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B. Literaturübersicht

3. Physiologie der Samenzelle

3.4. Signalübertragung

3.4.4. Signalübertragung bei Spermatozoen

Auch bei Spermien werden alle Interaktionen zwischen ihnen und ihrer Umwelt durch intrazelluläre Signalwege vermittelt. Die Signalübertragung ermöglicht dem Spermium die Anpassung an die sich vom Verlassen des Hodens bis zur Befruchtung der Eizelle in der Eileiterampulle ständig verändernden Bedingungen.

Fast alle von somatischen Zellen bekannten Signalwege sind in Spermien gefunden worden, wobei hinsichtlich ihrer Funktion bei einigen noch Unklarheit herrscht (BALDI et al. 2002). Ionenkanäle und -transporter stellen Schlüsselelemente der Spermien-Eizell-Interaktion und Reaktion auf Umwelteinflüsse dar und haben eine große Bedeutung für die Befruchtung. Die Eizelle nimmt Einfluss auf die Ionenpermeabilität und das Verhalten der Spermien (DARSZON et al. 2001).

ZENG et al. (1995) und MUNOZ-GARAY et al. (2001) demonstrieren, dass die Kapazitation von einer Hyperpolarisation der Spermienmembran begleitet ist, die u.a.

auf einer Steigerung der Kaliumpermeabilität der Membran beruht und Einfluss auf die Ca2+-Freisetzung während der Akrosomreaktion nimmt. Calcium- und Magnesium-Ionen vermitteln die Aktivität von Enzymen, die in die Mechanismen der Schwanzkontraktion und -relaxation miteingebunden sind (TASH u. MEANS 1983).

Während der Kapazitation steigt der intrazelluläre pH-Wert an (PARRISH et al.

1989). Aus der Sicht von FRASER (1995) spielen Kationen und Anionen eine bedeutende Rolle bei der Modulation der Spermienfunktionen während der Kapazitation und Akrosomreaktion, eine besondere Aufmerksamkeit ist den

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Ca2+-, Na+-, K+- und H+-Ionen zu schenken. Spermien scheinen über einen Na+-Ca2+ -Austauscher zu verfügen (Untersuchungen beim Schwein: ASHRAF et al. 1982;

beim Bullen: RUFO et al. 1984). Von diesem Mechanismus wird angenommen, dass er im Gegensatz zu somatischen Zellen nicht nur Na+- in und Ca2+-Ionen aus der Zelle transportiert und damit für eine intrazellulär niedrige Ca2+-Konzentration sorgt, sondern auch umgekehrt funktioniert und zu einem Anstieg des Ca2+-Spiegels führt (RUFO 1984). Andere Autoren vermuten spannungssensitive Ca2+-Kanäle bei Spermien (Versuche beim Schwein: COX u. PETERSON 1989; bei der Maus:

FRASER 1993; beim Bullen: FRASER et al. 1995). Die Rolle des Natriums ist bisher noch unklarer. FRASER (1995) vermutet aufgrund verschiedener Versuche mehrerer Wissenschaftler, dass eine geringe Konzentrationszunahme mit der Kapazitation, eine starke mit der akrosomalen Exozytose verbunden ist. An der Regulation des Na+-Spiegels ist wahrscheinlich eine Na+-/K+-ATPase beteiligt. Gegen einen Na+-Ca2+-Austauscher spricht, dass beide Ionenkonzentrationen ansteigen, was bei einem Austausch schwer möglich wäre.

Als Regulator des intrazellulären Kaliumionengehaltes wird v.a. eine Na+-/K+-ATPase diskutiert, wobei Kalium eher für terminale Ereignisse wie die Akrosomreaktion von Bedeutung ist, nicht für die Kapazitation selbst (FRASER 1995). Es ist ein Anstieg der ATPase-Aktivität bei Spermien des Hamsters während der Kapazitation zu beobachten, der durch intrazelluläres cGMP vermittelt wird (MRSNY et al. 1984).

Studien von KOCAK-TOKER et al. (2002) zeigen den Einfluss einer Na+-/K+-ATPase auf die Motilität: Der Einsatz des Inhibitors Ouabain führt zur Abnahme bzw. dem fast gänzlichen Verlust der Beweglichkeit. Im Gegensatz dazu beeinflusst Relaxin die Motilität positiv. Es wird angenommen, dass der Stoff sich an einen Oberflächen-rezeptor anlagert, einen Anstieg der Aktivität der Adenylatcyclase bewirkt, der dann in einer Steigerung des intrazellulären cAMP-Levels resultiert (KOHSAKA et al.

2001).

Eine Schlüsselrolle scheint cAMP bei der Zunahme der Tyrosinphosphorylierung und bei der Lipidumstrukturierung während der Kapazitation bei Eberspermien zu spielen. Bikarbonat dient dabei nicht nur als Puffer für einen alkalischen pH-Wert, sondern wirkt auch direkt auf das Spermium ein (HARRISON et al. 1993,

ASHWORTH et al. 1995). Bikarbonat stimuliert die Adenylatcyclase, die zu einer Aktivierung der Proteinkinase A führt. Es kommt zur Proteinphosphorylierung, die einen Anstieg der Merocyaninbindung nach sich zieht (HARRISON u. MILLER 2000, GADELLA u. HARRISON 2000). Die Regulation des Anstieges der Tyrosinphos-phorylierung über einen cAMP-abhängigen Signalweg mit Involvierung der Proteinkinase A ist bei den Spermien der Maus (VISCONTI et al. 1995b, VISCONTI et al. 1997), des Hamsters (VISCONTI et al. 1999c), des Menschen (LECLERC et al.

1996), des Ebers (KALAB et al. 1998), des Bullen (GALANTINO-HOMER et al.

1997), der domestizierten Katze (PUKAZHENTHI et al. 1998a) und bei verschiedenen wilden Arten der Familie der Felidae (PUKAZHENTHI et al. 1998b) festgestellt worden. Die Beteiligung des sekundären Botenstoffes cAMP bei der Akrosomreaktion wird ebenfalls noch diskutiert (ROLDAN 1998). VISCONTI et al.

(1999 a, b) stimmen mit der Ansicht überein, dass ein Signalweg mit der Beteiligung von cAMP und Tyrosinkinase bei Spemien vorliegt, doch haben sie Hinweise gefunden, dass die Cholesterinfreisetzung aus der Spermienmembran die Signalkaskade auslöst.

VISCONTI et al. (2002) fassen drei Regulationsmöglichkeiten der Tyrosinphos-phorylierung durch einen cAMP/PKA-abhängigen Signalweg zusammen: (in)direkte Stimulation der Tyrosinkinase durch die PKA, (in)direkte Hemmung der Phospho-tyrosinphosphatase und (in)direkte Phosphorylierung der Proteine durch die PKA über Serin- oder Threoninreste, die eine Tyrosinphosphorylierung nach sich zieht.

Bei Studien mit Koffein (Inhibitor der Phosphodiesterase) und Adenosin (Stimulator des Adenylatcyclase/cAMP-Signalweges) an Eberspermien ist herausgefunden worden, dass beide Stoffe die Kapazitation stimulieren, doch nur Adenosin hemmt die spontane Akrosomreaktion (FUNAHASHI u. TAKASHI 2001). Die Hemmung der Phosphodiesterase führt außerdem zu einem Motilitätsanstieg (MOUSSA 1983).

Auch das den Kalziummetabolismus regulierende Calcitonin wirkt sich auf die Motilität aus, bei einem geringen Calcitonin-Level des Seminalplasmas kommt es zu einer Abnahme der Spermienbeweglichkeit (MUNGAN et al. 2001). FORESTA et al.

(1989) bestätigen, dass Calcitonin in Ca2+-abhängige Mechanismen involviert ist.

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Das Vorkommen von intrazellulären Ca2+-Lagern wird vermutet (WALENSKY u.

SNYDER 1995, DRAGILEVA et al. 1999, O´TOOLE et al. 2000), doch über die Lokalisation von Ca2+-Lagern in reifen Spermien herrscht noch Unklarheit, da ein Endoplasmatisches Retikulum fehlt und das Akrosom kein Ca2+ zu enthalten scheint (KIRMAN-BROWN 2000, KOBORI 2000). DRAGILEVA et al. (1999) vermuten dagegen, dass das Akrosom als potentieller, zellulärer Ca2+-Speicher in Frage kommt. Ihre Versuche mit Thapsigargin, einem hochspezifischen Inhibitor der Ca2+-Mg2+-ATPase, an Ratten- und Bullenspermien lassen darauf schließen, dass das zytosolische Ca2+ aktiv mit Hilfe von ATP-abhängigen, Thapsigargin-sensitiven Ca2+-Pumpen ins Akrosom transportiert wird. Über einen IP3–aktivierten Ca2+-Kanal werden die Ionen dann während der Akrosomreaktion aus dem Akrosom freigesetzt. Die Lokalisierung von IP3-Rezeptoren am Akrosom von Spermien bei Ratte, Hamster, Maus und Hund weist ebenfalls auf das Akrosom als einen intrazellulären Ca2+-Speicher hin (WALENSKY u. SNYDER 1995). Die physiologische Rolle der Ca2+-Ionen ist noch unklar, vermutlich fungieren sie als intrazellulärer Botenstoff, was eine präzise Kontrolle des intrazellulären Ca2+-Spiegels erfordern würde (BREITBART u. SPUNGIN 1997). Die intrazelluläre Ca2+-Konzentration wird vermutlich auch über die Plasmamembran (FLORMAN et al.

1998) und die Membran der Mitochondrien (BREITBART et al. 1996) reguliert.

O´TOOLE et al. (2000) haben einen Ca2+-Eintritt aus Ca2+-Lagern und einen daraus resultierenden Anstieg der Ionenkonzentration als Antwort auf die Zonaproteine beobachtet. Ein Anstieg des intrazellulären freien Ca2+-Spiegels ist auch bei der Kapazitation zu beobachten (BALDI et al. 1991). Eine durch Dekapazitationsfaktoren regulierte Ca2+-ATPase wird als Hauptmechanismus der intrazellulären Ca2+-Konzentration während der Kapazitation aufgefasst (FRASER u.

MC DERMOTT 1992, FRASER 1995).

Werden kapazitierte Spermatozoen mit Hilfe von Progesteron oder Proteinen der Zona pellucida stimuliert, kommt es zu einer Aktivierung der Phospholipasen mit einer Bildung von lipiden Signalmolekülen. Es tritt eine verstärkte Aktivierung der Ca2+-abhängigen Phospholipase C auf, die zur Freisetzung von IP3 und DAG führt (RICE et al. 2000, SWANN et al. 2001). Wie bereits im Kapitel 3.4.1. (Allgemeine

Mechanismen der Signalübertragung in Zellen) angesprochen worden ist, führt IP3 in somatischen Zellen zu einem Ca2+-Anstieg durch die Freisetzung von Ca2+ aus IP3-sensitiven intrazellulären Lagern. Da bei Spermien das Vorhandensein dieser Lager nicht geklärt ist, treten Zweifel an der physiologischen Rolle von IP3 auf. Bei dem zweiten Mediator, DAG, handelt es sich um den physiologischen Aktivator der Proteinkinase C, deren Präsenz und Aktivität in Spermien nachgewiesen ist (ROLDAN 1998).

Proteinphosphorylierung ist einer der Hauptmechanismen der Kontrolle der Zellantwort auf veränderte Umweltbedingungen. TARDIF et al. (1999) stellen bei der Inkubation von Eberspermien ohne kapazitationsfördernde Bedingungen die Phosphorylierung von zwei Proteinen mit einem Molekulargewicht von 44 kDa und 57 kDa fest, unter Kapazitationsbedingungen wird dagegen eine Reihe von Phosphoproteinen (Mr 28,000-60,000) phosphoryliert. Beim Schwein ist außerdem eine 42 kDa Kinase nachgewiesen worden (BERRUTI 1994). Proteintyrosinkinase (PTK) und Proteintyrosinphospatase (PTP) spielen bei der Regulation eine Rolle, doch es ist noch umstritten, ob die Aktivierung der PTK oder die Hemmung der PTP zum Anstieg der Tyrosinphosphorylierung führt. Es wird angenommen, dass die Kinaseaktivität bei humanen Spermatozoen von cAMP aktiviert, von Ca2+-Ionen gehemmt wird (LECLERC u. GOUPIL 2002). Ein zeitabhängiger Anstieg der Tyrosinphosphorylierung hochmolekularer Proteine während der Kapazitation bei menschlichen Spermien ist bei Untersuchungen von LUCONI et al. (1995) nachgewiesen worden. CARRERA et al. (1996) bestätigen die zeitabhängige Zu-nahme der Tyrosinphosphorylierung während der Kapazitation und weisen zusätzlich durch den Einsatz des Proteintyrosinkinase-Inhibitors Genistein die Beteiligung von PTK an der Regulation sowie eine Ca2+-induzierte Dephosphorylierung nach. Das Phänomen der zeitabhängigen Zunahme der Tyrosinphosphorylierung lässt sich beim Hamster beobachten. Bei dieser Tierart führt die Abwesenheit von Ca2+-Ionen und NaHCO3 zu einer Verzögerungdes Ereignisses, das Fehlen von BSA zieht eine Abnahme der Tyrosinphosphorylierung nach sich (KULANAND u. SHIVAJI 2001).

Bei den Samenzellen der Ratte (PÉREZ-PÉ et al. 2002) induziert der Kälteschock die Tyrosinphosphorylierung, Seminalplasmaproteine verhindern sie.

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Auch BALDI et al. (2000) stellen ohne einen definierten Stimulus eine verstärkte Tyrosinphosphorylierung während der Kapazitation fest, die sich in Bezug auf die Zeit ähnlich verhält wie der intrazelluläre Ca2+-Anstieg. Während CARRERA et al.

(1996) und LUCONI et al. (1996) eine Verstärkung der Tyrosinphosphorylierung beobachten, wenn das Medium Ca2+-frei ist, beeinflusst bei der Maus extrazellulär vorhandenes Ca2+ dieses Ereignis positiv (VISCONTI et al. 1995 a, b).

NAABY-HANSEN et al. (2002) demonstrieren ein während der Kapazitation phosphoryliertes Protein, das die Fähigkeit erhält, Kalzium zu binden.

Die Tyrosinphosphorylierung wird während der Kapazitation durch cAMP-abhängige Signalübertragung (VISCONTI et al. 1995 a, b, LECLERC et al. 1998) und reaktive Oxygenderivate reguliert (AITKEN et al. 1995, EMILIOZZI u. FENICHEL 1997, LECLERC et al. 1998).

HAYASHI et al. (1987) weisen die Tyrosinphosphorylierung eines Proteins, das in die Einleitung der Motilität involviert ist, in einer cAMP-abhängigen Weise nach. Die Anwesenheit von Mg2+-Ionen ist dabei unerlässlich, während Ca 2+-Ionen keinen Einfluss nehmen. Die Assoziation von Anstieg der Tyrosinphosphorylierung und Hyperaktivierung ist von SI u. OKUNO (1999) bei Hamsterspermien bestätigt worden. Durch die Hemmung der Proteinkinase A oder der Proteintyrosinkinase haben sie die Hyperaktivität und die Produktion tyrosinphosphorylierter Schwanz-peptide feststellen können. Bei Hundespermien repräsentiert die cAMP-abhängige Phosphorylierung eines 56 kDa Peptides eine Hauptregulationskomponente der Geißelmotilität (TASH et al. 1984). Zusätzlich wird die Beteiligung einer Calmodulin-abhängigen Proteinphosphatase in der Ca2+-abhängigen Regulation der Hyper-aktivierung beim Rüden vermutet (TASH u. MEANS 1982, TASH et al.1988).

Unklar ist dennoch, ob die Tyrosinphosphorylierung eine physiologische Rolle während der Kapazitation spielt oder nur mit diesem Phänomen verbunden ist (LECLERC et al. 1998). Bei dem Einsatz des nicht-spezifischen Tyrosinkinase-Inhibitors Erbstatin, der die Tyrosinphosphorylierung während der Kapazitation aufhebt (LUCONI et al. 1995), hemmt dieser in vitro nicht die Kapazitation, obwohl die Tyrosinphosphorylierung stark gehemmt wird (LUCONI et al. 1996). Die Tyrosinphosphorylierung zeigt auch Bedeutung hinsichtlich der

Spermien-Eizell-Interaktion: Zwei tyrosinphosphorylierte Proteine (35 und 46 kDa) der Membran kapazitierter Spermien des Schweins weisen eine besondere Affinität zur Zona pellucida auf (FLESCH et al. 2001).

Neben der Tyrosinphosphorylierung ist bei humanen Spermien auch die Phosphorylierung von Serin- und Threoninresten beobachtet worden, ihre Rolle im Zusammenhang mit der Kapazitation ist jedoch noch nicht geklärt (NAZ 1999).

Es ist bei dem Wissen über die intrazelluläre Signalübertragung eine gewisse Vorsicht geboten, weil zum einen die Erkenntnisse bei In-vitro-Versuchen erworben worden sind und nicht problemlos die Situation in vivo erklären, zum anderen aufgrund von Speziesunterschieden die Informationen nicht ohne weiteres übertragbar sind. Auch bei der Interpretation der Ergebnisse ist Skepsis angebracht, da die Spezifität der eingesetzten Inhibitoren oft zweifelhaft ist und auch andere Wege der Signalübertragung beeinflusst werden.

Die vorliegende Arbeit sollte dazu beitragen, die Signalübertragungsmechanismen bei der Volumenregulation an Eberspermatozoen zu beleuchten.

C. Eigene Untersuchungen

C. Eigene Untersuchungen