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Ein Fall von Schistosoma reflexum bei einem Deutschen Holstein Kalb

Zusammenfassung

Bei einer schwarzbunten Milchkuh der Rasse Deutsche Holstein wurde per Kaiserschnitt ein männliches Kalb mit Schistosoma reflexum entbunden. Das tot geborene Kalb zeigte eine thorakoabdominopelvikale Hernie mit Vorfall der Bauchorgane. Zusätzlich hatte das Tier eine hochgradige Lordose von ca. 180°, deren Scheitelpunkt im Übergangsbereich von der Brust- zur Lendenwirbelsäule lag.

Der Wirbelsäulendefekt führte dazu, dass die Vorder- und Hintergliedmaßen über den Kopf hinweg gestreckt waren. Zudem waren die Gelenke der Gliedmaßen versteift. Die Leber des Tieres zeigte eine abnormale Lappung mit irregulärer histologischer Textur und multiplen Zysten. Das Zwerchfell war nur rudimentär angelegt. Es war kein Darmausgang vorzufinden. Der Penis war hypoplastisch. Das Kalb stammte von einem Besamungsbullen ab und war nach den Pedigreeinformationen weder ingezüchtet noch waren weitere betroffene Tiere unter den Verwandten des untersuchten Tieres in dem Bestand bekannt. Die Mutterkuh hatte bereits zwei klinisch unauffällige Kälber zuvor. Ein X-chromosomaler kodominanter Erbgang wie beim thorakoabdominalen Syndrom des Menschen erscheint beim Rind unwahrscheinlich.

Schlüsselwörter: Missbildung, Schistosoma reflexum, Kalb, Deutsche Holsteins.

Summary

A black and white male German Holstein calf showed schistosomus reflexus. The stillborn calf was born through caesarean section. The calf showed a thoracoabdominopelvic hernia with prolapse of the abdominal organs. In addition, there was a high-grade lordose with a 180° angle. The angular point was localized between the thoracic and the lumbar part of the vertebral column. This vertebral defect caused the forelimbs and hind limbs stretched over the head. The liver was

abnormally shaped, cystic modified and showed an abnormal histological structure.

The diaphragm was hypoplastic. Some joints of the limbs were ankylosed. There was no anus developed and the genital system was malformed. We could not find inbreeding in the pedigree of the calf and there were no further affected relatives known before at this farm. A X-chromosomal codominant mode of inheritance like in the human thoraco-abdominal syndrome is unlikely for this present case.

Keywords: Schistosomus reflexus, malformation, calf, German Holstein.

Einleitung

Ein Schistosoma reflexum ist durch einen angeborenen, letalen Schließungsdefekt der Brust- und Bauchwand mit Vorfall der Bauch- und Brustorgane und eine Krümmung der Wirbelsäule gekennzeichnet (Saperstein, 1993; Dahme und Weiss, 1988). Als typisch für ein Schistosoma reflexum werden Ankylosen der Gliedmaßengelenke und der Verlagerung der Gliedmaßen beidseits neben den Kopf sowie eine Lungen- und Zwerchfellhypoplasie beschrieben. Weiterhin können Skoliose, Abnormalitäten des Geschlechts- und Urogenitaltraktes oder Atresia ani vorgefunden werden (Laughton et al., 2005; Jana und Ghosh, 2001). Schistosoma reflexum wurde als die häufigste Missbildung bei Rindern in Zagreb beschrieben (Cergolj et al., 2002). Sehr oft ist Schistosoma reflexum die Ursache von Schwergeburten beim Rind. In einer Studie von Knight (1996) wurden 25,6% der von Schistosoma reflexum betroffenen Kälber mittels Fetotomie und 56,7% mittels Kaiserschnitt entbunden, während bei den restlichen 14,4% aufgrund emphysematöser Feten und schlechter Prognose für das Muttertier die Kühe vor der Geburt euthanasiert oder geschlachtet wurden. Das Schistosoma reflexum tritt häufiger bei Kälbern von Kühen als bei Kälbern von Erstkalbinnen auf (Knight, 1996).

Gelegentlich wurde das Auftreten eines Schistosoma reflexum bei Zwillingsgeburten beschrieben, wobei in der Regel nur eines der beiden Tiere von Schistosoma reflexum betroffen war (Cavalieri und Farin, 1999). Es gibt vor allem in der älteren Literatur verschiedene Theorien zur Äthiologie von Schistosoma reflexum (Vitums, 1937). Oft werden amniogene Ursachen oder Fehlbildungen des Amnions als

Ursache vermutet, weitere Autoren vermuten eine zunehmende Entwicklung einer Lordose in der Embryonalentwicklung, eine dritte Theorie besteht in der Annahme, dass eine Wachstumsstörung der Urwirbel in der dritten Lebenswoche ursächlich sei.

Die Ursachen für ein Schistosoma reflexum beim Rind sind weitgehend unbekannt (Saperstein, 1993). Eine Ähnlichkeit zum Schistosoma reflexum des Rindes weist beim Menschen das thorakoabdominale Syndrom (TAS) auf, das durch eine thorakoabdominale Spaltbildung gekennzeichnet ist und für das ein X-chromosomal unvollständig dominanter Erbgang beschrieben wurde (Pivnick et al.; 1998 Carmi et al., 1990). Für diesen Defekt konnte eine Genomregion nahe am Zentromer des X- Chromosoms lokalisiert werden (Pavari et al., 1994). Bei der Chromosomenanalyse eines Rinderfetus im ersten Trimester der Trächtigkeit wurden von Kovács und Stranzinger (2002) meiotische Teilungsstörungen und Chromosomenabnormalitäten festgestellt, die auf eine gemeinsam ausgeprägte Störung in der Embryonalentwicklung hinweisen könnten. Auch Özcan et al. (2003) vermuteten einen genetischen Zusammenhang, da sie vier Fälle von Schistosoma reflexum untersuchten, bei denen die jeweiligen Mütter der betroffenen Kälber mit nahe verwandten Bullen angepaart wurden. Bei der Untersuchung von Transforming Growth Factor-ß2 und-ß3-knockout Mäusen konnte eine unvollständige Fusion der Mittellinien des Körpers in der Embryonalentwicklung nachgewiesen werden (Dünker und Krieglstein, 2002). In dem vorliegenden Bericht soll das Auftreten eines Schistosoma reflexum bei einem Deutschen Holsteinkalb beschrieben sowie mögliche Ursachen und die Pathogenese der angeborenen Missbildung diskutiert werden.

Material und Methode

Am Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover wurde ein männliches Kalb der Rasse Deutsche Holstein, Farbrichtung schwarzbunt, wegen des Auftretens eines Schistosoma reflexum gemeldet. Das Tier wurde mittels Kaiserschnitt entbunden und war zum Zeitpunkt der Entbindung bereits verendet. Für weiterführende Untersuchungen wurden Blutproben der Mutter genommen. Das betroffene Kalb wurde im Institut für Pathologie der

Stiftung Tierärztliche Hochschule anatomisch und pathologisch-histologisch untersucht. Die pathologische Untersuchung umfasste eine vollständige Untersuchung aller Organsysteme. Die veränderten Organe wurden zusätzlich einer histologischen Untersuchung unterzogen. Es erfolgte eine virologische Untersuchung anhand von Blutproben der Mutter auf BVD–Virusantigen (Ag) und -antikörper (Ak) mittels ELISA und eine virologische Untersuchung des Gewebes auf IBR/IPV- und BVD- Virusantigene mittels immunfluoreszenzmikroskopischer Untersuchung.

Außerdem wurde eine Untersuchung von Gewebeproben des Kalbes auf Chlamydien-Antigen mittels ELISA und Brucellen mittels bakteriologischer Untersuchung angefertigt. Von dem betroffenen Kalb konnten die Abstammungsdaten erfasst und mittels des Programms Opti-Mate (Wrede und Schmidt, 2003) analysiert werden.

Ergebnisse Anamnese

Die Kuh kam auf einem Milchviehbetrieb mit ca. 55 Milchkühen um den erwarteten Abkalbetermin in Geburt. Der Landwirt fand bei der Geburtshilfe im Geburtskanal vier Gliedmaßen sowie den Kopf des Kalbes vor. Da er die Lage des Kalbes manuell nicht korrigieren konnte und die Kuh Anzeichen einer Dystokie zeigte, rief er den Tierarzt zu Hilfe. Da auch der Tierarzt die Lage des Kalbes nicht berichtigen konnte, wurde ein Kaiserschnitt vorgenommen. Das entbundene Kalb war zum Zeitpunkt der Geburt bereits verendet. Das männliche Kalb fiel durch eine geöffnete Brust-, Bauch- und Beckenhöhle auf. Zugleich war eine starke Lordose der Wirbelsäule mit heraushängenden Brust- und Bauchorganen vorzufinden (Abb. 5.1 und 5.2). Das Kalb wurde kurz darauf an das Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung überwiesen. Die Mutter des Kalbes hatte bereits in zwei vorhergehenden Abkalbungen zwei klinisch unauffällige Kälber zur Welt gebracht.

Pathologie

Bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung des männlichen, 35,5 kg schweren Kalbes wurde eine ventrale, thorakoabdominopelvikale Hernie mit Vorfall der

abdominalen Organe und Retroflexion des Hinterkörpers um 180° festgestellt. Der Rand der ventralen Spalte begann kranial hinter dem noch ventral miteinander kommunizierenden ersten Rippenpaar. Die weiteren Rippen wiesen eine konkave Verbiegung nach lateral auf und endeten frei. Der Rand der Bruchspalte verlief beidseitig entlang der freien ventralen Rippenenden, den kaudalen Enden der letzten Rippen, latero-ventral der Querfortsätze der Lendenwirbelsäule, proximo-medial der Kniegelenke und schloss sich kaudo-ventral der Hüftgelenke. Die Beckensymphyse war nicht geschlossen. Zwischen den freien Rippenenden spannte sich eine sehnige, teils muskulöse Platte aus, die die Thorakalhöhle vollständig verschloss. Ventral in der Medianen war eine Verwachsung der Platte mit dem Herzbeutel vorzufinden, die das Herz umschloss (Abb. 5.3). Die Nabelarterien standen im Zusammenhang mit der anhängenden Plazenta. Der äußere Teil der Nabelvene war im Bereich der kranialen Brustspalte abgerissen. Ein regulärer Hautnabel war nicht ausgebildet.

Die Untersuchung des Skelettsystems ergab eine Retroflexion des Hinterkörpers um 180°, beginnend ab dem dritten/vierten Brustwirbelkörper. Der Scheitelpunkt lag am Übergang der Brust- zur Lendenwirbelsäule. Die Kreuzwirbelsäule lag etwa parallel zur Halswirbelsäule. Alle Gliedmaßen wiesen nach kranial. Es befand sich an der kaudalen Brust- und kranialen Lendenwirbelsäule eine Skoliose nach rechts um etwa sechs cm. Das Brustbein fehlte und die Beckensymphyse war offen. Die Schulterblätter waren hypoplastisch und an beiden Knie- und Sprunggelenken, an der linken Schulter und am linken Ellenbogen fanden sich mittelgradige Verkürzungen der Strecksehnen. An der linken Hintermaße zeigte sich eine mittelgradige Abweichung der distalen Gliedmaßenachse nach lateral sowie eine Rotation um die Gliedmaßenachse gegen den Uhrzeigersinn um ca. 45°. Die rechte Hintergliedmaße hatte eine wahrscheinlich postmortale, vollständige Schrägfraktur und Dislokation der Tibia mit geringgradiger blutiger Imbibition der umliegenden Weichgewebe. Maxilla und Nasenbein waren um ca. 1,5 cm nach rechts verbogen.

Die Lunge zeigte eine totale fetale Atelektase.

Die Leber wies eine abnormale Lappung und keinen Lobus caudatus auf. Ein Lobus hepatis sinister, ein Lobus hepatis dexter und ein angedeuteter Lobus quadratus konnten identifiziert werden.

An der ventralen Viszeralseite der Leber befanden sich multiple Serosazysten mit einem Durchmesser von ca. 2,5 – 10 cm (Abb. 5.4). Die Farbe des Lebergewebes war hellrot-gräulich und die Konsistenz war fest mit unregelmäßiger, geringgradig kleinknotiger Oberfläche. Die histologische Untersuchung der Leber zeigte eine generalisierte irreguläre Läppchentextur mit teils exzentrisch liegenden und teils multiplen Zentralvenen (Abb. 5.5). Die Serosazysten lagen im Bereich der Leberkapsel. Vor allem im perizystischen Lebergewebe zeigten sich histologisch eine hochgradige hepatozelluläre Atrophie, eine hochgradige portale Fibrose, mittelgradige herdförmige Lymphangieektasien und geringgradige Gallengangsproliferationen. Mittels Azanfärbung waren vor allem im perizystischen Leberparenchym ein hochgradig vermehrter Bindegewebsgehalt und eine irreguläre Läppchenarchitektur nachweisbar. Mittels einer Versilberung nach Gomori war aufgrund eines atypischen Verlaufes der Retikulinfasern eine generalisierte irreguläre Leberläppchenarchitektur nachweisbar.

Die rechte Niere war hochgradig hypoplastisch (4 x 2 x 2 cm) (Abb. 5.6). Auch die histologische Untersuchung zeigte eine hochgradige Hypoplasie der Nephronen mit interstitieller Fibrose. Die linke Niere (11,5 x 3,5 x 8 cm) zeigte eine akute Stauungshyperämie. Die histologische Untersuchung der linken Niere wies lymphozytär-plasmazelluläre Infiltrate auf.

Der Dünndarm hatte eine 20 cm lange Ausziehung des Mesenteriums von der Darmscheibe nach peripher mit unregelmäßigen, schnecken- bis girlandenartigen Dünndarmwindungen, ohne zentral gelegene Lymphknoten und Dickdarmanteile (Abb. 5.7). In dem Bereich der Einmündung des Jejunums in das Ileum befand sich eine akute Stauungshyperämie von Darm und Mesenterium. Am Dickdarm wies das Tier eine Atresia ani auf. Der mit reichlich Mekonium gefüllte Dickdarm endete genau zwischen den Hüftgelenkspfannen blind. Es war kein äußerer Anus angelegt.

Die Geschlechtsorgane zeigten einen hypoplastischen Penis (3 x 1 cm) ohne Präputium, der kaudo-medial der Bruchspalte lag (Abb. 5.8). Die Hoden lagen beidseitig in der Bauchhöhle und das Skrotum war zweigeteilt.

Ergebnisse der virologischen und bakteriologischen Untersuchungen

Die virologischen Untersuchungsergebnisse auf BVD-Virusantigen und -antikörper verliefen für das Kalb und die Mutter negativ. Die Ergebnisse der Untersuchung des Gewebes auf IBR/IPV- und BVD-Virusantigene sowie auf Chlamydien-Antigen und Brucellen waren negativ.

Analyse der Pedigrees

Der Vater des Kalbes war ein sieben jähriger Deutsch Holstein Besamungsbulle.

Dieser Bulle hatte bereits über 300 bekannte Töchter in seiner Nachkommenschaft.

Weitere Nachkommen dieses Besamungsbullen waren nicht auf dem Betrieb. Es waren auch keine weiteren Fälle von Schistosoma reflexum auf dem Betrieb bekannt.

Es traten keine gemeinsamen Vorfahren väterlicher- und mütterlicherseits auf. Die Mutter des Kalbes hatte bereits zwei klinisch unauffällige Kälber.

Diskussion

Das hier beschriebene Tier zeigte alle typischen Symptome eines Schistosoma reflexum mit einer nicht geschlossenen Brust-, Bauch- und Beckenhöhle, einen Vorfall der Bauch- und Brustorgane und eine Krümmung der Wirbelsäule (Saperstein, 1993; Dahme und Weiss, 1988). Weitere typische Merkmale wie Ankylosen der Gliedmaßengelenke, Skoliose, Serosazysten in der Leber und Atresia ani wurden außerdem vorgefunden, die auch in der Literatur als Begleitveränderungen bereits beschrieben wurden (Laughton et al., 2005; Jana und Gosh, 2001). Das Vorkommen von Schistosoma reflexum wird außer beim Wiederkäuer und beim Schwein auch beim Pferd beschrieben (Proctor, 1982; Smith, 1969). Hecke (1929) war allerdings der Ansicht, dass ein Schistosoma reflexum nur bei Wiederkäuern und Schweinen vorkommt, da diese Spezies dieselbe Anordnung von Eihäuten haben und vor allem die Allantois das Amnion nicht völlig umschließt.

Er nahm an, dass durch eine Ausbreitung der Allantois um den Tag 17-18 die Früchte in der Embryonalentwicklung von der Seite her nach dorsal gedrängt werden und daher die massive Lordose zustande kommt. Auch Dubbin et al. (1990) vermuteten hauptsächlich primär eine Wirbelsäulendeformation als auslösende Ursache des Defektes, die sekundär das Offenbleiben der ventralen medianen

Körperwand verursacht. Bei den anderen Tierarten oder als weitere ätiologische Theorie könnte es sich um Bauchspalten oder extreme Formen von Nabelhernien handeln, da bei ihnen in der Regel keine Lordose vorgefunden wird (Dubbin et al., 1990; Irwin und Pulley, 1975). Auch bei dem hier beschriebenen Kalb war kein regulärer Hautnabel ausgebildet.

Die Abgrenzung der Brusthöhle zur Bauchhöhle bestand bei dem untersuchten Tier aus einer sehnigen Verschmelzung von rudimentären, vor allem sehnigen Diaphragmaanteilen mit dem Pericard. Es waren nur zwei ca. vier x zwei cm und vier x drei cm große Anteile an Muskulatur darin enthalten. Hecke (1929) fand einen Fall von Schistosoma reflexum, bei dem die ganze rechte Zwerchfellhälfte fehlte. Er vermutete, dass durch die Krümmung der Wirbelsäule das Septum transversum und auch die dort hinein wachsende Muskulatur sich nicht entwickeln konnten, da durch die Krümmung eine weite räumliche Entfernung entstand. Da bei dem hier beschriebenen Tier eine sehnige Abtrennung mit rudimentären muskulären Anteilen vorzufinden war, liegt die Vermutung nahe, dass ein Septum transversum zwar ausgebildet wurde, aber die Entwicklung der Muskulatur durch die große räumliche Entfernung verhindert wurde. Möglicherweise hatte auch die Verwachsung mit dem Herzbeutel eine stabilisierende Funktion. Die Leber wies eine abnormale Lappung und keinen Lobus caudatus auf. Es wurden nur ein Lobus hepatis sinister, ein Lobus hepatis dexter und ein angedeuteter Lobus quadratus beobachtet. Zusätzlich wurden zahlreiche flüssigkeitsgefüllte Zysten vorgefunden. Eine abnormale Lappung und Zystenbildung werden auch von Laughton et al. (2005) bei Schistosoma reflexum beschrieben. Allerdings traten in dem hier beschriebenen Fall extrem viele dieser Zysten auf. Nicht bei allen Tieren mit Schistosoma reflexum tritt Zystenbildung auf (Murthy et al., 1999). Besonders auffällig war die bei der Leber histologisch festgestellte irreguläre Läppchenstruktur mit teils exzentrisch liegenden und teils multiplen Zentralvenen. Im perizystischen Lebergewebe zeigten sich eine hochgradige hepatozelluläre Atrophie, portale Fibrosen, Lymphangieektasien und Gallengangsproliferationen sowie vermehrter Bindegewebsgehalt und eine irreguläre Läppchenarchitektur. Die hier vorgefundenen histologischen Befunde der Leber wurden bisher beim Rind noch nie beschrieben. Ob ein kausaler Zusammenhang

zum Auftreten von Schistosoma reflexum besteht, kann daher nicht geklärt werden.

Auch am Darm ließen sich Missbildungen auffinden. Der Dünndarm hatte eine 20 cm lange Ausziehung des Mesenteriums von der Darmscheibe nach peripher mit unregelmäßigen, schnecken- bis girlandenartigen Dünndarmwindungen, ohne zentral gelegene Lymphknoten und Dickdarmanteile. Am Dickdarm wies das Tier eine Atresia ani auf. Der Dickdarm endete genau zwischen den Hüftgelenkspfannen blind.

Es war kein äußerer Anus angelegt. Die hier beschriebenen Veränderungen am Dünn- und Dickdarm haben eine große Ähnlichkeit mit dem von Hecke (1929) beschriebenen Fall. Hecke (1929) ordnete diese Form als typisch für Schistosoma reflexum ein. Als Ursache vermutete er ein Unterbleiben der Drehung der primitiven Darmschleife. Martin (1889) beschrieb das Längenwachstum des Darmrohres, bei geringem Wachstum des Gekröses als treibende Kraft der Schlingenbildung. Bevor die Bauchwand beim Embryo verschlossen wird, wirkt möglicherweise der Dottergang mit einer Zugwirkung auf die Darmanlage. Wenn bei einem physiologisch entwickelten Embryo sich die Bauchhöhle geschlossen hat, muss sich der Darm in Schlingen legen, um Platz zu finden. Beim Schistosoma reflexum ist genügend Platz für die Ausbreitung des Darmes, da die Bauchwand offen ist. Es findet jedoch eine Hemmung in der Ausdehnung des Darmes durch das Gekröse statt, so dass dies die Erklärung für die sich trotzdem ausbildenden zahlreichen Windungen sein könnte (Hecke 1929). Da bei physiologischer Entwicklung der Raum für die Ausbreitung des Dickdarmes sehr begrenzt ist, bildet sich eine Dickdarmscheibe aus. Beim Schistosoma reflexum ist aber genügend Platz vorhanden, so dass sich im Gegensatz zur Colonscheibe keine spiralige Aufrollung, sondern wie in dem vorliegenden Fall eine unregelmäßige Schlängelung bei kurzem Gekröse zeigen kann.

Das hier beschriebene Kalb zeigte eine Atresia ani sowie eine Bifurkation des Skrotums. Diese Kombination von Anomalien wurde auch von Cavalieri und Farin (1999) beschrieben. Das hier beschriebene Kalb hatte außerdem wie von Gurlt (1832) beschrieben, ungleichmäßig große Nieren. Da das Tier eine Fraktur der Tibia hatte, die wahrscheinlich durch den Auszugsversuch der Geburtshelfer entstand, und

auch eine fetale Atelektase der Lunge vorzufinden war, kann angenommen werden, dass das Kalb zum Zeitpunkt der Geburt tot war.

Das thorakoabdominale Syndrom beim Menschen wird von Carmi et al. (1990) und Pavari et al. (1994) als X-chromosomal dominant mit unvollständiger Penetranz beschrieben. Weibliche heterozygote Defektgenträger zeigen eine geringere Ausprägung der Defekte als männliche betroffene Individuen. Bei heterozygoten weiblichen Individuen traten Gaumenspalten, Omphalozelen und leichtere Defekte an der Mittellinie auf. Die Mutterkuh des hier beschriebenen Kalbes war wie ihre zwei bisherigen Kälber klinisch unauffällig. Ein X-chromosomaler kodominanter Erbgang wäre beim Rind möglich, wenn angenommen würde, dass weibliche heterozygote Anlageträger kaum sichtbare Defekte haben, wie z.B. sehr geringgradige Zwerchfellspalten, Gaumenspalten oder Nabelbrüche. Die volle Ausprägung des Defekts wäre dann unter diesen Annahmen nur bei homozygoten weiblichen oder hemizygoten männlichen Defektgenträgern möglich. Die Annahme eines X-chromosomalen Erbgangs erscheint nur dann möglich, wenn keine von Schistosoma reflexum betroffenen weiblichen Kälber auftreten, da fortpflanzungsfähige männliche Merkmalsträger nicht vorkommen. Bisher wurden jedoch mehrere Fälle von Schistosoma reflexum bei weiblichen Tieren beschrieben (Laughton et al., 2005;

Kovacs und Stranzinger, 2002). Somit käme ein mit dem TAS beim Menschen vergleichbarer X-chromosomaler Erbgang beim Rind nicht in Frage. Da die Ursachen, Ätiologie und auch die Pathogenese dieser komplexen Anomalie ungeklärt oder nur spekulativ sind und von einigen Autoren genetische Zusammenhänge vermutet werden, wäre eine umfangreiche Auswertung und Untersuchung von weiteren Fällen und Pedigreedaten notwendig, um mögliche genetische Ursachen aufzudecken. Durch die Aufklärung möglicher genetischer Ursachen ließen sich solche Defekte und die damit verbundenen wirtschaftlichen Schäden vermeiden. Die mit Schistosoma reflexum verbundenen wirtschaftlichen Schäden sind erheblich und betreffen auch häufig die Mutter des Kalbes (Knight, 1996). Zudem ist eine hohe Tierschutzrelevanz aufgrund der damit verbundenen Leiden, Schmerzen und Schäden an den Tieren gegeben.

Danksagung

Die Autoren danken der praktischen Tierärztin Jutta Hillesheim aus der Tierärztlichen Gemeinschaftspraxis Dr. Berit Kemper und Holger Seth, Furthweg 7, 27432 Alfstedt für die Meldung des Falles sehr herzlich.

Literatur

Carmi R, Meizner I, Katz M (1990): Familial congenital diaphragmatic defect and associated midline anomalies: Further evidence for an X-linked midline gene. Am J Med Gen 36: 313–315.

Cavalieri J, Farin PW (1999): Birth of a Holstein freemartin calf co-twinned to a schistosomus reflexus fetus. Theriogenology 52: 815–826.

Cergolj M, Tomašković A, Makek Z, Dobranić, T, Getz I (2002): Prävalenz der Missbildungen der Kälber und ihr Einfluss auf die Geburt. Tierärztl Umschau 57:

194–202.

Dahme E, Weiss E (1988): Grundriss der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere. Enke, 4. Aufl., Stuttgart, 316.

Dennis SM (1972): Schistosomus reflexus in conjoined twin lambs. Vet Rec 90: 509–

Dennis SM (1972): Schistosomus reflexus in conjoined twin lambs. Vet Rec 90: 509–