• Keine Ergebnisse gefunden

Sowjetische Besatzungsverwaltung und Besatzungspolitik

5 Presse während der frühen sowjetischen Besatzungsherr- Besatzungsherr-schaft Besatzungsherr-schaft

5.1 Sowjetische Besatzungsverwaltung und Besatzungspolitik

Wie bei den anglo-amerikanischen Truppen hatte sich auch auf sowjetischer Seite eine Vielzahl militärischer Stellen mit der Schließung nationalsozialistischer deutscher Medien und der Beeinflussung der Bevölkerung durch eigene neue Medien zu befassen. Die sowjetische Medienpolitik erfolgte vor der Eroberung deutscher Gebiete im Rahmen der Kampf-propaganda, kurz nach der Besetzung eroberter Gebiete im Zuge der unmittelbaren Verwal-tung der besetzten Städte und Landkreise sowie schließlich im Rahmen einer zentral geplanten Nachkriegspolitik. Bereits die bei der Eroberung Deutschlands wechselnden Funktionen von Medien1073 machten der Roten Armee (gefördert durch die Wirren des Krieges) eine

1069 Vgl. Bernhard 1989, S. 152.

1070 Als Einführung in die Abfolge Blackout, Heeresgruppenzeitung, Lizenzpresse siehe Kap. 4.

1071 Vgl. Strunk 1996, S. 63; Raue 1983, S. 79; S. 81; S. 111f. (Anm. 30).

1072 Vgl. Raue 1986, S. 32; Raue 1983, S. 76; Hering/Kohlmann 1979, S. 15

1073 Zur unterschiedlichen Bedeutung der Medien für unterschiedliche Truppenteile siehe die Ausführungen zur Militär-verwaltung und der Psychological Warfare Division in Kap. 4.1 und 4.2.

einheitliche und geordnete Besatzungspolitik anfangs genauso unmöglich wie ihren westlichen Verbündeten. Da der Aufbau einer stabilen Besatzungsverwaltung zudem Zeit in Anspruch nahm, entwickelte sich in den deutschen Städten und Gemeinden in der Frühzeit der Besat-zung die Basis für eine unterschiedliche dezentrale BesatBesat-zungs- und Medienpolitik.

Der Aufbau der Besatzungsverwaltung und mit ihr der medienpolitischen Kontrolleinrich-tungen1074 zog sich angesichts von vielfältigen Umgruppierungen der Besatzungstruppen, die den Übergang von der Kriegsführung zur militärischen Verwaltung eines besiegten Gebiete mit sich brachten, hin. Zudem war bis hinauf zu Staatschef Josef Stalin genauen Planungen für eine Besatzungsverwaltung lange keine Aufmerksamkeit gewidmet worden,1075 was dazu führte, dass auch der Chef des sowjetischen Informationsapparates, Sergej I. Tjulpanow, ohne ein ausgearbeitetes Konzept mit der Besatzungsverwaltung begann.1076 Damit fehlten den mit dem Aufbau einer Militärverwaltung betrauten sowjetischen Offizieren klare Handlungs-anweisungen, zumal bereits die Ziele der Besatzungsverwaltung in der Staats- und Armee-führung unterschiedlich definiert worden waren. Neben den auch von den Westmächten mitgetragenen Hauptzielen der bedingungslosen Kapitulation, der Entnazifizierung und Demilitarisierung Deutschlands sowie ausreichender Kriegsentschädigungen1077 existierten bei der Armee und in den unterschiedlichen Moskauer Ministerien rivalisierende außenpolitische Vorstellungen von der Behandlung Deutschlands.1078 Zum einen bestanden als »pragmatisch«

charakterisierte Vorstellungen,1079 die auf einen Ausgleich mit dem Westen bedacht waren, die von einer gemeinsamen alliierten Verwaltung Deutschlands ausgingen und eine zurück-haltende Besatzungsverwaltung nach amerikanischem Muster vorsahen.1080 Über das von der US-Armee bereits in Italien praktizierte und später von den anglo-amerikanischen Truppen auch in Deutschland verwirklichte Verwaltungssystem des ›indirect rule‹,1081 nach dem die Verwaltungsbehörden der besetzten Gebiete zwar politisch gesäubert, grundsätzlich jedoch

1074 Über die Gründungsdaten der zentraler Medienbehörden herrscht in der Literatur Uneinigkeit. Raue 1986, S. 246, terminiert die Gründung einer zentralen Informationsverwaltung der SMAD, deren Presseabteilung für Genehmigung, Zensur und Rohstoffversorgung der Zeitungen zuständig war, auf den 9. Juni 1945, während Strunk 1996, S. 26, die Gründung einer zentralen ›Verwaltung für Propaganda‹ erst für Oktober 1945 beschrieb.

1075 Vgl. Foitzik 1999, S. 41. Padover (1999, S. 320) beschrieb in seinen Nachkriegsberichten ein Zusammentreffen mit einem Offizier der sowjetischen Kampftruppen (in Torgau anlässlich der Feierlichkeiten des Zusammentreffens von sowjetischen und amerikanischen Truppen ende April 1945), den er um einen Gedankenaustausch mit einem sow-jetischen Offizier bat, der für die Besatzungsverwaltung zuständig war. Die von Padover (ebd.) überlieferte Antwort bestätigt die fehlenden sowjetische Besatzungsplanung: »›Solche Offiziere gibt es bei uns nicht,‹ sagte der Major spöttisch. ›Wir führen Krieg gegen die Deutschen, wir wollen sie nicht regieren.‹«

1076 Vgl. Tjulpanow 1987, S. 23.

1077 Vgl. dazu die Übersichtsdarstellung von Fischer/Rißmann 1995, S. 1301-1349.

1078 Vgl. Foitzik 1999, S. 41f.; Strunk 1996, S. 32ff.

1079 Strunk 1996, S. 33.

1080 Vgl. Foitzik 1999, S. 40f.

1081 Siehe dazu Kap. 4.6.2.

intakt gehalten werden sollten, war in der sowjetischen Führung seit 1943 diskutiert worden.

Zwar beklagte die sowjetische Seite die restaurativen Elemente dieses amerikanischen Kon-zeptes, die sowjetische Praxis sollte später jedoch »viele formale Ähnlichkeiten«1082 mit dem westlichen Vorgehen aufweisen und die weiter bestehenden deutschen Behörden ebenfalls von den Besatzungstruppen mittelbar geleitet werden.1083 Grund für die Akzeptanz dieses moderaten Konzeptes war die in Moskau bis zum Frühjahr 1945 gewachsene Erkenntnis, dass

»ein deutscher Einheitsstaat auf einer der Weimarer Republik vergleichbaren sozioöko-nomischen Ordnungsgrundlage« sowjetischen Interessen mehr entspreche als stärkere politi-sche Umwälzungen.1084 Bis in den Juni 1945 hinein gehörte deshalb die »Fortführung deutscher staatlicher Machtstrukturen« auch zum Verhaltensrepertoire der sowjetischen Politik.1085 Im Großen und Ganzen war der politische Wiederaufbau im sowjetischen Machtbereich dadurch anfangs auf eine gemeinsame alliierte Besatzungspolitik und die Schaffung gesamtdeutscher Strukturen ausgerichtet.1086 Auf politischer Ebene wollte die UdSSR dabei in Deutschland

»programmatisch, organisatorisch und personell die Traditionslinie des deutschen Parteienspektrums« weiterführen.1087 Einzig der Landbesitz sollte nach diesen Vorstellungen durch eine Bodenreform »radikal verändert« werden.1088 Innerhalb der Roten Armee seien diese Vorstellungen von einer »als liberal geltenden […] ›Leningrader Gruppe‹« mitgetragen worden, zu der auch der für Propaganda und Zensur zuständige SMAD-Offizier Tjulpanow angehört habe.1089

Neben diesen ›sanften‹ Vorstellungen von der Behandlung Deutschlands wurde die Armee auch von Konzepten beeinflusst, nach denen aus Deutschland in möglichst kurzer Zeit ein Maximum an Kriegsentschädigungen herausgeholt werden sollte, bevor das Land aufgegeben und geräumt würde.1090 Auch diese auf sowjetischer Regierungsebene entwickelten Vorstel-lungen wurden – nicht durch die Kampftruppen, sondern durch eigene den sowjetischen Wirtschaftsbehörden unterstehenden Reparationsbrigaden – zeitweise umgesetzt und behin-derten die Verwaltungsarbeit der Besatzungsbehörden.1091 Auf die Arbeit dieser Demonta-getrupps war auch der Abtransport einer großen Zahl von Zeitungsbetrieben

1082 Foitzik 1999, S. 41. Vgl. dazu auch Foitzik 1999, S. 333ff.

1083 Vgl. Foitzik 1999, S. 40f. – Zum Vorgehen im amerikanischen Besatzungsgebiet siehe Kap. 4.6.2.

1084 Foitzik 1999, S. 42.

1085 Foitzik 1999, S. 42.

1086 Weber ³1989, S. 85.

1087 Weber ³1989, S. 71 – vgl. auch Koszyk 1986, S. 327.

1088 Morré 2001, S. 171.

1089 Patalas 1999, S. 62.

1090 Vgl. Strunk 1996, S. 33f.

1091 Vgl. Buchheim 1995, S. 1052f.; Leonhard (o.J., S. 415f.) spitzt den Gegensatz von Besatzungsverwaltung und Demon-tagetrupps auf die Aussagen eines Offiziers der Politischen Hauptverwaltung der Armee zu, der diese Brigaden als

›schlimmere Feinde als die Nationalsozialisten‹ bezeichnete.

ren.1092 Die Demontagetrupps begannen ihre Arbeit bereits wenige Tage nach der Kapitu-lation.1093 Als die hastige Demontagepolitik zusehends die Verwaltung der Besatzungszone erschwerte und die »einer wahllosen Plünderung« gleich kommenden Entnahmen von Reparationsgütern auch für die Sowjetunion keinen Nutzen erkennen ließen, konnte sich ab Herbst 1945 eine dritte Strömung von Politikern und Militärs durchsetzen, die für die SBZ eine Umgestaltung nach sowjetischem Vorbild propagiert hatte.1094

Wie bei den westalliierten Truppen mussten sich die unterschiedlichen und teilweise konkurrierenden Vorstellungen von der Behandlung Deutschlands auch auf sowjetischer Seite auf den Umgang mit den deutschen Medien auswirken.

Die Vorstellung der Roten Armee, in Deutschland per ›indirekt rule‹ regieren zu können, erwiesen sich angesichts des starken militärischen Widerstands bald als schwer realisierbar.

Ähnlich den anglo-amerikanischen Vorstellungen, bei Erreichen der Grenze würde Deutsch-land kapitulieren, hatten auch die sowjetischen Militärs angenommen, das Land würde sich von Innen selbst befreien. Da ein dafür ausreichender Widerstand gegen die NS-Regierung in Deutschland jedoch fehlte und bis zuletzt eine heftige militärische Gegenwehr anhielt, wurde von Seiten der Sowjetarmee neben der rein militärischen Besetzung unerwartet auch eine sehr viel umfassendere Übernahme von Regierungsverantwortung nötig. Wie auf westalliierter Seite konnte zum einen keine geordnete Verwaltung mehr übernommen werden, zum anderen musste die militärische Verwaltung unter den Bedingungen des weiter andauernden Krieges erfolgen: »Als dann deutlich wurde, daß […] eine Selbstbefreiung des deutschen Volkes oder zumindest seine aktive Mitwirkung an der Beseitigung des faschistischen Regimes nicht erfolgen würde, war für die umfassende Vorbereitung auf die neuen Aufgaben keine Zeit mehr.«1095

Erst Anfang Juni 1945 fasste die sowjetische Staats- und Parteiführung die für einen langfristigen Neuaufbau Deutschlands notwendigen Beschlüsse.1096 Zwar entstand mit dem

›Befehl Nr. 1 über die Militärverwaltung der SBZ‹ in Berlin die ›Sowjetische Militäradminis-tration in Deutschland‹ (SMAD) und damit eine zentrale Besatzungsbehörde, der zusätzliche Ländermilitärverwaltungen folgten. Jedoch erfolgte die Gründung der SMAD erst einige

1092 Vgl. die Angaben bei Bernhard 1989 zu den Mecklenburgischen Verlagen oder Nitzschke 1991, S. 4, zum Verlag Haun

& Sohn, Reichenbacher Tageblatt.

1093 Vgl. insbesondere Buchheim 1995, S. 1051ff., Buck 1077, sowie Mendelssohn 1982, S. 505; Strunk 1996, S. 37. Nach Bernhard 1989, S. 20f., wurde beispielsweise die Einrichtung der Burg Stargarder Zeitung unmittelbar nach dem Einmarsch der Roten Armee demontiert.

1094 Vgl. Strunk 1996, S. 34. Auch Buchheim (1995, S. 1052) bestreitet den regelmäßigen wirtschaftlichen Nutzen der Enteignungen, sieht jedoch einen politischen Nutzen in der ökonomischen Schwächung Deutschlands.

1095 Doernberg 1987, S. 322.

1096 Vgl. dazu Morré 2001, S. 171ff.

Wochen nach der Kapitulation: Damit wurde erst einen Monat nach Kriegsende – als die Siegermächte am 5. Juni 1945 per Deklaration1097 die oberste Gewalt in Deutschland über-nommen hatten – die zuvor lediglich auf der Haager Landkriegsordnung basierende provi-sorische Verwaltung besetzter Gebiete1098 durch eine offizielle Verwaltung abgelöst.1099 Zentrale Militärbehörden für die Länder und Provinzen folgten ab dem 9. Juli 1945, also einen weiteren Monat später.1100 Dieser langsame Aufbau zentraler Verwaltungsorgane wirkte auch auf der Ebene der Pressekontrolle. Richtlinien für die Lizensierung von Druckerzeugnissen wurden mit dem Befehl Nr. 19 (›Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeit der Verlage und Druckereien‹) erst Anfang August 1945 erlassen,1101 die Einrichtung von Länderpropaganda-verwaltungen konnte erst 1946 abgeschlossen werden.1102

Bis zur Errichtung einer zentralen Besatzungsbehörde waren in Ostdeutschland jene drei Heeresgruppen mit der Verwaltung betraut, die das Land auch erobert hatten,1103 im Norden die ›2. Belorussische Front‹, im zentralen Berlin-brandenburgischen Raum die ›1. Belorussische Front‹, in Südbrandenburg und Sachsen die ›1. Ukrainische Front‹ mit in Südsachsen zusätzlich polnischen Verbänden. Dabei hing die Organisation der ersten Maßnahmen zur Verwaltung der eroberten Gebiete allein von den Vorstellungen der obersten Befehlshaber der einzelnen Heeresgruppen ab,1104 die diese Aufgabe vor allem nach der Maßgabe der Sicherung ihres Operationsgebietes betrieben. Da in Deutschland immerhin drei der insgesamt sieben sowjetischen Heeresgruppen aktiv waren,1105 war dadurch bereits eine Basis für eine inhomogene Besatzungspolitik gelegt.

Entsprechend der allgemeinen militärischen und politischen Situation waren auf diese Weise bei Beginn der Besetzung eine Vielzahl von miteinander konkurrierenden militärischen Formationen mit den deutschen Medien befasst, die sich gegenseitig behinderten oder störten und in der Medienpolitik zu einer Vielzahl von Kompetenzüberschneidungen führten. Auch wenn der allgemeine Aufbau des sowjetischen Kontrollapparates bislang nicht abschließend

1097 »Deklaration in Anbetracht der Niederlage Deutschlands und der Übernahme der Höchsten Autorität hinsichtlich Deutschlands durch die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjet-Republiken und des Vereinigten Königreiches und durch die Provisorische Regierung der Französischen Republik«, im Besatzungsgebiet etwa verbreitet durch: Deutsche Zeitung, Frontzeitung für die deutsche Bevölkerung, 7.6.45.

1098 Verwaltung nach Art. 36-56, Anlage zum Abkommen ›Ordnung der Gesetze und Gebräuche des Landkrieges, 18.10.1907 (etwa in: Die Genfer Rotkreuz-Abkommen, Bonn 71980, S. 376-379).

1099 Vgl. Strunk 1996, S. 19.

1100 Vgl. Wahl 1997, S. 24; Weber 31989, S. 59ff.; van Melis 1999, S. 51f.

1101 Vgl. Strunk 1996, S. 65.

1102 Vgl. Strunk 1996, S. 27.

1103 Vgl. Foitzik 1999, S. 85. – (vgl. Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges der Sowjetunion 1967, K. 99).

Daneben war im Bereich der damaligen deutschen Ostmark (i.e. Österreich) die 2. und insbesondere die 3. Ukrainische Front aktiv (zur sowjetischen Besatzung Österreichs vgl. Aichinger 1977, S. 111ff.)

1104 Vgl. Foitzik 1999, S. 41.

geklärt werden konnte und über dessen Struktur weiter »auch in Rußland nach Kräften spekuliert wird«,1106 scheint das Bild eines stark gegliederten und dabei widersprüchlichen Ansprüchen ausgesetzten Invasionsheeres gesichert. Die eigentliche Militärverwaltung war mit den rivalisierenden Interessen der Kampftruppen, des Geheimdienstes NKWD1107 und der Demontagetrupps konfrontiert, auf deren Vorgehen sie keinerlei Einfluss hatte.1108 Auf den höheren Hierarchieebenen der Kampftruppen waren besondere Abteilungen für die militäri-sche Propaganda eingerichtet,1109 die Flugblätter verteilten, Radiosendungen gestalteten und Zeitungen herausgaben, um die deutschen Soldaten zum Aufgeben zu überreden.1110 Auswir-kungen auf die Presse hatte (durch die von ihm durchgeführten Verhaftungswellen) auch der Geheimdienst. Darüber hinaus gab es innerhalb der Militärhierarchie unterschiedliche Wege der schriftlichen und mündlichen Befehlsweitergabe, was zusätzlich zu Komplikationen und Auslegungsproblemen und damit widersprüchlichem Verhalten führen musste.1111

Vor allem auf der unteren Hierarchieebene – in den in den ersten Nachkriegswochen mit der unmittelbaren Besatzungsverwaltung beauftragten lokalen Kommandanturen – fehlten damit einheitliche Anordnungen. In den besetzten Städten hatte die sowjetische Armee in der ersten Besatzungsphase lediglich provisorische Kriegskommandanturen installiert1112 und dabei lokale Kommandanten mit der Verwaltung betraut, die bis in die Zeit nach der Kapitulation vor allem Maßnahmen zur eigenen Sicherheit vorzunehmen hatten. Vor allem für diese untere Ebene wurden organisatorische Mängel beklagt:1113 Viele Kommandanten hatten keine ausreichenden Sprachkenntnisse und keine ausreichende Verwaltungserfahrung.1114 Die Qualität der Schulungen, die die Offiziere bekommen hatten, dürfte nach FOITZIK insgesamt

»nicht allzu hoch veranschlagt werden«.1115

Die lokalen Offiziere hatten jeweils im Sinne des ›indirect rule‹ eine kommunale Verwal-tungsspitze zu bestimmen und Gerichte und Polizeiorgane aufzubauen und dabei

1105 Vgl. Anm. 1103.

1106 Strunk 1996, S. 32.

1107 Narodny komissariat/Komissar gossudarstwennoi besopasnosti (Volkskommissariat/Volkskommissar für Staatssi-cherheit.).

1108 Vgl. Strunk 1996, S. 20.

1109 Vgl. Strunk 1996, S. 13f.; Morré 2001, S. 28ff. – Diese sog. ›7. Abteilungen‹ oder ›7. Verwaltungen‹ existierten bei der Armee von der Regimentsebene an aufwärts. Sie dürften damit vermutlich in Städten mittlerer Größe vorhanden gewesen sein (vgl. Foitzik 1999, S. 40).

1110 Vgl. Strunk 1996, S. 14, Bernikov 1995, S. 112ff.; Vsevolodov 1995, S. 121ff.

1111 Vgl. Foitzik 1999, S. 301ff.

1112 Vgl. Foitzik 1999, S. 78.

1113 Vgl. Strunk 1996, S. 20.

1114 Vgl. Strunk 1996, S. 21; Naimark 1999, S. 22,

1115 Foitzik 1999, S. 45.

meister, Staatsanwälte, Landräte und Richter einzusetzen.1116 Anfangs wurden dabei mehr oder weniger zufällig Kommunisten oder Antifaschisten mit der Übernahme der Verwaltung beauftragt, die der Roten Armee vertrauenswürdig erschienen.1117 Da die Befugnisse der Militärverwaltungen zunächst nicht näher geregelt waren, installierten einige Kommandanten Verwaltungsorgane nach sowjetischen Vorbild. Vor allem anfangs wurden vereinzelt rein kommunistische Selbstverwaltungsorgane gebildet, die später von geschulten deutschen KP-Kadern abgelöst und in diesem Zuge in Organe umgewandelt wurden, die breiter politisch getragen wurden.1118 Aufgabe der sowjetischen Militärverwaltung war es, schnell zu einer Normalisierung des öffentlichen kommunalen Lebens beizutragen.1119 Erst ab Mitte Mai 1945 ergingen jedoch an die Heeresgruppen genauere Anweisungen, nach denen die Militär-kommandanten die Städte und Gemeinden zu regieren hatten.1120

Die lokalen Kommandanturen blieben im Rahmen des Kriegsrechtes für einige Wochen die einzige Ordnungsmacht und eigenverantwortlich für alle wirtschaftlichen und politischen Fragen zuständig. Eine Mischung aus Ermessensspielraum, Informationsmängeln, Toleranz und Nachlässigkeiten sollte dabei dazu führen, »daß das gesellschaftliche und kulturelle Leben mit Kriegsende nicht vollkommen abgewürgt wurde,«1121 sondern frühzeitig selbst Gottes-dienste wieder stattfinden konnten. »Die Wiedereröffnung von Theatern und anderen kulturellen Einrichtungen scheint darüber hinaus für viele Kommandanten eine persönliche Prestigefrage gewesen zu sein.«1122 Auf die eigenwilligen Entscheidungen der örtlichen Militäroffiziere konnte nach LEONHARD selbst die Politische Hauptverwaltung als Füh-rungsgremium der Roten Armee nur schwer Einfluss nehmen. LEONHARD selbst erlebte im Mai 1945 ihn Berlin »nicht nur die Ohnmacht der Kommandanten gegenüber den Massen von betrunkenen, randalierenden, sich jeder Kontrolle entziehenden sowjetischen Soldaten, sondern auch die Ohnmacht der Politischen Hauptverwaltung sowohl gegenüber den diszi-plinlosen Rotarmisten als auch gegenüber selbstherrlichen Kommandanten«.1123

Erst nachdem die Siegermächte offiziell am 5. Juni 1945 die Verwaltung Deutschlands übernommen hatten und die SMAD gebildet war, wurden die lokalen Chefs der

1116 Vgl. Foitzik 1999, S. 81f.; Naimark 1999, S. 20ff.

1117 Vgl. Leonhard o.J., S. 355f.; Naimark 1999, S. 299ff.

1118 Vgl. Foitzik 1999, S. 81f.; Michelmann 2001.

1119 Vgl. Foitzik 1999, S. 334ff. Im selben Sinne auch die Deklamation »An die deutsche Bevölkerung!« des Oberkom-mandos der Roten Armee v. 10.5.45 (etwa in: Wurzener Tageblatt, 5.6.45). Dieses Vorgehen folgte den Verpflichtungen aus Art. 43 der Haager Landkriegsordnung (vgl. Haager Landkriegsordnung, in: Die Genfer Rotkreuz-Abkommen

71980, S. 377).

1120 Vgl. Foitzik 1999, S. 81f.

1121 Foitzik 1999, S. 82.

1122 Foitzik 1999, S. 82.

1123 Vgl. Leonhard o.J., S. 365.

verwaltung durch erfahrenere Offiziere ersetzt,1124 ihre Funktionen zunehmend deutschen Behörden übergeben1125 und die lokalen Truppenstäbe im Verlaufe des Juli 1945 in die zentra-listisch geführten Länderverwaltungen der SMAD integriert.1126

Insgesamt führten die unterschiedlichen Fähigkeiten, Vorstellungen und Zuständigkeiten der Militärs in der Praxis zu einer auch vom Obersten Chef der SMAD, Georgi K. Shukow, beklagten »Anarchie in der Verwaltung der Militär-Kommandanturen«.1127

5.2 Blackout

In der Literatur wurde bislang davon ausgegangen, dass die einrückende sowjetische Besat-zungsmacht wie die westlichen Verbündeten mit einem Blackout aller Medien den Neuaufbau der Presse einleiten wollte.1128 Die Presse sei deshalb auch in Ostdeutschland frühzeitig und konsequent geschlossen worden.

Nach RAUE 1983 wurden noch während des Krieges die Befehle für ein generelles Druckverbot erteilt,1129 was »eine weitere Verbreitung der Naziideologie« unterbinden sollte.1130 Das nationalsozialistische Zeitungswesen sollte aufgelöst werden. »Die erste Aufgabe, um das Pressewesen in Deutschland von Grund auf umzugestalten und zu demokratisieren, war die völlige Zerschlagung dieses Pressetrusts,«1131 was die Siegermächte am 8. Mai 1945 mit der deutschen Kapitulation erreichten.1132 Die dabei erfolgenden Beschlagnahmungen von Zeitungshäusern hätten a u s n a h m s l o s a l l e Verlage betroffen, da die Presse a u s n a h m s l o s auf die nationalsozialistischen Erfordernisse hin gleichgeschaltet worden war: Mit der Auf-lösung der NS-Presse seien alle traditionellen Altverlage geschlossen und enteignet worden, denn »gegen Ende des Krieges waren bekanntlich fast alle Zeitungen und sonstigen periodischen Publikationen direkt oder indirekt dem nationalsozialistischen Pressetrust unter-stellt, die über Gesellschaften wie Herold GmbH oder Standarte GmbH die Presse

1124 Strunk 1996, S. 21.

1125 Foitzik 1999, S. 83.

1126 Vgl. Wahl 1997, S. 24; Weber 31989, S. 59ff.; van Melis 1999, S. 51f.; Naimark 1999, S. 30ff.

1127 Strunk 1996, S. 20.

1128 Zum Forschungsstand vgl. Strunk 1996, S. 63f.

1129 Raue 1986, S. 32; ebenso Raue 1983, S. 76.

1130 Hering/Kohlmann 1979, S. 15.

1131 Claus 1960, S. 37.

1132 Vgl. Raue 1986, S. 32; Raue 1983, S. 76.

deutschlands kontrolliert hatte«.1133 Durch die Enteignung »nazistischer Besitzer von Zeitun-gen, Druckereien und Papierfabriken«1134 bzw. durch »Druckverbot und Requirierung von Redaktionsräumen, Druckereien und Papiervorräten«1135 sei so ein »Vakuum« geschaffen worden,1136 das im Sommer 1945 mit neuen Zeitungen und einer unbelasteten Generation von Mitarbeitern habe gefüllt werden können.

Als Stichtag für die Wiederzulassung einer neuen deutschen Presse galt bislang der 10. Juni 1945, jener Tag, an dem der sowjetische Befehl Nr. 2 die Wiederzulassung von Parteien und Organisationen gestattete.1137 Die Erlaubnis zur Parteigründung und die Erlaubnis zur Zeitungsgründung wurden dabei von der Forschung im wesentlichen als eine Einheit aufgefasst: »Die Registrierung als Partei oder gesellschaftliche Organisation im Sinne dieses Befehls war mit dem Recht verknüpft, den Antrag auf Lizensierung von Presseerzeugnissen zu stellen.«1138 Der Zusammenhang von Befehl Nr. 2 und der Entstehung von Zeitungen gilt zwar bislang als sicher, konnte gleichwohl bislang nicht belegt werden. Die Auffassung, die Gewährung einer eingeschränkten Organisationsfreiheit sei Grundlage für das Wiederentstehen der Presse gewesen, fand wissenschaftliche Verbreitung, »obwohl der Befehl keinerlei Hinweise auf eine mögliche Erteilung von Zeitungslizenzen enthält«1139 bzw. »obwohl darin der Journalismus mit keinem Wort erwähnt ist«.1140 Damit fehlt eine zentrale Anordnung, auf die sich die Wiederzulassung von Zeitungen stützen könnte.

Nicht nur für die Wiederzulassung der Presse konnten bislang zentrale Anordnungen in den Archiven nicht gefunden werden, es fehlen auch Belege, die überhaupt den rechtlichen Hintergrund für ein vorangegangenes flächendeckendes Verbot von Zeitung bilden könnten.

Das für die US-Truppen bei der Denazifizierung der Presse seit Mitte Mai 1945 gültige Gesetz Nr. 1911141 galt nach zeitgenössischer Rechtsauffassung nicht »in der russischen Zone, die der Befehlsgewalt des Generals Eisenhower nicht oder nur vorübergehend unterstanden hat«.1142 Als ein sowjetisches Gegenstück zum Gesetz Nr. 191 kann der Befehl Nr. 19 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration angesehen werden, der jede Drucktätigkeit von

1133 Claus 1960, S. 37. Vgl. ebenso Raue 1983, S. 44ff.

1134 Hering/Kohlmann 1979, S. 15.

1135 Raue 1983, S. 47.

1136 Raue 1983, S. 47.

1137 Vgl. Strunk 1996, S. 63f.

1138 Raue 1983, S. 82. – Ebenso Koszyk 1986, S. 334 (»Schukows Befehl Nr. 2 vom 10. Juni 1945 [übertrug] den neu zu gründenden Parteien und Organisation die Berechtigung, Presseorgane herauszugeben und die beschlagnahmten Verlagshäuser und Druckereien zu verwenden.«) und Hering/Kohlmann 1979, S. 15.

1139 Strunk 1996, S. 64.

1140 Raue 1983, S. 81.

1141 Siehe Kap. 4.6.1.

1142 Brandt 1947, S. VIII.

einer Registrierung der Betriebe und einer Genehmigung abhängig machte.1143 Dieser Befehl Nr. 19 erging jedoch einerseits erst am 2. August 1945 und damit rund ein Vierteljahr nach der Kapitulation, als in allen ostdeutschen Ländern und Provinzen bereits unterschiedliche Zeitungen erschienen. Andererseits verbot dieser Befehl die deutsche Presse nicht grund-sätzlich, sondern schuf wie sein westalliiertes Pendant1144 lediglich einen Genehmigungsvor-behalt, der Kontrolle und Zensur ermöglichte.1145

Als rechtliche Grundlage für die Schließung aller deutschen Zeitungen im sowjetischen

Als rechtliche Grundlage für die Schließung aller deutschen Zeitungen im sowjetischen