• Keine Ergebnisse gefunden

Siebentes Kapitel

Im Dokument Caroli Ernesti a Baer (Seite 130-135)

Vom fleriichsorgan.

8-

52-Etwas später, als sich das Auge und das Gehörlabyrinth zu

bilden begonnen h a b e n , zu einer Z e i t , da der vorderste Theil des Gehirns n o c h erst von einer ganz einfachen und ziemlich dünnen W a n d umgeben ist, entstehen bei denjenigen Wirbelthieren, welche eine doppelte Nasenhöhle besitzen, an dieser W a n d , also an der v o r d e m Seite des K o p f e s , äusserlich zwei weit auseinander lie­

gende u n d auf die beiden Seitenhälften des K o p f e s vertheilte kleine runde Gruben, indem hier die W a n d u n g des K o p f e s an zwei Stel­

len weit w e n i g e r , als in der benachbarten G e g e n d , an D i c k e zu­

nimmt. Hierauf erhält in diesen G r u b e n die Hautbedeckung eine etwas grössere D i c k e , als in der Nachbarschaft, bleibt j e d o c h wei­

cher und l o c k e r e r , als in j e n e r . So entstehen denn zwei v o n der Hautbedeckung gebildete schüsseiförmige u n d massig dicke Theile, und diese sind die ersten A n d e u t u n g e n der Riechhaut (Tunica Schneideriana). B e i den Fischen werden die beiden schüsseiförmi­

g e n Riechhäute, indem sich um dieselben h e m m die Gesichtstheile des K o p f e s ausbilden, immer tiefer u n d nehmen ungefähr die F o r m v o n halben H o h l k u g e l n oder auch v o n tiefen M u l d e n a n ; darauf wächst der R a n d einer j e d e n , namentlich bei den Grätenfischen, in der R e g e l an zwei einander gegenüber liegenden Stellen allmälig aus u n d bildet zwei Fortsätze, die einander entgegen wachsen, dann verwachsen u n d schliesslich eine aus Haut bestehende B r ü c k e darstellen, durch welche die ursprünglich einfache Oeffnung der

120

Grube in eine vordere und eine hintere Oeffnung getheilt wird.

A u s dein B o d e n einer j e d e n sackförmig g e w o r d e n e n Riechhaut aber, die jetzt zwischen die übrigen Theile des Gesichts versenkt erscheint, erheben sich mehrere in die H ö h l e derselben vorsprin­

gende Falten, in denen sich hauptsächlich der Riechnerv verbreitet.

Ganz anders geht die Entwickelung des Geruchsorganes in den drei höhern Klassen der Wirbelthiere vor sich. W e n n bei ih­

nen die Riechhäutc zwei massig tiefe Schüsseln darstellen, ist zwi­

schen beiden die Bildungsmassc des K o p f e s schon massig stark aus der v o r d e m W a n d desselben nach aussen hervorgewachsen und bildet einen v o n dieser W a n d ausgehenden breiten, auch ziemlich weit v o n oben nach unten licrablaufcndcn, aber nur sehr niedrigen Fortsatz, den ich den S t i r n f o r t s a t z des K o p f e s benannt habe.

Das untere E n d e dieses Theiles treibt nun rechts und links einen kleinen V o r s p r u n g h e r v o r , den ich den F l ü g e l des Stirnfortsatzes nenne. Z u gleicher Zeit gewinnt der etwas früher entstandene Ober­

kieferfortsatz, ein dreiseitig pyramidalischer aus Bildungsmasse be­

stehender Theil, der aus dem obern E n d e des ersten Schlundbogcns seinen Ursprung n a h m , immer mehr an L ä n g e und überhaupt an Grösse: in F o l g e davon aber rückt seine Spitze an der äussern Seite des K o p f e s dicht unterhalb des A u g e s immer weiter nach v o r n , w o b e i übrigens der Fortsatz an seiner einen ganzen K a n t e mit der Seitenwandung des K o p f e s verwächst. So k o m m e n denn jederseits ein Oberkieferfortsatz und ein Flügel des Stirnfortsatzes mit ihren Spitzen einander immer näher, wachsen darauf mit den­

selben über die erst schüsseiförmige, jetzt aber tiefer u n d mulden­

förmig gewordene Riechhaut ihrer Seite herüber u n d gelangen zu einer gegenseitigen Berührung. Ist dies geschehen, so verwachsen ihre Spitzen u n d bilden eine B r ü c k e , die über die H ö h l e der R i e c h -haut herübergespannt erscheint, u n d w o d u r c h der anfänglich ein­

fache u n d weite Eingang in diese H ö h l e in eine obere und eine un­

tere Oeffnung getheilt w o r d e n ist. D i e obere bezeichnet ein äusse­

res, die untere ein inneres oder g e g e n die M u n d h ö h l e gekehrtes Nasenloch. Z u derselben Zeit ferner, da sich die F l ü g e l des Stirn­

fortsatzes u n d die Oberkieferfortsätze bilden u n d vergrössern, ent­

steht dicht über der Riechhaut ein dünner leistenartiger A u s w u c h s

121 der Bildungsmassc des K o p f e s , der sich bogenförmig von dem un­

tern Theil des Stirnfortsatzes nach dem Oberkieferfortsatze hin­

zieht, allmälig breiter w i r d , und die obere Hälfte der Riechhaut von oben deckt. W o l l e n wir diesen Theil das Nasendach nennen.

W e n n nun dieses D a c h und die erwähnten Fortsätze an Grösse zu­

n e h m e n , wobei auch die Riechhaut u n d die v o n ihr umschlossene H ö h l e immer mehr an Umfang g e w i n n e n , bilden sich in ihnen im Allgemeinen folgende dem Skclet angehörige Körpertheile. I n dem Stirnfortsatze, der mit der Zeit, obgleich nicht absolut, so d o c h re­

lativ, namentlich auch im Verhältniss zu seiner eigenen L ä n g e u n d H ö h e , immer dünner w i r d , entsteht ein senkrechtes Knorpelblatt, das sich zu der Pars perpendicularis des Siebbeins und dem knorp­

ligen Theil der Nasenscheidewand ausbildet. V o r diesem K n o r p e l ­ blatte entwickeln sich in dem Stirnfortsatze u n d dessen Flügeln die Zwischenkieferbeinc. In j e d e m Nasendache entsteht ein besonde­

res Substanzblatt, das als eine unmittelbare seitliche Fortsetzung jenes senkrechten Knorpclblatt.es des Stirnfortsatzes zu betrachten ist. Es unigiebt dasselbe den obern und äussern Theil der R i c c h -haut seiner Seite, bei den Säugethieren ausserdem auch den hintern oder gegen das Gehirn gekehrten Theil der Riechhaut u n d wird an einigen Stellen fibröshäutig, an andern k n o r p l i g , o d e r auch n o c h später knöchern. W a s insbesondere die Säugethiere anbelangt, so entwickeln sich bei ihnen aus diesem Blatte des Nasendaches die seitlichen Nasenknorpel, die untere R i e c h m u s c h e l , j e eine Seiten­

hälfte des Siebbeinlabyrinthes mit Einschluss der Lamina cribrosa und das fibröse G e w e b e , welches zwischen diesen verschiedenen Gebilden ausgespannt ist. D i e Riechmuscheln entstehen übrigens in der W e i s e , dass das angegebene Blatt g e g e n die Nasenhöhle einige nach der L ä n g e des K o p f e s verlaufende Leisten hervortreibt, die g e g e n die Riechhaut andringend diese n ö t h i g e n , für sie ebenso viele als eine Bekleidung dienende Falten zu schlagen, u n d dass eine solche Leiste n a c h h e r , indem sie immer mehr an Grösse zu­

nimmt, entweder aufschwillt u n d im Innern hohl w i r d , oder sich nebst der sie bekleidenden Falte der Riechhaut mehr oder weniger zusammenrollt. — A u f dem zuletzt beschriebenen Blatte bildet sich in j e einem Nasendache ein Nasenbein. — In den

Oberkieferfort-122

sätzen bilden sieh die Oberkieferbeine, die J o c h b e i n e , die Flügel­

beine (Ossa plerygoidea) und die Gaumenbeine.

D i e beiden Nasenhöhlen münden bei allen über den Fischen stehenden Thieren ursprünglich in die M u n d h ö h l e . W e n n aber die Oberkieferfortsätze an Grösse u n d insbesondere an H ö h e zuneh­

men, was am bedeutendsten bei den Säugethieren geschieht, wächst aus der innern oder g e g e n die M u n d h ö h l e gekehrten Seite eines j e d e n eine Längsleiste h e r v o r , die zwar bei den verschiedenen Thieren der drei höchsten Klassen eine sehr verschiedene relative L ä n g e erhält, doch in j e d e m Fall ( w e n n nämlich die Entwickelung normal vor sich geht) sich vorn an den ihr entsprechenden F l ü g e l des Stirnfortsatzes anschliesst. Allmälig wird dann diese Leiste in eine mehr oder weniger breite Platte u m g e w a n d e l t , die unter fast rechten W i n k e l n v o n dem Oberkieferfortsatze abgeht, also mit ih­

ren Flächen horizontal liegt. I n der Platte aber entwickelt sich nachher der Processus palatinus eines Oberkieferbeins, eines Gau­

menbeins u n d bei einigen Wirbelthieren auch eines Flügelbeins (Os pterygoideum, bei den Säugethieren Process. pterygoid. des Keilbeins). Bei den meisten Säugethieren nun erlangen beide Plat­

ten (die rechte u n d die linke) eine solche Breite, dass sie zuletzt in ihrer v o r d e m längern Hälfte, w o sich die Gaumbeine u n d die Pro­

cessus palatini der Oberkiefer bilden, zusammenstossen, mit einan­

der u n d auch mit dem untern Rande der Nasenscheidewand ver­

w a c h s e n , u n d endlich eine quere Scheidewand zusammensetzen, durch welche die Nasenhöhle v o n der M u n d h ö h l e getrennt wird.

Bei einigen Säugethieren aber, namentlich bei einigen Ameisen­

bären u n d Cetaceen, sowie ausserdem bei den K r o k o d i l e n , nehmen auch die Flügelbeine an der Zusammensetzung dieser Scheidewand einen Antheil. D a g e g e n erreichen bei den V ö g e l n u n d einigen A m p h i b i e n die angeführten beiden Platten einander selbst in ihrer v o r d e m Hälfte entweder gar nicht, oder nur zum Theil, lassen viel­

mehr eine L ü c k e zwischen sich, durch die man aus der M u n d h ö h l e in die Nasenhöhle eindringen kann.

V o n dem hintern R a n d e der Gaumenplatten wachsen bei den Säugethieren, w e n n diese Platten n o c h getrennt s i n d , z w e i b l a t t ­ artige Fortsätze oder Falten der Schleimhaut aus, d i e , an Breite

123 zunehmend, einander näher k o m m e n , darauf verwachsen, eine häu­

tig-muskulöse Beschaffenheit erhalten und nun das Gaumensegel zusammensetzen.

Früher oder spater entstehen bei den Säugethieren n o c h be­

sondere H ö h l e n , die mit den beiden Haupthöhlen des Geruchsor-ganes zusammenhängen. D i e Highinorshöhlen entstehen, indem die Oberkieferknochen sich nach aussen allmälig hervorwölben, die H ö h l e n des Stirnbeins u n d die des Keilbeinkörpcr.s dadurch, dass diese K n o c h e n stellenweise anschwellen und dabei ihre D i p l o c , w o die A n s c h w e l l u n g erfolgt, resorbirt wird. W ä h r e n d nun diese ver­

schiedenen Nebenhöhlen sich zu bilden anfangen, w e r d e n ihnen gegenüber die beiden Platten, die für das Labyrinth des Siebbci­

nes und die untersten Riechmuscheln bestimmt sind, resorbirt u n d durchlöchert; durch die entstandenen Oeffnungen aber dringt die Riechhaut nach aussen hindurch und kleidet auch diese N e b e n h ö h ­ len aus.

Eine weit geringere G r ö s s e , als bei den Säugethieren, erlan­

gen die Riechinuscheln bei den V ö g e l n u n d schlicssen gewöhnlich nur kleine K n o r p e l b l ä t t c h e n , selten kleine Knochenblättchen ein.

Bei einigen A m p h i b i e n bilden sich gar keine Riechmuscheln. E i n e Lumina cribrosa fehlt bei den V ö g e l n , wie bei den Amphibien und F i s c h e n , und die Riechnerven gehen daher bei allen diesen Thie­

ren ungetheilt bis zu den Riechhäuten hin.

RATHKE, Abhandlungen zur Bildungs- und Entwickelungsgc­

schichte des Menschen u n d der Thiere. Theil I. A b h a n d l u n g 4 . D E R S E L B E , Ueber die Entwickelung des Schädels der W i r b e l ­ thiere. Vierter Bericht des naturwiss. Seminars zu K ö n i g s b e r g . ( K ö n i g s b e r g 1 8 3 9 . Seite 1 3 — 1 5 . )

Im Dokument Caroli Ernesti a Baer (Seite 130-135)