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Die Entwicklung der NS-Parteipresse in Ostdeutschland

Der abnehmenden Zahl von traditionellen Zeitungen alteingesessener Verlage stand ein sich ständig vergrößerndes Konglomerat von direkt parteiamtlichen Zeitungen gegenüber. Die Expansion dieser NS-Verlagsgebilde verlief spiegelbildlich zur Schrumpfung der traditionellen verlegerischen Strukturen.

Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft bestand die parteiamtliche Presse vor allem aus Eigengründungen der NSDAP. Deren parteiamtliche Organe waren häufig über den Status von Wochenzeitungen nicht hinaus gekommen bzw. es war nur in dichter besiedelten Regionen ein parteiamtliches Organ gegründet worden.256 Jedoch hatten sich frühzeitig auch Traditionsverlage um eine parteiamtliche Funktion bemüht.257 Mit den Wahlerfolgen der

251 Anteil der ›Privatzeitungen‹ an der Gesamtauflage/Gesamtzahl der Zeitungen nach Gauen. Eig. Berechnungen nach:

Presse in Fesseln, S. 116f.

252 Dovifat 1937, S. 132.

253 Mediaangaben n. ZDB 97/10, 0364.

254 Vgl. Beglaubigte Abschrift aus dem Handelsregister A, Nr. 1323, Amtsgericht Rathenow. In: VMOZV 1955a, Anlage 3, o.P.

255 Die Zeitung war am 1. März 1938 aus den Rathenower Blättern Westhavelländische Tageszeitung, Max Babenzien KG, und Rathenower Zeitung, Rathenower Zeitungsdruckerei Inh. Dr. Fritz Blume, entstanden. Die 1816 gegründete Westhavelländische Tageszeitung war bereits 1934 amtliches Organ der NSDAP (Mediaangaben n. ZDB 97/10, 0202;

Handbuch der deutschen Tagespresse 51934, S. 101).

256 Zur Entwicklung der NS-Presse bis 1933 vgl. Stein 1987.

257 Eine Übersicht über die vor 1933 zum NS-Pressesystem gezählten Zeitungen gibt Stein 1987.

NSDAP suchten auch Neueinsteiger im Zeitungsgeschäft eine Nische zu finden, wie die Paul Trapp Buchdruckerei, die 1932 die Tageszeitung Der Ruppiner Sturm gründete.258 Der Verlag des 1837 gegründeten Spremberger Anzeigers unterstützte seit 1930 die NSDAP finanziell und wurde dafür ab Juni 1933 zum parteiamtlichen Verlag.259 Auch der Rathenower Verlag des Havelländers und die in derselben Stadt erschienene Westhavelländische Tageszeitung traten seit 1932 als nationalsozialistische Zeitungen auf.260 Neben der 1816 gegründeten Westhavelländischen Tageszeitung der Rathenower Max Babenzien KG261 gehörte auch das 1772 gegründete Eichsfelder Tageblatt der ›Brunn‘schen Buchdruckerei‹ in Heiligenstadt zu diesen frühen Koope-rationspartnern der NSDAP.262 Der Verleger der thüringischen Triebeser Zeitung, Karl Unglaub,

»bekannte sich seit 1929 zur Bewegung des Führers und erhielt dafür den Untertitel:

Mitteilungsblatt der NSDAP«.263

Die Wahlsiege der NSDAP führten dazu, dass sich eine immer größere Zahl von Verlegern zum Nationalsozialismus zu bekennen begann. Nachdem in den ostdeutschen Ländern und Provinzen im Jahr 1932 lediglich 24 Zeitungen offen als ›völkisch‹ oder ›nationalsozialistisch‹

firmierten, stieg diese Zahl bis zum Jahr 1934 schnell auf 60 (Tabelle 5). Reichsweit hatten im Januar 1934 379 der insgesamt 3 097 Zeitungen eine parteiamtliche Anerkennung als NSDAP-Blatt erhalten.

Ostdeutschlanda 780 100 60 13,0

Deutsches Reich 3 097 625 379 12,2

Tabelle 5: Angebot parteiamtlicher Zeitungen in Ostdeutschland im Januar 1934 (vor der Neuordnung und Überprüfung des amtlichen Status durch die NSDAP).264

a DDR-Gebiet nach dem Stand 1934, ohne pommersche und schlesische Gebiete sowie Berlin, inkl.

Ostbrandenburg.

258 1934 als Der Ruppiner Stürmer. Die Auflage betrug 6 × wöchentlich 6 825 Exemplare (Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 51934, S. 100).

259 Vgl. Stein 1987, S. 204; Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 51934, S. 102.

260 Vgl. Stein 1987, S. 203; Handbuch der deutschen Tagespresse 51934, S. 137.

261 Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 51934, S. 101.

262 Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 51934, S. 180.

263 Handbuch der deutschen Tagespresse 71944, S. 250.

264 Eig. Auszählung/Berechnungen n. Handbuch der deutschen Tagespresse 51934, S. 22*f.

Die Zahl der parteiamtlichen Zeitungen erhöhte sich bis 1934 vor allem wegen der schiedlichen Zahl übernommener sozialdemokratischer Verlage von Region zu Region unter-schiedlich. Während im Land Anhalt bereits 1934 jeder fünfte Titel als parteiamtliches Blatt angeboten wurde, blieb dagegen das Angebot an NS-Zeitungen in Mecklenburg und Bran-denburg deutlich unterdurchschnittlich ausgeprägt (Tabelle 5). Zwar kam es zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft auch in Brandenburg und Mecklenburg zu einem gestiegenen Angebot an parteiamtlichen Blättern, jedoch war dies auf die freiwillige Hinwen-dung vieler Verleger zur NSDAP und nicht auf die GrünHinwen-dung von Zeitungen durch partei-eigene Verlage zurückzuführen.

Die Ausweitung der parteinahen aber nicht parteieigenen Presse in den Jahren 1932 und 1933 bedeutete für die Partei das Anwachsen einer Presse, auf die die Parteiführung keinen direkten Zugriff hatte.265 Bereits 1934 beschloss die Partei zur besseren Kontrolle der Parteipresse eine

»Neuordnung und Überprüfung aller Blätter […], die sich als ›nationalsozialistisch anerkannt‹

bezeichnen dürfen«.266 Die Zahl der parteiamtlichen Blätter ging danach zurück, und der parteiamtliche Zusatz wurde zumeist nur noch von Zeitungen der NS-Gauverlage geführt.

Dies erlaubte der Partei eine zuverlässigere Kontrolle und Beeinflussung der Inhalte.267

Auf die Neuordnung der Struktur der parteiamtlichen Presse folgte eine starke Ausdehnung von vernetzten parteieigenen Verlagsgebilden, den »parteiamtlichen Großzeitungen«.268

Als die anglo-amerikanischen und sowjetischen Verbände im April 1945 das Gebiet zwischen Ostsee und Erzgebirge erreichten, hatte sich die NSDAP durch Enteignungen und Aufkäufe einen Parteipresse-Konzern aufgebaut, der sich durch eine in diesem Ausmaß vorher unbekannte regional verästelte Verlagsstruktur auszeichnete. Erstmals in Deutschland entstand in weiten Landesteilen ein Netz von Hauptausgaben mit abhängigen Nebenausgaben.

Die großen nationalsozialistischen Parteizeitungsgebilde waren dabei nicht als Landes-zeitungen, sondern wie die Parteiorganisation nach Gauen gegliedert. Statt der traditionellen Länder wurde »der Gau politisch und wirtschaftlich […] die landschaftliche Gliederung des deutschen Lebens«.269 Auf dem Boden der späteren DDR entstanden auf diese Weise nach 1933 – neben dem zentralen Parteiorgan Völkischer Beobachter270 und der Tageszeitung Der

265 Zur innerparteilichen Debatte um eine engere Parteianbindung der Presse vgl. Stein 1987, S. 100ff.

266 Traub 1934, S. 22*.

267 Vgl. Stein 1987, S. 61f.

268 Vgl. Presse in Fesseln 1947, S. 100ff.

269 Eisheuer 1944, S. XXII.

270 In Berlin erschien eine norddeutsche und eine Berliner Ausgabe (vgl. Sperling 611939, S. 443), ab 1939 bis vermutlich 1944 auch die Nebenausgabe Potsdamer Beobachter und Brandenburger Beobachter (Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 71944, S. 102 und S. 110 sowie Beilage: Verzeichnis der am 1.10.1944 bestehenden Großdeutschen Zeitungen, S. 6).

Angriff der Massenorganisation ›Deutsche Arbeitsfront‹ – fünf größere regionale Gauverlage:

In Magdeburg für den Gau Magdeburg-Anhalt, in Halle für den Gau Halle-Merseburg, in Weimar für den Gau Thüringen und später weitere Verlage in Hildburghausen, in Dresden mit mehreren Unterverlagen für den Gau Sachsen und in Stettin für die vorpommerschen Gebiete. Die durchlaufenden Seiten (Politik, Parteinachrichten der Gauleitung, Feuilleton, Anzeigen) wurden jeweils von einzelnen Zentralredaktionen produziert. Am Sitz der Neben-ausgaben hatte die Partei sich eigene Redaktions-, Anzeigen- und Vertriebsgeschäftsstellen verschafft, die die lokalen redaktionellen und Anzeigenseiten erstellten.271

»Sie wiesen im allgemeinen Teil eine einheitliche politische Note nach den Intentionen der Partei auf und erweckten durch den besonderen Zeitungskopf und in ihrem lokalen Teil für die Masse der Leser dennoch den Anschein, als ob sie genau so gut die örtlichen und bezirklichen Sonderinteressen zu vertreten berufen seien, wie die seit Jahrzehnten ganz am Ort hergestellten Heimatzeitung.«272

Kleinere parteieigene Verlage wie der der Oberlausitzer Tagespost in Görlitz oder der des Ruppiner Sturms273 blieben neben diesen Großverlagen nur kurzzeitig bestehen. In der Regel wurden kleine Parteiblätter im Laufe der Jahre an größere Verlage angegliedert.

Für die NSDAP dürfte der zentralistische Aufbau von Zeitungsgruppen einerseits die Möglichkeit der straffen Presselenkung und Kontrolle und darüber hinaus andererseits auch betriebswirtschaftliche Vorteile bedeutet haben. Wie die unternehmerischen Entwicklungen in den ostdeutschen Gauen zeigten, ermöglichte das System der Nebenausgaben eine flexiblere Gründung neuer lokaler Zeitungen, die wiederum als ökonomische Druckmittel zur Über-nahme von Beteiligung an Traditionsverlagen dienen konnten. Gleichwohl entwickelten sich die Gauverlage nicht überall zu großen Verlagsgebilden mit Nebenausgaben, sondern erreich-ten eine unterschiedliche Größe, da sie in unterschiedlichem Ausmaß alteingesessene Zeitungsverlage aufsogen. In den Gauen Thüringen, Magdeburg-Anhalt und Halle-Merseburg führte die nationalsozialistische Pressepolitik zu großen strukturellen Veränderungen, in Mecklenburg und Brandenburg entstanden hingegen keine großen Parteiverlage (Abb. 7, S.

56).

271 Vgl. Presse in Fesseln 1947, S. 168.

272 Presse in Fesseln 1947, S. 169.

273 Oberlausitzer Tagespost, mit der Bezirksausgabe für Görlitz, Lauban/Lubán und Friedland/Frydlant, der Bezirksausgabe Rothenburg und der Bezirksausgabe Hoyerswerda (Gesamtauflage 28500 Exemplare), Zittauer Nachrichten (Auflage 15699), Geraer Zeitung (Auflage 28 000 sowie die nur wöchentlichen NS.-Nachrichten für Niederbarnim (Auflage 4 713;

Mediadaten n. Sperlings 611939, S. 506; 544; 549).

Abbildung 7: Verteilung der Verlags- und Erscheinungsorte der NS-Gaupresse (inkl. ihrer Beteiligungen an Traditionszeitungen; Stand: Mitte 1943).274

274 Datenquelle: eigene Auszählung nach Handbuch der deutschen Tagespressen 71944. Gezählt wurden die Neben-ausgaben der Hauptausgabe und die abhängigen Zeitungen mit nationalsozialistischer Mehrheitsbeteiligung).

Im Gau Magdeburg-Anhalt verfügte der ›Trommler-Verlag‹ der NSDAP 1935 bereits über insgesamt 9,275 1937 über 10,276 1939 über 13277 und 1943 über 25 Nebenausgaben (Abb. 7). Im Verlauf des Krieges kam es zu Einstellungen von Nebenausgaben, so dass im Jahr 1944 18 Nebenausgaben existierten.278 Die Gesamtauflage der ›Trommler‹-Zeitungen stieg von 15 500 im Jahr 1930 über 98 000 im Jahr 1934, 125 000 im Jahr 1937 auf 175 000 im Jahr 1939.279 Wie bei der Schönebecker Zeitung wurden die Verleger jeweils dazu gebracht, ihre Zeitungen vollständig zu verkaufen.280

Auch im Gau Halle-Merseburg brachte die Partei eine große Zahl von Zeitungen in ihre Gewalt, die zu einem flächendeckenden Netz von Nebenausgaben ausgebaut wurden: Dieses Netz wuchs aber in den 40er Jahren nicht mehr durch vollständige Übernahmen von Zeitungen, sondern durch Beteiligungen. Die parteiamtliche Mitteldeutsche National-Zeitung des NS-Gaus Halle-Merseburg erschienen 1935 mit Nebenausgaben in Bitterfeld, Delitzsch, Eisleben, Herzberg, Hettstedt, Bad Liebenwerda, Merseburg, Naumburg, Sangerhausen, Torgau, Weißenfels und Zeitz.281 1943 bestanden lediglich noch die Ausgaben in Delitzsch, Naumburg und Zeitz.282 Die Abnahme war darauf zurückzuführen, dass der Gauverlag (anders als in Schönebeck jedoch wie beim thüringischen Verlag des Mühlhäuser Anzeigers283) seine Nebenausgaben dazu nutzte, um Fusionen mit alteingesessenen Verlagen bewerkstelligen zu können. Dadurch entstanden von der Partei formal unabhängige neue Gemeinschaftsverlage, bei denen die alteingesessenen Verleger einer Anteilsmehrheit der NSDAP gegenüber saßen.

Die Gemeinschaftsverlage boten der NSDAP zwei Vorteile: Bei den neuen lokalen

275 Der Mitteldeutsche, Ausgaben: Anhalter Nachrichten, Bernburg; Anhaltische Tageszeitung, Dessau; Köthener Tagespost; Gardeleger Tagespost; National-Zeitung für Harzgebiet und Bodetal, Halberstadt; Neues Magdeburger Tageblatt; Nationalzeitung - Oscherslebener Kreisblatt; Neue Salzwedeler Zeitung; Altmärker Anzeiger, Stendal (Mediadaten n. Sperlings 591935, S. 367f.; S. 462ff.).

276 Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 61937, S. 175f.

277 Als Ausgaben hinzugekommen waren: Landausgabe des Neuen Magdeburger Tageblattes; die 1857 gegründete Zerbster Zeitung; eine Ausgabe Quedlinburg der National-Zeitung für Harzgebiet und Bodetal; Im Salzland, Staßfurt (Mediadaten n.

Sperlings 611939, S. 497).

278 Vgl. Presse in Fesseln 1947, S. 168f. - Als neu hinzugekommene Titel werden hier von SCHMIDT die Ascherslebener Zeitung; Anhalter Harzzeitung, Ballenstedt; Genthiner Nachrichten sowie die Redaktionsorte Haldensleben, Burg und Schönebeck genannt. Die Schönebecker Zeitung (87. Jahrgang) konnte für 1941 als Ausgabe des Mitteldeutschen belegt werden (vgl. Schönebecker Zeitung, 1.7.41 sowie Jahreswechsel 1941/1942, Stadtarchiv Schönebeck); 1945 ist im 15.

Jahrgang zudem der Mitteldeutsche. Schönebecker Nachrichten - Tageszeitung für Calbe, Aken, Barby belegt (vgl. Schönebecker Nachrichten, 11.4.45, Stadtarchiv Schönebeck). Während des Krieges wurden einige der Nebenausgaben jedoch wieder verselbständigt, so der Mitteldeutsche/Burger Tageblatt, der Mitteldeutsche/Haldensleber Tageszeitung, der Mitteldeutsche/Natio-nalzeitung für das Bodetal und der Mitteldeutsche, Ausgabe Schönebeck (vgl. Verzeichnis der am 1.10.1944 bestehenden Großdeutschen Zeitungen, S. 6).

279 Mediadaten n. Sperlings 591935, S. 467; Handbuch der deutschen Tagespresse 61937, S. 176; Handbuch der deutschen Tagespresse 71944, S. 92 – Zahlen über den Auflagenanteil der offen von einem Parteiverlag herausgegebenen Zeitungen lassen sich wegen unvollständiger Quellen lediglich für das Land Anhalt berechnen. Dort stieg der Marktanteil der parteiamtlichen Blätter von etwa einem Drittel (29 000 Exemplare) auf etwa 50 Prozent (46 000 Exemplare, jeweils Verlagsangaben. Gesamtauflage des Gauorgans Der Mitteldeutsche nach Presse in Fesseln (1947, S.

93f.): 154 200).

280 Siehe S. 32f.

281 Mediadaten n. Sperlings 591935, S. 464.

282 Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 71944, S. 47ff.

283 Siehe dazu Kap. 2.1, S. 41f.

Kleinverlagen bekam die NSDAP die Anteilsmehrheit, beließ jedoch die haftungsrechtliche Verantwortung für den Verlag bei den Traditionsverlegern. Diese waren eher geneigt, ein Engagement zum Erhalt und Pflege der Druckhäuser aufzubringen, als die Leiter von parteieigenen Zweigbetrieben. Die Verleger selbst konnten sich in der Hoffnung wiegen, die unternehmerische Substanz ihrer ehemaligen Familienunternehmen über das Kriegsende zu retten. Für beide Seiten bedeutete eine solche lokale Lösung einen größeren Einfluss als bei einer Minderheitsbeteiligung mehrerer Traditionsverleger an den zentralen Gauverlagen. Die Gemeinschaftsverlage im Halle-Merseburg führten dazu jeweils schematisch im Verlagsnamen den Zeitungsnamen und als Zusatz den Namen des Leiters des Hallischen Gauverlags, etwa

›Eisleber Zeitung B. Vincentz & Co KG.‹. Im Sommer 1943 bekam die Hallische Gauleitung auf diese Weise landesweit beherrschenden Einfluss auf insgesamt 11 lokale Zeitungen (Abb.

7).

Demgegenüber zog sich die Partei in Sachsen aus nicht genau geklärten Gründen aus den Regionen fern der Großstädte wieder zurück. Anfangs hatte die NSDAP ein dichtes Netz von Nebenausgaben rund um ihren Freiheitskampf aufgebaut, dass jedoch immer weiter verkleinert wurde. Das Dresdener NS-Gauorgan verfügte noch 1935 über 11 Nebenausgaben: Zittau, Freiberg/Dippoldiswalde, Meißen, Bautzen, Löbau, Pirna, Riesa/Großenhain, Kamenz, Obererzgebirge, Rochlitz und Döbeln,284 womit die Partei breit in Sachsen vertreten war. Zur Dresdener Verlagsgruppe gehörten außerdem die Chemnitzer Tageszeitung und die Leipziger Tageszeitung285 (Abb. 8, S. 58).

Während die Partei in den benachbarten Gauen Halle-Merseburg, Thüringen und Magdeburg-Anhalt die Zeitungsgruppen stetig vergrößerte und die alteingesessenen Verlage zur Aufgabe oder Fusion zwang, passierte dies in Sachsen nur vereinzelt, etwa beim Zwickauer Tageblatt.286 Stattdessen gab der NS-Verlag seine bestehenden Nebenausgaben wieder auf und zog sich aus den meisten Orten wieder zurück. 1939 wurde im Dresdner Betrieb des NS-Gauverlags nur noch die Dresdner Ausgabe hergestellt (Abb. 7, S. 56).287 Die parteiamtlichen Zeitungen in Chemnitz, Zwickau und Leipzig wurden in selbständige Zweigverlage über-führt.288 Die sächsischen Verleger konnten durch diesen Rückzug der NSDAP eine unterneh-merische Kooperation mit der Partei vermeiden und wurden nicht Teil des NS-Pressetrusts.289

284 Mediadaten n. Sperlings 591935, S. 502.

285 Mediadaten n. Sperlings 611939, S. 531ff; Handbuch der deutschen Tagespresse 61937, S. 242.

286 Siehe S. 39.

287 Mediadaten n. Sperlings 611939, S. 534.

288 Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 71944, S. 180f.

289 Angesichts der Vehemenz, mit der andernorts alteingesessene Verlage eingegliedert wurden, kann vermutet werden, dass die sächsischen Verleger über recht hilfreiche Kontakte zur nationalsozialistischen Führung verfügten.

Abbildung 8: Verteilung der Verlags- und Erscheinungsorte der Zeitungen des ›NS-Verlag für den Gau Sachsen‹, Dresden (1935).290

In Brandenburg und in Mecklenburg versuchte die NSDAP offenbar gar nicht erst, in großem Stil eigene Zeitungen herauszugeben. In Schwerin wurde zwar ab 1925 die als Wochenblatt gegründete Tageszeitung Niederdeutscher Beobachter herausgegeben, ihre Neben-ausgaben Lübecker Beobachter und Mecklenburg-Strelitzer Beobachter aber wieder eingestellt.291 Während sich die Auflage des Magdeburger Trommler-Verlags mehr als verdoppelte, stieg die Auflage des Niederdeutschen Beobachters von 31 000 im Jahre 1934 auf lediglich 52 000 im Jahr 1939.292 1943 existierte nur noch die Hauptausgabe des Niederdeutschen Beobachters, was dazu führte, dass die traditionellen Verlage relativ wenig bedrängt wurden. Zwar kaufte die NSDAP einige kleine Verlage auf und erhielt Anteile an Großverlagen, letzteres blieb jedoch verdeckt, so dass keine großen Eingriffe in die gewachsenen Verlagsstrukturen erfolgten.

Auf die Bedingungen des Krieges zurückzuführen ist, dass in allen Gauen in der letzten Kriegsphase die großen Verlagsgebilde wieder zerteilt wurden. Im Jahr 1944 kam es vor allem in Magdeburg-Anhalt und Thüringen, beides Regionen mit den zentralisiertesten

290 Mediadaten n. Sperlings 591935, S. 487ff.

291 Vgl. Hartmann, Franz (1935): Statistische und geschichtliche Entwicklung der NS-Presse 1926-1935, in: Bernhard 1989, S. 186-190; Stein 1987, S. 205.

292 Mediadaten n. Handbuch der deutschen Tagespresse 51934, S. 79; Handbuch der deutschen Tagespresse 71944, S. 121.

strukturen, zu einer Zersplitterung, indem zuvor unselbständige Nebenausgaben wieder verselbständigt wurden. In Thüringen waren dies etwa die Henne in Illmenau und die Langensalzaer Zeitung, im damaligen Gau Magdeburg-Anhalt die der NS-Verlagsgruppe ›Der Mitteldeutsche/Trommler-Verlag‹ gehörenden Titel Der Mitteldeutsche/Burger Tageblatt, Der Mitteldeutsche/Haldensleber Tageszeitung, Der Mitteldeutsche/Schönebecker Nachrichten und Der Mitteldeutsche/Nationalzeitung für das Bodetal.293 Für die NSDAP war dieser Schritt aus strategischen Gründen sinnvoll. Erwies sich der Aufbau eines Netzes von abhängigen Neben-ausgaben in Friedenszeitungen für die politische Lenkung als vorteilhaft, waren diese auf die Metropolen ausgerichteten zentralisierten Strukturen unter den Bedingungen des Luftkriegs anfälliger als dezentrale Pressestrukturen.294