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Funktion der Pressepolitik unter der westalliierten Besatzung

4 Presse unter der westalliierten Militärregierung

4.2 Funktion der Pressepolitik unter der westalliierten Besatzung

Die von den Militärs betriebene Pressepolitik hatte in der Endphase des Zweiten Weltkriegs und der beginnenden Besatzungszeit zwei unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen, einerseits die kurzfristige Aufgabe der militärischen Absicherung und andererseits die langfristigen politischen Aufgaben der Umerziehung, Entnazifizierung und Aufbauförderung.388 Bis in den Juli 1945 hinein gehorchte die Pressepolitik vor allem den Anforderungen des Militärs, das sich nur zweitrangig mit Fragen des Neuaufbaus Deutschlands beschäftigte. Alle politischen Betätigungen waren den Deutschen in der ersten Besatzungszeit verboten und selbst unpoli-tische Versammlungen nur unter besonderen Bedingungen zulässig.389

Bei der Besatzungsmacht sollte das Primat des Militärischen dazu führen, dass »es bis zur Konferenz von Potsdam kein alliiertes und […] auch kein vom Präsidenten autorisiertes politisches Programm der USA für die Zukunft des besiegten und besetzten Deutschland gab.«390 Erst nach der Konferenz konnten dadurch feste Vorstellungen von einem Neuaufbau der Medien und damit für den Umgang mit deutschen Zeitungsverlagen umgesetzt werden.

Die ersten während der alliierten Besetzung Deutschlands getroffenen medienpolitischen Maßnahmen hatten provisorischen Charakter und sollten dabei helfen, die Kontrolle über die öffentliche Ordnung zu erlangen. Angesichts der andernorts weiter stattfindenden Kampf-handlungen und aus Furcht vor einer deutschen Partisanen- oder Guerillatätigkeit sollte durch

383 Zu diesen provisorischen Militärverwaltungen siehe insbesondere Henke 1995, S. 695ff.

384 Henke 1995, S. 696.

385 Zur Ausbildung der Verwaltungseinheiten siehe insbesondere Henke 1995, S. 220ff.

386 Vgl. Henke 1995, S. 697.

387 Vgl. Henke 1995, S. 698f.

388 Chapter I (4), Manual for the Control of German Information Services, 12.5.45, S. 1. Vgl. u.a. Matz 1969; H.-D. Fischer 1978.

389 § 470, Part III, Handbook for Military Government, Dec. 1944.

eine Kontrolle des Informationswesens militärische Sicherheit garantiert und die rückwärts der Kampfhandlungen liegenden Gebiete stabilisiert werden.391 Ziel der Medienkontrolle musste die Unterbindung jeden Informationsflusses sein, der dem deutschen Gegner hätte Vorteile bieten können. Die Sorge um die Absicherung des militärischen Vormarsches war bei einigen Armee-Einheiten derartig groß, dass sogar Befehle zur Kontrolle von Tauben gegeben wurden: »Das Freilassen von Tauben ist untersagt. Sie sind entweder zu töten oder ihre Flügel müssen gestutzt werden.«392 Aus Angst vor feindlicher Nachrichtenübermittlung durften in den besetzten Gebieten selbst nach der Wiederbelebung des Postverkehrs keine Blindensendungen, Kreuzworträtsel, Notenblätter oder Schachaufgaben versendet werden.393 Dieser für die Zeit nach der Eroberung dekretierte Blackout war weniger politisch, sondern vor allem durch militärische Notwendigkeiten begründet, »da unter frontähnlichen Bedin-gungen schlechterdings keine Kontrolle über den tatsächlichen Inhalt etwaiger Veröffent-lichungen deutscher Kreise möglich war«.394

Der Blackout der Medien sollte dabei jedoch nicht flächendeckend für das gesamte Besat-zungsgebiet gültig sein, sondern gestaltete sich als kurzzeitige publizistische Wendemarke, denn grundsätzlich gingen sowohl Amerikaner wie Engländer davon aus, »daß man das besetzte Land keinen Tag ohne Zeitungen lassen könne.«395 Denn neben militärischer Sicherheit brauchten die Militärs gleichzeitig Möglichkeiten zur Beruhigung und Steuerung der durch Krieg und Flucht umgewälzten Bevölkerung. Das Chaos im zusammengebrochenen Hitlerreich musste geordnet werden, Befehle mussten verbreitet und die Aufhebung der alten NS-Gesetze bekannt gegeben werden. Die Bevölkerung musste regelmäßig über die Gültigkeit von Lebensmittelmarken und die Dauer der Ausgangssperren informiert werden. Für diese Aufgaben eigneten sich vor allem Zeitungen, mit denen die Presseoffiziere über die Anordnungen der Militärregierungen und der deutschen Zivilverwaltung informieren sowie

390 Henke 1995, S. 97.

391 Die sog. ›Werwölfe‹, die in den von den Alliierten besetzten Gebieten als Partisanen den Krieg weiter führen sollten, (vgl. Henke 1995, S. 160; S. 243f.; S. 937ff.), hatten zum Repertoire der deutschen Zeitungspropaganda gehört: So schrieb etwa ein Kriegsberichter in der Oelsnitzer Volksbote/Lugauer Zeitung über die »Widerstandsbewegung in den feindbesetzten Gebieten« westlich des Rheins: »Wir wissen, unsere alten Väter und jungen Brüder in den kampf- und todentschlossenen Scharen der ›Werwölfe‹ stehen, wissen, daß […] die Herzen hochgerissen sind in einer heiligen, opferbereiten Entschlossenheit.« (Hubert Meyer: »Wir rheinischen Soldaten und die Werwölfe. Eine Stimme der Front zur Widerstandsbewegung in den feindbesetzten Gebieten«, in: Oelsnitzer Volksbote/Lugauer Zeitung, 14.-15.4.45). Die Neue Zwickauer Zeitung konnte sich bei der Schilderung der angeblichen Effekte der ›Werwölfe‹ auf die Madrider Zeitung Alkazar berufen, was die Propagandawirksamkeit erhöht haben könnte (siehe Neue Zwickauer Zeitung, 17.4.45). Die Furcht vor deren Sabotageaktionen hielt bis lange nach der Kapitulation an (vgl. Henke 1995, S. 950).

392 SHAEF, Gesetz Nr. 76, Regelungen abgedruckt in: »Militärregierung - Deutschland, Kontrollgebiet des Obersten Befehlshabers, Bekanntmachung!« Aushang, Schleiz, 28.4.45, Museum Schloss Burgk, o. Sign. Im selben Sinne auch die

»Bekanntmachungen der amerikanischen Militärregierung/Official Notice to the Population«, Weimar, 21.4.45 (Bestand Stadtarchiv Jena): »Pigeon flights are prohibited. Pigeons will either be killed, or their wings clipped.«

393 Vgl. § 17, Censorship Regulations for the Civilian Population of Germany under the Jurisdiction of Militäry Government.

394 Raue 1983, S. 111 (Anm. 30).

395 Habe 1977, S. 46.

nicht zuletzt Vertrauen in die Besatzungstruppen erzeugen sollten. Die Notwendigkeit, Befehle und Anordnungen zu veröffentlichen und dadurch die Grundlagen für die Aufrecht-erhaltung von Ordnung und Versorgung zu legen, bestand vor allem auf kommunaler Ebene.

Innerhalb der Armee galten die Veröffentlichung von alliierten Bestimmungen, die Entkräf-tung von Gerüchten durch Tatsachen, die VerbreiEntkräf-tung von Weltnachrichten und die Wieder-aufnahme unpolitischer kultureller Aktivitäten dabei als so wichtige Aufgabe,396 dass den Kommandanten von der Armeeführung dazu besondere alliierte Informationsmedien ange-kündigt worden waren.397

Zur Kontrolle von Medien und zur Veröffentlichung der notwendigen Informationen verfügte das Militär über eine spezielle Abteilung für psychologische Kriegsführung, die im April 1945 in einigen westdeutschen Großstädten mit der Herstellung von Zeitungen begann.

Diese ›Heeresgruppenzeitungen‹398 hatten der Information und der Vertrauenswerbung zu dienen.399 Wegen ihres großen Berichtsgebietes bedeuteten sie jedoch nur einen geringen Beitrag zur Beseitigung der weit verbreiteten Informationsdefizite, die auf kommunaler Ebene bestanden. Auch das Radio kam als Verkündungsmedium für die in den Städten und Land-kreisen zu veröffentlichenden Bekanntmachungen nicht infrage. Obwohl millionenfach verbreitet, waren Volksempfänger einerseits nicht in jedem Haushalt verfügbar,400 wie die Klagen jener Hörer belegten, die keine eigenen Radios hatten:

»Nach wie vor ist der Rundfunk die wichtigste Nachrichtenquelle. Aus unserem Leserkreis werden uns Wünsche solcher Einwohner vorgetragen, die keinen eigenen Empfänger besitzen und infolge der gegenwärtig noch nicht in vollem Betrieb befindlichen Gaststätten keine Möglichkeit zum Mithören haben. Diese müssen sich in völlig freier Vereinbarung mit ihren Nachbarn oder sonstigen Besitzern eines Rundfunkempfängers verständigen. Je nach dem Vertrauen, welches sich beide Teile entgegenbringen, könnte der Hörergast auch allein die Nachrichten abhören. Ein Zwang darf aber von diesen Gästen keineswegs ausgeübt werden.«401 Vor allem jedoch war dieses Medium wegen der breiten Streuung in einem eng begrenzten Gültigkeitsgebiet kaum sinnvoll einsetzbar, so dass zur Veröffentlichung lokaler Befehle und Informationen einfachere Formen der Informationsvermittlung aufgegriffen wurden: »Amt-liche und private Maueranschläge und andere einfache Möglichkeiten des Mitteilens werden

396 Vgl. Matz 1969, S. 19ff.

397 Vgl. Chapter I, (5), Manual for the Control of German Information Services, 12.5.45, S. 1f.

398 Siehe Kap. 4.3.

399 Zu den Intentionen der psychologischen Kriegsführung der US-Armee vgl. die Analyse von Lerner 1971.

Beschreibungen der Pressetätigkeiten auch von Habe 1977 und Heym 1990. Zur Heeresgruppenpresse in Ostdeutschland siehe Kapitel 4.3, S. 81ff.

400 Vgl. Kohlmann-Viand 1991, S. 123-131.

401 »Rundfunk-Hörerwünsche«, in: Köthener Amtliches Nachrichtenblatt, 26.6.45. – Für die britische Zone berichtet Müller-Detert 1990, S. 183f., darüber, dass die Militärregierung im August 1945 vorschlug, in zentralen Räumlichkeiten mit Zusatzlautsprechern versehene Radios aufzustellen.

als primitive Form der Nachrichtenweitergabe wiederentdeckt.«402 Im thüringischen Schleiz beispielsweise erfuhr die Bevölkerung von den neuen Gesetzen und Verordnungen per hektographiertem DIN A4-Blatt;403 in Schmalkalden wurden die wichtigsten Informationen am Rathaus und am Druckereigebäude per Aushang bekannt gegeben. Polizeibeamte informierten die Bevölkerung persönlich,404 teilweise wurden Bekanntmachungen einfach ausgerufen.405 Besser geeignet für solche Kommunikationsaufgaben waren Massenmedien wie die Zeitungen, deren Informationen eine geringere Flüchtigkeit aufwiesen: »Manche der im Augenblick im Vordergrund des Interesses stehenden amtlichen Bekanntmachungen sind […] aus Anschlagzetteln vertraut; doch vergißt sich schnell, was nur im Vorübergehen gelesen wurde, und was man Schwarz auf Weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen.«406 Auch die Menge der publizierbaren Bekanntmachungen war bei einem Zeitungsdruck größer als bei hektografierten Blättern oder handschriftlichen Texten. Die einfache Vervielfältigung von Texten mit Schreibmaschinen bedeutete etwa schon allein aufgrund der größeren Schreibma-schinentypen eine deutliche Beschränkung an Umfang und an Inhalt.407 Die Herstellung dieser Hektografien war zudem nicht in höheren Auflagen möglich. Um auf eine weniger »primitive Form der Nachrichtenweitergabe«408 ausweichen zu können, bot sich deshalb die Verwendung von Zeitungen als Informationsmedien an.

402 Schütz 1987, S. 64.

403 Vgl. »Militärregierung - Deutschland, Kontrollgebiet des Obersten Befehlshabers, Bekanntmachung! An die Zivilbevölkerung!« Aushang, Schleiz, 28.4.45. Museum Schloß Burgk (Für den Hinweis danke ich Ina Scheffler, Museum Schloß Burgk); Schreiben Museum Schloß Burgk, Ina Scheffler, 24.11.98; 8.2.99.

404 Mitteilung Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden, Ute Simon, 15.7.99.

405 So trägt in Schmalkalden eine maschinenschriftliche Auflistung der Hinweise der amerikanischen Besatzung zu Verkehrsregelungen, Versammlungsfreiheit und Ausgangssperren den handschriftlichen Vermerk »Am 8.4.45 durch Ausrufen bekanntgegeben.« (Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden, Bestand Stadtarchiv SM/1801 (Für den Hinweis und die Überlassung einer Kopie danke ich Frau Ute Simon, Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden.).

406 »Wieder ›Nachrichten für Grimma‹«, in: Nachrichten für Grimma, 23.5.45.

407 Während etwa in Greiz auf vier Zeitungsseiten insgesamt 16 alliierte Gesetze, Verordnungen und Bekanntmachungen veröffentlicht werden konnte (Bekanntgegeben wurden dabei die Proklamation Nr. 1, die Verordnungen Nr. 1, 2, 3, die Gesetze Nr. 1, 5, 6, 51, 52, 53, 76, 77, 161, drei Bekanntmachungen und eine Warnung - vgl. Amtliches Nachrichtenblatt der Stadt Greiz, 21./22.4.45.) war auf einer zweiseitigen Bekanntmachung aus Schleiz lediglich Platz für eine stark gekürzte Zusammenstellung von einzelnen für zentral erachteten Paragrafen jener in Greiz vollständig abgedruckten grundlegenden Militärgesetze (vgl. »Militärregierung - Deutschland, Kontrollgebiet des Obersten Befehlshabers, Bekanntmachung! An die Zivilbevölkerung!« Aushang, Schleiz, 28.4.45. Museum Schloß Burgk. (Für den Hinweis danke ich Ina Scheffler, Museum Schloß Burgk).

408 Schütz 1987, S. 64.

4.3 Armeeblätter für die deutsche Bevölkerung (›Heeresgruppenzeitungen‹) Die ersten Heeresgruppenzeitungen entstanden seit 1944, zielten jedoch nicht auf die Bevölkerung, sondern waren vor allem an deutsche Soldaten gerichtet. Die Zeitungen dienten dem militärischen Ziel der psychologischen Kriegsführung. Hergestellt wurden diese Blätter von der Einheit für psychologische Kriegsführung (Pychological Warfare Division (PWD)), die im Rahmen der alliierten Streitkräfte nicht mit Waffen kämpfte, sondern einen »Krieg der Worte« führte.409 Anfangs wurden schlichte alliierte Nachrichtenblätter (mit den Titeln Frontpost und Feldpost) sowie Flugblätter verteilt, deren Propaganda das militärische Gegenüber zermürben und zur Einstellung der Kämpfe bewegen sollte.410 Darin wurde den Soldaten klarzumachen versucht, dass die Niederlage unvermeidlich und deshalb jeder weitere militä-rische Widerstand zwecklos sei.411 Während diese Publikationen bis November 1944 allein der Kampfpropaganda gedient hatten, wurde die Frontpost ab Anfang November nicht mehr nur an deutsche Soldaten, sondern gezielt auch an die Zivilbevölkerung verteilt, für die jedoch bald die Herausgabe von eigenen auf diese Zielgruppe zugeschnittenen Zeitungen für not-wendig erachtet wurde.412

Hintergrund dieser Ausweitung der Zielgruppe war die ausgebliebene Kapitulation Deutschlands. Als durch den andauernden Widerstand der deutschen Armee klar wurde, dass Deutschland nicht als Ganzes kapitulieren würde, sondern Stück für Stück erobert werden musste, musste auch die Zivilbevölkerung in das Operationsgebiet der Armee geraten.

Dadurch wurde es nötig, nicht nur den deutschen militärischen Widerstand zu brechen, sondern auch auf die Zivilbevölkerung einzuwirken. Um den zivilen Widerstand zu brechen, wurden die Einwohner der Städte und Dörfer aufgefordert, nicht im Zuge des so genannten

›Volkssturms‹ die Heimat zu verteidigen und so weitere Kriegsopfer und -schäden zu verursachen.413 Insbesondere die Pychological Warfare Division der 12. amerikanischen

409 Henke 1995, S. 302.

410 Vgl. Matz 1969, S. 27; 30. – Zur Verbreitung der Zeitung: Eine Befragung von 3000 aussagewilligen Kriegsgefangenen durch den amerikanischen Geheimdienst OSS ergab, dass knapp 49% von der Frontpost gehört und 47% darin gelesen hatten. Die überwältigende Mehrheit der Befragten der Erhebung bestätigte dabei die von Frontpost-Machern erhofften propagandistischen Effekte (vgl. Report by Robert M. Allen (OSS Morale Operations Branch), in: Heideking/Mauch 1996, S. 397f.). Daneben wurden für den ›Eigengebrauch‹ Truppenzeitungen produziert, etwa der bis zum 29.6.45 in Altenburg bei der Piererschen Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co gedruckten und im Raum Altenburg, Lunzenau, Rochlitz und Frohburg verteilte Minuteman eines amerikanischen Infanterieregiments (vgl. U. Koch 1999a) oder den Tiger’s Tale. Published By and For the Men of the Tenth Armored Division (Bestand Marktarchiv Garmisch-Partenkirchen).

411 Vgl. Henke 1995, S. 300.

412 Vgl. Matz 1969, S. 30.

413 Vgl. Henke 1995, S. 300.

Heeresgruppe, die große Teile Mitteldeutschlands besetzte,414 verfolgte dabei das Ziel, die Bevölkerung der besetzten Gebiete mit Hilfe von Zeitungen zur Kooperation mit den Besatzern zu bewegen. Der Bevölkerung sollte klar gemacht werden, dass eine Kapitulation kein Weltuntergang bedeuten würde.415 Neben den Versuchen, die Deutschen zur Kapitulation zu überreden, sollten diese Heeresgruppenblätter dabei helfen, die Entmilitarisierung Deutschlands, die Verhaftung von Kriegsverbrechern sowie die Zerstörung des deutschen Nazismus und Militarismus durchzusetzen.416 Diese längerfristigen politischen Ziele konnten jedoch erst nach der Einstellung der Kampfhandlungen in den Vordergrund treten. Nach dem Sieg sollte in einem zweiten Schritt der vollständige ökonomische Kollaps Deutschlands vermieden und Deutschland in »Weltfamilie der demokratischen Nationen« zurückgeführt werden.417

Innerhalb der Psychological Warfare Division arbeiteten zur Realisierung dieser unterschiedlichen Aufgaben neben Militärs vor allem Medienfachleute, Juristen, Historiker und Sozialwissenschaftler, die sich in unterschiedlichen Gruppen mit der Planung der Propa-ganda in der Presse, dem Radio, auf Flugblättern, im Film sowie in anderen Veröffent-lichungen (»Publications & Display«) beschäftigten.418

Das erste der Heeresgruppenblätter erschien am 27. November 1944. Anfänglich Die Neue Zeitung benannt, bekam die zweite Nummer den schlicht-funktionalen Titel Mitteilungen Der Amerikanischen 12. Heeresgruppe Für Die Deutsche Zivilbevölkerung. Das nur zweiseitige Blatt wurde von Luxemburg aus im gesamten von der 12. Heeresgruppe besetzten Teil Deutschlands verteilt.419

Während über die ostdeutsche Verbreitung der Frontpost oder der Feldpost keine Angaben zu erhalten waren, gelangten offenbar zumindest Einzelausgaben der Mitteilungen auch nach Thüringen und Sachsen.420 Daneben wurde eine viersprachige Ausgabe (englisch, französisch,

414 Dieses Gebiet umfasste den Raum Rheinland, Westfalen, Hessen, Südniedersachsen und Nordbayern südlich einer Linie Münster-Hannover-Wittenberge und nördlich eines Bogens Frankfurt-Fulda-Bayreuth-Regensburg-Salzburg und damit auch weite Teile Ostdeutschlands (vgl. Ellis/Warhurst 1968, S. 316f.; S. 332f.).

415 Vgl. Henke 1995, S. 303f.

416 Standing Directive for Psychological Warfare against Members of the German Armed Forces, Juni 1944, nach: Matz 1969, S. 24f.

417 Standing Directive for Psychological Warfare against Members of the German Armed Forces, Juni 1944, nach: Matz 1969, S. 24f.

418 Für eine Übersicht über die organisatorischen Strukturen der psychologischen Kriegsführung vgl. Kutsch 1988, S. 46ff.

419 Vgl. Matz 1969, S. 31. – Dieses Gebiet umfasste den Raum Rheinland, Westfalen, Hessen, Südniedersachsen und Nordbayern südlich einer Linie Münster-Hannover-Wittenberge und nördlich eines Bogens Frankfurt-Fulda-Bayreuth-Regensburg-Salzburg und damit auch weite Teile Ostdeutschlands (vgl. Ellis/Warhurst 1968, S. 316f.; S. 332f.).

420 Eine Ausgabe der Mitteilungen findet sich in den Beständen des Stadtarchivs Leipzig (Mitteilung der Stadt Leipzig, Stadtarchiv, Frau H. Gärtner, 16.11.98).

polnisch, deutsch) des alliierten Oberkommandos über dem Konzentrationslager Buchenwald abgeworfen.421

Die von amerikanischen Verbänden produzierten Mitteilungen erschienen bis zum 21. April 1945,422 die des britischen Kommandos bis Ende Mai.423 Als in allen größeren deutschen Städten Druckkapazitäten für regionale Zeitungen zur Verfügung standen,424 begann die US-Armee mit der Herausgabe von insgesamt zwölf wöchentlich erscheinenden regionalen Zeitungen.425 Die britischen Truppen sollten insgesamt 20 deutschsprachige Armeeblätter vertreiben.426

Diese regionalen Heeresgruppenblätter sollten wie die zentrale Frontpost oder die Mitteilungen ebenfalls ordnend auf die Übernahme der militärischen und staatlichen Gewalt durch die Alliierten wirken und den weiter kämpfenden US-Truppen den Rücken frei halten. Da auch diese Zeitungen bis zum Waffenstillstand Anfang Mai 1945 in einem noch nicht vollständig besiegten Land erschienen, in dem weiter Krieg herrschte, sollten sie ebenfalls den Widerstand brechen helfen und Vertrauenswerbung betreiben und unerwünschten Gerüchten entgegen treten,427 daneben enthielten die Zeitungen jedoch speziell auf ihr Erscheinungsgebiet zugeschnittene Anordnungen der Militärbefehlshaber.428 Vor allem nachdem der Krieg am 8.

Mai beendet war, bekamen diese Publikationen zunehmend auch erzieherische Funktionen zugewiesen. Die Zeitungen wurden zum Werkzeug für die Entnazifizierung und Umerziehung des deutschen Volkes.429

Mit der Besetzung der sächsisch-preußischen, anhaltinischen, thüringischen und sächsischen Gebiete wurden die westalliierten Militärs auch hier für die Regelung von Sicherheit und Ordnung sowie für die Wiederherstellung des öffentlichen Lebens zuständig und hatten auch

421 Vgl. Buchenwalder Nachrichten, 30.4.45 (Ritscher 1983, S. 35).

422 Vgl. Matz 1969, S. 32.

423 In Uelzen wurde die letzte Ausgabe der von der britischen 21. Heeresgruppe herausgegebenen Mitteilungen mit Datum vom 30.5.45 vertrieben. Zwar ist es wahrscheinlich, dass diese Zeitung auch in das britisch besetzte Westmecklenburg gelangte, sie konnte in den dortigen Kreis- und Stadtarchiven jedoch nicht nachgewiesen werden.

424 Vgl. Matz 1969, S. 32.

425 Die genaue Zahl dieser eigens für die deutsche Zivilbevölkerung produzierten Armeeblätter schwankt je nach Zähl-weise. Habe (S. 71f..) zählte »zwölf größere Zeitungen« zuzüglich Sonderausgaben, Frei 1983a (S. 21) »fast dreizehn«

Blätter, Matz 1969 (S. 21) kam bei ihrer Untersuchung ebenfalls auf zwölf von Anfang April bis Mitte November 1945 durch die 12. Heeresgruppe für die deutsche Zivilbevölkerung herausgegebene Titel, während der amerikanische Hochkommissar von über 20 Zeitungen berichtete (vgl. HICOG 1952, S. 88).

426 Eigene Erhebung (vgl. Matysiak 2002). Eine vollständige Darstellung der britischen Heeresgruppenzeitungen fehlte bislang selbst in den Übersichtsdarstellungen von Hurwitz 1972; Koszyk 1986; Koszyk 1999.

427 Vgl. Matz 1969, S. 15; 47.

428 Vgl. Matz 1969, S. 31; Mendelssohn 1982, S. 522.

429 Vgl. Matz 1969, S. 49 ff.; 63ff. – Für eine Übersicht über die amerikanische Reeducationpolitik vgl. Gerhardt 1999.

hier Bekanntmachungen zu veröffentlichen und publizistisch auf die Bevölkerung Einfluss zu nehmen. Der Westen Mecklenburgs von Wismar bis etwa Wittenberge wurde von der briti-schen 21. Armeegruppe, die preußische Provinz Sachsen, das Land Anhalt, Thüringen sowie Westsachsen von der amerikanischen 12. Armeegruppe befreit.430

Eigene regionale Heeresgruppenzeitungen wurden hier jedoch nicht gegründet, sondern lediglich die westdeutschen Zeitungen verteilt.431 Für eine Information der Bevölkerung über kommunale Angelegenheiten bzw. über die Instruktionen der kommunalen Militärbehörden dürften diese Zeitungen jedoch nicht infrage gekommen sein, zumal nicht einmal eine flächendeckende Verbreitung dieser Heeresgruppenzeitungen in Ostdeutschland belegt ist.

Von den neun Blättern, die wegen ihrer räumlichen Nähe zur späteren Zonengrenze auch nach Ostdeutschland hätten gelangen können,432 fanden sich lediglich vereinzelt archivalische Verbreitungsspuren.

Die amerikanische Frankfurter Presse wurde bis nach Leipzig vertrieben, offenbar jedoch nur an einem Tag.433 Bereits für die Zeit nach der ersten Nummer vom 21. April 1945 fanden sich im Leipziger Kommunalarchiv lediglich Exemplare der ab der Folgewoche in Kassel produzierten Heeresgruppenzeitung Hessische Post.434 Die Hessische Post gelangte nicht nur nach Leipzig, sondern seit Mai zumindest auch nach Naumburg,435 Schleiz,436 Greiz,437 Schmalkal-den,438 Weimar439 sowie nach Meerane/Glauchau440 und Rochlitz441 in der Nähe von Chemnitz.

Die Zeitung war offenbar derartig begehrt, dass das kostenlose Blatt442 in Leipzig von

430 Vgl. Ellis/Warhurst 1968, S. 316/317, 332/333.

431 Vgl. Schütz 1987, S. 64.

432 Im Grenzraum Ostdeutschlands erschienen im Zeitraum zwischen April und Juli 1945 amerikanische Heeresgrup-penzeitungen in Kassel (Hessische Post, erschienen vom 28.4. - 22.9.45 (vgl. Matz 1969, S. 144)), Frankfurt (Frankfurter Presse, erschienen vom 21.4. - 26.7.45 (vgl. Matz 1969, S. 142), Bamberg (Bayerischer Tag, erschienen ab 19.5. - 13.11.45 (vgl. Matz 1969, S. 150))und Braunschweig (Braunschweiger Bote, erschienen vom 4.5. bis 8.6.45. Als britische Nach-folgezeitung wurde ab dem 26.6.1945 der Neue Hannoversche Kurier (bis 5.10.1945) etabliert, der am 12.10.1945 durch die Braunschweiger Neue Presse ersetzt wurde (vgl. Matz 1969, S. 146)). Britische Blätter wurden in Hamburg (Hamburger Nachrichten-Blatt; 9.5.45 - 28.3.46; Neue Hamburger Presse, 9.6.45 - 30.3.46), Hannover (Hannoversches Nachrichtenblatt, 2.6.45 - 31.5.46) und Lübeck (Lübecker Nachrichtenblatt, 10.5.45 - 28.3.46) herausgegeben (siehe die Zusammenstellung bei Matysiak 2002).

433 Vgl. Matz 1969, S. 142. Das Blatt wurde zudem in Buchenwald als Quelle genutzt (Buchenwalder Nachrichten, 27.4.45 (Ritscher 1983, S. 26) - Die Frankfurter Presse erschien in Frankfurt/Main vom 21.4. bis zum 26.7.1945 wöchentlich in insgesamt 15 Ausgaben, Umfang vier Seiten, Format 57 x 39 cm, Startauflage 557000 Exemplare, ab dem 31.7.1945 von der Lizenzzeitung Frankfurter Rundschau abgelöst (vgl. Matz 1969, S. 142).

434 Vorhanden vom 28.4.1945 bis 30.6.1945. - Mitteilung Stadt Leipzig, Stadtarchiv, Frau H. Gärtner, 16.11.1998.

435 Vgl. »Die erste Zeitung in Naumburg nach dem zweiten Weltkrieg«, in: LDZ, Naumburg o.A., Stadtarchiv Naumburg, Sg 328.

436 Im Museum Schloß Burgk finden sich die Nummern 3 und 4 vom 12. und 19. Mai 1945 (Mitteilung Museum Schloß

436 Im Museum Schloß Burgk finden sich die Nummern 3 und 4 vom 12. und 19. Mai 1945 (Mitteilung Museum Schloß