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3. Physiologie der Samenzelle

3.2. Regulation von Wassergehalt und osmotischem Druck

3.2.1. Physiologische Grundlagen

Abhängig von Alter und Geschlecht besteht der Körper der Säugetiere bis zu zwei Dritteln aus Wasser, in dem Ionen und Moleküle gelöst sind. Viele biologische Funktionen sind mit der Aufnahme, Abgabe, Verbrauch sowie der Regulation von Wasser im Körper verbunden. Wasser spielt als Lösungs-, Dispersions- und Transportmedium eine Rolle. Ein konstanter Wasser- und Elektrolytgehalt ist daher sehr wichtig (GROSS et al. 1989). Im Vergleich zu vielen somatischen Zellen, die einen Wassergehalt von bis zu 70% aufweisen (KARLSON et al. 1994), verfügen Samenzellen speziesabhängig über einen geringeren Wasseranteil. Der Wasser-gehalt in Eberspermatozoen wird bei GILMORE et al. (1995) mit 30-40% angegeben.

Außerdem besitzen die Spermien einen geringeren Zytoplasmaanteil im Vergleich zu

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somatischen Zellen (PETZOLDT u. NEHRING 1992). Der zelluläre Stoffwechsel der Spermatozoen ist vereinfacht, er beschränkt sich auf den Energiestoffwechsel und regulatorische Vorgänge, die zur Aufrechterhaltung des intrazellulären Milieus beitragen. Das zelluläre Volumen reagiert sehr empfindlich auf Veränderungen des extrazellulären Milieus wie Verschiebungen der Zusammensetzung der Elektrolyt-und Nichtelektrolytkomponenten, der Temperatur Elektrolyt-und der Spermiendichte. Wasser-permeation ist für die Aufrechterhaltung der osmotischen Verhältnisse von großer Bedeutung. Spermien weisen eine hohe Wasserpermeabilität auf. Aktive und passive Transportprozesse des Wassers über die Zellmembran ermöglichen die Regulation des Zellvolumens und der optimalen Ionenverhältnisse im Inneren der Zelle (PETZOLDT 1988). Unter passivem Wassertransport versteht man einerseits die Diffusion des Wassers durch die Zellmembran. Zum anderen fällt darunter der Transport von Wassermolekülen, die nicht einzeln, sondern als sog. „cluster“

vorliegen und durch die Lipidfluidität die Membran passieren können. Das ist möglich durch Konformationsänderungen der Anordnung der Kohlenwasserstoffketten, die man sich als höhlenartige „Störstellen“ vorstellen kann, in denen Wasserpakete Platz finden (KARLSON et al. 1994). Zusätzlich kann Wasser als „Flüssigkeitsfaden“ (bulk flow) die Poren durchströmen und dabei Ionen mittransportieren. Man spricht dabei vom „solvant drag“ (GROSS et al. 1989).

Die hohe Wasserpermeabilität der Spermienmembran ist vermutlich durch die Existenz spezieller Proteine bedingt, die als Wasserkanäle fungieren. Man geht davon aus, dass diese Proteine demselben Typ entsprechen wie spezielle integrale Proteine („CHIP 28“), die bei menschlichen Erythrozyten beschrieben werden. LIU et al. (1995) widerlegen diese Annahme, danach handelt es sich um ein besonderes, noch nicht isoliertes Protein.

Es findet meist ein osmotischer Wasserfluss statt, der an den Ionenfluss gekoppelt bzw. von diesem bedingt wird. Der osmotische Druck ist von der Anzahl der im Lösungsmittel gelösten Teilchen abhängig. Man definiert 6,06 x 1023 Teilchen (= 1 mol einer nicht dissoziierten Substanz) als Messeinheit ein „Osmol“. Schon geringe Differenzen der Ionenkonzentrationen zwischen dem Intra- und Extrazellulärraum führen zu einem osmotischen Gradienten. Die Membran kann dem

osmotischen Druck nicht standhalten. Je nach Richtung des Konzentrationsgefälles kommt es aufgrund des Strebens der Zelle nach einem osmotischen Gleichgewicht mit dem umgebenden Medium zur Zellschrumpfung oder -schwellung (NILIUS 1993).

Im Falle einer hypertonen (die Osmolarität des Milieus ist größer als die des Spermiums) oder hypotonen (die Osmolarität ist extrazellulär kleiner als intrazellulär) Situation liegt ein osmotischer Druckgradient vor (∆p). Der daraus resultierende Wasserein- bzw. -ausstrom unterliegt der folgenden Gleichung: ∆p=∆[s]*R*T. Bei R handelt es sich um die allgemeine Gaskonstante, T steht für die absolute Temperatur. Der Konzentrationsgradient wird in der Gleichung durch ∆[s] dargestellt.

Sie ist proportional zum osmotischen Druck. Diese Gleichung spiegelt somit den Einfluss der Temperatur, der Elektrolytverteilung und der Osmolaritätsschwankung auf die Intensität des Transportes wieder (SCHMIDT u. THEWS 1993). Nach der Van’t Hoffschen Theorie der Lösungen ist bei konstanter Temperatur der osmotische Druck proportional der Konzentration gelöster Teilchen und wiederum bei konstanter Konzentration proportional der absoluten Temperatur (NULTSCH 1991). Kommt es zum Wasserinflux, schwillt die Zelle an, findet dagegen ein Wasserefflux statt, schrumpft die Samenzelle in Folge dessen. Nach DREVIS und ERIKSSON (1966) sind Veränderungen des Zellvolumens daher ein Ausdruck von zellulären Regulationsleistungen bei osmotischen Belastungen.

Veränderungen der Membraneigenschaften wirken sich auf die Regulation des Spermienvolumens aus. Die Zellmembran kann durch die osmotische Reaktion beurteilt werden (PETZOLDT 1988). Eine intakte Membran kann Schwankungen der Ionenverhältnisse in gewissem Rahmen ausgleichen. Überführt man die osmotisch belasteten Spermatozoen danach in ein isotones Medium, stellt die Zelle ihren Ausgangszustand wieder her. Der Vorgang ist somit bei Zellen mit funktionsfähiger Plasmamembran reversibel. Werden bestimmte Konzentrationen in der Zellumgebung über- oder unterschritten, kommt es zu irreversiblen Membran-schäden, die eine Volumenregulation verhindern. Als Folge treten Lysis und Zelltod ein. Bei hypotoner Belastung spricht man von der sog. kritischen Osmolarität, wenn 50% der Zellen platzen. Dieser Wert ist speziesabhängig. Beim Hahn und beim Ganter liegt die kritische Osmolarität bei 17 mOsm, die Zellen sind bis kurz vor

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diesem Wert völlig intakt. Bei dem Spermatozoen der Bullen ist ein kontinuierlicher Abfall der Vitalität zu beobachten, die kritische Osmolarität beträgt 36 mOsm (WATSON et al. 1992). Beim Schwein liegt ebenfalls ein stetiger und sehr deutlicher Verlust der Lebensfähigkeit vor. Mit einer kritischen Osmolarität von 150 mosm/kg ist es am empfindlichsten. Die Osmolarität liegt im nativen Ejakulat der Eber bei 304±7 mosm/kg, dabei können Schwankungen zwischen 286-324 mosm/kg auftreten (VENGUST 1983).

Bei hypertoner Belastung hat man ein minimal tolerierbares Zellvolumen festgestellt, unter das die Zellen nicht mehr schrumpfen können. Eine weitere Dehydration führt zu irreversiblen Schäden. MERYMAN (1979) erklärt dieses Phänomen durch die

„Minimum Cell Volume“ Hypothese, nach der es zu einer Kompression des Zellinhaltes kommt. Die Zelle reagiert mit Widerstand auf den Schrumpfungsvorgang, ein osmotischer Druckunterschied baut sich an der Zellmembran auf, durch den es schließlich zu Membranschäden kommt. Die komplexe und starre Struktur sowie der geringe Plasmaanteil sprechen für diese Theorie (WATSON u. DUNCAN 1988).

An der Volumenregulation der Zellen soll eine Na+-/K+-ATPase beteiligt sein (ALBERTS et al. 2002). Die Volumenabnahme scheint bei Überführung der Zellen aus einem hypo- in ein isotones Milieu an die Aktivität dieses Enzyms gebunden zu sein, da bei der Hemmung der ATPase eine Rückregulation ausbleibt, wie es bei Astrozyten der Ratte festgestellt worden ist (FRASER u. SWANSON 1994).

Entsprechende Untersuchungen sind auch schon bei Spermien von Hund, Schaf und Schwein durchgeführt worden (RODRIGUEZ-GIL u. RIGAU 1996, PETROUNKINA 1998).

Bemerkenswert ist, dass die osmotischen Verhältnisse sich nicht nur auf die Volumenregulation auswirken, sondern auch Einfluss auf die Motilität der Samenzellen nehmen. DACHEUX et al. (1979) beschreiben, dass reife Eber-spermien unter hypotoner Belastung ihren Stoffwechsel verändern: Die Zellen produzieren vermehrt CO2, während die ATP-Produktion sinkt. Es folgt eine verminderte Motilität. FRASER et al. (2001) bestätigen einen verringerten, zu einer Motilitätsreduktion führenden ATP-Gehalt in Spermien unter hypo- und hyperosmotischen Belastungen. Sowohl die Fähigkeit der Volumenregulation als

auch der Motilität entwickelt sich bei Spermien während der Nebenhodenreifung (YEUNG et al. 2002).

3.2.2. Der hypoosmotische Schwelltest (HOST)

Das Phänomen der Volumenregulation unter verschiedenen osmotischen Bedingungen ist mit Hilfe verschiedener Testverfahren der Spermatologie zu erfassen. Der Hypoosmotische Schwelltest (HOST) spielt dabei eine wichtige Rolle, auf dessen Messtechnik auch im Abschnitt C. (Eigene Untersuchungen) näher eingegangen wird. Dieses Testverfahren beruht darauf, dass unter hypoosmotischen Bedingungen ein Flüssigkeitstransport über eine intakte Zellmembran abläuft, bis ein Konzentrationsausgleich geschaffen ist (JEYENDRAN et al. 1992). Die Zelle schwillt zunächst an, dann erfolgt eine regulative Volumenabnahme (RVD = Regulative Volume Decrease). Unter hyperosmotischen Belastungen folgt nach einem anfänglichen Schrumpfen ein regulativer Volumenanstieg (RVI = Regulative Volume Increase). Mit Hilfe des HOST kann die osmotische Belastungsfähigkeit (Resistenz) der Spermatozoen untersucht (JEYENDRAN et al. 1984) und auf die Integrität sowie Funktionalität der Zellmembran geschlossen werden (JEYENDRAN et al. 1992, CABRITA et al. 1999). Auf der Grundlage des HOST ist auch versucht worden, Voraussagen in Bezug auf die Lebensfähigkeit von Spermien zu treffen, indem sie mit Vitalfärbungen kombiniert worden sind (NEILD et al. 1999, MUNUCE et al. 2000).

Aufgrund der speziesabhängigen, unterschiedlichen Sensitivität der Plasmamembran hinsichtlich des Wassertransportes können verschiedene Schwellungsmuster beobachtet werden (CURRY u. WATSON 1994). Bei Spermien des Bullen, der Maus und des Ebers stellt man fest, dass die Volumenveränderung umgekehrt linear zur Osmolarität erfolgt. Die Samenzellen dieser Spezies verhalten sich wie sog.

„perfekte Osmometer“ (DREVIUS 1972, DU et al. 1994, GILMORE et al. 1996, PETROUNKINA 1998, PETROUNKINA u. TÖPFER-PETERSEN 2000) im Gegen-satz zu den Spermien von Kaninchen und Schafböcken (HAMMERSTEDT et al.

1978).

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PETROUNKINA et al. (2000) weisen bei iso- und hypoosmotischen Volumen von Eberspermien zyklische Veränderungen unter Kapazitationsbedingungen nach, die einer mathematischen Periodizität folgen.

Die Korrelationen von Ergebnissen des HOST und denen der In-vitro-Fertilisation (IVF) fallen sehr unterschiedlich aus, der HOST als Untersuchungsmethode männlicher Infertilität ist umstritten. Während einige Autoren zeigen, dass der HOST Voraussagen zur Befruchtungsfähigkeit zulässt (JEYENDRAN et al. 1984, VAN DER VEN et al. 1986, CHECK et al. 1989, OKADA et al. 1990, CHAN et al. 1991), tragen bei anderen die Ergebnisse des HOST nicht zur Vorhersage der Befruchtungs-fähigkeit bei (CHAN et al. 1988, AVERY et al. 1990, ROTA et al. 2000).

Die Regulation des Wasserhaushaltes und das Zellverhalten bei Dehydration ist für die Tiefgefrier- und Flüssigkonservierung von elementarer Bedeutung, da die Dynamik des Wasserverlustes und ihre Folgen die Lebensfähigkeit, Motilität und Befruchtungsfähigkeit kryokonservierter Spermien beeinflussen (KAPP 1995).