielfalt dieser Gebiete zunimmt.

15.1.3 Anziehungskraft ländlicher Räume

Die massive Zunahme der in Landwirtschaftsbetrieben gehaltenen Equiden ist im Zusammen-hang mit der Anziehungskraft der ländlichen Räume zu sehen. Bis zum Ende des XX. Jahr-hunderts bestand das Hauptziel der schweizerischen Landwirtschaftpolitik in der Sicherung der Landes- und Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln sowie der Einkommensparität zwischen der Landwirtschaft und den anderen Wirtschaftszweigen. Im Laufe der 90er Jahre wurden die

151 SALMONA Micheline, «De la domestication à la réification. Une volonté des technosciences de détruire le lien avec la bête et le taylorisme impossible», (Von der Domestizierung zur Versachlichung. Die Zerstörung der Bindung zum Tier durch die technischen Wissenschaften und die Unmöglichkeit des Taylorismus) Colloque Domestications animales: dimensions sociales et symboliques, Villeurbanne 21, 22, 23 novembre 2002, p. 61.

Märkte liberalisiert und die Rolle der Landwirtschaft in der schweizerischen Gesellschaft grundsätzlich in Frage gestellt. Die an die Produktion gebundenen Subventionen wurden durch Direktzahlungen für die Entschädigung einer Reihe von Dienstleistungen in mehreren Berei-chen ersetzt (Multifunktionalität der Landwirtschaft). Der Bund hob die Preis- und Abnahmega-rantien auf, damit sich die Preise nach Angebot und Nachfrage gestalten können. Die Bauern erhalten vom Bund lediglich dann finanzielle Unterstützung, wenn sie den strengen Vorschrif-ten bezüglich Ökologie und Tierhaltung nachkommen. Damit sind sie nicht mehr ausschliess-lich Produzenten von Nahrungsmitteln, sondern sie sind ebenfalls verantwortausschliess-lich für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und den Unterhalt der Landschaft. Mit den Direktzahlungen werden heute allgemeine Dienstleistungen bezahlt, beispielsweise die Produktion und der Verzehr von Raufutter durch Tiere irgendeiner Art und Rasse. Der Bund will sich nicht über die Bevorzugung bestimmter Tierarten in den Markt einmischen. Somit diktiert einzig der Markt, welche Tiere von den Produzenten gehalten und aufgezogen werden müssen.

15.1.4 Diversifizierung der landwirtschaftlichen Aktivitäten

Um den neuen Rahmenbedingungen nachzukommen, das Überleben ihrer Höfe zu sichern und das Einkommensniveau zu halten, suchen viele Landwirte nach neuen Möglichkeiten zur Nutzung ihrer Infrastrukturen indem sie Strategien zur Diversifizierung ihrer Tätigkeiten entwi-ckeln. Diese richten sich nach der Erfordernissen des Marktes sowie den Vorlieben und den Möglichkeiten der Betriebsinhaber. Die Pferdhaltung als Produktionsbranche gehört zu den von einer Reihe von Betrieben angenommenen Strategien, besonders derjenigen mit einer Fläche von über 20 ha. Die Fläche von 100'000 ha LN, die in der Schweiz für die extensive Pferdehaltung genutzt wird, stellt heute rund 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche dar, was klar auf die Bedeutung der Pferdehaltung als landwirtschaftliche Produktionsbranche hinweist.

In allen Zonen wurden die früher für den Eigengebrauch gehaltenen Arbeits- und Zuchtpferde nach und nach von Pensionstieren für die Freizeitnutzung ersetzt. Eine Reihe von Betrieben hat sogar die Milchproduktion zugunsten der Pferdehaltung aufgegeben. Die meisten Pferde werden nicht in der Peripherie der Grossagglomerationen Genf, Bern, Basel und Zürich gehal-ten, sondern hauptsächlich in ländlichen Zonen der mittleren Berg- und Talgebiete, die 20 bis 50 Kilometer entfernt von den am stärksten besiedelten Zonen sind. Das Wachstum in den urbanen Zonen ist schwach, die höchste Bestandeszunahme wird vorwiegend in den ländli-chen Räumen verzeichnet. Dies ist ein klarer Hinweis für die Tatsache, dass das spielerische Element der Pferdeaktivität und die Interessen der Freizeitreiter vorwiegend mit den Naturge-bieten im Zusammenhang stehen. Selbst wenn den Landwirtschaftsbetrieben durch die Ge-setze der Raumplanung das Zurverfügungstellen einer vollständigen Sportinfrastruktur in der Landwirtschaftszone verwehrt ist, sind diese Betriebsinhaber konkurrenzmässig im Vorteil, da sie Grünflächen für den Auslauf der Pferde und eine geeignete Umgebung für den Ausritt bieten.

Dagegen bevorzugen Besitzer von Sportpferden und Wettkampfreiter die Manegen (von denen 31 % gleichzeitig Landwirtschaftsbetriebe sind), da diese über passendere Sportinfra-strukturen (grosse Reithalle, Übungsgelände, Klubhaus, usw.) verfügen, auch wenn sie in einer periurbaner Zone liegen, die für das Reiten im Freien weniger gut geeignet ist und weni-ger Grünflächen für den Auslauf der Pferde anbieten. Der Vergleich verschiedener Regionen der Schweiz zeigt, dass die Region Zürich, St. Gallen und Thurgau die höchste Dichte an Sportpferden aufweist. In der Romandie und im Mittelland sind dagegen Freizeit- und Zucht-pferde in der Mehrzahl.

Die zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten für die Pferdehaltung (alle Equiden zusammenge-nommen) in den ländlichen Räumen und den Landwirtschaftsbetrieben hängen einerseits von den Entwicklungen in der Landwirtschaftpolitik und ihres Einflusses auf die strukturellen An-passungen ab, andererseits von den Möglichkeiten, welche die Revision des Raumplanungs-gesetzes den kantonalen Behörden, die mit ihrer Durchführung betraut sind, eröffnet. Ohne zusätzliche spezifische Studie ist es zurzeit schwierig zu sagen, wie die Strukturanpassungen und die Raumentwicklungen die Pferdehaltung in den ländlichen Gebieten beeinflussen wer-den. Die Schliessung einer Reihe von Betrieben, die Flächenentwicklung der übrig bleibenden

Bericht der Arbeitsgruppe Pferdebranche 133 Betriebe, die Anforderungen der Gesellschaft und des Marktes bezüglich des Pferdes, die Möglichkeiten zur Spezialisierung (familiäre Mithilfe, Innovationskompetenz und -potential), die Verbesserung der Rentabilität (Rationalisierung, Direktzahlungen und marktgerechte Preise), der politische Wille zur Aufrechterhaltung einer dezentralisierten Nutzung des Landes und der Umwelt, die Anpassung des bäuerlichen Bodenrechts und die Gesetzgebung über die Raum-planung sind Faktoren, welche diese Branche der Agrarwirtschaft wesentlich beeinflussen werden.

Die Zucht und Haltung von Pferden sind in den ländlichen Räumen weit verbreitet. Das Haupt-produkt der Landwirtschaft dieser Gegenden ist die Landwirtschaft selber: Wiesen, Weiden, das Grasland, kurz: die grüne Landschaft. Ohne Bewirtschaftung würde der Wald an Boden gewinnen und das Landschaftsbild grundlegend verändern. Dieser Aspekt ist für den Touris-mus nicht unwichtig, da dieser Wirtschaftszweig von offenen Landschaften ohne Wälder abhängt. In diesem Sinne ist die Landschaftspflege eine der wesentlichsten Aufgaben der Landwirtschaft neben der Produktion von Lebensmitteln. So ist das Pferd durch die grossen Mengen an Raufutter, die es verzehrt, ein wichtiger Faktor für die Bewirtschaftung dieser Räume.

Die Studie zeigt insbesondere einige besondere und ungeahnte Charakteristiken der Pferdebranche: den hohen Anstieg der Equidenzahl (45.3 % in den letzten zehn Jahren), den sehr hohen Anteil der Equiden, die in Landwirtschaftsbetrieben gehalten werden (85 %) und den Anteil der Freibergerrasse am Schweizer Equidenbestand (25.1 %). Zu den zahlreichen Ursachen dieser Entwicklung gehören die Demokratisierung, die Be-liebtheit und Feminisierung der Freizeit-Pferdeaktivitäten sowie die Diversifizierung der Landwirtschaft.

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die zunehmende Freizeitnutzung der Equiden durch Jugendliche, insbesondere junge Mädchen, eine vorübergehende Modeerscheinung ist.

Im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Meinung nehmen bloss 10 % der Pferde und der an Pferden interessierten Personen an Pferdewettkämpfen teil. Die Nutzung der Pferde für Wettkämpfe traditioneller Art dürfte voraussichtlich stabil bleiben oder leicht sinken.

Der Gesamtequidenbestand der Schweiz dürfte weiterhin ansteigen, mit derselben Tendenz zugunsten der Freizeitpferde. Bei einer jährlichen Zunahme von 2'000 Equiden müsste im Jahr 2010 ein Bestand von 100'000 Tieren erreicht sein.

Die Pferdehaltung in den ländlichen Räumen ist ein wichtiger Produktionszweig der Landwirtschaft. Rund 10 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden heute extensiv für die Haltung der 85'000 Equiden in den Landwirtschaftsbetrieben genutzt. Dieser landwirtschaftliche Produktionszweig entspricht den Erfordernissen der Diversifizie-rung und erlaubt eine bessere Nutzung der Infrastrukturen (Pferdepension) und der Grünflächen (Verzehr von Raufutter). In der Romandie und im Mittelland sind die Frei-zeitpferde in der Mehrheit.

Die zukünftigen Wachstumsmöglichkeiten der Pferdehaltung in den Landwirtschaftsbe-trieben hängen von der anstehenden Strukturanpassungen in der Landwirtschaft und der Revision des Raumplanungsgesetzes ab.

15.2 Stärken und Schwächen der Pferdebranche