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2 Literaturübersicht

2.9 Sepsisinduktion durch CLP

Da septische Geschehen selbst, aber auch deren Beteiligung als unmittelbare oder mittelbare Auslöser des MODS, eine große Rolle in der Intensivmedizin spielen, wurden eine Vielzahl von experimentellen Modellen entwickelt, um ihre Pathophysiologie zu klären und Therapien zu erproben. Die Modelle unterscheiden sich bezüglich des Pathogens, des Infektions-/Injektionsortes und des Verabreichungsmodus.

Eines der einfachsten und damit meistgenutzten Modelle ist die direkte Injektion von LPS in das Versuchstier zur Erzeugung einer Endotoxinämie, wie sie häufig bei einer Sepsis beobachtet wird (CASEY et al. 1993). Die LPS-Dosis ist veränderbar und die verschiedenen Resultate sind aufgrund der exakten Dosierbarkeit gut zu reproduzieren (MARSHALL u.

CREERY 1998). Die Applikation lebender Bakterien erweitert das mikrobielle Spektrum über den gramnegativen Bereich hinaus auch auf grampositive Bakterien (MARSHALL u.

CREERY 1998). Die Applikation erfolgt überwiegend intravenös oder intraperitoneal, aber auch die intratracheale Gabe ist möglich (VAN HELDEN et al. 1997). Das Agens wird meistens als Bolus gegeben. Um die reale Situation des mikrobiellen Herdes nachzuempfinden, können auch implantierbare osmotische Pumpen zur intermittierenden Freisetzung des Pathogens eingesetzt werden (FISH u. SPITZER 1984). Diese Methode ist aber ungleich aufwendiger und wird daher selten angewandt.

Es ist bekannt, dass der Gastrointestinaltrakt ein Reservoir für Bakterien, Endotoxine und Entzündungsprodukte darstellt. Beim primären wie beim sekundären Schock (im Anschluss

an Traumata, Verbrennungen und Infektionen) kommt es zu Veränderungen, die eine bakterielle Translokation ermöglichen (WOLOCHOW et al. 1966; BANWELL et al. 1985;

MARSHALL et al. 1993). Auch bei häufig vorkommenden klinischen Fällen von Peritonitiden ist das Abdomen involviert.

So werden die genannten Methoden der LPS- oder Bakterien-Injektion den realen Verhältnissen in vielerlei Hinsicht nicht gerecht: Die Anwesenheit lebender Mikroorganismen wird nicht erfüllt bzw. die Zusammensetzung des bakteriellen Spektrums ist inadäquat, Endotoxinämie und Bakteriämie sind unter klinischen Bedingungen keinesfalls die Regel, devitalisiertes Gewebe ist nicht vorhanden, die Kontinuität der Freisetzung von Bakterien, Endotoxinen und Entzündungsprodukten wird nicht umgesetzt und der Ort des Primärgeschehens ist ein anderer als unter natürlichen Bedingungen (MARSHALL u.

CREERY 1998).

Das Abklemmen der Arteria mesenterica superior (SMAO; superior mesenteric artery occlusion) gilt als eine Methode, um eine bakterielle Translokation durch 60-minütige Ischämie des Darms und anschließender Reperfusion auszulösen. Das Profil der dabei freigesetzten Mediatoren entspricht dem bei einem MODS (DEITCH et al. 1994; TAMION et al. 1997; ZALLEN et al. 2000). Die SMAO gilt deshalb als adäquates Modell zur Auslösung des MODS nach schockbedingter Ischämie und Reperfusion (KOZAR et al. 2004). Allerdings ist diese Methode durch die notwendige 60minütige Ischämie zeitaufwendig und aufgrund der langandauernden Narkose belastend für das Tier.

Als schnelle und einfach durchzuführende Methode, die das MODS auslöst und durch Erfüllung der oben genannten Anforderungen der klinischen Sepsis am nächsten kommt, gilt die zäkale Ligation und Punktion (CLP; caecal ligation and puncture) (MARSHALL u.

CREERY 1998). Sie wurde 1980 erstmals durch WICHTERMAN et al. beschrieben. Hierbei wird das Zäkum als Reservoir für gramnegative Bakterien an der Basis abgebunden und an der Apex punktiert. Die Hypoxie schafft pathologische Verhältnisse am Darm mit einer daraus folgenden Verschiebung der Intestinalflora in den gramnegativen Bereich. Es kommt zu einer intermittierenden Invasion von Bakterien und Endotoxinen in die Bauchhöhle, die zu einer polymikrobiellen Peritonitis in Anwesenheit von devitalisiertem Gewebe führt. Einerseits können so Bakterien und deren Toxine auf lymphatischen und eventuell portalem Weg in die

Zirkulation gelangen, andererseits laufen lokale Reaktionen im geschädigten Gewebe ab (MARSHALL u. CREERY 1998). Bereits eine Stunde nach CLP können gramnegative (z.B.

Bacteroides fragilis, Eschericha coli, Klebsiella und Proteus mirabilis) und grampositive (z.B. Streptococccus bovis) Bakterien im Blut anhand von Blutkulturen nachgewiesen werden (WICHTERMAN et al. 1980; BAKER et al. 1983; REGEL et al. 1989).

Die Unterschiede in der Methodik spiegeln sich auch in den Ergebnissen wider. So senkt z.B.

die Verabreichung von IL-10 z.B. im Endotoxinmodell die Mortalität (GERARD et al. 1993).

Dagegen steigert IL-10 die Mortalität bei Verwendung lebender Organismen wie Klebsiella (GREENBERGER et al. 1995) oder Candida (ROMANI et al. 1994) sowie im CLP-Modell (WALLEY et al. 1996). Entsprechend sinkt die Mortalität bei einer Klebsiella-Bakteriämie, wenn IL-10 neutralisiert wird (GREENBERGER et al. 1995). Eine Vielzahl von Versuchen mit knockout-Mäusen für Zytokine (PASPARAKIS et al. 1996; HIRSCH et al. 1996;

KAPOSZTA et al. 1998) und Zytokinrezeptoren (ACTON et al. 1996; PESCHON et al. 1998) zeigen, dass die Injektion von LPS bzw. lebenden Bakterien häufig gegensätzliche Effekte auf die Mortalität haben. Auch das Zytokinprofil ist bei einer klinischen Sepsis anders als bei experimenteller Endotoxinämie (KUHNS et al. 1995). So ist die Menge an IL-1-Rezeptoren bei klinischer Sepsis im Gegensatz zu Endotoxinämie gesteigert. Der IL-10-Level steigt bei klinischer Sepsis dauerhaft an, während er bei Endotoxinämie nur vorübergehend gesteigert ist (VAN DER POLL et al. 1997). Insgesamt werden im LPS-Modell wesentlich höhere Zytokinlevel von TNF-α, IL-1 und IL-6 als bei der CLP nachgewiesen (VILLA et al. 1995).

Eine Studie von REMICK et al. (2000), in der die LPS-Injektion der CLP-Methodik gegenübergestellt wird, bestätigt diese Beobachtungen. Demnach gleichen sich Morbidität und Mortalität in beiden Modellen. Im LPS-Modell fanden sich jedoch sowohl im Plasma als auch in der Peritonealflüssigkeit höhere Konzentrationen von Zytokinen (IL-1, IL-6, TNF-α und MIP-1). Zusätzlich fallen die Konzentrationen jedoch bei LPS-Bolusgabe nach vier Stunden bereits wieder ab, während sie im CLP-Modell aufgrund der weiteren Freisetzung von Pathogenen nach acht Stunden noch ansteigen. Die Modelle beeinflussen also sowohl die Kinetik als auch die Konzentrationen der Zytokine, was bei der Übertragung von experimentellen Erkenntnissen auf die Situation einer Sepsis beachtet werden sollte (REMICK et al. 2000).