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5. Diskussion

5.2. Alveolenbildung

5.2.1. Späte Phase der Alveolarisation

Bis zum heutigen Zeitpunkt ist wenig darüber bekannt, wie lange und in welchem Ausmaß die Alveolenbildung in der Mäuselunge nach der Geburt

weiterhin stattfindet. Zunächst bestand die gängige Meinung darin, dass diese innerhalb der ersten zwei Wochen postnatal abgeschlossen sei (Amy et al., 1977). Doch im Rahmen weiterer Nachforschungen (Burri, 2006; Schittny et al., 2008) kristallisierten sich Hinweise heraus, dass auch im adulten Alter neue Alveolen gebildet werden.

Die genannten Hinweise konnten auch durch die Ergebnisse dieser Dissertation bestätigt werden. Bis zur 24. Lebenswoche postpartal konnte hier eine Zunahme der Alveolenzahl in der Mäuselunge verzeichnet werden, dies sowohl beim WT als auch bei LPA1-KO. In der LPA1-KO-Gruppe verlief diese allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau.

Die Alveolarisation ist ein sehr wichtiger Entwicklungsschritt, denn sie trägt zur Vergrößerung der Gasaustauschfläche bei (Burri, 2006). Die Wände der p r i m i t i v e n S a k k u l i d e r N e u g e b o r e n e n l u n g e s i n d d u r c h d i c k e Bindegewebssepten, bestehend aus einem doppelten Kapillarbett, voneinander getrennt (Weibel, 2008). Bei Ratten beginnt die Alveolarisation bereits am 4.

Tag postnatal und hält bis etwa zum 13. postnatalen Tag an. Um den 7. Tag ist an den Septen eine Art Erhöhung zu sehen, die aus dem Primärseptum hervorgeht, um ein zweites Septum zu bilden. Das sogenannte Sekundärseptum besteht ebenfalls aus einer doppelten Kapillarschicht und bildet damit die Gefäßversorgung für die Nachbaralveole. In der darauf folgenden Phase, welche als mikrovaskuläre Reifung bezeichnet wird, nähern sich die zwei Kapillarschichten an und verschmelzen schließlich zu einer Gefäßschicht. Dieser Prozess findet bei Ratten ca. 3 Wochen postnatal statt.

Weitere Modelle haben gezeigt, dass auch nach Abschluss der frühen Entwicklungsphase neue Alveolen gebildet werden können. Während die Alveolenbildung in der frühen Entwicklungsphase von einer zweilagigen Kapillarschicht abhängig zu sein scheint, um ein neues Interalveolarseptum entstehen zu lassen, findet dieser Prozess allerdings statt, nachdem das doppelte Kapillarbett zu einem einfachen reduziert wurde, und wird deshalb als

„late alveolarization“ bezeichnet (Burri, 2006). Im Rahmen einer Studie von Schittny et al., 2008, an Ratten wurde festgestellt, dass neue alveoläre Septen mit nur einer Kapillarschicht aus dem bereits vollständig entwickelten Septum

hervorgingen, was auf eine weitere Phase der Septierung schließen ließ, die weit nach Abschluss der Mikrovaskulatur erfolgte. Geteilt wurde die Meinung über die späte Phase der Alveolarisation auch von Brown et al. (2002) welche in einer Studie die Alveolenzahlen von Kindern und Erwachsenen mittels elektrischer Impedanz-Tomographie bestimmten. Der signifikante Unterschied von 90 Millionen Alveolen bei Kindern im Alter von 2-3 Jahren im Vergleich zu 480 Millionen bei Erwachsenen (Ochs et al., 2004) wies auf einen deutlichen Zuwachs der Alveolenzahl hin. Die Frage, wann die Alveolarisation beim Menschen abgeschlossen ist, wird jedoch kontrovers diskutiert. Burri (1974) vertrat die Ansicht, dass die Alveolenbildung bereits in einem Alter von 2 bis 3 Jahren abgeschlossen wäre, wohingegen die Annahmen anderer Autoren von 8 oder sogar 16 bis 18 Jahren reichten (Davies et al., 1970; Thurlbeck, 1975;

Weibel, 1963). Narayanan et al. (2012) gingen ebenfalls davon aus, dass während der gesamten Adoleszenz bis hin zum jungen Erwachsenenalter neue Alveolen gebildet werden. Da es wenig repräsentative Daten von anderen Spezies inklusive der Maus gibt, ist es wichtig, die postnatale Entwicklung der Mäuselunge nach einer design-based stereologischen Methode (Hyde et al., 2004; Ochs et al., 2004) zu untersuchen.

Durch die erhobenen Daten in dieser Disseration kann festgehalten werden, dass in der Mäuselungenentwicklung eine späte Phase der späten Alveolarisation existiert. Dabei scheint nicht die Notwendigkeit des Vorhandenseins eines doppelten Kapillarbettes zu bestehen. Die sog. „first alveolarization“ war in der 3. postpartalen Woche der Maus abgeschlossen. Es lag elektronenmikroskopisch ein überwiegend einschichtiges Kapillarbett im Septum vor. Dennoch konnte ein weiterer Anstieg sowohl der Alveolenzahl als auch die Alveolarepitheloberfläche bis zur 24. Lebenswoche postpartal in der Mäuselunge verzeichnet werden. Somit wurde eine weitere Vergrößerung der Gasaustauschfläche nicht nur durch Organwachstum erreicht, sondern auch durch eine Vermehrung der Alveolen. Inwieweit dieser Mechanismus auch auf die menschliche Lungenentwicklung zu übertragen ist, bleibt Gegenstand weiterer Studien, ebenso wie die Eruierung des genauen physiologischen Mechanismus.

Interessant ist die Frage, was nach der frühen Phase der Alveolarisation passiert und wie es zu der Bildung neuer Alveolen kommt. Burri (2006), und Weibel (2008), teilen die Ansicht, dass neue intraalveoläre Wände aus bereits bestehendem Gewebe aufgebaut werden, um aus einer Alveole zwei Alveolen mit separaten Eingängen zu bilden. Darüber hinaus existieren Vermutungen, dass eine späte Alveolarisation in subpleuralen Bereichen stattfindet, in denen kein doppeltes Kapillarbett benötigt wird (Massaro et al., 1993). Aktuellen Daten lassen auf eine Fortsetzung der „late alveolarization“ in der Maus nach einem Zeitraum von 3 Monaten postnatal schließen (Fehrenbach et al., 2008; Knust et al., 2009).

Im Rahmen dieser Dissertation zeigte sich eine signifikante Reduktion der Alveolenzahl, des septalen Gewebes und der Oberfläche des Alveolarepithels bei LPA1-KO-Mäusen im Vergleich zu WT-Tieren, wohingegen das volumen-gewichtete mittlere Volumen der Alveolen deutlich erhöht war. Die Unterschiede von Alveolaroberfläche und Volumen des septalen Gewebes zwischen LPA1 -KO und WT nahmen im Zeitraum von der 3. zur 12. Lebenswoche eindrücklich zu, blieben dann aber stabil bis zur 24. Lebenswoche. Die totale Alveolenzahl hingegen stieg zwischen der 12. und 24. Lebenswoche bei beiden Genotypen gleichartig an, was gegen eine klassische Emphysementwicklung nach resultierter Schädigung beziehungsweise resultiertem Trauma des Lungenorgans spricht. Der signifikante Unterschied in Oberflächendichte und Fläche zwischen LPA1-KO und WT nach stattgehabter Komplettierung der frühen Alveolarisation in der 3. Lebenswoche unterstützt die Hypothese, dass bei Mäusen eine spätere Phase der Alveolarisation eintritt, welche deutlich zum Lungenwachstum beiträgt. Die in der Dissertation erhobenen Daten zeigten eine gestörte Alveolarisation zwischen der 3. und 12. Lebenswoche in LPA1 -KO-Tieren, also in der frühen Phase der späten Alveolarisation, an, wohingegen sich die spätere Phase der späten Alveolarisation zwischen der 12.

und 24. Lebenswoche nicht nachweislich beeinträchtigt darstellte. Dies impliziert eine defekte Alveolarisation vor allem vor dem 3. Lebensmonat in der LPA1-KO-Maus. So eine defekte Alveolarisation liegt auch der bronchopulmonalen Dysplasie bei Frühgeborenen zugrunde. Fortschritte in der Entwicklung von Therapiestrategien hat deren Überleben deutlich verbessert

und die klinischen sowie pathologischen Merkmale der bronchopulmonalen Dysplasie verändert (Hilgendorff et al., 2014). Kennzeichen der bronchopulmonalen Dysplasie ist ein schweres Lungentrauma mit konsekutiver Entzündung, proteinreichem Ödem, Metaplasie des Lungenepithels, peribronchialer Fibrose sowie ausgeprägter Hypertrophie der weichen Muskelzellen in distalen Luftwegen und pulmonalen Gefäßen (Northway et al., 1967). Durch z.B. die vorgeburtliche Gabe von Steroiden und Surfactantersatz sowie Sauerstoffzufuhr wird die bronchopulmonale Dysplasie nun vornehmlich durch eine gestörte Alveogenese charakterisiert (Margraf et al., 1991). Die Entwicklung von Therapien, die die gestörte Alveogenese bei Frühgeborenen behandeln oder aber zumindest abschwächen, wird ein besseres Verständnis für den Ablauf und notwendige Mediatoren bei der Alveolenbildung erfordern.

Der LPA-Signalweg scheint hier über LPA1 eine entscheidende Rolle zu spielen (Funke et al., 2016). Die aufgeführten Ergebnisse bieten somit die Grundlage für weitere Studien bezüglich möglicher medikamentöser Ansatzpunkte im Bereich der LPA1-Signalkaskade, um die Ausbildung einer emphysemartigen Lungenstruktur zu verhindern. Gleichzeitig resultiert aus diesen Daten, dass besondere Vorsicht bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Hinblick auf eine pharmakologische Inhibition der LPA1-vermittelten Signalkaskade, wie aktuell in Studien zur progressiven Systemsklerose und IPF, geboten ist und Kontraindikationen großzügig angegeben werden müssen.

Denn die LPA1-Signalkaskade scheint eine wichtige Rolle für postnatales Lungenwachstum und pulmonale Reifung zu spielen.