Von den Augen.
§. 47.
Nach HUSCHKES Untersuchungen am Hühnchen soll die erste
A n l a g e für beide A u g e n in einer einfachen A u s b u c h t u n g des N e r venrohres , und zwar des untern v o r d e m Theils der v o r d e m H i r n blase (oder Hirnkammer) bestehen; dann soll sich dieselbe in eine Blase u m w a n d e l n , diese aber sich durch Einschnürung mehr u n d mehr v o n der v o r d e m Hirnblase abgrenzen u n d sich zugleich durch eine Einfaltung ihrer W a n d u n g v o n vorne her in zwei Seitenhälf
ten theilen, die sich nun weiter zu den beiden A u g e n entwickeln.
N a c h den W a h r n e h m u n g e n aber, die V O N B A E R u n d R E M A K an dem H ü h n c h e n gemacht h a b e n , treten die A u g e n gleich doppelt auf u n d bilden sich durch Ausstülpung aus dem B o d e n der v o r d e m Hirnblase. — K u r z e Zeit nach ihrer Entstehung erscheinen sie als zwei v o n dem B o d e n des Zwischenhirns neben einander abgehende h o h l e , d ü n n w a n d i g e , ungefähr birnförmige und mit einer klaren wässrigen Flüssigkeit gefüllte A n h ä n g e des G e h i r n s , die mit ihren dickern E n d e n nach aussen u n d oben gerichtet sind u n d mit diesen E n d e n die das H i r n u m g e b e n d e Bildungsmasse des K o p f e s durch
drangen haben, deren H ö h l e n aber an den dünnern E n d e n in die H ö h l e des Zwischenhirns übergehen. Darauf nimmt die äussere oder dickere Hälfte eines j e d e n v o n diesen blasenförmigen A n h ä n gen des Gehirns überwiegend an Umfang zu u n d entwickelt sich zu dem A u g a p f e l ; seine andere Hälfte aber g e w i n n t v i e l weniger
an Dicke und entwickelt sich zu dem Sehnerven. In histologischer
H i n s i c h t geht an ihnen dabei ein ähnlicher Prozess v o r sich, wie an dem für H i r n u n d R ü c k e n m a r k bestimmten R o h r e . W i e näm
lich an diesem die ursprünglich indifferente Masse sich zu differen-ten Schichdifferen-ten ausbildet, v o n denen j e d e einen besondern Ent-wickelungsgang einschlägt, so auch an den künftigen Sehorganen.
Näher a n g e g e b e n : es bildet sich in dem A u g a p f e l als unmittelbare Fortsetzung der Arachnoidea die Lamina fusca, als Fortsetzung der Gefässhaut des Hirns die Choroidea u n d Iris, und als Fort
setzung der Nervensubstanz des Hirns das M a r k des Sehnerven und die Netzhaut.) I n dem Sehnerven aber werden die Gefäss- u n d Spinnwebenhaut durch die überwiegende A u s b i l d u n g des Markes in ihrer E n t w i c k e l u n g gehemmt u n d unterdrückt. D i e Scheide des S e h n e r v e n , die Sclerotica u n d die Cornea bilden sich als eine un
mittelbare Fortsetzung der harten Hirnhaut. D e r Sehnerv bleibt übrigens ziemlich lange h o h l , mit der Zeit aber wird seine H ö h lung ganz ausgefüllt.
§• 48.
W e n n sich der Sehnerv u n d das A u g e an ihrer Gestalt schon v o n einander unterscheiden lassen, ist das letztere anfangs v o n aussen und innen sehr abgeplattet, u n d es geht der Sehnerv dann in den untern R a n d desselben über. Allmälig aber rundet sich j e ner immer mehr zu, u n d dieser rückt an ihm scheinbar immer wei
ter hinauf.
Sclerotica u n d Cornea sind einige Zeit gleich durchsichtig u n d überhaupt v o n gleicher Beschaffenheit. E i n Unterschied zwischen ihnen beginnt bei dem Menschen schon in der sechsten W o c h e des Frachtlebens bemerkbar zu werden. A u c h beginnt alsdann die Cornea sich stärker zu wölben u n d ist in der zwölften W o c h e sogar stärker gewölbt, als jemals nachher.
V o n der Choroidea bilden sich die Gefäss- u n d die Substanz
lage früher, als das Pigment. F ü r das letztere entstehen Zellen, die meistens fünf- oder sechsseitig g e g e n einander abgeplattet u n d anfänglich ganz farblos sind, bald aber sich mit einem dunkelbrau
nen oder schwärzlichen FarbestofF anfüllen. A m schnellsten färbt
sich die A d e r h a u t in ihrem v o r d e m R a n d e ; denn wenn dieselbe hier schon einen schwarzen R i n g wahrnehmen lässt, ist sie in ih
rem übrigen Theil erst schwach grau, gefärbt. Das Corpus ciliare bildet sich durch eine allmälige Faltung des vordersten u n d an
fangs ebenfalls ganz glatten Theiles der Aderhaut. Bei dem M e n schen sind einzelne Falten desselben schon in der sechsten W o c h e des F m c h t l e b e n s bemerkbar. B e i vielen Fischen aber bleibt die Aderhaut vorn ganz glatt. — W o h l bei allen Wirbelthieren kommt zu der Z e i t , da in der Aderhaut bereits die A b l a g e r a n g v o n P i g ment b e g o n n e n hat, ein farbloser Streifen v o r , der sich an der un
tern W a n d u n g des A u g e s v o n dem Sehnerven bis zu der H o r n h a u t erstreckt u n d den Schein gewährt, als sei die Aderhaut daselbst gespalten. Bei den V ö g e l n u n d den Sauriern erhebt sich die be
zeichnete Stelle nachher zu einer Falte, u n d diese bildet sich zu dem sogenannten K a m m oder Fächer des A u g e s (Vecten) aus. E i n e eben solche Falte habe ich auch bei Fischen, Schlangen und Schild
kröten g e s e h e n , bei welchen letztern sie aber mit der Zeit wieder verschwindet, w o g e g e n bei manchen Fischen ein Rest v o n ihr übrig bleibt u n d sich zu dem sogenannten Processus falciformis u n d der Campanula entwickelt. Bei den Säugethieren soll nach VON BAERS A n g a b e niemals eine solche Falte v o r k o m m e n , welche A n g a b e ich j e d o c h nicht für richtig halten kann. Bei allen Wirbelthieren färbt
sich übrigens auch die bezeichnete Stelle späterhin schwarz. D i e Iris entsteht viel später als die A d e r h a u t , stellt sich als eine Fort
setzung derselben d a r , bildet gleich anfangs einen geschlossenen R i n g , der nachher immer breiter w i r d , u n d färbt sich auch sehr bald. E i n e Pupillarmembran kommt nur allein bei den Säugethie
ren vor. Bei dem Menschen ist sie schon g e g e n das E n d e des drit
ten Schwangerschafts-Monats vorhanden; im siebenten Monat aber beginnen bei ihm in der R e g e l ihre Gefässe wieder zu schwinden, u n d einige Zeit v o r der Geburt pflegt sie völlig resorbirt zu sein.
D i e Netzhaut ist verhältnissmässig um so dicker, j e j ü n g e r der E m b r y o ist, u n d reicht einige Zeit deutlich bis an den R a n d der Linsenkapsel. B e i der Natter erschien sie mir in einer frühen Zeit als ein völlig geschlossenes S ä c k c h e n , dessen eine W a n d u n g v o n der Linsenkapsel in den übrigen Theil eingestülpt u n d übrigens
111 sehr dünn war, nachher aber ganz verschwand. Eine ähnliche Bil
dung der Netzhaut hat H U S C H K E bei dem H ü h n c h e n bemerkt;
nach ihm aber soll sich bei diesem der eingestülpte Theil der ange
führten H a u t , indem er grösser wird u n d tiefer eindringt, an den ihn umfassenden übrigen Theil derselben a n l e g e n , mit ihm ver-M'achsen und sich zu den innern Schichten der Netzhaut ent
w i c k e l n , indess j e n e r andere oder äussere Theil sich zu der Stäb
chenschicht entwickelt. W o in der Aderhaut zu einer gewissen Zeit der pigmentlose Streifen v o r k o m m t , schlägt die Netzhaut wahrscheinlich bei allen Wirbelthieren eine g e g e n die H ö h l e des A u g e s gekehrte Falte, die von der Eintrittsstelle des Sehnerven ausgeht u n d in den Glaskörper einschneidet. Bildet sich an j e n e r Stelle der Aderhaut eine F a l t e , so legt sich diese in die Falte der Netzhaut hinein. B e i den V ö g e l n u n d Sauriern durchbricht darauf die erstere die letztere, so dass demnach bei ihnen in der Netzhaut eine Spalte entsteht. Dasselbe ist wahrscheinlich auch bei denjeni
gen Fischen der F a l l , in deren A u g e n ein Processus falciformis vorkommt. Bei den Säugethiercn aber und bei fast allen A m p h i bien verschwindet wiederum die Falte der Netzhaut, ohne jemals durchbrochen zu werden. — W a s die Linse u n d deren Kapsel an
b e l a n g t , so entsteht, wie H U S C H K E bei dem H ü h n c h e n entdeckt hat, sehr frühe in der Hornhaut eine Oeffnung, durch die sich die nachherige C o n j u n c t i v a , oder vielmehr, wie R E M A K angiebt, das von ihm angenommene Hornblatt des E m b r y o in das Innere des A u g e s einstülpt und sich darin zu einem Säckchen ausbildet, das bald nachher, indem sich die Oeffnung der Hornhaut verkleinert u n d endlich schliesst, dadurch an seinem Eingange immer mehr zusammengeschnürt wird, bis es zuletzt in ein besondres rundliches u n d völlig geschlossenes Bläschen umgewandelt ist. N a c h H U S C H K E soll dieses Bläschen die Linsenkapsel sein und in demselben die l i n s e entstehen. R E M A K hingegen hat dasselbe für die A n l a g e der Linse ausgegeben, deren ursprüngliche H ö h l e in F o l g e von einer V e r d i c k u n g der W a n d u n g allmälig v e r g e h e n , und um die auf eine n o c h unbekannte W e i s e sich gleichzeitig die Linsenkapsel bilden soll. F ü r H U S C H K E ' S Ansicht spricht j e d o c h der Umstand, dass ich bei sehr j u n g e n E m b r y o n e n von Reptilien und V ö g e l n , bei denen
Linse und Linsenkapsel schon entstanden waren, die letztere einige Zeit in einem so innigen Zusammenhange mit der Hornhaut gefun
den habe, dass sie davon nicht ohne Zerreissung getrennt werden konnte. — D e r Glaskörper erscheint anfangs als eine kleine Schüs
sel, die auch in ihrer Mitte eine nur geringe D i c k e hat. Allmälig aber nimmt er an D i c k e bedeutend zu, u n d zwar besonders bei den Säugethieren. Derjenige A s t der Arteria centralis rotinae, welcher bei erwachsenen Thieren durch den Glaskörper mitten hindurch
g e h t , in einem besondern Kanal der Membrana hyaloidea einge
schlossen ist, sich zu der Linsenkapsel begiebt und deshalb d i e ^ r ^ . capsularis genannt w i r d , Hegt anfangs an der äussern Seite des Glaskörpers auf der vorhin erwähnten Falte der Netzhaut; nach
her aber löst er sich v o n dieser ab, schneidet, wie das A u g e an U m fang zunimmt, immer tiefer in den Glaskörper ein u n d bildet da
durch eine Falte der Membrana hyaloidea, deren beide Blätter spä
ter mit einander grösstentheils verwachsen u n d den vorhin erwähn
ten K a n a l bilden.
H U S C H K E , Ueber die erste E n t w i c k e l u n g des A u g e s u n d die damit zusammenhängende C y c l o p i e . In M e c k e l s A r c h i v . Jahrgang
1 8 3 2 .
R E M A K , Untersuchungen über die Entwickelung der W i r b e l thiere. Erste Lieferung. Berlin 1 8 5 0 .
A M M O N , die Entwickelungs-Geschichte des menschlichen A u ges in G R A E F E ' S A r c h i v für Ophthalmologie. B d . I V . A b t h . 1. Ber
lin 1 8 5 8 .