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Ein Fall von hochgradigem Hydrozephalus internus und Dandy-Walker-

der Rasse Deutsche Holsteins

Zusammenfassung

Bei einem weiblichen Kalb der Rasse Deutsche Holsteins, Farbrichtung schwarzbunt, trat eine hochgradige Deformation des Schädels in Form eines „Turmschädels“ auf.

Das Tier zeigte eine Tetraparese und konnte nicht stehen. Weiterhin war ein bilateraler Strabismus divergens festzustellen, der Drohreflex fehlte und beiderseits waren die Pupillarreflexe verzögert. Die Untersuchung mittels Magnet-Resonanz-Tomographie und die pathologisch-anatomische Untersuchung zeigten, dass das Großhirn hochgradig bis auf 0,7 bis 2 cm breite Areale atrophiert und durch ein mit 1,5 Litern gefülltes Ventrikelsystem verdrängt worden war. Die Kleinhirnhemisphären wurden durch den dilatierten vierten Ventrikel auseinandergedrängt. Zusätzlich fielen eine Agenesie von Vermis und Pons sowie eine bis in den Halswirbelsäulenbereich reichende Flüssigkeitsansammlung im Subarachnoidalraum auf. Auf dem Betrieb waren keine weiteren missgebildeten Nachkommen der Eltern, von denen das hier untersuchte Kalb abstammt, bekannt. Das Tier war aufgrund der Pedigreeinformationen nicht ingezüchtet. Die Untersuchung auf Chromosomenanomalien an 30 Metaphasen war ohne besonderen Befund.

Infektiöse und parasitäre Ursachen konnten ausgeschlossen werden. Sehr seltene Defektallele könnten zur Entstehung der Missbildung geführt haben.

Schlüsselwörter: ZNS, Missbildung, Deutsche Holsteins, Hydrozephalus internus, Dandy-Walker-Syndrom.

Summary

A black and white female German Holstein calf showed a highly deformed cranium.

The animal was not able to stand. Further findings were bilateral strabismus divergens and negative pupillary light reflexes. Magnetic resonance imaging and

pathological-anatomical examination showed that the cerebrum was replaced to a high degree by the ventricle system filled with 1.5 litter of cerebrospinal fluid. The hemispheres of the cerebellum were ruptured by the dilated fourth ventricle. In addition, the vermis and pons were missing and fluid accumulation in the subarachnoidal space extending up to the first spinal cord segments was visible.

Inbreeding was not detected in the three-generation-pedigree. No other affected calves from the same parents were known at the farm. Chromosomal abnormalities could not be detected after examination of 30 metaphase spreads using a light microscope. Infections and parasitic diseases could be ruled out for this anomaly.

Very rare defect alleles might have been involved in the development of these inborn defects.

Keywords: CNS, malformation, German Holstein, hydrocephalus internus, Dandy-Walker-syndrome.

Einleitung

Bei der Ausbildung des zentralen Nervensystems bei Rindern kann eine Vielzahl unterschiedlicher Defekte auftreten (Greene et al., 1973). Kongenitale Anomalien des Zentralen Nervensystems (ZNS) äußern sich in Abweichungen der Struktur, Funktion oder Formation. Kongenitaler Hydrozephalus tritt in drei Formen auf. Der Hydrozephalus externus ist durch eine vermehrte Ansammlung von Flüssigkeit im arachnoidalen System charakterisiert, beim Hydrozephalus internus liegt eine Akkumulation von Flüssigkeit im Ventrikelsystem vor und beim kommunizierenden Hydrozephalus sind Flüssigkeitsansammlungen im Ventrikelsystem sowie im arachnoidalen Raum festzustellen. Beim Hydrozephalus internus tritt häufig die Ansammlung von Flüssigkeit in der kranialen Höhle des Ventrikelsystems auf. Diese Form des Hydrozephalus internus kann isoliert vorkommen oder in Kombination mit weiteren Missbildungen auftreten. Das Vorkommen dieser Anomalie ist bei Rindern etwa genauso häufig wie beim Menschen (Leipold et al., 1983; Leipold und Dennis, 1987; Cho und Leipold, 1978; Leech et al., 1978). Eine weitere Form des Hydrozephalus internus, bei der das kaudale Ventrikelsystem erweitert ist, ist die

„Dandy-Walker-Malformation“ (DWM). Diese Missbildung stellt sich als eine Kombination von Hydrozephalus internus, Aplasie oder Hypoplasie des zerebellären Vermis, zystischer Erweiterung des vierten Ventrikels und seiner Wand und einem veränderten, verdünnten, medullaren Velum dar (Leipold und Dennis, 1987). Beim Menschen stellt sich die DWM als klinisch heterogene Anomalie dar, die vermutlich durch mehrere Gene beeinflusst wird (Murray et al., 1985). Es gibt zahlreiche Ursachen für das Auftreten eines angeborenen Hydrozephalus internus. Herzog (2001) nimmt an, dass Störungen im Abfluss-System des Liquor cerebrospinalis, wie bei Stenosen des Aquaeductus sylvii oder Verlagerung der Foramina interventriculares oder Magendii, eine vermehrte Flüssigkeitsansammlung verursachen. Es werden stoffwechselbedingte, genetische und umweltbedingte Ursachen beschrieben (Embury und Jerett, 1985; Leipold et al., 1983; Urman und Grace, 1964). Als infektiöse Erreger werden vor allem intrauterine virale Infektionen wie das Bovine Virus Diarrhöe-Virus (BVDV) und Bluetongue-Virus sowie Protozoeninfektionen genannt. Des Weiteren werden als toxische Auslöser von Hydrozephalus pflanzliche Alkaloide beschrieben (Tunca et al., 2006, Washburn und Streeter, 2004 Dubey et al., 1998). Auch genetische Zusammenhänge werden vermutet (Leech et al., 1978; Nuss et al., 1967; Urman und Grace; 1964 Barlow und Donald, 1963). Als Ursachen für angeborenen Hydrozephalus werden zum Beispiel erbliche Kupferakkumulationen und freie Radikale in der Leber bei Ayrshire Rindern beschrieben (Nuss et al., 1967). Zwei Fälle von DWM wurden von Jeffrey et al.

(1990) beschrieben. Beide Kälber zeigten zystenähnliche Dilatationen des 4.

Ventrikels und eine Aplasie des zerebellären Vermis. Nur beim ersten Kalb konnte eine BVD-Virus Infektion festgestellt werden. Bei beiden Tieren konnte kein Foramen Magendii vorgefunden werden, welches einen Austrittspunkt für zerebrospinalen Liquor des vierten Ventrikels darstellt (Wilson, 1937). Das zweite Kalb zeigte zusätzlich eine Agenesie des Corpus callosums. Die Ursachen der Anomalien konnten nicht gefunden werden. Beim Menschen werden viele Ursachen für angeborenen Hydrozephalus internus beschrieben (Baethmann et al., 2000; Sandig et al., 1979). In einer Studie mit 35 Patienten mit angeborenem Hydrozephalus internus wurden bei einigen Patienten postinfektiöse Ursachen in Form von

Toxoplasma gondii und Rubella-Infektion nachgewiesen sowie genetische Ursachen in Verbindung mit VACTERL-Assoziation (autosomal oder X-gekoppelt), Walker-Warburg-Syndrom, Wolf-Hirschhorn-Syndrom, Hurler-Krankheit, Achondroplasie, Krabbe-Krankheit, complex brain malformation und nicht klassifizierte Erkrankungsformen vorgefunden. Beim Hydrozephalus kommen beim Menschen sowohl autosomal wie X-rezessiv vererbte Formen vor (Zlotogora et al., 1994). Beim Menschen wurde zudem eine sehr seltene Form des Hydrozephalus internus mit zerebellärer Agenesie beschrieben. Die Ursache hierfür wurde in einem X-rezessiven Defekt vermutet (Riccardi und Marcus, 1978). In der vorliegenden Arbeit soll ein zwei Tage altes weibliches Kalb mit hochgradigem angeborenem Hydrozephalus internus und massiver Atrophie aller Strukturen des zentralen Nervensystems näher untersucht und mögliche Ursachen diskutiert werden. Die Besonderheit an diesem Fall war, dass das Tier trotz der hochgradigen Veränderungen der Großhirnhemisphären infolge des Hydrozephalus internus zwar nicht aufstehen und laufen konnte, sonst jedoch alle lebenswichtigen Funktionen zeigte und mehrere Tage mit nahezu ungestörtem Allgemeinbefinden leben konnte.

Material und Methoden

In einem Milchviehbetrieb mit ca. 100 Deutschen Holstein Kühen wurde ein weibliches Kalb der Rasse Deutsche Holsteins, Farbrichtung schwarzbunt, mit einem

„Turmschädel“ geboren. Im Alter von zwei Tagen wurde das Kalb an das Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule zur weiteren Untersuchung gebracht (Abb. 2.1). Die Geburt erfolgte per vias naturales, verlief jedoch aufgrund des zu großen Kopfes mit einigen Komplikationen beim Auszug. Der Vater des Kalbes war ein Deutsch-Holstein-Besamungsbulle der Farbrichtung rotbunt. Am fünften Lebenstag wurde das Kalb euthanasiert. Am Institut für Tierzucht und Vererbungsforschung wurde eine Allgemeinuntersuchung durchgeführt, und es wurden Liquorproben für weitere Untersuchungen entnommen.

Am Institut für Virologie erfolgte eine virologische Untersuchung mittels ELISA auf Antigen (Ag) und Antikörper (Ak) von BVDV und Infektiöser Boviner Rhinotracheitis (IBR). In der Klinik für Kleintiere der Tierärztlichen Hochschule wurde eine

ophthalmologische Augenuntersuchung einschließlich einer sonographischen Darstellung der Augen und Sehnerven durchgeführt. Im Anschluss an eine neurologische Untersuchung wurde eine Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT, Magnetom impact plus, 1,0 Tesla, Siemens, Medical Solutions Magnetic Resonance Imaging, Forchheim) sowie eine Computertomographie (CT, Somatom spiral AT, Siemens) des Kopfes in Vollnarkose vorgenommen. Sowohl die CT- als auch die MRT-Untersuchung erfolgte in Brustbauchlage. Am Institut für Pathologie wurde das Tier einer pathologisch-anatomischen und pathologisch-histologischen Untersuchung unterzogen. Von dem betroffenen Tier konnten die Abstammungsdaten erfasst und mittels des Programmes Opti-Mate, Version 3.81 (Wrede und Schmidt, 2003) analysiert werden.

Ergebnisse

Klinische Untersuchung

Das Tier wog bei der Ankunft 38 kg. Das Kalb konnte nicht aufstehen und verharrte in aufrechter Brust-Bauch-Lage. Es war während der Untersuchungen ruhig und aufmerksam. Der stark vergrößerte Kopf wurde von dem Tier meistens auf dem Boden aufgestützt, konnte jedoch auch ohne Unterstützung aufgerichtet werden. Das Kalb zeigte bei der Allgemeinuntersuchung einen gut ausgebildeten Saugreflex und eine gute Nahrungsaufnahme. Der Ernährungszustand des Tieres war gut. Die Atemfrequenz lag bei 26 Zügen in der Minute, die Herzfrequenz bei 86 Schlägen in der Minute. Es konnte eine Durchfallerkrankung festgestellt werden.

Neurologische Untersuchung

Das Bewusstsein war ungestört. Das Tier zeigte eine hochgradige Tetraparese bei fehlenden Haltungs- und Stellreaktionen auf allen vier Gliedmaßen. Bei der Untersuchung der spinalen Reflexe zeigte das Kalb an der linken Vordergliedmaße einen klonischen M.-extensor-carpi-radialis-Reflex. Die spinalen Reflexe der anderen Gliedmaßen waren ohne besonderen Befund. Die Untersuchung der Kopfnerven ergab eine beiderseits negative Drohantwort, einen bilateralen Strabismus divergens sowie eine ebenfalls beidseitig verzögerte direkte und indirekte Pupillarreaktion. Die

erhobenen neurologischen Befunde sprachen für multifokale Läsionen im Bereich des Hirnstamms, des Mittelhirns und des hochzervikalen Bereiches im Rückenmark.

Augenuntersuchung

Der Drohreflex war beidseitig negativ, der Blendreflex ebenfalls. Der Pupillarreflex war beidseitig verzögert. Der intraokuläre Druck betrug beidseitig zehn mm Hg. Die Kornea und die vordere Augenkammer waren ohne besonderen Befund. Bei der Untersuchung der Linse fanden sich beidseitig an der posterioren Linsenkapsel Reste der Tunica vasculosa lentis ohne Blutführung. Bei der Fundusuntersuchung zeigte sich eine Vorwölbung der Papillen. Bei der Ultraschalluntersuchung konnten der Augenhintergrund, die Arteria hyloidea und die vorgewölbten Papillen dargestellt werden (Abb. 2.2).

Computertomographische und magnetresonanztomographische Untersuchung Die Computertomographie des Schädels demonstrierte deutlich die knöchernen Strukturen des schon äußerlich offensichtlichen Turmschädels mit einem mittig auf dem Apex gelegenen, längsovalen Knochendefekt von acht cm Länge und einer Breite von fünf cm (Abb. 2.3). Bei der MRT wurden vom Schädel T1- und T2-gewichtete Sequenzen in dorsaler, transversaler und sagittaler Schnittrichtung sowie eine sagittale T2-gewichtete Sequenz im Bereich der Halswirbelsäule durchgeführt.

Es zeigte sich eine hochgradige Dilatation des gesamten Ventrikelsystems mit einer Ausdehnung an der weitesten Stelle von 16,0 cm Länge, 12,5 cm Breite und 13,4 cm Höhe. Nahezu die gesamte Hirnhöhle war durch die vergrößerten Ventrikel ausgefüllt. Die Großhirnrinde im Bereich des frontalen und parietalen Kortex war auf eine maximale Dicke von 2,1 cm atrophiert. Der okzipitale Kortex war nicht darstellbar (Abb. 2.4). Die kaudale Hälfte der Hirnhöhle wurde von zwei dünnen, septenartigen Strängen durchzogen, die dorsal einen gemeinsamen Ursprung hatten und getrennt voneinander in einem Winkel von 26° nach ventral verliefen, um an der Schädelbasis zu enden. Der Hirnstamm und die Medulla oblongata stellten sich sehr schmal dar und der Pons schien nicht angelegt zu sein. Die Kleinhirnhemisphären waren vorhanden, aber stellten sich als voneinander getrennt dar, da kein Vermis

angelegt war und der dilatierte vierte Ventrikel die beiden Kleinhirnhemisphären auseinander drängte. Beim Übergang in das Rückenmark bestand ab dem ersten Halswirbel eine hochgradige Dilatation des Subarachnoidalraums, der sich bis zum Übergang zwischen dem zweiten und dritten Halswirbel fortsetzte und sich im weiteren kaudalen Verlauf des Rückenmarks verringerte.

Liquoruntersuchung

Der Liquor zerebrospinalis aus den erweiterten Seitenventrikeln wies in der zytologischen Untersuchung 1 Leukozyten pro µl [Referenz: 0-5 Leukozyten/µl], sowie 200 Erythrozyten pro µl [Referenz: 0-1 Erythrozyten/µl] auf. Die biochemische Untersuchung ergab einen Glucosegehalt von 4,9 mmol/l (88 mg/dl) und einen Proteingehalt von 10 mg/dl [Referenz: < 40 mg/dl]. Damit ergaben sich keine Hinweise auf entzündliche oder infektiöse Prozesse im ZNS. Die erhöhte Erythrozytenzahl ist als ein Punktionsartefakt zu interpretieren.

Virologische Untersuchung

Die virologischen Untersuchungsergebnisse des Kalbes und seiner Mutter auf IBR- und BVDV-Antigen und -Antikörper verliefen negativ.

Pathologisch- anatomische Untersuchung

Der Schädel zeigte eine dorso-ventrale Auswölbung von 22 cm Höhe. Vom Niveau der Augen aus gemessen betrug die Aufwölbung der Schädelkalotte 11 cm. Rostro-kaudal fand sich eine 14 cm lange und latero-lateral eine 13 cm lange Ausdehnung des Schädelknochens. Dorsal zeigte sich ein ca. 8,5 x 5 cm großer, zentral gelegener, nur von einer Membran bedeckter Knochendefekt (Abb. 2.5). Das Herz zeigte eine geringgradige, akute Rechtsherzdilatation. Die linke Niere war kleiner als die rechte Niere, beide Nieren waren hochgradig zystisch verändert (Abb. 2.6). Die Untersuchung des ZNS ergab einen hochgradigen Hydrozephalus internus mit einem Flüssigkeitsvolumen von ca. 1,5 Litern im Großhirnbereich und eine hochgradige Atrophie der gesamten Großhirnsubstanz. Es waren überwiegend lateral zusammenhängende Großhirnareale mit hirnwindungsartiger Struktur vorzufinden.

Diese dorsal nicht verbundenen Areale der Großhirnhemisphären waren an ihrer schmalsten Stelle ca. 0,7 cm und an ihrer breitesten Stelle ca. zwei cm breit. Auch ventral und kaudal waren diese Areale teilweise nur über schmale Streifen miteinander verbunden (Abb. 2.7). Das Gehirn zeigte keinen Pons. Anstelle des Kleinhirnvermis zeigte sich zwischen den Kleinhirnhemisphären dorsal eine im Durchmesser 0,3 cm starke Gewebebrücke als Verbindung beider Seiten (Abb. 8).

Pathologisch- histologische Untersuchung

Die Auskleidung des flüssigkeitsgefüllten Hohlraumes im Großhirn bestand aus ependymartigen Zellen. Das zentrale Nervensystem wies im Kleinhirn in zahlreichen Lamellen segmental Verdacht auf fehlende Purkinjezellen. Der Cortex war ohne besonderen Befund, die vorhandenen Fasern bestanden aus weißer Substanz und Gefäßen. Bei der Untersuchung der rechten Niere fanden sich eine Zystenniere und eine hochgradige Hydronephrose mit hochgradig dilatierten, distalen Tubuli, unvollständig ausgebildeten Nierenkörperchen, mittelgradiger Papillenfibrose sowie eine geringgradige lympho-histiozytäre interstitielle Nephritis. Bei der Untersuchung der linken Niere konnte eine hochgradige Papillenfibrose, Zystenbildung und eine hochgradige Hydronephrose mit Fehlen von distalen Tubulusabschnitten im Bereich der Papille, mit rudimentär angelegten Nierenkörperchen und einer mittelgradigen multifokalen interstitiellen Fibrose festgestellt werden.

Zytogenetische Untersuchung

Bei der zytogenetischen Untersuchung des Kalbes konnten lichtmikroskopisch weder erkennbare Abweichungen in der Chromosomenanzahl noch strukturelle Chromosomenanomalien nachgewiesen werden. Das Tier wies den Karyotyp eines weiblichen Rindes mit 2n = 60, XX auf.

Analyse der Pedigrees

Das Pedigree des missgebildeten Deutsch-Holstein-Kalbes war über drei Generationen nachverfolgbar. Weitere missgebildete Nachkommen waren auf dem Betrieb nicht bekannt. Es konnten keine gemeinsamen Vorfahren väterlicher und

mütterlicherseits in dem Pedigree ermittelt werden. Die Mutter des Kalbes hatte bereits fünf klinisch unauffällige Kälber geboren.

Diskussion

Die Besonderheit dieses Falles ist durch die Kombination eines Dandy-Walker- Syndroms mit einem hochgradigen Hydrozephalus internus der Seitenventrikel gegeben. Die hochgradige Tetraparese des Kalbes erklärt sich wahrscheinlich durch das Fehlen von Pons und Vermis, da beide Gehirnbereiche maßgeblich an der Entstehung und Koordination des Gangs beteiligt sind (Lorenz und Kornegay, 2004).

Bei Läsionen im Bereich des Hirnstamms kann es ebenso zu vestibulären Symptomen wie zur Ausbildung eines Strabismus, Nystagmus oder einer Kopfschiefhaltung kommen (Duensing und Schaefer, 1957). Bei dem hier beschriebenen Fall war ein Strabismus divergens als vestibuläres Symptom ausgeprägt. Eine beidseitig fehlende Drohantwort kann neben ophthalmologischen Ursachen auch durch neurologische Läsionen im Bereich der Sehbahnen, des Hirnstamms und des Kleinhirns erklärt werden. Da es sich aber um eine in den ersten Lebenswochen erlernte Reaktion handelt, kann im vorliegenden Fall nicht klar von einem neurologischen Defizit gesprochen werden (Constable, 2004). Der klonische M.-extensor-carpi-radialis-Reflex in der linken Vordergliedmaße kommt durch eine einseitig fehlende Inhibition im Bereich des oberen motorischen Neurons zu Stande. Dies kann sowohl durch die Kleinhirnmissbildung als auch durch eine Läsion in Folge der Dilatation des Subarachnoidalraums im Bereich des oberen Halsrückenmarks bedingt sein (Vandevelde et al., 2001). Es ließen sich aber keine eindeutigen strukturellen Ursachen für das einseitige Auftreten der klonischen Reflexantwort finden, so dass dieser Befund nur funktionell zu erklären ist. Die zu Grunde liegende Ursache für die hier beschriebenen neurologischen Ausfälle liegt vermutlich in der massiven Ausprägung des Hydrozephalus internus. Durch die invasive Ausbreitung der mit 1,5 Litern Flüssigkeit gefüllten zystenartigen Erweiterung des Ventrikelsystems kam es zum Verlust von Gehirnsubstanz in Folge der Druckatrophie. Der massive intrakranielle Druck ist ebenso ursächlich für die auffallende Aufwölbung des Schädels und des Angesichts sowie für die vorgewölbten

Papillen des Sehnervs. Wie beim Dandy-Walker-Syndrom beschrieben (Madarame et al., 1990; Leipold und Dennis, 1987), wies das Tier eine Kombination zwischen Hydrozephalus internus, Agenesie von Vermis und Pons und zystischer Dilatation der Ventrikel mit ependymaler Auskleidung auf. Allerdings ist beim Dandy-Walker-Syndrom häufig nur der vierte Ventrikel dilatiert und das Großhirn normal ausgebildet, während in dem hier beschriebenen Fall das Großhirn massive Veränderungen und eine starke Erweiterung der beiden Seitenventrikel zeigte.

Madarame et al. (1990) beschrieben einen ähnlichen Fall eines Kalbes mit Dandy-Walker-Syndrom in einem Japanese Black-Kalb. Es zeigte eine Agenesie des Vermis und der kaudalen Hälfte des Kleinhirns und eine zystische Dilatation des vierten Ventrikels. Der stark erweiterte vierte Ventrikel war mit zwei Lagen unterschiedlichen Gewebes ausgekleidet, wobei die innere Membran ependymale und die äußere Membran arachnoidale Strukturen enthielten. Die Großhirnhemisphären erschienen von außen normal. Die Pons war jedoch in seiner Größe reduziert. Dieses Kalb konnte ebenfalls nicht stehen und zeigte unkoordinierte Bewegungen. Weitere Ähnlichkeiten zeigt der hier von uns beschriebene Fall mit den von Barlow und Donald (1963) aufgeführten Fällen in einer Ayrshire-Herde, in der es in zwei Jahren zu Geburten von 15 Kälbern mit Hydrozephalus-Symptomatik kam. Die Tiere zeigten verschiedene Veränderungen: meist war die Fontanelle offen, die lateralen Ventrikel und die ventrale Hemisphäre dilatiert und die Großhirnrinde bis auf eine dünne Gewebeschicht reduziert. Bei zwei Kälbern war der Sehnerv verschattet, bei einigen das dorsale Angesicht länger und mehr konvex. Das Kleinhirn erschien in allen Fällen normal. Eine erbliche Ursache wurde vermutet, konnte aber nicht ausreichend belegt werden. Auch bei dem hier untersuchten Fall war die Fontanelle offen, der Sehnerv verändert und das Angesicht aufgrund des „Turmschädels“ missgebildet.

Auch eine deutliche Reduktion der Großhirnrinde wurde vorgefunden. Im Unterschied zu den von Barlow und Donald (1963) beschriebenen Fällen zeigte auch das Kleinhirn erhebliche Defekte. Eine weitere Ähnlichkeit besteht mit dem von Ueltschi et al. (1973) beschriebenen Fall eines zwei Tage alten Kalbes, welches Pendelbewegungen, Opisthotonus und gestreckte Gliedmaßen zeigte. Alle Reflexe waren vorhanden, der Augenhintergrund war unauffällig. Neben einer Erweiterung

des mittleren und kaudalen Großhirnabschnittes wurde eine Arachnoidalzyste vorgefunden. Im Bereich des Okzipitallappens war die Rinde stark verdünnt. Das Tier konnte nicht stehen. Eine Infektion mit BVDV, die von Jeffrey et al. (1990) im Zusammenhang mit dem Auftreten eines Dandy-Walker-Syndroms beschrieben wurde, konnte durch virologische Untersuchungen ausgeschlossen werden. Dubey et al. (1998) stellten den Fall eines aufgrund von Neospora caninum abortierten Kalbes vor, welches flüssigkeitsgefüllte, dilatierte Seitenventrikel und eine Hypoplasie von Kleinhirn und Medulla aufwies. Bei dem hier von uns beschriebenen Fall wurden weder in der Untersuchung des Liquors noch in der pathologisch-histologischen Untersuchung Anzeichen einer Infektion oder eines entzündlichen Geschehens vorgefunden. Auch konnten pathologisch-histologisch keine Anzeichen einer stoffwechselbedingten Erkrankung festgestellt werden. Somit können infektiöse und stoffwechselbedingte Ursachen für den hier vorliegenden Fall ausgeschlossen werden. Eine genetische Ursache kann hier anhand der vorhandenen Daten nicht nachgewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Allerdings sind keine weiteren derartigen Fälle von missgebildeten Kälbern dieses Bullen oder seiner Mutter bekannt und es konnten keine Chromosomenanomalien des Kalbes festgestellt werden. Bei einem seltenen Allel oder seltenen Allelkombinationen können derartige einzelne Fälle infolge von genetischen Mutationen auftreten. Eine X-rezessive Vererbung wie dies beim Menschen bei DWM oder Hydrozephalus der Fall sein kann, ist bei diesem weiblichen Kalb jedoch auszuschließen, da männliche Merkmalsträger nicht lebensfähig sind, und weibliche Merkmalsträger nur entstehen können, wenn auch der Vater X-chromosomale Defektallele überträgt.

des mittleren und kaudalen Großhirnabschnittes wurde eine Arachnoidalzyste vorgefunden. Im Bereich des Okzipitallappens war die Rinde stark verdünnt. Das Tier konnte nicht stehen. Eine Infektion mit BVDV, die von Jeffrey et al. (1990) im Zusammenhang mit dem Auftreten eines Dandy-Walker-Syndroms beschrieben wurde, konnte durch virologische Untersuchungen ausgeschlossen werden. Dubey et al. (1998) stellten den Fall eines aufgrund von Neospora caninum abortierten Kalbes vor, welches flüssigkeitsgefüllte, dilatierte Seitenventrikel und eine Hypoplasie von Kleinhirn und Medulla aufwies. Bei dem hier von uns beschriebenen Fall wurden weder in der Untersuchung des Liquors noch in der pathologisch-histologischen Untersuchung Anzeichen einer Infektion oder eines entzündlichen Geschehens vorgefunden. Auch konnten pathologisch-histologisch keine Anzeichen einer stoffwechselbedingten Erkrankung festgestellt werden. Somit können infektiöse und stoffwechselbedingte Ursachen für den hier vorliegenden Fall ausgeschlossen werden. Eine genetische Ursache kann hier anhand der vorhandenen Daten nicht nachgewiesen, aber auch nicht ausgeschlossen werden. Allerdings sind keine weiteren derartigen Fälle von missgebildeten Kälbern dieses Bullen oder seiner Mutter bekannt und es konnten keine Chromosomenanomalien des Kalbes festgestellt werden. Bei einem seltenen Allel oder seltenen Allelkombinationen können derartige einzelne Fälle infolge von genetischen Mutationen auftreten. Eine X-rezessive Vererbung wie dies beim Menschen bei DWM oder Hydrozephalus der Fall sein kann, ist bei diesem weiblichen Kalb jedoch auszuschließen, da männliche Merkmalsträger nicht lebensfähig sind, und weibliche Merkmalsträger nur entstehen können, wenn auch der Vater X-chromosomale Defektallele überträgt.