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6 Diskussion

6.6 Abschließende Diskussion

Das MODS ist trotz der intensiven klinischen und experimentellen Forschungen noch immer die Haupttodesursache in der Notfallmedizin. Ist die Niere ebenfalls unter den betroffenen Organen, dann liegt die Mortalität bei 50 bis 80% (JORRES 2002; BERNIEH et al. 2004;

MEHTA et al. 2004; SCHRIER et al. 2004; BOFFA u. ARENDSHORST 2005). Ist eine Sepsis Auslöser des MODS liegt die Sterblickeit bei 80% (SALVO et al. 1995), abhängig von der Beteiligung weiterer Organe und dem Grad der Sepsis kann die Mortalität auf bis zu 100% steigen (MARSHALL et al. 1995; BONGARD 2002; GORIS et al. 1985).

Bei einem sepsisbedingten MODS versagen sowohl beim Menschen als auch bei der Maus zuerst die Lunge und die Leber (DEITCH 1993; FRY et al. 1980; MCMENAMY et al. 1981;

GORIS et al. 1985; VAN GRIENSVEN 1999a), weshalb die Therapie und entsprechende Forschungen auf sie gerichtet sind. Die Niere ist dagegen erst am Schluss betroffen. Die Patienten sterben häufig, bevor es zur Entwicklung eines ANV kommt, andererseits ist es - wenn ein ANV besteht - wegen der Beteiligung aller anderen Organe häufig zu spät für eine erfolgreiche Therapie. Die Forschungen konzentrierten sich deshalb überwiegend auf klinische Aspekte des ANV beim MODS und weniger auf die Grundlagenforschung.

Eine Hypothese zur Entstehung eines MODS ist, dass der Darm in Folge einer schockbedingten Ischämie über bakterielle Translokation und Zytokinfreisetzung aus dem GALT ein zum MODS führendes SIRS mit Sepsis auslöst (HEARD u. FINK 1991; DEITCH 1992). Die Forschungen an der Niere haben sich jedoch bisher weitestgehend auf Ischämie/Reperfusionsschäden konzentriert (HEYMAN et al. 2002; CUNNINGHAM et al.

2002), die häufig bei Herzversagen, Operationen, Embolie, Thrombose, Hypovolämie und Nierentransplantation vorkommen (DE GREEF et al. 1998). Eine Ischämie wird experimentell meistens durch Abklemmen der Arteria renalis verursacht (YSEBAERT et al.

2000). Die Ischämie des Darms und die konsekutive bakterielle Translokation im Sinne der Darmhypothese bleiben so unberücksichtigt. In der eigenen Arbeit wurden daher die Auswirkungen einer Sepsis nach CLP auf die Niere untersucht. Die CLP wurde gewählt, weil die pathophysiologischen Veränderungen in Folge einer CLP denen beim Menschen mit MODS am besten entsprechen (MARSHALL u. CREERY 1998; EBONG et al. 1999).

Die Veränderungen an der Niere wurden anhand der GFR, des RBF und der Nierenhistologie zu unterschiedlichen Zeitpunkten dargestellt. Eine Methode zur Ermittlung der GFR ist die Berechnung der Kreatinin-clearance. Dazu werden Plasma und Sammelharn benötigt. Zur Gewinnung des Sammelharns werden im Tierversuch mit Nagern Stoffwechselkäfige eingesetzt, die das separate Auffangen von Harn ermöglichen. Diese Methode ist einfach, nicht-invasiv und mit geringem Zeit- und Materialaufwand durchzuführen. Allerdings entwickelte sich nach Induktion der Sepsis bereits nach 24 Stunden eine Oligurie oder Anurie mit der Folge, dass der Harn nur ungenau bzw. gar nicht gewonnen werden konnte und die Kreatininmessung deshalb verworfen werden musste. Auch zeigte sich im Stoffwechselkäfig eine um 20 bis 30% höhere CLP-Letalität im Vergleich zu bisherigen Studien (OBERBECK et al. 2001; VAN GRIENSVEN et al. 2002b). Da die Kreatinin-clearance darüber hinaus je

nach Funktionszustand der Niere mit einem 10 bis 70%igem Fehler belastet sein kann (GIOVANNETTI u. BARSOTTI 1991), wurde die Infusion des rein glomerulär filtrierten Inulins und der rein tubulär sezernierten PAH zur Ermittlung der GFR und des RBF vorgenommen. Diese Methode lässt exaktere clearance-Messungen zu und ist, da die Tiere dem Isolationsstress im Stoffwechselkäfig nicht ausgesetzt sind, schonender.

Die Ergebnisse dieser Inulin/PAH-Gruppe im Vergleich mit der Stoffwechselkäfiggruppe zeigten auffällige Unterschiede. So ließ sich ein ANV bereits nach 24 Stunden diagnostizieren. Die histologischen Befunde der Nierentubuli korrespondierten dabei mit dem ermittelten Funktionsverlust.

Die Zytokine TNF-α, IL-6 und IL-10 wurden gemessen, um deren Einfluss auf die Nierenfunktion und die histologischen Befunde der Niere zu untersuchen. Entgegen Beobachtungen in anderen Studien (ASHKENAZI et al. 1991; KNOTEK et al. 2001;

CUNNINGHAM et al. 2002; KWON et al. 2003; SIMMONS et al. 2004) korrelierten sie jedoch in der eigenen Arbeit nicht mit den frühzeitig nachzuweisenden Befunden und Funktionsstörungen. IL-6 war z.B. erst nach 48 Stunden, erhöhte TNF-α- und IL-6-Gehalte waren erst nach 96 Stunden festzustellen.

Das Vorliegen einer Sepsis wurde anhand des klinischen Status, der Zytokine und der Histologie von Lunge, Leber und Milz nachgewiesen. Allerdings wiesen auch die Sham-Tiere bei der histologischen Organuntersuchung pathologische Befunde auf. Dies könnte damit erklärt werden, dass eine Laparatomie je nach Ausmaß des Eingriffs einem Trauma gleicht (KUEBLER et al. 2003). Wahrscheinlicher war jedoch, dass die mit der Isolation (Stoffwechselkäfiggruppe) und der zweieinhalbstündigen Inhalationsnarkose (Inulin/PAH-Gruppe) einhergehende Stresssituation eine PMN-Aktivierung mit nachfolgenden pathologischen Veränderungen auslöste. Ein Vergleich dieser Gruppen deutet darauf hin, dass die Stoffwechselkäfiggruppe stärker vom Stress betroffen war. Stress bewirkt über Freisetzung von Katecholaminen und Kortisol eine Neutrophilie (BOOGS 1975; DAVIS et al.

1991) und Sequestration der PMNs in die Lunge (MORKEN et al. 2002). Theoretisch könnte die Sequestration auch in Leber und Niere erfolgen. Betrachtet man gleichzeitig die uneingeschränkten klinischen Allgmeinbefunde der Sham-Tiere, so wäre es möglich, dass zwar eine Extravasation der PMNs, nicht jedoch ein respiratory burst und die Freisetzung granulärer Enzyme stattgefunden haben (SCHOPF u. LEMMEL 1983; BAZZONI et al.

1991). Zur Klärung der Mechanismen wären weitere Untersuchungen erforderlich.

Zahlreiche Fragen zum Thema ANV bei Sepsis sind bisher ungeklärt. Das betrifft vor allem die Pathomechanismen der Nierenschäden sowie mögliche Therapieansätze. Beides gilt es zu verbessern, um einem ANV frühzeitig vorbeugen zu können und damit eine für den Patienten äußerst belastende Hämodialyse zu vermeiden. In der eigenen Studie konnte gezeigt werden, dass die CLP-induzierte Sepsis ein ANV auslöst. Zur Untersuchung der Nierenfunktion ist eine Messung der Inulin- und PAH-clearance jedoch der Kreatininbestimmung unter Verwendung von Stoffwechselkäfigen aufgrund der Messgenauigkeiten und der isolationsbedingten Stressfolgen vorzuziehen.