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3. Physiologie der Samenzelle

3.4. Signalübertragung

3.4.1. Allgemeine Mechanismen der Signalübertragung in Zellen

Jede Zelle ist programmiert, auf spezifische Signale zu antworten, die einzeln oder in Kombination auftreten und wirken können. Sie beeinflussen das Verhalten der Zelle und entscheiden, ob die Zelle leben oder sterben soll, außerdem ist die Signal-übertragung für die Koordination des Stoffwechsels essentiell.

Die Zelle steht über ihre Plasmamembran mit anderen Zellen und der umgebenden Flüssigkeit, in der Nährstoffe, Hormone, Neurotransmitter und Antigene vorhanden sind, in Kontakt. Allosterische Enzyme, Hormon- und Nervensignale spielen bei der Signalübertragung von Zellen eine Rolle. Hormon- und Nervensystem sind der chemischen Signalübertragung zuzuordnen, ihre Mechanismen sind sehr ähnlich.

Sie nutzen einige Botenstoffe wie Noradrenalin und Adrenalin gemeinsam und werden als neuroendokrines System zusammengefasst. Während Hormone von endokrinen Zellen sezerniert, durch das Blut zu entfernten Zellen transportiert werden und durch das Anbinden an einen Rezeptor an der Zelle eine Aktivitäts-änderung der Zelle bewirken, werden Neurotransmitter von Neuronen freigesetzt und müssen nur den synaptischen Spalt überwinden, um das nächste Neuron der Übertragungskette zu erreichen.

Transportproteine und Rezeptoren der Membran spielen eine bedeutende Rolle bei der Signalübertragung. Die Erstgenannten befördern Nährstoffe in und Abfallstoffe aus der Zelle, dabei findet keine Verstärkung der Signale statt. Bei Signalrezeptoren handelt es sich dagegen um Membranproteine, die hochspezifische Bindungsstellen für von außen ankommende Signalmoleküle (Rezeptorliganden) darstellen.

Nur wenige kleine, hydrophobe Signalmoleküle (beispielsweise Steroid- oder Thyreoidhormone) und einige lösliche Gase wie Stickstoffmonoxid und Kohlenmonoxid können durch die Membran der Zielzelle hindurchdiffundieren, um intrazellulär Rezeptorproteine zu aktivieren. Die meisten extrazellulären Signal-moleküle sind jedoch hydrophil, so dass sie nicht problemlos die lipophile Zellmembran durchdringen können. Sie können nur an der Oberfläche der Zielzelle Rezeptorproteine aktivieren. Ihr Signal muss über diese membranständigen Rezeptoren ins Zellinnere übertragen werden. Der Fachbegriff für dieses Phänomen lautet Signaltransduktion. Die Rezeptorproteine wirken als Signalüberträger, die das extrazelluläre Ereignis der Ligandenbindung, die eine Änderung der Raumstruktur des Rezeptors nach sich zieht, in ein intrazelluläres Signal umwandeln, das das Zellverhalten beeinflusst.

Entsprechend der Signalübertragungsmechanismen lassen sich die Zelloberflächen-rezeptoren in drei große Gruppen unterteilen: Ionenkanal-gekoppelte Rezeptoren, G-Protein-gekoppelte Rezeptoren und katalytische Rezeptoren.

Bei den Ionenkanal-gekoppelten Rezeptoren, die auch als Transmitter-abhängige Ionenkanäle bezeichnet werden, bindet ein Ligand an Proteine des Ionenkanals. Der Kanal wird daraufhin vorübergehend geöffnet oder geschlossen, die Permeabilität der Membran für bestimmte Ionen, beispielsweise Na+-, K+- oder Cl --Ionen, ändert sich.

Da die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren zu einer Familie homologer Proteine gehören, die die Plasmamembran siebenfach durchspannen, werden sie auch 7-Helix-Rezeptoren genannt. Diese Rezeptoren übertragen mit Hilfe eines trimeren GTP-bindenden Regulatorproteins (G-Protein) Signale auf Effektorproteine (nachgeschaltete Enzyme oder Ionenkanäle). Handelt es sich bei dem aktivierten Zielprotein um ein Enzym, wird die intrazelluläre Konzentration von Mediatoren oder second messenger („zweite Botenstoffe“) geändert. Liegt bei dem Zielprotein ein Ionenkanalprotein vor, kommt es zu einer Veränderung der Ionenpermeabilität der Plasmamembran.

Katalytische Rezeptoren wirken selbst als Enzyme oder sind mit einem Enzym assoziiert. Sie durchspannen die Membran mit nur einer Helix und werden folglich

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auch 1-Helix-Rezeptoren genannt. Die Bindungsstelle für den Liganden befindet sich außerhalb, das katalytische Zentrum liegt innerhalb der Zelle. Der Signalstoff wird gebunden, es kommt zu einer Dimerisierung des Rezeptors, die eine Aktivierung eines Enzyms nach sich zieht. Im Gegensatz zu den zwei zuerst vorgestellten Rezeptoren handelt es sich bei den enzymgekoppelten Rezeptoren um eine heterogene Gruppe, die sich in fünf Untergruppen unterteilen lässt: Transmembran-Guanylylcyclasen stellen cGMP her. Während Rezeptor-Tyrosinphosphatasen Phosphate von Tyrosin-Resten spezifischer Proteine abspalten, übertragen Transmembran-Rezeptor-Serin/ Threoninkinasen Phosphatgruppen auf Serin- und Threoninseitenketten von Zielproteinen. Am häufigsten treten Rezeptor-Tyrosinkinasen und Rezeptor-Tyrosinkinasen-gekoppelte Rezeptoren auf, die vermutlich auf die gleiche Weise arbeiten. Bei ihnen kommt es nach der Ligandenbindung und Dimerisierung des Rezeptors zu der Aktivierung der Kinase, die einen Teil des Rezeptors bildet oder als Nicht-Rezeptorkinase mit diesem assoziiert ist. Die aktivierte Rezeptor-Tyrosinkinase überträgt Phosphatgruppen auf verschiedene Tyrosin-Reste, an die spezifische Proteine über ihre SH2-Domäne binden. Auf diese Weise wird ein Multi-Protein-Signalkomplex aktiviert, von dem sich das Signal im Zellinneren ausbreitet.

Der Oberflächenrezeptor besitzt die Funktion eines Signalverstärkers: Ein Ligandenmolekül bindet an den Rezeptor, durch den geöffneten Kanal können dann viele Ionen hindurchtreten, oder es erfolgt durch die Aktivierung eines Enzyms die Synthese vieler Moleküle eines Botenstoffes.

Im Rahmen der Signaltransduktion spielen zusätzlich innerhalb der Zelle die second messenger eine Rolle. Dabei handelt es sich um intrazelluläre, chemische Signale, deren Konzentration von extrazellulären, über Membranrezeptoren in die Zelle übertragenen Signale streng kontrolliert werden. Zu den wichtigsten Second messenger zählen cAMP (3´,5´-cyclo-Adenosin-monophosphat), cGMP, Ca2+, IP3

(Inositol-1,4,5-triphosphat) und DAG (Diacylglycerol).

Das Nukleotid cAMP wird von membrangebundener Adenylatcyclase gebildet. Die Aktivität dieses Botenstoffes wird über G-Proteine gesteuert, meist stimulieren sie die Adenylatcyclase (Typ Gs), einige hemmen sie (Typ Gi). Ca2+ und Calmodulin

aktivieren ebenfalls die Adenylatcyclase. Das cAMP stellt einen allosterischen Effektor der Proteinkinase A (PKA) und von Ionenkanälen dar. Die enzymatisch aktivierte PKA kann dann bestimmte Serin- und Threonin-Reste von verschiedenen Proteinen phosphorylieren und damit den Funktionszustand dieser Proteine ändern.

Innerhalb der Zellen herrscht eine geringe cytosolisch freie Ca2+-Konzentration, die mit Hilfe von Ca2+-ATPasen in der Plasmamembran, ATP-getriebenen Ca2+-Pumpen im Endoplasmatischen Retikulum und in der inneren Mitochondrien-Membran sowie Na+/ Ca2+-Austauscher niedrig gehalten wird, so dass Ca2+-Ionen intrazellulär als Signalmolekül genutzt werden können. Da extrazellulär ein hoher Ca2+-Spiegel herrscht, besteht an der Plasmamembran ein Konzentrationsgefälle. Kommt es durch ein Signal vorübergehend zu einem Öffnen der Ca2+-Kanäle in der Membran, steigt die intrazelluläre Ca2+-Konzentration sehr stark an und aktiviert Ca2+-abhängige Proteine in der Zelle, u.a. Calmodulin.

Aus dem zweifach phosphorylierten Membranlipid Phosphatidyl-Inositol-bisphosphat (PInsP2) entstehen unter der Enzymwirkung der Phospholipase C (PLC) das hydrophile IP3 und das lipophile DAG. Der erstgenannte Botenstoff wandert zum ER und setzt dort Ca2+ aus den Speichern frei, der zweitgenannte bleibt in der Membran, aktiviert die Proteinkinase C (PKC), die dann in Gegenwart von den vom IP3

freigesetzten Ca2+ Proteine phosphoryliert und damit den Funktionszustand der Proteine verändert.

Wichtig ist, dass diese verschiedenen Systeme miteinander vernetzt sind und sich gegenseitig beeinflussen. Das Zusammenspiel verschiedener Signalkaskaden ermöglicht der Zelle, die Informationen vieler Signale aufeinander abzustimmen.

Die wesentlichen Aussagen dieses Abschnittes sind ALBERTS et al. (2002) ent-nommen.

3.4.2. Tyrosinphosporylierung bei der Signalübertragung von Zellen

Unter Phosphorylierung versteht man die Übertragung eines Phosphorsäureesters auf organische Verbindungen durch Ester- oder Säureanhydridbildung. Die Konformationsänderung resultiert in einer Aktivierung bzw. Inaktivierung der

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Proteine. In vielen Stoffwechselwegen müssen Metaboliten erst durch Phosphorylierung, die durch Kinasen enzymatisch katalysiert werden, aktiviert werden, bevor sie umgesetzt werden können. Proteinkinasen und -phosphatasen regulieren den Phosphorylierungsstatus. Phosphorylierte Verbindungen sind sehr energiereich. Bei der Proteinphosphorylierung handelt es sich um post-translationale Modifikationen von Proteinen, die es der Zelle erlauben, verschiedene zelluläre Prozesse zu kontrollieren (URNER u. SAKKAS 2003). Die Proteinphosphorylierung und –dephosphorylierung zählt zu den wichtigsten Regulationsmechanismen, die einer Zelle zur Verfügung stehen. Wie bereits im Abschnitt 3.4.1. (Allgemeine Mechanismen der Signalübertragung in Zellen) angedeutet, ist die Tyrosinphos-phorylierung bei verschiedenen Zellen in die Signalübertragung involviert. Da reife Spermien transkriptional inaktiv sind und ihnen die Fähigkeit zur Synthese neuer Proteine fehlt, ist es denkbar, dass reife Spermatozoen im Vergleich zu anderen Zelltypen von diesem Mechanismus der Funktionsänderung in viel größerem Maße abhängig sind (URNER u. SAKKAS 2003). Im nächsten Abschnitt soll die Beteiligung der Tyrosinphosphorylierung neben anderen Mechanismen bei der Volumen-regulation näher beleuchtet werden.

3.4.3. Signalübertragung bei der Volumenregulation von Zellen

Zellen antworten auf physiologischen Stress (Han et al. 1994). Sie reagieren auf osmotische Belastungen aus ihrer Umgebung. Verschiedene Mechanismen sind in die damit verbundene Volumenregulation involviert.

BREWSTER et al. (1993) beobachten einen durch die Änderung der extrazellulären Osmolarität aktivierten Signalübertragungsweg schon bei Hefen. Die Autoren vermuten, dass der Anstieg des Turgordruckes durch den Zusammenbruch des osmotischen Gradienten an der Plasmamembran das initiale Signal sein könnte, da die Hefen über mechanosensitive Ionenkanäle in ihrer Membran verfügen.

Bei hypoosmotischer Stimulation werden schnell aktivierte, kompensatorische Cl-- und K+-Ströme diskutiert, die ein übermäßiges Anschwellen der Zelle verhindern und das Ausgangszellvolumen wiederherstellen (OKADA u. HAZAMA 1989,

GRINSTEIN u. SMITH 1990, TILLY et al. 1996). Ein schwellungsinduzierter Anstieg der intrazellulären Ca2+-Konzentration aktiviert diese Ionenströme (MCCARTY u.

O´NEIL 1992). Es werden volumenregulierte, ATP-abhängige Anionen/ Cl--Kanäle beschrieben, die durch die Volumenzunahme der Zelle stimuliert werden; genaue Mechanismen der Aktivierung sind noch nicht klar (OKADA 1997, STRANGE et al.

1996). Es werden auch volumensensitive organische osmolytische und Anionenkanäle (VSOACs) erwähnt (STRANGE et al. 1996, OKADA 1997, NILIUS 1997, KIRK 1997), die vom intrazellulären ATP-Spiegel abhängig sind (DELEUZE et al. 2000). Der Mechanismus ihrer Regulation ist bisher kaum erforscht. An ihrer Aktivierung scheinen bei Astrozyten (CREPEL et al. 1998, MONGIN et al. 1999), Lymphozyten (LEPPLE-WIENHUES et al. 1998), Kardiomyozyten (SOROTA 1995), epithelialen (TILLY et al. 1993) und endothelialen Zellen (VOETS et al. 1998) Proteintyrosinkinasen beteiligt zu sein.

Bei Versuchen an Endothelzellen der Aorta des Rindes ist festgestellt worden, dass die Proteinphosphorylierung zur Aktivierung eines Na+/K+/2Cl--Cotransporters führt, während sich die Inaktivierung dieses Cotransporters mit Hilfe des Phosphatase-Inhibitors Calyculin, der vorwiegend auf die Proteinphosphatase des Typ I wirkt, auf die Typ I Phosphatase zurückführen lässt. Es wird angenommen, dass eine volumensensitive Proteinkinase existiert (KLEIN et al. 1993).

Neben diesem Na+/K+/2Cl--Cotransporter untersuchten MARUNAKA et al. (1999) zusätzlich Aniloride-sensitive Na+-Kanäle und Quinin-sensitive K+-Kanäle bei Typ II Pneumozyten fetaler Rattenlungen im Zusammenhang mit Insulin und unter dem Einfluss von Ca2+ und Proteinkinasen. Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass unter Anwesenheit von extrazellulärem Ca2+-Ionen Insulin über eine Proteinkinase die Aniloride-sensitiven Na+-Kanäleund Bumetanide-sensitive Cotransporter aktiviert, daraus resultiert ein Volumenanstieg. Bei fehlenden extrazellulären Ca2+-Ionen dagegen werden diese zwei Systeme nicht beeinflusst, Insulin stimuliert in diesem Fall nur die Quinin-sensitiven K+-Kanäle über eine Proteinkinase mit nachfolgender Volumenabnahme.

Bei humanen zervikalen Krebszellen ist festgestellt worden, dass die osmotische Schwellung zu einer Aktivierung verschiedener Kinasen, darunter eine

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Tyrosinkinase, führt, die einen intrazellulären Anstieg der Ca2+-Konzentration durch die Freisetzung aus intrazellulären Lagern und Influx über die Plasmamembran bewirkt. Der Einsatz von Tyrosinphosphatase-Inhibitoren potentiert das Ereignis, während die Hemmung der Tyrosinkinasen zu einer Hemmung führt (SHEN et al.

2001).

Beim Rochen führt eine Volumenzunahme der Erythrozyten zur Tyrosinphos-phorylierung, die einen Taurine-Efflux aktiviert. Eine PTK ist an der Regulation des schwellungsaktivierten Taurine-Ausstroms involviert. Bei dem Einsatz von PKC-Inhibitoren tritt kein signifikanter Effekt auf, daher kann eine Beteiligung der PKC ausgeschlossen werden (MUSCH et al. 1998, HUBERT et al. 2000).

Untersuchungen von DELEUZE et al. (2000), die sich ebenfalls mit dem Einfluss der Tyrosinphosphorylierung auf die Osmosensitivität des volumenabhängigen Taurine-Efflux bei Gliazellen der Ratte beschäftigt haben, ziehen die Vermutung nach sich, dass die Tyrosinphosphorylierung den osmotischen Setpoint der Aktivierung des Ausstromes bestimmt und die Sensitivität der Taurine-permeablen Kanäle modifiziert, nicht aber für die Aktivierung nötig ist.

Phosphorylierung von Serin/ Threonin und Tyrosin ist bei der Aktivierung und/ oder Regulierung der Cl--Kanäle bei verschiedenen Zelltypen beteiligt (OKADA 1997).

Tyrosinphosphorylierung tritt bei Herzmyozyten des Hundes (SOROTA 1995), Astro-zyten der Ratte (CREPEL et al. 1998) und Endothelzellen des Rindes (VOETS et al.

1998) auf, bei diesen Zelltypen dieser Tierarten ist sie durch PTK-Inhibitoren hemmbar. Im Gegensatz dazu ist sie bei chromaffinen Zellen des Rindes (DOROSHENKO 1998) und Mäusefibroblasten (THOROED et al. 1999) durch PTP-Inhibitoren zu beeinflussen. Bei niedrigem ATP-Spiegel hält die Tyrosinphos-phorylierung bei Fibroblasten der Maus Cl--Kanäle aktiv. Sowohl eine Beteiligung der PTK als auch der PTP hat bei der Regulation der Cl--Kanäle später nachgewiesen werden können (BRYAN-SISNEROS et al. 2000).

Die Phosphorylierung von Serin/ Threonin tritt bei Kardiomyozyten von Meer-schweinchen (DUAN et al. 1999) und Huhn (HALL et al. 1995) sowie bei Endothelzellen der Ratte (VON WEIKERSTHAL et al. 1999) auf.

Untersuchungen von GALCHEVA-GARGOVA et al. (1994) weisen ebenfalls eine Beteiligung der Threonin- und Tyrosinphosphorylierung in osmotisch „geschockten“

Säugetierzellen und Hefen nach, die zur Aktivierung einer Proteinkinase führt.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass bei verschiedenen Zelltypen unterschiedlicher Tierarten die Beteiligung der Tyrosinphosphorylierung an osmotisch induzierten Zellvolumenveränderungen beobachtet werden kann, doch die genauen Wirkungsmechanismen unterscheiden sich bei den verschiedenen Zellarten und von Tierspezies zu Tierspezies.

3.4.4. Signalübertragung bei Spermatozoen

Auch bei Spermien werden alle Interaktionen zwischen ihnen und ihrer Umwelt durch intrazelluläre Signalwege vermittelt. Die Signalübertragung ermöglicht dem Spermium die Anpassung an die sich vom Verlassen des Hodens bis zur Befruchtung der Eizelle in der Eileiterampulle ständig verändernden Bedingungen.

Fast alle von somatischen Zellen bekannten Signalwege sind in Spermien gefunden worden, wobei hinsichtlich ihrer Funktion bei einigen noch Unklarheit herrscht (BALDI et al. 2002). Ionenkanäle und -transporter stellen Schlüsselelemente der Spermien-Eizell-Interaktion und Reaktion auf Umwelteinflüsse dar und haben eine große Bedeutung für die Befruchtung. Die Eizelle nimmt Einfluss auf die Ionenpermeabilität und das Verhalten der Spermien (DARSZON et al. 2001).

ZENG et al. (1995) und MUNOZ-GARAY et al. (2001) demonstrieren, dass die Kapazitation von einer Hyperpolarisation der Spermienmembran begleitet ist, die u.a.

auf einer Steigerung der Kaliumpermeabilität der Membran beruht und Einfluss auf die Ca2+-Freisetzung während der Akrosomreaktion nimmt. Calcium- und Magnesium-Ionen vermitteln die Aktivität von Enzymen, die in die Mechanismen der Schwanzkontraktion und -relaxation miteingebunden sind (TASH u. MEANS 1983).

Während der Kapazitation steigt der intrazelluläre pH-Wert an (PARRISH et al.

1989). Aus der Sicht von FRASER (1995) spielen Kationen und Anionen eine bedeutende Rolle bei der Modulation der Spermienfunktionen während der Kapazitation und Akrosomreaktion, eine besondere Aufmerksamkeit ist den

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Ca2+-, Na+-, K+- und H+-Ionen zu schenken. Spermien scheinen über einen Na+-Ca2+ -Austauscher zu verfügen (Untersuchungen beim Schwein: ASHRAF et al. 1982;

beim Bullen: RUFO et al. 1984). Von diesem Mechanismus wird angenommen, dass er im Gegensatz zu somatischen Zellen nicht nur Na+- in und Ca2+-Ionen aus der Zelle transportiert und damit für eine intrazellulär niedrige Ca2+-Konzentration sorgt, sondern auch umgekehrt funktioniert und zu einem Anstieg des Ca2+-Spiegels führt (RUFO 1984). Andere Autoren vermuten spannungssensitive Ca2+-Kanäle bei Spermien (Versuche beim Schwein: COX u. PETERSON 1989; bei der Maus:

FRASER 1993; beim Bullen: FRASER et al. 1995). Die Rolle des Natriums ist bisher noch unklarer. FRASER (1995) vermutet aufgrund verschiedener Versuche mehrerer Wissenschaftler, dass eine geringe Konzentrationszunahme mit der Kapazitation, eine starke mit der akrosomalen Exozytose verbunden ist. An der Regulation des Na+-Spiegels ist wahrscheinlich eine Na+-/K+-ATPase beteiligt. Gegen einen Na+-Ca2+-Austauscher spricht, dass beide Ionenkonzentrationen ansteigen, was bei einem Austausch schwer möglich wäre.

Als Regulator des intrazellulären Kaliumionengehaltes wird v.a. eine Na+-/K+-ATPase diskutiert, wobei Kalium eher für terminale Ereignisse wie die Akrosomreaktion von Bedeutung ist, nicht für die Kapazitation selbst (FRASER 1995). Es ist ein Anstieg der ATPase-Aktivität bei Spermien des Hamsters während der Kapazitation zu beobachten, der durch intrazelluläres cGMP vermittelt wird (MRSNY et al. 1984).

Studien von KOCAK-TOKER et al. (2002) zeigen den Einfluss einer Na+-/K+-ATPase auf die Motilität: Der Einsatz des Inhibitors Ouabain führt zur Abnahme bzw. dem fast gänzlichen Verlust der Beweglichkeit. Im Gegensatz dazu beeinflusst Relaxin die Motilität positiv. Es wird angenommen, dass der Stoff sich an einen Oberflächen-rezeptor anlagert, einen Anstieg der Aktivität der Adenylatcyclase bewirkt, der dann in einer Steigerung des intrazellulären cAMP-Levels resultiert (KOHSAKA et al.

2001).

Eine Schlüsselrolle scheint cAMP bei der Zunahme der Tyrosinphosphorylierung und bei der Lipidumstrukturierung während der Kapazitation bei Eberspermien zu spielen. Bikarbonat dient dabei nicht nur als Puffer für einen alkalischen pH-Wert, sondern wirkt auch direkt auf das Spermium ein (HARRISON et al. 1993,

ASHWORTH et al. 1995). Bikarbonat stimuliert die Adenylatcyclase, die zu einer Aktivierung der Proteinkinase A führt. Es kommt zur Proteinphosphorylierung, die einen Anstieg der Merocyaninbindung nach sich zieht (HARRISON u. MILLER 2000, GADELLA u. HARRISON 2000). Die Regulation des Anstieges der Tyrosinphos-phorylierung über einen cAMP-abhängigen Signalweg mit Involvierung der Proteinkinase A ist bei den Spermien der Maus (VISCONTI et al. 1995b, VISCONTI et al. 1997), des Hamsters (VISCONTI et al. 1999c), des Menschen (LECLERC et al.

1996), des Ebers (KALAB et al. 1998), des Bullen (GALANTINO-HOMER et al.

1997), der domestizierten Katze (PUKAZHENTHI et al. 1998a) und bei verschiedenen wilden Arten der Familie der Felidae (PUKAZHENTHI et al. 1998b) festgestellt worden. Die Beteiligung des sekundären Botenstoffes cAMP bei der Akrosomreaktion wird ebenfalls noch diskutiert (ROLDAN 1998). VISCONTI et al.

(1999 a, b) stimmen mit der Ansicht überein, dass ein Signalweg mit der Beteiligung von cAMP und Tyrosinkinase bei Spemien vorliegt, doch haben sie Hinweise gefunden, dass die Cholesterinfreisetzung aus der Spermienmembran die Signalkaskade auslöst.

VISCONTI et al. (2002) fassen drei Regulationsmöglichkeiten der Tyrosinphos-phorylierung durch einen cAMP/PKA-abhängigen Signalweg zusammen: (in)direkte Stimulation der Tyrosinkinase durch die PKA, (in)direkte Hemmung der Phospho-tyrosinphosphatase und (in)direkte Phosphorylierung der Proteine durch die PKA über Serin- oder Threoninreste, die eine Tyrosinphosphorylierung nach sich zieht.

Bei Studien mit Koffein (Inhibitor der Phosphodiesterase) und Adenosin (Stimulator des Adenylatcyclase/cAMP-Signalweges) an Eberspermien ist herausgefunden worden, dass beide Stoffe die Kapazitation stimulieren, doch nur Adenosin hemmt die spontane Akrosomreaktion (FUNAHASHI u. TAKASHI 2001). Die Hemmung der Phosphodiesterase führt außerdem zu einem Motilitätsanstieg (MOUSSA 1983).

Auch das den Kalziummetabolismus regulierende Calcitonin wirkt sich auf die Motilität aus, bei einem geringen Calcitonin-Level des Seminalplasmas kommt es zu einer Abnahme der Spermienbeweglichkeit (MUNGAN et al. 2001). FORESTA et al.

(1989) bestätigen, dass Calcitonin in Ca2+-abhängige Mechanismen involviert ist.

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Das Vorkommen von intrazellulären Ca2+-Lagern wird vermutet (WALENSKY u.

SNYDER 1995, DRAGILEVA et al. 1999, O´TOOLE et al. 2000), doch über die Lokalisation von Ca2+-Lagern in reifen Spermien herrscht noch Unklarheit, da ein Endoplasmatisches Retikulum fehlt und das Akrosom kein Ca2+ zu enthalten scheint (KIRMAN-BROWN 2000, KOBORI 2000). DRAGILEVA et al. (1999) vermuten dagegen, dass das Akrosom als potentieller, zellulärer Ca2+-Speicher in Frage kommt. Ihre Versuche mit Thapsigargin, einem hochspezifischen Inhibitor der Ca2+-Mg2+-ATPase, an Ratten- und Bullenspermien lassen darauf schließen, dass das zytosolische Ca2+ aktiv mit Hilfe von ATP-abhängigen, Thapsigargin-sensitiven Ca2+-Pumpen ins Akrosom transportiert wird. Über einen IP3–aktivierten Ca2+-Kanal werden die Ionen dann während der Akrosomreaktion aus dem Akrosom freigesetzt. Die Lokalisierung von IP3-Rezeptoren am Akrosom von Spermien bei Ratte, Hamster, Maus und Hund weist ebenfalls auf das Akrosom als einen intrazellulären Ca2+-Speicher hin (WALENSKY u. SNYDER 1995). Die physiologische Rolle der Ca2+-Ionen ist noch unklar, vermutlich fungieren sie als intrazellulärer Botenstoff, was eine präzise Kontrolle des intrazellulären Ca2+-Spiegels erfordern würde (BREITBART u. SPUNGIN 1997). Die intrazelluläre Ca2+-Konzentration wird vermutlich auch über die Plasmamembran (FLORMAN et al.

1998) und die Membran der Mitochondrien (BREITBART et al. 1996) reguliert.

O´TOOLE et al. (2000) haben einen Ca2+-Eintritt aus Ca2+-Lagern und einen daraus resultierenden Anstieg der Ionenkonzentration als Antwort auf die Zonaproteine beobachtet. Ein Anstieg des intrazellulären freien Ca2+-Spiegels ist auch bei der Kapazitation zu beobachten (BALDI et al. 1991). Eine durch Dekapazitationsfaktoren regulierte Ca2+-ATPase wird als Hauptmechanismus der intrazellulären Ca2+-Konzentration während der Kapazitation aufgefasst (FRASER u.

MC DERMOTT 1992, FRASER 1995).

Werden kapazitierte Spermatozoen mit Hilfe von Progesteron oder Proteinen der Zona pellucida stimuliert, kommt es zu einer Aktivierung der Phospholipasen mit einer Bildung von lipiden Signalmolekülen. Es tritt eine verstärkte Aktivierung der Ca2+-abhängigen Phospholipase C auf, die zur Freisetzung von IP3 und DAG führt (RICE et al. 2000, SWANN et al. 2001). Wie bereits im Kapitel 3.4.1. (Allgemeine

Mechanismen der Signalübertragung in Zellen) angesprochen worden ist, führt IP3 in somatischen Zellen zu einem Ca2+-Anstieg durch die Freisetzung von Ca2+ aus

Mechanismen der Signalübertragung in Zellen) angesprochen worden ist, führt IP3 in somatischen Zellen zu einem Ca2+-Anstieg durch die Freisetzung von Ca2+ aus