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2 Sprachkompetenz

2.1 Sprache im Fachunterricht

„Stellen Sie sich in einem Gedankenexperiment die Physik ganz ohne gesprochene und geschriebene Sprache vor. Wenn man Physik ausschließlich in mathematischer Symbolik (…) darstellt, so können Experten mit dieser „sprachlosen“

Darstellungsform etwas anfangen nicht jedoch diejenigen, die noch auf dem Weg zur Physik sind. Physik ohne Sprache ist bestenfalls etwas für den sozialisierten Experten.“ (Sprachkompetenz (iii), 1)

Physikunterricht ohne Sprache wäre, wie Leisen im obigen Absatz festgestellt hat, für den alltäglichen Schulgebrauch nicht umsetzbar. Viel zu viele Mathematisierungen, Symbole und Formeln wären notwendig, um die Sachverhalte darzustellen. Für Schülerinnen und Schüler, die erst die Grundlagen der Physik erlernen müssen, wäre dies überfordernd und würde kaum zu einer Aneignung des Stoffes beitragen.

Obwohl uns eigentlich bewusst sein sollte, wie wichtig Sprache im Unterricht ist, wird ihr leider oft ein zu geringer Stellenwert eingeräumt.

Natürlich sind wir Fachlehrkräfte und unterrichten unsere Fächer, wie in meinem Fall Mathematik und Physik. Und natürlich ist es Aufgabe der Deutschlehrerin und des Deutschlehrers, den Kindern die deutsche Sprache beizubringen. Allerdings ermöglicht erst die Sprache einen Fachunterricht, das Lehren und Lernen in unserem Fach. Somit ist Sprache auch im Fachunterricht ein Thema, welches man nicht außer Acht lassen darf (Sprachkompetenz (vi), 1).

Im Fachunterricht treten mehrere Arten von Sprache bzw. Darstellungen auf. Leisen unterscheidet fünf verschiedene Typen(Sprachkompetenz (ix), 13-14):

1. Alltagssprache 2. Unterrichtssprache 3. Fachsprache

4. Mathematische Sprache 5. Bildsprache

In Lehrbüchern begegnet uns die Alltagssprache in einführenden Texten, welche auf fachliche Fragestellungen hinführen sollen. Sie ist nuancenreich, umschreibend und bildhaft. Außerdem soll sie eng mit der Erlebnis- und Erfahrungswelt zusammenhängen und kontextorientiert sein.

Wenn man sich in Fachtexten bemüht, hinführende, erklärende und erläuternde Passagen zu verwenden, so bedient man sich hierbei meist der Unterrichtssprache.

Diese Textpassagen versuchen, dem Unterrichtsgespräch nahe zu kommen und stellen eine „saubere“, sprachlich verdichtete Sprache dar.

Kennzeichnend für die Unterrichtssprache ist die Nähe zur Alltagssprache, welche aber durch den Einbau von Fachwörtern klar von dieser abgegrenzt ist. Es wird oft operativ und handlungsbezogen mit konkreten Beispielen gearbeitet, ohne Sachverhalte danach zu verallgemeinern. Außerdem fehlt es der Ausdrucksweise oft an Präzision und Eindeutigkeit (Sprachkompetenz (ix), 13-14).

In Merksätzen und Definitionen begegnet uns die Fachsprache. Sie ist gekennzeichnet durch viele Fachbegriffe und durch eher unübliche Satz- und Textkonstruktionen. Für Schülerinnen und Schüler sind Texte in der Fachsprache eher schwer verständlich und erfordern häufig ein fundiertes Vorwissen.

Sprachliche Besonderheiten sind:

 morphologische Besonderheiten („Wortgrammatik“):

 Adjektive mit Präfix „nicht-“ (nichtleitend)

 substantivierte Infinitive (das Hobeln)

 Bildungen aus und mit Eigennamen (galvanisieren, Bunsenbrenner)

 fachspezifische Abkürzungen (DGL für Differentialgleichung)

 syntaktische Besonderheiten („Satzgrammatik“):

 Nominalisierungsgruppen (die Instandsetzung der Maschine)

 unpersönliche Ausdrucksweise (es ist schwer zu zeigen, man sieht)

 Funktionalverbsgefüge (in Betrieb nehmen)

 textuelle Besonderheiten:

 Kohärenz: logisch-inhaltlicher Zusammenhang in einem Text

 Kohäsion: durch sprachliche Mittel soll Kohärenz erzeugt werden (z.B.

Konjunktionen, Pronomen, Artikel, …) (Haagen, 6-8)

Die mathematische Sprache ist Bestandteil vieler Fachtexte. Sie zeigt sich hauptsächlich an Formeln, mathematischen Termen und Darstellungen und ist in ihrer Ausdrucksweise kurz und prägnant. Diese Art der Sprache ist stark normiert und es werden fast nur theoretische Begriffe verwendet, wodurch sich in ihr der formale Charakter der mathematischen Symbolik widerspiegelt.

Bei Skizzen, Zeichnungen, Diagrammen, Grafiken usw. bedient man sich der Bildsprache. Sie dient zu Veranschaulichung und Erklärung der Sachverhalte.

Bilder, Fotografien, Skizzen und ähnliches sollen eine Veranschaulichung ermöglichen (Sprachkompetenz (ii), 2-4).

Wie man in der folgenden Abbildung sehen kann, befinden sich die verschiedenen Sprachformen auf Ebenen unterschiedlichen Abstraktionsniveaus.

Abb.2.1: Sprachen und Abstraktion (aus Sprachkompetenz (vi), 4)

Die Alltagssprache steht am Beginn des Lernens. Die Schülerinnen und Schüler müssen sowohl gedanklich als auch sprachlich auf ihrem Stand abgeholt werden.

Sollen Vorstellungen und Begriffe entwickelt werden, kann der Einsatz der Bildsprache motivierend wirken.

Am Weg zum Verstehen wird die Unterrichtssprache eingesetzt. Sie formuliert schülergemäß und hilft beim Erlernen der Unterrichtsinhalte.

Am Ende des Fachlernens sind die Fachsprache und die mathematische Sprache beheimatet. Hier können die Schülerinnen und Schüler ihr erworbenes Wissen dann mit Hilfe dieser Sprachen ausdrücken (Sprachkompetenz (ix), 13-14).

Worin liegen die Schwierigkeiten mit der Sprache im Fachunterricht?

Einerseits sind der Theorierahmen und das damit verbundene Begriffsnetz zu komplex und abstrakt für die Schülerinnen und Schüler. Diese Schwierigkeiten sind aber fachdidaktischer Natur. Somit sind zunächst keine sprachdidaktischen, sondern fachdidaktischen Lösungen notwendig.

Andererseits liegt ein Teil der Schwierigkeiten in den Sprachphänomenen und hat sprachdidaktische Gründe. Leisen listet hier folgende Punkte auf:

 pro Unterrichtsstunde treten etwa 9 neue Fachbegriffe auf

 in älteren Physikbüchern findet man zwischen 1500 und 2000 Fachbegriffe

 in üblichen Schulbüchern ist jedes 6. Wort ein Fachbegriff, jedes 25. ein neuer Fachbegriff

 rund 50% der Fachbegriffe eines Buches werden nur einmal verwendet

 die Schülerinnen und Schüler lernen in einer naturwissenschaftlichen Unterrichtsstunde mehr neue Vokabel als im Fremdsprachenunterricht

(Sprachkompetenz (iii), 5)

Schülerinnen und Schüler vermeiden auch oft das Antworten in ganzen Sätzen und geben nur einsilbige Antworten. Sie sprechen meist unstrukturiert, unpräzise und können Sätze nicht zu Ende führen, da ihnen nur ein begrenzter (Fach-)Wortschatz zur Verfügung steht. Auch zusammenhängendes und diskursives Sprechen wird vermieden. Falls fachliche Sprachstrukturen verwendet werden, werden diese häufig falsch eingesetzt (Sprachförderung, 6).

Des Weiteren treten Schwierigkeiten bei den Schülerinnen und Schülern auf, wenn Begriffe im Unterricht auftauchen, die in der Alltagswelt eine andere Bedeutung haben als im Fachunterricht. Ein meiner Meinung nach gutes Beispiel für dieses Problem hat Claudia Haagen gefunden. Sie greift den Begriff der „Beschleunigung“

auf, der in der Alltagswelt eine andere sprachliche Verwendung hat als im Physikunterricht. Andere Beispiele hierfür wären auch die Begriffe Kraft, Druck, Wärme und Temperatur, Strom, usw. (Haagen, 17).

Abb.2.2: Alltagssprache vs. Fachsprache (aus Haagen, 17)

Hinzu kommt, dass viele Lehrerinnen und Lehrer glauben, die Sprache wäre dazu da, um Inhalte zu transportieren  dies ist nach neurophysiologischen und lern-psychiologischen Erkenntnissen allerdings falsch. Die Schülerinnen und Schüler müssen selbst Bedeutungen und Strukturen in ihren Köpfen konstruieren. Sprache kann daher mehr als ein wichtiges Konstruktionsmittel denn als Transportmittel von Wissen angesehen werden (Sprachkompetenz (iii), 1).

Somit wird Sprache oft auch falsch im Unterricht verwendet, sodass der Lernprozess den Schülerinnen und Schülern erschwert wird, da sie nicht genug Zeit haben, sich mit dem neu Erlernten selbst zu beschäftigen und es zu verinnerlichen.