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3.2 Gesundheitsschutzfaktoren, Persönlichkeit und Emotionen

3.2.1 Selbstwirksamkeits- und Kompetenzerwartung

Die Selbstwirksamkeitstheorie geht auf den Lerntheoretiker und Verhaltenstherapeuten Albert Bandura zurück, in dessen sozial-kognitiver Theorie66 die Wahrnehmung von Selbstwirksam-keit das zentrale psychologische Konstrukt darstellt (vgl. Bandura, 1977; 1992). Wie bei der Hilflosigkeitstheorie handelt es sich bei der Selbstwirksamkeitstheorie um ein ursprünglich lerntheoretisch begründetes Konzept, das wichtiges Grundlagenwissen zur Entstehung ge-sundheitsbezogenen Verhaltens bietet. Eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung gilt als „kogni-tiver Mittler der Stressreaktion“ (Bandura, 1985, S. 411) und als bedeutsame personale Res-source bei der Bewältigung verschiedenster Anforderungen (vgl. Bandura, 1977). Ausgangs-punkt für die Entwicklung der Theorie waren Beobachtungen in der Verhaltenstherapie. Nach-dem man lange Zeit geglaubt hatte, dass Menschen vor allem durch Bekräftigung lernen, etwa, wenn sie systematisch für eine erfolgreiche Handlungsausführung belohnt werden, hat sich erst später die präzisere Auffassung verbreitet, dass es nicht so sehr die Bekräftigung oder die Kontingenzen sind, die das Verhalten ändern, sondern vielmehr die Erwartungen über solche Kontingenzen, also die Kognitionen (vgl. ebd., S. 191 ff.). Auch in diesem Aspekt zeigen sich deutliche Parallelen zur Entwicklung der Theorie der gelernten Hilflosigkeit, die in ihrer Refor-mulierung ja auch die subjektive Erwartung, die bedeutsamen Ereignisse der persönlichen Zu-kunft durch eigenes Handeln nicht beeinflussen zu können, in den Mittelpunkt gestellt hat (vgl.

Klauer, S. 65).

niserwartungen dazu, positive Ergebnisse zu erwarten und in Bezug auf den Ausgang von Ereignissen hoff-nungsvoll und zuversichtlich zu sein (vgl. ebd.; vgl. a. Bengel u.a., 1998, S. 57). Tatsächlich konnte in mehreren Studien belegt werden, dass sich eine optimistische Grundüberzeugung – u. a. bei der Genesung nach Bypass-Operationen und nach chirurgischen Eingriffen bei Brustkrebs – positiv auf die Gesundheit und die Bewältigung unterschiedlichster Gesundheitsprobleme auswirkt (vgl. für einen Überblick: Schwarzer, 1996, S. 17ff.; vgl. a. Bengel u.a., 1998, S. 57 f.). Allerdings wäre es ungerechtfertigt, hieraus zu schlies-sen, dass eine rosa gefärbte Zukunftssicht oder triviales „positives Denken“ in jedem Fall günstig für die Zu-kunft ist (vgl. Kaluza, 1996, S. 43). Ein so genannter naiver oder defensiver Optimismus kann nämlich dazu führen, dass Gefahren übersehen oder Risiken ignoriert werden (vgl. Schwarzer, 1993, S. 8ff.). Demgegen-über sollte der Schwerpunkt psychologischer Gesundheitsförderung „in der Kultivierung des funktionalen Optimismus liegen, wobei insbesondere das subjektive Handlungspotential zu betonen ist, also das Vertrau-en auf die eigVertrau-ene Fähigkeit, sein LebVertrau-en so zu gestaltVertrau-en, daß gesundheitliche RisikVertrau-en von vorneherein ver-mindert werden“ (ebd., S. 27). Ein grundsätzliches Problem des Konzepts wird in seiner Diffusität gesehen (vgl. Schwarzer, 1996, S. 19). Unter anderem hat es heftige Kritik an dem zugehörigen Messinstrument, der Optimismus-Skala gegeben, weil diese mit anderen Faktoren wie Pessimismus oder Ängstlichkeit vermischt sei. Kritisiert wird auch eine mangelnde Abgrenzung des Konzepts zu dem der generalisierten Kompetenzer-wartungen. Schwarzer meint daher, dass „wir besser beraten (sind), uns von vorneherein der Kompetenzerwar-tung anstelle des dispositionellen Optimismus zu bedienen“ (ebd.).

66 In dieser Theorie, die früher „soziale Lerntheorie“ hieß, „löst die eigene Erfahrung mit der Umweltauseinan-dersetzung oder die Beobachtung einer anderen Person, die dies sozusagen stellvertretend tut, kognitive Pro-zesse aus, mit denen die Grundlage für den Erwerb neuer Verhaltensweisen geschaffen wird“ (Schwarzer, 2000, S. 174).

Selbstwirksamkeitserwartung meint also nicht die tatsächlichen Fähigkeiten und Bewältigungs-kompetenzen, sondern ausschließlich die subjektive Einschätzung einer Person, ob sie sich als genügend kompetent zur erfolgreichen Ausführung einer bestimmten Handlung erachtet. Prin-zipiell tendieren Menschen dazu, Bedrohliches zu vermeiden und eher Situationen aufzusu-chen, die sie glauben bewältigen zu können. Ist dagegen die Selbstwirksamkeitserwartung einer Person hoch ausgeprägt, und glaubt diese, über genügend Handlungsmöglichkeiten zu verfügen, wird sie einer Situation zuversichtlich und aktiv begegnen. Darüber hinaus bestimmt der Grad der Selbstwirksamkeitserwartung aber nicht nur die Auswahl von Situationen, in die sich je-mand hineinbegibt, sondern auch das Ausmaß der Anstrengung, mit der versucht wird, eine Aufgabe zu lösen, bzw. die Ausdauer bei der Bewältigung schwieriger Situationen.

Wie die Erwartung von Selbstwirksamkeit entsteht

Selbstwirksamkeits- oder Kompetenzerwartungen – beide Begriffe werden synonym gebraucht (vgl. Schwarzer, 1997, S. 50) – können auf unterschiedlichen Wegen entstehen. Die wichtigste Quelle sind direkte, eigene Handlungserfahrungen. Daneben können Selbstwirksamkeitserwar-tungen aber auch durch die Beobachtung eines erfolgreichen Modells, durch sprachliche Ermunterungen und Bekräftigungen anderer (also durch symbolische Erfahrung) und durch die Wahrnehmung eigener Gefühlserregung zustande kommen. Im letzten Fall geben

physiologische Prozesse, beispielsweise die Ausbreitung ängstlicher Erregung im Körper, eine Rückmeldung über die eigene Kompetenzerwartung (vgl. Leppin, S. 79 f.; Schwarzer, 1996, S. 21 f.).

Das Beipiel eines Angstbewältigungstrainings verdeutlicht, wie Kompetenzerwartungen ver-ändern werden können und wie dabei Angst allmählich dem Gefühl einer Kontrolle und Wirk-samkeit des eigenen Handelns weichen kann. Dabei führte Bandura mit 12 Frauen, die unter einer massiven Spinnenphobie litten, Verhaltensübungen durch, bei denen die Annäherung an das Angstobjekt schrittweise und mit abgestufter Schwierigkeit geübt wurde. Die einzelnen Schritte wurden zunächst von einem Modell demonstriert: eine Spinne ansehen, die in einem Glas gefangen ist; sie in dem Glas berühren; sie erst über die behandschuhte und später über die nackte Hand bzw. den nackten Arm krabbeln lassen etc. Dieses Modell gab den Frauen auch zusätzliche Erklärungen über das Verhalten und die Lebensweise von Spinnen, um ihnen dadurch deutlich zu machen, dass man kontrollieren kann, was im Kontakt mit einer Spinne geschieht. Auch wurde vom Modell gezeigt, dass man Kontakt mit einer Spinne haben kann, ohne dass etwas Schreckliches passiert. Nach diesen Demonstrationen und Erklärungen führ-ten die Frauen die Übungen selber durch. Zunächst schätzführ-ten sie jeweils auf einer Skala von 0-100 ihre Fähigkeit zur Bewältigung ein und übten dann so lange, bis sie sich sicher fühlten (vgl. Bandura u. a., 1985).

Die Auswirkung der Selbstwirksamkeitserwartung auf die Stressreaktion

Parallel zu den Trainingsschritten wurde bei den Frauen die Ausschüttung von Stressparame-tern im Blut gemessen. Zu Beginn reichte schon die Vorstellung einer Spinne, um die Hormon-ausschüttung ansteigen zu lassen. Zum Ende des Trainingsprogramms blieb sie sogar bei direk-tem Kontakt mit der Spinne annähernd normal. Die Ausschüttung von Stresshormonen (Adre-nalin und Noradre(Adre-nalin) stand in direktem Zusammenhang mit der Kompetenzerwartung der Frauen. In dem Maße, in dem diese Kompetenz wuchs, normalisierte sich der Hormonspiegel.

Die Frauen zeigten einen hohen Anstieg von Adrenalin- und Noradrenalin bei Aufgaben, bei denen sie Zweifel hatten, diese bewältigen zu können. Umgekehrt sanken die Katecholamine,

wenn ihre Selbstwirksamkeitserwartung zunahm. So war schließlich ein hohes Maß an Selbst-wirksamkeitserwartung während des Kontakts mit dem kritischen Objekt (der Spinne) von niedrigen Katecholaminwerten begleitet. Ein solches Abfallen der Hormone war ebenso zu beobachten, wenn die Frauen Aktivitäten ablehnten, die ihre Bewältigungskapazitäten über-stiegen (vgl. Bandura u.a., 1985; für einen Überblick über weitere Experimente vgl. a. Schwar-zer, 2000, S. 178 ff.). In späteren Verhaltensmodifikationsexperimenten konnte Bandura auch zeigen, dass eine experimentelle Förderung von Kompetenzerwartung ebenso eine Steigerung der Immunabwehrstärke bewirkt (vgl. Bandura, 1992).

Bandura hat solche Selbstwirksamkeitserwartungen für verschiedene Verhaltensbereiche unter-sucht. Dadurch konnte belegt werden, dass die Wahrnehmung eigener Fähigkeiten sich ent-scheidend auf die kognitiven, emotionalen und physiologischen Reaktionen in stressreichen Situationen auswirkt. In diesem Zusammenhang spielt die Angst bzw. ängstliche Erregung eine besondere Rolle, weil sie eine Informationsquelle darstellt, aus der das Individuum schließt, ob es eine bestimmte Handlung ausführen kann oder nicht. „Wer bei einem kritischen Ereignis spürt, wie ihm das Herz zum Halse schlägt, der erfährt dadurch, dass das Ereignis für ihn sub-jektiv kaum kontrollierbar ist“ (Schwarzer, 2000, S. 180). Dagegen ist Selbstwirksamkeit „die Umkehrung der Angst. Wer gelassen oder neugierig erregt an eine Aufgabe herangeht, erlebt Selbstwirksamkeit“ (ebd.).

Die Bedeutung von Selbstwirksamkeitserwartungen für das Gesundheitsverhalten Selbstwirksamkeitserwartungen bzw. Kompetenzerwartungen, die sich auf ganz spezifische, gesundheitsrelevante Verhaltensbereiche beziehen, sind in der gesundheitspsychologischen Diskussion von großer Bedeutung. Die Theorie der Selbstwirksamkeitserwartung gehört denn auch zu den meistdiskutierten Theorien des Gesundheitsverhaltens. Die verhaltensspezifische Kompetenzerwartung spielt bei der Bewältigung von Stress, von Schmerz, beim Umgang mit chronischem Leiden, bei der Entwöhnung von Abhängigkeit und beim Aufbau von Gesund-heitsverhaltensweisen etc. eine zentrale Rolle.

Menschen mit hoher Kompetenzerwartung, Schmerzen ertragen oder beeinflussen zu können, sind z.B. weniger ängstlich und verlangen weniger nach schmerzhemmenden Medikamenten.

Ihre Schmerzschwelle und Schmerztoleranz liegen höher. Auch sind Menschen mit hoher Kompetenzerwartung eher in der Lage, Risikoverhaltensweisen abzubauen und Gesundheits-verhaltensweisen über längere Zeit aufrechtzuerhalten, sofern sie erst einmal von der Notwen-digkeit dazu überzeugt sind und einen festen Entschluss gefasst haben. Eine hohe Kompetenz-erwartung spielt beispielsweise eine zentrale Rolle bei der Motivation, Planung, Ausübung und Aufrechterhaltung von körperlichem Training, bei der Gewichtsregulierung, bei der Kondom-benutzung und bei der Raucherentwöhnung.67 Darüber hinaus ist die Kompetenzerwartung

67 Allerdings hat sich in einer Studie von Leppin (1994) auch gezeigt, dass eine spezifische Kompetenzerwar-tung alleine noch nicht unbedingt ausreicht, wenn es darum geht, Risikoverhalten zu ändern. Im Fall dieser Studie vermochte nämlich ernährungsspezifische Kompetenzerwartung alleine späteres Ernährungsverhalten und eine entsprechende Gewichtsreduktion nicht vorherzusagen. Zusätzlich war auch die Wahrnehmung eines persönlichen Gesundheitsriskos, zum Beispiel eines Bluthochdruckrisikos notwendig. Eine Reduktion des Körpergewichts zeigte sich bei denen, die an die eigenen Handlungsressourcen glaubten und sich für fähig hielten, ihre Nahrungsaufnahme zu regulieren, und die zugleich ein höheres Gesundheitsrisiko, beispielsweise ein Bluthochdruckrisiko, bei sich wahrnahmen. Aus diesen Gründen gilt es neben der Selbstwirksamkeitser-wartung noch weitere Einflussfaktoren, wie die Risikowahrnehmung oder die HandlungsergebniserSelbstwirksamkeitser-wartung zu berücksichtigen (vgl. Knäuper u. Schwarzer, 2000).

auch von Bedeutung, wenn es darum geht, chronische Krankheiten aktiv zu bewältigen und ein entsprechendes Gesundheitsverhalten aufzubauen (vgl. zusammenfassend: Schwarzer, 2000, S. 182 ff.; ders. 1996, S. 24 f.; Schwarzer u. Renner, S. 54 f.; vgl. a. Leppin, 1994).

Eine Vielzahl von Studien zeigt, dass Selbstwirksamkeits- bzw. Kompetenzerwartung eine zentrale Einflussgröße für gesundheitliches Handeln darstellt. Sie darf allerdings nicht zu unre-alistisch sein, weil eine Überschätzung des eigenen Handlungspotentials das Risiko des Schei-terns birgt. Eine optimistische Komponente muss sie aber dennoch enthalten, „weil man nur so beflügelt werden kann, schwierige Herausforderungen anzugehen, die ein Maximum an An-strengung und Ausdauer erfordern“ (Schwarzer u. Renner, S. 50).

Spezifische versus generalisierte Kompetenzerwartungen

Die meisten Studien zur Selbstwirksamkeitserwartung beziehen sich auf ganz spezifische Ver-haltens- und Leistungsbereiche. Es wird aber angenommen, dass es neben diesen Selbstwirk-samkeitserwartungen in bestimmten Teilbereichen der Lebensbewältigung auch zu Generalisie-rungsprozessen, zu bereichsübergreifenden Selbstwirksamkeitserwartungen als Teil eines gene-rellen Selbstkonzeptes kommen kann. Die „generalisierte Selbstwirksamkeitserwartung“ ist dann „eine stabile Persönlichkeitsdimension, die die subjektive Überzeugung zum Ausdruck bringt, aufgrund eigenen Handelns schwierige Anforderungen bewältigen zu können“ (Schwar-zer, 2000, S. 188). Schwarzer verweist in diesem Zusammenhang auch auf Lazarus, der die Zuversicht in die eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten auch im Sinne einer stabilen personalen Coping-Ressource versteht (vgl. ebd., S. 189). Die Auffassungen bezüglich einer Generalisie-rung des Konzepts der Selbstwirksamkeitserwartung gehen allerdings auseinander. Während Schwarzer in dem Ansatz zu generalisierten Kompetenzerwartungen einen hilfreichen Versuch sieht, die subjektive Verfügbarkeit von Handlungsressourcen auf der trait-Ebene, also auf der Ebene der Persönlichkeitsmerkmale anzusiedeln, zieht Bandura selber es vor, das von ihm ins Leben gerufenen Konstrukt auf spezifisches Verhalten beschränkt zu sehen (vgl. Schwarzer, 1997, S. 56; vgl. a. ders. 2000, S. 188 ff.).

Die mit der Selbstwirksamkeitserwartung einhergehenden Emotionen

Die zahlreichen Studien, in denen Kompetenzerwartungen unter verschiedenen Bedingungen und in unterschiedlichen Bereichen erhoben wurden, haben gezeigt, wie sich Selbstwirksam-keits- bzw. Kompetenzerwartung auf das Denken, Handeln und Fühlen von Menschen aus-wirkt. Zusammenfassend gesagt wirkt sich die Überzeugung von Selbstwirksamkeit auf drei Ebenen günstig auf die Gesundheit aus: Auf der kognitiven Ebene bahnt Selbstwirksamkeit den Weg für aktive Bewältigungsmuster, ist also eine wichtige Voraussetzung bei der Beeinflussung von Gesundheitsverhalten und bei der Bewältigung von chronischer Krankheit. Auf der moti-vationalen Ebene erhöht sie die Handlungsbereitschaft und beeinflusst die Auswahl von Situa-tionen, indem sie die Erwartung steigert, diese bewältigen zu können. Menschen, die glauben, dass sie über effektive Handlungsressourcen verfügen, werden auch schwierigen, kritischen Situationen eher handlungsbereit begegnen und mehr Ausdauer bei der Bewältigung von Anfor-derungen zeigen. Auf der affektiven Ebene und der damit verbundenen psychophysiologischen Regulierung reduzieren Selbstwirksamkeitserwartungen den Grad der wahrgenommenen Be-drohlichkeit einer Situation und damit ebenso den Disstressgehalt entsprechender Erfahrungen.

Zudem bilden sie auch deshalb einen Gesundheitsschutzfaktor, weil sie in belastenden Situati-onen zu einer besseren Nutzung sozialer Ressourcen beitragen –

ein Aspekt, der unter 3.3.4 noch vertieft wird (vgl. Siegrist, 1997, S. 102; vgl. a. Schwarzer, 1996, S. 23).

Da im Zusammenhang dieser Arbeit die mit der Selbstwirksamkeitserwartung einhergehenden Emotionen von besonderem Interesse sind, sind diese noch etwas genauer zu betrachten. Dazu erscheint es hilfreich, zum Ende dieses Abschnittes noch einmal beide Seiten der Medaille ein-zubeziehen, sich also noch einmal vorzustellen, welche Emotionen mit gering bzw. mit hoch ausgeprägter Selbstwirksamkeitserwartung einhergehen. Zunächst hatte ja die im vorangegan-genen Abschnitt dargestellte Theorie von Seligmann deutlich gemacht, wie sich aus einem Zu-stand der Hilflosigkeit Passivität, Apathie, Angst und Depression entwickeln können. Demge-genüber nimmt die komplementäre Theorie der Selbstwirksamkeitserwartung nun eine entge-gengesetzte Perspektive ein und fragt, wie sich Zustände der Hilflosigkeit und Unkontrollier-barkeit wieder abbauen lassen, indem sie zunehmend durch Kompetenzerfahrungen ersetzt werden. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Befunde aus verschiedenen Studien dahingehend übereinstimmen, dass einerseits geringe Selbstwirksamkeitserwartung in emotio-naler Hinsicht mit Depressivität, Ängstlichkeit sowie geringem Selbstwertgefühl verbunden ist (vgl. Schwarzer, 2000, S. 182 f. ) und dass andererseits vorhandene Selbstwirksamkeitserwar-tung hoch negativ mit Depressivität, Ängstlichkeit und Schüchternheit sowie hoch positiv mit Selbstwertgefühl und Optimismus korrelierte (ebd., S. 190 f.).

Dass Angst im Rahmen der Selbstwirksamkeitstheorie eine besondere Rolle spielt, war bereits angsprochen worden. Dabei besteht offensichtlich Einigkeit darin, „dass Angst einen Ausdruck von Bedrohung darstellt und dass sich Bedrohung aus der Einschätzung von gefährlichen Um-weltansprüchen in Relation zu den eigenen Bewältigungsoptionen ergibt“ (ebd., S. 176). Diffe-renzen bestehen dagegen in Bezug auf die Frage, ob es sich bei der Angst um eine reine Emoti-on im Sinne ängstlicher Erregung, also ohne kognitive Bestandteile handelt, eine PositiEmoti-on, die wohl Bandura selber vertritt. Demnach würde Kompetenzerwartung den kausalen Faktor dar-stellen, der sowohl die Angst als auch das Verhalten bestimmt. Demgegenüber steht die Positi-on, die Angst als ein differenziertes Konstrukt versteht mit mindestens einer emotionalen Komponente (feuchte Hände, innere Unruhe, flaues Gefühl im Magen) und einer kognitiven Komponente (Besorgtheit, d.h. Gedanken an Schädigungen wie z.B. Leistungsversagen, die die normalen Denkvorgänge stören). Dieser zweiten Position gilt die kognitive Komponente, die Besorgtheit, welche nach Schwarzer die Kompetenzerwartung als eine Untermenge einschlie-ßen könnte, als die wichtigere, primär handlungsbestimmende der beiden Angstkomponenten (vgl. ebd., S. 176 f ; vgl. a. ders. 1996, S. 30 f.).

Bezüge zu anderen Theorien

Ungeachtet dieser „theoretisch interessante(n) Unterscheidung“ (Schwarzer, 1996, S. 32) stellt die subjektive Kompetenzerwartung einer Person im Rahmen der transaktionalen Stresstheorie von Lazarus eine wichtige Ressource dar, die dafür sorgt, dass eine Person weniger verwundbar gegenüber Belastungen ist (vgl. ebd., S. 30).

Vor diesem Hintergrund wird abschließend deutlich, dass „Kompetenzerwartung nicht ein singuläres Konstrukt darstellt, mit dem sich auf geniale Weise viele wissenschaftliche Probleme lösen lassen“ (ebd., S. 32). Vielmehr „(ähnelt) dieses Konstrukt einer Reihe anderer bewährter Konstrukte und repräsentiert in gewisser Weise das, was von Psychologen gemeinhin gedacht,

aber nicht immer so präzise und überzeugend formuliert und erforscht worden ist“ (ebd.). Ei-nes dieser ähnlichen Konstrukte war die Theorie der gelernten Hilflosigkeit.68 Dazu meint Schwarzer, dass „die revidierte Hilflosigkeitstheorie daher in mancher Hinsicht als eine An-wendung der Selbstwirksamkeitstheorie angesehen werden (kann), oder die Selbstwirksam-keitstheorie als eine Verallgemeinerung der HilflosigSelbstwirksam-keitstheorie“ (ebd., S. 30). Obwohl nun mit diesen beiden Konstrukten bereits außerordentlich bewährte Theorien vorliegen, soll im Fol-genden noch weiter „über den Tellerrand“ gesehen werden, um zu erkunden, wie andere Kon-zepte zur Diskussion um die Salutogenese beitragen.