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Seltenes Auftreten von Dizephalus, Skoliose und Eisenmenger-Syndrom

schwarzbunten Kalb der Rasse Deutsche Holsteins

Zusammenfassung

In einem niedersächsischen Milchviehbetrieb wurde ein männliches, schwarzbuntes Kalb der Rasse Deutsche Holstein mit zwei Köpfen geboren. Der kraniale Anteil der Halswirbelsäule war ebenfalls verdoppelt. Zudem wies das Kalb eine Skoliose der Brustwirbelsäule und eine hochgradige Dyspnoe auf. Das Kalb stammte von einem Besamungsbullen ab. Kälber mit einer Missbildung waren bisher auf dem Betrieb nicht aufgetreten. Die röntgenologische Untersuchung bestätigte die Diagnose eines Dizephalus. Bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung fand sich zusätzlich eine komplexe Anomalie des Herzens in Form eines Eisenmenger-Syndroms vor.

Umweltbedingte Ursachen, wie Intoxikationen, rektale Palpation bei der Trächtigkeitsuntersuchung, Infektionen durch das Bovine Virusdiarrhöe- und Infektiöse Bovine Rhinotracheitis-Viren konnten durch die Anamnese und durch eine virologische Untersuchung ausgeschlossen werden. Deshalb wurde ein erblicher Defekt vermutet.

Schlüsselwörter: Kalb, Deutsche Holsteins, Dizephalus, Eisenmenger-Syndrom, Skoliose

Summary

In a dairy farm in Lower Saxony, a male black and white German Holstein calf showed two partially fused heads, scoliosis of the thoracal vertebral column and a high-graded dyspnoea. The animal was sired by a bull used in artificial insemination.

Further affected calves were not known at this farm. The radiographic examination of the animal verified the diagnosis of a dicephalus. The pathological-anatomical examination revealed a complex malformation of the heart, “Eisenmenger-Syndrome”. Several environmental causes like intoxication, rectal palpation for gestation diagnosis, infection by bovine virus diarrhoea or infectious bovine

rhinotracheitis viruses could be ruled out by anamnesis and virological examinations.

We supposed a hereditary background for this defect.

Keywords: calf, German Holsteins, dicephalus, Eisenmenger syndrome, scoliosis

Einleitung

Der Dizephalus gehört zu den Doppelmissbildungen, bei denen zwei Köpfe mit zwei getrennten Foramina magna und getrennte erste Halswirbelsegmente auftreten (Bähr et al., 2004; Herzog, 2001). Diese Doppelmissbildungen entstehen entweder durch die unvollständige Trennung der Embryonalachse oder durch die Fusion von Zwillingen in der Embryonalentwicklung (Kaufmann, 2004; Logrono et al., 1997).

Daraus resultieren miteinander verbundene und partiell unvollständige Zwillinge, für die insgesamt eine höhere Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Missbildungen beschrieben wird (Daskalkis et al., 2004).

Über das Auftreten von Dizephalus wird bei vielen Tierarten wie z.B. Katze, Rind, Hund, Schwein, Schaf, Ziege und Fisch berichtet (Gülbahar et al., 2005; Fisher und Herzog, 2001; Halinka, 1998). Derartige Missbildungen werden auch beim Menschen beschrieben. Sie können schon im ersten Drittel der Schwangerschaft mittels Ultraschall diagnostiziert werden (Maymon et al., 2005 Bega et al., 2000).

Beim Dizephalus liegen im Unterschied zum Diprosopus (zwei Gesichter) zwei voneinander getrennte Gehirne und getrennte Foramina magna vor (Schulze et al., 2006; Bähr et al., 2004; Herzog, 2001; Spencer, 2000).

Die vom zerebralen Pol der Blastozyste ausgehenden Verdopplungen, zu denen auch der Dizephalus gehört, spielen in der Rinderpopulation eine besondere Rolle, da sie mit bis zu 64% aller Doppelbildungen besonders häufig auftreten. Ihnen wird vermutlich ein polygener Erbgang zugrunde gelegt (Herzog, 2001).

Seit der vermehrten Verwendung künstlicher Besamungsmethoden ist die Vorkommenshäufigkeit von monozygoten Zwillingen und somit auch die Wahrscheinlichkeit für Doppelmissbildungen bei Rindern gestiegen (Vanderzon et al., 1998). McGirr et al. (1987) berichteten von einem mittels Embryotransfer erzeugten Kalb, das zwei Köpfe, getrennte Hälse und getrennte thorakale Organe aufwies. Das Tier wurde tot geboren. Es wurde angenommen, dass der Defekt durch das

atypische Entstehen der Blastozyste aus der Zona pellucida („Hatching“) zwischen dem siebten bis zwölften Trächtigkeitstag entstanden ist.

Das Eisenmenger-Syndrom ist ein komplexer angeborener Herzdefekt, der durch 1.

Pulmonalisdilatation, 2. Kammerscheidewanddefekt, 3. „reitende Aorta“ oder Rechtsverlagerung der Aorta, 4. Hypertrophie des rechten Ventrikelmyokards charakterisiert wird (Rudolph und Dahme, 2007). Das Eisenmenger-Syndrom ist durch eine periphere Sauerstoffmangelversorgung klinisch mit einer Zyanose verbunden (Valsangiacomo Büchel et al., 2006). Angeborene pathologische Formveränderungen der Wirbelsäule die mit einer Lateralverkrümmung einhergehen werden als Skoliose bezeichnet (Reinacher et al., 1999). Die Ursachen für diese angeborenen Erkrankungen können genetisch oder umweltbedingt (Viren, Giftpflanzen, rektale Palpation) sein (Leipold et al., 1983, Greene et al., 1973). In der vorliegenden Arbeit soll ein Kalb mit Dizephalus und Eisenmenger-Syndrom beschrieben werden.

Material und Methoden

Am Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover wurde ein männliches Kalb der Rasse Deutsche Holsteins, Farbrichtung schwarzbunt, wegen des Auftretens einer Doppelmissbildung im Kopfbereich gemeldet (Abb.10.1). Das Tier stammte von einem für Infektiöse Bovine Rhinotracheitis- (IBR)-freien, niedersächsischen Milchviehbetrieb mit ca. 150 Kühen.

Das Tier wurde auf natürlichem Wege entwickelt. Es war zum Zeitpunkt der Meldung bereits verstorben. Der Landwirt berichtete, dass das Tier kurz nach der Geburt in der Lage war zu stehen. Es bekam einige Stunden später blaue Maulschleimhäute und starb unter Dyspnoe, wobei der rechte Kopf zuerst die Atmung einstellte.

Derartige Missbildungen sind in dem betroffenen Betrieb zuvor nicht aufgetreten. Der Vater des Tieres war ein Besamungsbulle der Rasse Deutsche Hosteins. Die Mutter war eine Erstkalbin. Die Fütterungsrationen und die Art der Futtermittel wurden im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert. In dem Bestand wurden Trächtigkeitsuntersuchungen mittels Ultraschall durchgeführt.

Das Kalb wurde in der Klinik für Pferde der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover einer röntgenologischen Untersuchung unterzogen.

Die pathologische Untersuchung umfasste eine vollständige Untersuchung aller Organsysteme. Die Organe wurden zusätzlich einer histologischen Untersuchung unterzogen, dafür wurden sie in zehn %igem gepuffertem Formalin fixiert. Die ausgewählten Bereiche wurden im Anschluss in einer aufsteigenden Alkoholreihe entwässert und bei 56 °C in einem Paraffin-Paraplast-Gemisch (Histo-Comp, Vogel, Gießen) eingebettet. Mit Hilfe eines Rotationsmikrotoms wurden von den Paraffinblöcken 2-3 µm dicke Schnitte angefertigt und auf SuperFrost/Plus-Objektträger aufgezogen und maschinell in einem Färbeautomaten (Leica ST 4040, Nussloch) mit Hämatoxylin-Eosin (HE) gefärbt. Es erfolgte eine virologische Untersuchung der Organe des Kalbes auf Antigene des Bovinen Virus Diarrhoe (BVD)–Virus und Infektiösen Bovinen Rhinotracheitis (IBR)-Virus mittels immunfluoreszenzmikroskopischer Untersuchung. Der gesamte Bestand war seit mehreren Jahren IBR frei.

Am Institut für Virologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover erfolgte eine serologische Untersuchung des Blutes der Mutter auf BVD–Virus-Antigen (Ag) mittels Enzyme Linked Immunosorbent Assey (ELISA) und BVD-Virus Antikörper (Ak) mittels Neutralisationstest.

Zusätzlich wurden Organproben von Milz, Tonsille, Lymphknoten und Parotis am Veterinärinstitut Hannover des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) mittels Immunfluoreszenzmikroskopie untersucht. Die Abstammungsdaten wurden erfasst und mittels des Programms Opti-Mate, Version 3.81 (Wrede und Schmidt, 2003) analysiert und Inzuchtkoeffizienten berechnet.

Ergebnisse

Röntgenologische Untersuchungsbefunde

Die röntgenologische Untersuchung ergab zwei getrennt ausgebildete Foramina magna und eine Gaumenspalte am rechten Kopf (Abb. 10.2).

Pathologisch-anatomische Untersuchungsbefunde

Die Scheitel-Steiß-Länge des männlichen Kalbes betrug 95 cm. Es hatte ein Gewicht von 47 kg. Das Kalb zeigte zwei Köpfe. Die Haut und das Fell der beiden Köpfe waren vom kaudalen Rand der Mandibula bis über das Os occipitale auf der gesamten Fläche miteinander verwachsen. Die Köpfe wiesen eine geringgradig unterschiedliche Fellzeichnung auf (Abb. 10.3). Am rechten Kopf konnte zusätzlich eine Gaumenspalte mit Aplasie des Rachenringes vorgefunden werden. Im Bereich der Maulschleimhäute lag eine geringgradige Zyanose vor. Der gemeinsame Larynx hatte zwei gegenüberliegende Kehldeckel ausgebildet. Der Ösophagus teilte sich von ventral her betrachtet in Höhe des Kehlkopfes auf und zog jeweils lateral am Kehldeckel der jeweiligen Seite vorbei zum Pharynx. Die Trachea zeigte eine dorsoventrale Abplattung ohne sichtbares Lumen. Am linken Kopf zeigten sich keine besonderen Befunde. Nach der Eröffnung der Schädel wurden zwei vollständig voneinander getrennt ausgebildete Gehirne vorgefunden, dessen nachfolgende Rückenmarksanteile im Bereich des kranialen Halsmarkes miteinander verbunden waren (Abb. 10.4).

In der Brusthöhle lag ein Situs inversus des Herzens mit Transpositionen der Aorta und des Truncus pulmonalis vor. Der Ursprung des Aortenbogens befand sich am rechten Ventrikel. Aus dem linken Ventrikel führte der mittelgradig dilatierte Truncus pulmonalis in die Lunge. Im Bereich des Kammerseptums befand sich ein ca. einen cm großer Septumdefekt, mit entsprechender Kommunikation der Ventrikel auf halber Höhe des Septums. Der rechte Ventrikel zeigte eine mittel- bis hochgradige Hypertrophie der Wand.

Pathologisch-histologische Untersuchungsbefunde

Das Tier wies in Höhe der Fusionsstelle der knöchernen Anteile beider Kopfanlagen im Bereich des ersten Halswirbels einen doppelt ausgebildeten Zentralkanal, mit jeweils einer Fissura mediana ventralis und einer dorsoventralen Ausrichtung des linken Zentralkanals auf. Die lateral der Zentralkanäle befindlichen Anteile der grauen Substanz zeigten ein unvollständig ausgebildetes Dorsalhorn. Die zwischen den Zentralkanälen lokalisierte graue Substanz bildete ein dorsoventral ausgerichtetes

graues Substanzgebiet ohne deutliche Untergliederung in Dorsal- und Ventralhorn und ohne Verbindung zum jeweiligen Zentralkanal. Kaudal der Vereinigung beider Rückenmarksstränge fand sich eine Verdopplung der Fissura mediana dorsalis mit dazwischen liegender weißer Substanz. Es lag ein in laterolateraler Richtung gestreckter Zentralkanal vor. Das Rückenmark des rechten und linken Gehirns kranial der Vereinigung der Rückenmarksstränge zeigte ein unregelmäßig angeordnetes graues Substanzgebiet mit heterotopen Neuronen.

Die Lunge wies eine mittelgradige, akute, diffuse Stauungshyperämie, ein mittelgradiges, diffuses, akutes, alveoläres Ödem und mittelgradige, diffuse Lymphangieektasien im interlobulären Interstitium auf.

Weitere Untersuchungen

Die serologische Untersuchung des Blutes der Mutter mittels ELISA auf BVDV brachte ein negatives Ergebnis. Die serologische Untersuchung des Blutes der Mutter mittels quantitativem Neutralisationstest auf BVDV- Antikörper hatte ebenfalls ein negatives Ergebnis. Die immunfluoreszenzmikroskopische Untersuchung der Organproben des Kalbes auf BVDV ergab ein negatives Ergebnis. Das Pedigree wurde über drei Generationen erhoben. Es konnte keine Inzucht festgestellt werden.

Weitere betroffene Tiere sind bisher nicht bekannt.

Diskussion

Das hier beschriebene Kalb wies einen Dizephalus auf. Der Dizephalus weist im Gegensatz zum Diprosopus zwei Foramina magna und zwei vollständig voneinander getrennte Gehirne auf (Bähr et al., 2004; Herzog, 2001). Einige Tiere mit Dizephalus haben auch getrennte Halswirbelsäulenanteile (McGirr et al. 1987), wodurch auf eine röntgenologische Untersuchung zur Klassifizierung verzichtet werden kann. Es sind bisher ca. zehn Berichte über Kälber mit Dizephalus publiziert worden (Gülbahar et al. 2005; Herzog, 2001; Vanderzon et al., 1998; Wakuri et al., 1990; McGirr et al.

1987; Gruys, 1973; Leipold und Dennis, 1972; Schumacher et al., 1971; Osetowska und Hariga, 1969)

Die Ursachen für angeborene Erkrankungen können genetisch oder umweltbedingt (Viren, Giftpflanzen, rektale Palpation) sein (Leipold et al., 1983; Greene et al., 1973). Umweltbedingte Ursachen, wie die rektale Palpation zur Trächtigkeitsuntersuchung, Intoxikationen mit Giftpflanzen oder IBR-Infektion konnten durch die Anamnese ausgeschlossen werden. Eine Infektion mit BVD-Virus konnte durch virologische Untersuchungen ausgeschlossen werden.

Für das Auftreten von Dizephalus wird ein polygener Erbgang angenommen (Herzog 2001). Schulze et al. (2006) fanden erstmals ein familiäres Auftreten von Diprosopus bei Deutschen Holsteins. Bei der Untersuchung des Pedigrees konnte für dieses Tier keine Inzucht festgestellt werden. Weitere betroffene Nachkommen des Besamungsbullen sind bisher nicht bekannt.

Bei dem vorliegenden Dizephalus dürfte es sich um unvollständig getrennte monozygote Zwillinge handeln. Monozygote Doppelbildungen haben für gewöhnlich, wie auch bei dem vorliegenden Tier vorgefunden, nur einen Nabelstrang. Des Weiteren liegen die Achsen der Köpfe bei dem hier beschriebenen Tier eher nebeneinander. Entstehen die Doppelbildungen aus zwei sich vorher getrennt entwickelnden dizygoten Individuen, so sind deren Längsachsen zumeist in Oppositionsstellung und die Fusionsstellen liegen im Scheitel- oder sacrococcygealen Bereich. Diese Gruppe von Doppelbildungen besitzt in der Regel zwei Nabelstränge (Herzog, 2001).

Bei den monozygoten Zwillingen wird eine Keimananlage gespalten, und aus den Spaltprodukten entwickeln sich für gewöhnlich eigenständige Individuen. Während der Entwicklung von Doppelbildungen kann die Spaltung der Keimanlage unvollständig und die sich eigenständig entwickelnden Anlagen verbunden bleiben.

Zum Beispiel kann durch die Kompression der Zona pellucida am siebten bis zwölften Trächtigkeitstag das Vorderende des Primitivstreifens abgeschnürt werden und zwei Primitivknoten bilden. Dieser Vorgang kann in zwei benachbarten Embryonalachsen resultieren, die nur teilweise getrennt sind (McGirr et al., 1987).

Bei dizygoten Zwillingen, die aus zwei unterschiedlichen befruchteten Eizellen entstehen, kann es vor der Implantation zu einer Fusion kommen, die ebenfalls zur Doppelbildung führt (Logrono et al., 1997). Die bilateral verdoppelten

Tierkörperanteile können phänotypisch variieren (Diskordanzen) wie in diesem Fall.

Auch bei dem vorliegenden Tier trat nur am rechten Kopf eine Gaumenspalte auf.

Die Fellzeichnung war im Kopfbereich ebenfalls geringgradig unterschiedlich. Eine nur an einem Kopf vorkommende Gaumenspalte bei einem Holstein Kalb mit Dizephalus wurde auch von Gülbahar et al. (2005) beschrieben. Bei einem Thorakopagus parasiticus eines Deutschen Holstein Kalbes war die Fellzeichnung ebenfalls unterschiedlich, obwohl Monozygotie nachgewiesen wurde (Schulze et al., 2006). Bei einigen mit Dizephalus betroffenen Kälbern wurden zusätzliche Missbildungen gefunden. Häufig kommen dabei Defekte im zentralen und peripheren Nervensystem, wie Arnold-Chiari Malformation und spinale Dysraphie vor (Gülbahar et al., 2005). Das hier untersuchte Kalb zeigte zusätzlich einen Situs inversus des Herzens, eine Dilatation der Arteria pulmonalis, einen Kammerscheidewanddefekt und eine Rechtsverlagerung der Aorta. Diese Defekte werden gemeinsam als Eisenmenger-Syndrom bezeichnet, für das eine erbliche Ursache vermutet wird (Rudolph und Dahme, 2007). Die Kombination von Situs inversus, Eisenmenger-Syndrom und Dizephalus wurde bisher noch nicht beschrieben. Andere Anomalien von Gefäßstrukturen wurden von Camón et al. (1991) bei einer Katze mit Dizephalus beobachtet. Die blaue Färbung der Schleimhäute im Maulbereich stammt vermutlich von einer durch die Herzmissbildung ausgelösten Zyanose (Valsangiacomo-Büchel und Attenhofer, 2006), die auch zu der vom Landwirt beschriebenen Erstickung des Tieres geführt haben kann. Dizephalus kann beim Menschen schon im ersten Drittel der Schwangerschaft mittels Ultraschall diagnostiziert werden (Bega et al., 2000;

Maymon et al., 2005). Da die Trächtigkeitsuntersuchung mittels Ultraschall auch in der Rinderpraxis zunimmt, sollte man in der Zukunft verstärkt auch auf die Erkennung von Missbildungen achten, da Missbildungen für die betroffenen Betriebe immer mit einem wirtschaftlichen Verlust einhergehen, der sich aus den Kosten für die Besamung, das Futter für die Kuh während der Trächtigkeit und den Tierarztkosten bei der Geburtshilfe, die bei Missbildungen häufig zum Kaiserschnitt führen, ergeben (Herzog, 1992). Durch ein frühzeitiges Erkennen von Missbildungen und ein schnelles Aussortieren von möglichen Vererbern von Missbildungen, können die entstehenden Schäden in Zukunft verringert werden.

Danksagung:

Die Autoren bedanken sich herzlich bei der Klinik für Pferde der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover für die Anfertigung der Röntgenbilder.

Literatur

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Kapitel 11

Auftreten von Missbildungen der Wirbelsäule und multipler weiterer Organe bei einem Kalb der

Rasse Deutsche Holsteins

Bettina Constanze Buck1, Reiner Ulrich2, Anne Wöhlke1, Heidi Kuiper1, Wolfgang Baumgärtner2, Ottmar Distl1

1Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

2Institut für Pathologie, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

11 Auftreten von Missbildungen der Wirbelsäule und multipler weiterer Organe bei einem Kalb der Rasse Deutsche Holsteins

Zusammenfassung

Bei einem weiblichen Kalb der Rasse Deutsche Holsteins lag eine kongenitale, hochgradige Skoliose und Rotation der Brustwirbelsäule um ihre Längsachse sowie eine Verkürzung und Verschmelzung multipler Wirbelkörper mit einer Verkrümmung der Dornfortsätze vor. Des Weiteren wurde ein reduziertes Geburtsgewicht, eine partielle Hypoplasie der Lunge, eine abnormale Lappung der Milz, eine abnormale Lappung und Fibrose der Leber, eine doppelt angelegte Gallenblase, eine Atresia recti, eine Hufeisenniere und eine Atresia uterina nachgewiesen. Aufgrund des Ausschlusses einer Punktmutation in Exon 4 des Solute Carrier Family 35 (UDP-N-acetylglucosamine (UDP-GlcNAc) transporter), member A3 (SLC35A3) Gens konnte CVM (complex vertebral malformation) als Ursache ausgeschlossen werden.

Aufgrund dessen ist anzunehmen, dass der hier vorliegende Fall ein neuartiges Brachyspina-Syndrom ist, das eine noch unbekannte genetische Grundlage aufweist.

Schlüsselwörter: Wirbelsäulenmissbildung, Brachyspina-Syndrom, Komplexe vertebrale Missbildung (CVM), Kalb, Deutsche Holsteins

Summary

A male black and white German Holstein calf showed a congenital, high-graded scoliosis and rotation of the thoracal spinal cord associated with shortening and fusion of multiple vertebral bodies and abnormal bending of the processus spinosus.

Furthermore reduced birth weight, partial hypoplasia of the lung, excessive liver segmentation, doubled gall bladder, rectal atresia, horseshoe kidney, and uterine atresia were found. Due to the exclusion of a point mutation in exon 4 of the solute carrier family 35 (UDP-N-acetylglucosamine (UDP-GlcNAc) transporter), member A3

(SLC35A3) gene, the congenital vertebral malformation (CVM) syndrome was ruled out. Conclusively, it is hypothesized that the presented case resembles the brachyspina syndrome, a hereditary disease with still unresolved aetiology.

Keywords: spinal column malformation, brachyspina syndrome, complex vertebral malformation (cvm), calf, German Holstein.

Einleitung

Angeborene pathologische Formveränderungen der Wirbelsäule treten hauptsächlich als Kyphose (Dorsalverkrümmung), Lordose (Ventralverkrümmung) und Skoliose (Lateralverkrümmung) auf (REINACHER et al. 1999). Eine besondere Form der Wirbelsäulenmissbildung bei Holstein Rindern ist die monogen autosomal rezessiv vererbte komplexe vertebrale Missbildung, (CVM), die in den letzten 8 Jahren in verschiedenen Ländern wie zum Beispiel Dänemark, Schweden, Polen, USA und Japan vermehrt auftrat (RUSC et al. 2007, BERGLUND et al. 2004, NAGAHATA et al. 2002, AGERHOLM et al. 2001, DUNCAN et al. 2001, REVELL 2001). CVM ist vor allem durch Missbildungen im Hals- und Brustwirbelbereich in Form von Verkürzungen, Verschmelzungen, Missgestaltung der Wirbel und Halbwirbelbildung gekennzeichnet (AGERHOLM 2007, AGERHOLM et al. 2004, CITEK et al. 2004, AGERHOLM et al. 2001). Des Weiteren werden aber auch Veränderungen der lumbalen Wirbel und weitere Missbildungen, wie Arthrogrypose (ankylotische Fessel- und/oder Karpal/Tarsalgelenke) und Herzfehler im Zusammenhang mit CVM beschrieben (NAGAHATA et al. 2002AGERHOLM et al. 2001, DUNCAN et al. 2001).

Wirtschaftliche Bedeutung erlangt der Erbfehler dadurch, dass ein Großteil der betroffenen Kälber abortiert wird und ausgetragene Tiere ein erniedrigtes

Wirtschaftliche Bedeutung erlangt der Erbfehler dadurch, dass ein Großteil der betroffenen Kälber abortiert wird und ausgetragene Tiere ein erniedrigtes