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Fissura pelvina mit Abdominalhernie und ektopischer Blasenmündung bei

Holstein Kalb.

Zusammenfassung

Ein weibliches, drei Tage altes, schwarz-buntes Kalb der Rasse Deutsche Holstein fiel mit einer hochgradigen Umfangsvermehrung des Abdomens in einem Milchviehbetrieb auf. Das Kalb stammte von einem Besamungsbullen ab. Die Untersuchung des Tieres ergab ein Spaltbecken, an dem der Schluss der Beckensymphyse nicht eingetreten war und der zu einer Abdomialhernie geführt hat.

Des Weiteren wurde eine ektopische Blasenöffnung festgestellt, jedoch war keine Harnröhre nachweisbar. Der Harnabsatz erfolgte permanent unkontrolliert entlang einer auf dem Bruchsack gelegenen Hautöffnung. Die Veränderungen waren seit der Geburt vorhanden und somit nicht die Folge eines Traumas.

Schlüsselwörter: Kalb, Deutsche Holsteins, Spaltbecken, Abdominalhernie, ektopische Blasenöffnung

Summary

A three days old, female, black and white German Holstein calf showed a high-graded enlargement of the abdomen. The animal was born at a dairy farm and it was sired by a bull used in artificial insemination. The examination of the animal showed a ventral cleft of the pelvis due to a missing closure of the pelvis symphysis. The abdominal hernia was in consequence of the cleft pelvis. Furthermore, the calf had an ectopic bladder aperture, but a urethra could not be found. A permanent and uncontrollable urine drip along an aperture on the hernial sack was observed. The defects were present since birth and not caused by a trauma.

Keywords: calf, German Holsteins, cleft pelvis, abdominal hernia, ectopic bladder aperture

Einleitung

Angeborene Anomalien des knöchernen Skelettes sind beim Rind keine Seltenheit.

Sie betreffen am häufigsten die Wirbelsäule und die Gliedmaßen (Bähr und Distl, 2005, Leipold et al., 1983). Defekte, die die knöchernen Anteile des Beckens betreffen, werden nur sehr selten beschrieben. Zu diesen Veränderungen gehört auch das Fehlen des Schlusses der Beckensymphyse, der als Spaltbecken bezeichnet wird (Gruber, 1922). Spaltbildungen können generell in den verschiedensten Organsystemen auftreten. So gibt es knöcherne Spaltbildungen, beispielsweise der Wirbelsäule (Rhachischisis), oder des Oberkiefers (Palatoschisis).

Es treten gelegentlich auch Spaltbildungen der Weichteile bei Tieren auf, wie es bei der Gastroschisis der Fall ist (Di Tanna et al., 2002; Herzog, 2001). Bei der Gastroschisis fallen Bauchorgane, die nicht von einem Bruchsack umgeben sind, aus dem unverschlossenen Bauchbereich hervor (Weir, 2003; Di Tanna et al., 2002).

Auch bei einer Spaltbildung des Beckens können Bauchorgane aus der Bauchhöhle vorfallen. Dieser Zustand kann auch als Eventratio bezeichnet werden (Gruber, 1922). Bei der Eventratio simplex sind die vorgefallenen Organe im Gegensatz zu den abdominalen Hernien nicht von einem Bruchsack umgeben. Eventratio simplex und abdominale Hernien können angeboren oder erworben sein (Weiss et al., 1992).

Abdominale Hernien, die zumeist traumatisch bedingt sind (Tirgari, 1980), kommen im Gegensatz zu anderen angeborenen Hernien, z.B. der Hernia umbilicalis, oder der Hernia diaphragmatica bei Wiederkäuern selten vor (Dennis und Leipold, 1968). Über das Vorkommen von angeborenen Spaltbecken in Verbindung mit abdominalen Hernien bei Tieren ist in der Literatur nur sehr wenig beschrieben. Die beim Menschen und bei Tieren häufig mit der Beckenspalte assoziierten Missbildungen des Urogenitaltraktes, wurden schon 1878 von Gurlt beschrieben. Es handelt sich zumeist um Mittelliniendefekte, die mit Verschlussstörungen der Blasenwand hervorgehen (Ekstrophie) (Martinez-Frias et al., 2001). Anhand einer Studie beim Kaninchen konnte nachgewiesen werden, dass die Entwicklung der Harnblase und der Verschluss des Beckens zeitlich in engem Zusammenhang stehen (Beaudoin et al., 2004). Auch beim Hund wird ein Fall von angeborenem Spaltbecken in Verbindung mit Inkontinenz beschrieben. So berichten Anders und Collins (2006)

über eine vier Monate alte, inkontinente Golden Retriever Hündin, die röntgenologisch ein Fehlen der Scham- und Sitzbeinsymphyse zeigte. Kerkmann et al. (2008) beschrieben ein weibliches Ziegenkreuzungslamm mit angeborenem Pseudoekstrophie-Komplex. Die Pseudoekstrophie geht mit Spaltbecken, Rektusdiastase und kaudal verlagertem Nabel einher (Ahmed und Abu Daia, 1998).

Des Weiteren zeigte das Ziegenlamm eine Urachusfistel, Darmduplikatur, Nabelbruch, Atresia ani und Kloakenbildung. Lapointe et al. (2000) berichteten über sechs miteinander verwandte Shorthorn Rinder, mit tibialer Hemimelie, welche auch mit abdominaler Hernie, Beckendeformationen mit fehlendem Symphysenschluss und Meningozele gekennzeichnet ist. Bei diesem Defekt konnte ein homozygot, rezessiver Erbgang nachgewiesen werden. Altmann (1925) untersuchte den Fall eines Steinbocks, bei dem die Ossa pubis nicht zur Symphyse vereinigt waren. Das Tier zeigte weitere Missbildungen wie eine überzählige Extremität, Atresia ani und urogenitale Missbildungen.

Der Epispadie-Ekstrophiekomplex des Menschen beschreibt angeborene Fehlbildungen des Urogenital- und Intestinaltraktes in unterschiedlichen Ausprägungsgraden. Unter Epispadie versteht man eine Hemmungsmissbildung, bei der die Harnröhre eine nach oben geöffnete Rinne bildet. Die Ekstrophie bezeichnet eine angeborene Verlagerung von Wandabschnitten eines Organs nach außen. Auch beim Menschen gehört das Spaltbecken zu den sehr seltenen angeborenen Missbildungen. Es tritt hierbei ein fehlender Schluss der Schambeinfugen und somit des Schambeins auf. Es führt bei Schwangeren zu Störungen beim Geburtsverlauf und hat vermehrt den Vorfall des Uterus nach der Geburt zur Folge. Klein (1893) beschrieb den Fall einer schwangeren Frau, die an einem Spaltbecken litt und eine ektopische Blase zeigte. Der Harnabsatz erfolgte unkontrolliert und träufelte anhaltend an der Bauchwand und an den Schenkeln herab. Berührungen der Blasenregion führten zu starken Schmerzen. Durch die Schwangerschaft und die dadurch entstehende Spannung der Bauchorgane verschlimmerten sich die Schmerzen der Frau. Die Geburt konnte mit Hilfe eines chirurgischen Schnittes im Dammbereich auf natürlichem Wege erfolgen. Häufiger kommen beim Menschen Hernien (Brüche) im Bereich des Beckens oder der Bauchwand in Verbindung mit

Narbenbrüchen vor, die zu den traumatisch bedingten Bauchbrüchen zählen (Moreno-Egea et al., 2006).

Material und Methoden

Am Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover wurde ein weibliches Kalb der Rasse Deutsche Holstein, Farbrichtung schwarzbunt, wegen des Auftretens einer massiven Umfangsvermehrung des Abdomens gemeldet. Das Tier wurde auf natürlichem Wege entwickelt. Die klinische Untersuchung sowie die Analyse des Pedigrees erfolgten im Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover am Tag der Einstallung. Das betroffene Kalb wurde im Institut für Pathologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule pathologischanatomisch und -histologisch vollständig untersucht. Es erfolgte eine virologische Untersuchung der Organe des Kalbes auf Bovine Virus Diarrhoe (BVD)–Virus Antigen (Ag) und Infektiöse Bovine Rhinotracheitis (IBR)-Virusantigene mittels immunfluoreszenzmikroskopischer Untersuchung und mittels PCR auf Bluetonguevirus 8-spezifische DNA-Sequenzen.

Ergebnisse Anamnese

Das Kalb wurde auf natürlichem Wege entwickelt und war nach der Geburt in einem guten Allgemeinzustand. Die Untersuchung des Bruchsackes ließ Darmschlingen im Inneren vermuten. Der Inhalt war reponierbar, fiel aber sofort wieder hervor. Es konnte keine Beckensymphyse palpiert werden, so dass sich der Verdacht auf ein angeborenes Spaltbecken ergab. Das Kalb verlor permanent Urin aus einer zusätzlichen Körperöffnung im Anogenitalbereich und entwickelte innerhalb von drei Tagen eine stark gerötete Erosion der Haut entlang des Bruchsackes mit dem Ursprung an der zusätzlichen Körperöffnung (Abb. 6.1). Das Tier zeigte am dritten Tag eine stark gekrümmte Rückenlinie (Abb. 6.2) und Bewegungsunlust und wurde aufgrund der Schmerzen und der schlechten Prognose euthanasiert.

Pathologisch-anatomische Untersuchungsbefunde

Das Tier wog 42 kg und hatte einen guten Ernährungszustand. Bei der Sektion zeigte sich, dass bei vorhandenen Foramina obturatoria die ventralen Anteile des Os pubis und die gesamte Crista symphysialis fehlten. Damit bestand eine ventrale Öffnung des Beckens. Folgende Beckenmaße wurden gemessen: Tuber coxae-Tuber ischiadicum: 24 cm, Mitte der Gelenkpfanne der Articulatio coxae-Mitte der Symphysenlinie: 6 cm, Tuber ischiadicum-Mitte der Symphysenlinie: 9,5 cm, Mitte der Gelenkpfanne der Articulatio coxae-Tuber ischiadicum: 11,5 cm. Im Inguinalbereich befand sich eine parallel zur Körperachse verlaufende Hauterosion von ca. 20 cm Länge und 5 cm Breite, die ihren Ursprung an der Blasenöffnung nahm. Der Anogenitaltrakt zeigte drei Körperöffnungen: eine dorsale für den Anus, eine für die Klitoris und die Vagina, die in den Uterus mündete und eine Körperöffnung, die direkt in die Blase führte (Abb. 6.3). Die Blase war von der distalen Körperöffnung auf ca. 10 cm sondierbar. Bei ventral offenem Becken war es zu einem Vorfall des Kolonkegels und einiger Dünndarmschlingen in diesen Bruchsack im Inguinalbereich gekommen. Die linke Uterushornspitze war über eine ca. 20 cm lange, bindegewebige Verbindung mit einer 2 x 2 x 2 cm großen Struktur verbunden. Um die rechte Nabelarterie befand sich eine bindegewebig demarkierte, Serosazyste, die einen Durchmesser von ca. 6 cm hatte, und etwa 10 cm dorsal des Hautnabels ihren Ursprung hatte.

Pathologisch-histologische Untersuchungsbefunde

Bei der histologischen Untersuchung zeigte die Haut auf der Oberfläche des Bruchsackes eine hochgradige, eitrig-nekrotisierende Dermatitis mit beginnender Granulationsgewebsbildung. Es lag eine mittelgradige eitrig-nekrotisierende Omphalitis simplex vor. Die Auskleidung der Serosazyste an der rechten Umbilikalarterie zeigte sich einschichtig, mit einer flachen Zelllage auf bindegewebigem Grundstock. Des Weiteren war sie durch eine fibrinopurulente subakute Serositis charakterisiert. In der Blase stellte sich eine diffuse, mittelgradige, granulo-histiozytäre Cystitis dar. Im Urachus wurde eine hochgradige, subakute, fibrino-purulente Urachitis mit Granulationsgewebsbildung festgestellt.

Virologische Untersuchungsbefunde

Die immunfluoreszenzmikroskopische Untersuchung auf BVD- und IBR/IPV Virusantigene verlief negativ. Bluetonguevirus 8-spezifische DNA-Sequenzen wurden nicht nachgewiesen.

Befunde der Pedigree-Analyse

Der Vater des Kalbes war ein Deutsche Holstein Besamungsbulle. Weitere Nachkommen dieses Besamungsbullen waren nicht auf dem Betrieb. Weitere betroffene Kälber des Bullen sind bisher nicht bekannt. Es waren auch keine weiteren Fälle von Missbildungen auf dem Betrieb aufgetreten. Es waren über drei Generationen keine gemeinsamen Vorfahren väterlicher- und mütterlicherseits vorzufinden.

Diskussion

Das untersuchte Kalb litt an einer Fissura pelvina mit Abdominalhernie und ektopischer Blasenmündung. Der fehlende Schluss der Beckensymphyse wird auch als Spaltbecken bezeichnet (Gruber, 1922). Spaltbildungen im unteren Bauchbereich sind häufig Mittelliniendefekte, die auf eine embryologische Mangelentwicklung des Mesoderms in diesem Bereich zurückgeführt werden können. Anhand einer Studie beim Kaninchen konnte nachgewiesen werden, dass die Entwicklung der Harnblase und der Verschluss des Beckens zeitlich in engem Zusammenhang stehen (Beaudoin et al., 2004). Bei dem beschriebenen Kalb fielen zwar keine weiteren Spaltbildungen im Urogenitaltrakt auf, jedoch konnten weitere Missbildungen, wie eine ektopische Blasenöffnung gezeigt werden. Die Blasenöffnung und die Vaginalöffnung waren getrennt angelegt. Es ließen sich insgesamt drei Körperöffnungen im Anogenitalbereich darstellen, eine dorsale für den Anus, eine für die Klitoris und die Vagina, die in den Uterus mündete und eine Körperöffnung, die direkt in die Blase führte. Eine Harnröhre konnte nicht gefunden werden. Klein (1893) beschreibt den ähnlichen Fall einer schwangeren Frau, die ebenfalls an einem Spaltbecken litt und eine ektopische Blase zeigte. Der Urin lief fortwährend aus einer

Öffnung direkt an der Blase ab. Die Frau hatte zwei weitere Öffnungen im Anogenitalbereich. Die eine für den Anus und die andere für die Vaginalöffnung, die in den Uterus mündete. Im Inguinalbereich des Kalbes befand sich eine parallel zur Körperachse verlaufende erosive Dermatitis von ca. 20 cm Länge und 5 cm Breite, die ihren Ursprung an der Blasenöffnung nahm. Aus ihr lief wie bei der von Klein (1892) beschriebenen Frau permanent Urin ab. Diese erosive Dermatitis könnte aufgrund der chronischen Reizung durch austretenden Blaseninhalt entstanden sein, ob es sich zusätzlich um eine Ekstrophie der Harnröhre handelt bleibt unklar, da das Epithel unter der Erosion nicht als Übergangsepithel identifizierbar war. Häufig ist das angeborene Auftreten von Spaltbecken mit weiteren Spaltdefekten des Urogenitaltraktes oder Blasenekstrophie verbunden (Kerkmann et al., 2008; Ahmed und Abu Daia, 1998). Unter Blasenekstrophie versteht man eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Ausstülpung der Schleimhautfläche von Hohlorganen, die durch fehlenden Verschluss während der Embryonalentwicklung ausgelöst wird (Rösch et al., 2006). Bei dem untersuchten Kalb war es durch das ventral geöffnete Becken zu einem Vorfall des Kolonkegels und einiger Dünndarmschlingen in diesen Bruchsack im Inguinalbereich gekommen. Die Darmschlingen waren vollständig von äußerer Haut bedeckt und wurden somit als abdominale Eventratio hernialis interpretiert, da die differentialdiagnostisch in Frage kommende Gastroschisis durch das Vorfallen der Bauchorgane durch die Bauchdecke ohne umgebenden Sack definiert wird.

(Weir, 2003; Di Tanna et al., 2002). Bei der Eventratio hernialis (Bruch) sind die vorgefallenen Bauchorgane von Bauchfell bedeckt (Weiss, 1992). Abdominale Hernien sind zumeist traumatisch bedingt (Tirgari, 1980), können aber auch angeboren sein (Dennis und Leipold, 1968). In der Embryonalentwicklung sind zunächst die Anlagen für das Schambein, das Darmbein und das Sitzbein, die zusammen das Hüftbein bilden getrennt angelegt. Später fusionieren sie auf jeder Seite zum knorpeligen Hüftbein, die sich dann anschließend in der Beckensymphyse vereinigen. Die Beckensymphyse wird kranial vom Schambein und kaudal vom Sitzbein gebildet (Nickel et al., 2003). Knapp um den Geburtszeitpunkt verwächst das Schambein mit dem Sitzbein (Rajtová, 1972). Das hier untersuchte Kalb hatte die Veränderungen schon bei der Geburt, so dass ein Trauma nahezu ausgeschlossen

werden kann. Spaltbildungen des Beckens in Zusammenhang mit Bauchbrüchen werden auch von Lapointe et al. (2000) bei Rindern im Zusammenhang mit dem homozygoten, rezessiven Tibialen Hemimelie Syndrom beschrieben. Bei diesem Syndrom treten abdominale Hernien, Beckendeformationen mit fehlendem Symphysenschluß und Meningozele auf. Pathomorphologische Veränderungen des zentralen Nervensystems konnten im vorliegenden Fall nicht nachgewiesen werden.

Daher ist ein Zusammenhang mit diesem Syndrom unwahrscheinlich. Kerkmann et al. (2008) fanden ein weibliches Ziegenkreuzungslamm mit angeborenem Pseudoekstrophie-Komplex (Spaltbecken, Rektusdiastase und kaudal verlagerter Nabel) Urachusfistel, Atresia ani und Kloakenbildung vor. Eine Ursache der Defekte konnte nicht ermittelt werden. Bei dem hier beschriebenen Kalb konnte keine Rektusdiastase und kein kaudal gelagerter Nabel vorgefunden werden. Daher kann nur auf eine gewisse Ähnlichkeit der Fälle hingewiesen werden. Eine vollständige Übereinstimmung der Defekte mit bisher beschriebenen Fällen ist den Autoren nicht bekannt. Bei der histologischen Untersuchung der Haut des Kalbes fiel auf der Oberfläche des Bruchsackes eine hochgradige, eitrig-nekrotisierende Dermatitis mit beginnender Granulationsgewebsbildung auf. Diese Veränderungen wurden interpretiert als eine vom chronischen Reiz durch permanent unkontrolliert austretenden Harn ausgelösten Entzündungen. In der Blase stellte sich histologisch eine diffuse, mittelgradige, granulo-histiozytäre Zystitis dar, die durch den erhöhten Infektionsdruck in der Blase durch die fehlende Harnröhre vermutet wurde.

Blasenentzündungen treten häufig bei Individuen mit kurzen Harnröhren auf (Dinkel et al., 2001). Die Ursache der Erkrankung blieb unklar. Viren wie IBR-, BVD- und Blauzungenvirus, die bei einer intrauterinen Infektion als Auslöser von Missbildungen beschrieben werden (Leipold et al., 1983; Greene et al., 1973), konnten durch virologische Untersuchungen ausgeschlossen werden. Häufig werden bei angeborenen Spaltbildungen genetische Ursachen vermutet (Kerkmann et al., 2008;

Lapointe et al., 2000). Um eine Erblichkeit des Defektes zu ermitteln und mögliche Vererber aus der Holsteinzucht zu entfernen, ist es notwendig weitere ähnliche Fälle zu ermitteln und zu vergleichen. Da betroffene Tiere aufgrund schlechten Prognose, der starken Schmerzen und der möglichen Erblichkeit euthanasiert werden müssen,

entstehen für betroffene Betriebe auch wirtschaftliche Schäden, die nur durch Ermittlung und Aussortieren von Vererbern vermindert werden können.

Literatur

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Kapitel 7

Palatoschisis bei drei Deutschen Holstein Kälbern

Bettina Constanze Buck1, Verena Haist2, Reiner Ulrich2, Stephanie Klein2, Heidi Kuiper1, Marion Hewicker-Trautwein2, Andreas Beineke2, Ottmar Distl1

¹Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

²Institut für Pathologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Angenommen zur Veröffentlichung in „Praktischer Tierarzt“