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2.5 Die Biologie der Emotionen

2.5.4 Die Neurobiologie positiver Emotionen

form der Löschungstherapie, einer Verbindung aus systematischer Desensibilisierung und Ent-spannung, für möglich (vgl. LeDoux, S. 285 f.).

Folgerungen für unser Verständnis der Stressreaktion

Mir erscheint die Tatsache, dass die Verbindungen von den kortikalen Bereichen zur Amygdala weit schwächer sind als die Verbindungen von der Amygdala zum Kortex, für ein Verständnis der Stressreaktion bzw. allgemeiner der emotionalen Reaktionen von besonderer Bedeutung.

Die Erkenntnis von LeDoux , dass es neurale Bahnen für Gefühle gibt, die unter Umgehung des Neokortex direkt über den Mandelkern ziehen, muss zwangsläufig unser Verständnis verän-dern. Die kognitiven Bewertungstheorien gehen ja davon aus, dass Emotionen immer einer Kognition folgen. LeDoux revolutioniert diese Ansicht, indem er zeigt, dass in vital und emoti-onal bedeutsamen Situationen auch sehr schnelle, direkte emotiemoti-onale Reaktionen ausgelöst werden können. „Zwar ist es leicht möglich, dass Gedanken Emotionen auslösen (indem sie die Amygdala aktivieren), doch tun wir uns schwer, willentlich Emotionen abzuschalten (indem wir die Amygdala deaktivieren)“ (LeDoux, S. 325). Allerdings weist LeDoux auch darauf hin, dass die kortikalen Verbindungen zur Amygdala bei den Primaten weit stärker sind als bei allen übrigen Säugern, und verbindet dies mit der Hoffnung, dass diese Konnektivität immer weiter zunimmt, so dass „der Kampf zwischen Denken und Emotion letztlich entschieden werden (könnte) nicht im Sinne der Dominanz der kortikalen Kognitionen über die emotionalen Zent-ren, sondern im Sinne einer harmonischeren Integration von Vernunft und Leidenschaft“ (ebd., S. 326). Bis dahin lautet das Ergebnis, dass „das Unbewußte uns viel mehr beeinflußt als be-wußte Erlebniszustände und daß wir normalerweise keine oder nur geringe Einsicht in das ha-ben, was uns über das Unbewußte lotst und antreibt“ (Roth, 1998, S. 71). Von welcher Bedeu-tung dabei unsere Bemühungen um eine Beeinflussung der Emotionen durch das Denken sind, wird noch deutlicher, wenn im folgenden Abschnitt die Entstehung der positiven Emotionen genauer betrachtet wird.

Die neurale Basis der positiven Emotionen

Eine wichtige Erkenntnis der Hirnforschung betrifft die Teile des Gehirns, die Wohlbefinden und gute Gefühle erzeugen. Neben dem System, das uns zur blitzschnellen Reaktion bei dro-henden Gefahren in die Lage versetzt, haben wir auch ein Glückssystem (vgl. Klein, S. 50 ff.) . In unseren Köpfen sind eigene Schaltungen für Freude, Lust und Euphorie eingerichtet, die sich von den Systemen für negative Emotionen unterscheiden. Und beide Systeme „können mitein-ander, nebeneinander und gegeneinander arbeiten“ (Klein, S. 52).

Bilder, die der Neurowissenschaftler Damasio (vgl. Damasio u.a., 2000) von glücklichen und traurigen Menschen aufgenommen hat, zeigen, dass sich angenehme und unangenehme Emp-findungen zwar zum Teil der gleichen Hirnregionen bedienen, diese aber bei den verschiedenen Gefühlen ganz unterschiedlich in Aktion treten. Bestimmte Zentren im Gehirn sind immer, wenn auch unterschiedlich stark tätig. So arbeitet zum Beispiel das Kleinhirn in frohen Augen-blicken nur in seiner linken Hälfte, bei Trauer, Ärger und Furcht aber beiderseits heftig (ebd.).

Es gibt nicht ein Zentrum für Lust, ein anderes für Trauer. Wenn wir ein Gefühl erleben, sind stets verschiedene Teile des Gehirns daran beteiligt, und diese Regionen sind für jede Emotion anders verschaltet (vgl. a. Klein, 2002 u. Carter, 1998).

Obwohl sich beide Gehirnhälften an der Verarbeitung der verschiedenen Emotionen beteiligen, teilen sich die beiden Hälften der Großhirnrinde vielfach ihre Aufgaben. „Bei negativen Gefüh-len ist ...eher die rechte Seite, in frohen Augenblicken mehr die linke Seite des Stirnhirns aktiv“

(Klein, S. 54). Wenn beispielsweise „Menschen mit Redeangst voll Lampenfieber auf einen öffentlichen Auftritt warten, schlägt die rechte Hälfte ihres Stirnhirns Kapriolen“ (ebd., S. 55).

Auch „(versinken) Menschen, die der Schlag im linken Vorderhirn getroffen hat, häufig in schweren Depressionen“ (ebd., S. 54), während ein Blutgerinnsel im rechten Vorderhirn das Gegenteil bewirken und dazu führen kann, dass Patienten in dauernde Fröhlichkeit verfallen (vgl. Klein, S. 54). Menschen mit starker Aktivität in der rechten Gehirnhälfte, „die ihre nega-tiven Emotionen weniger gut im Griff haben, sind eher introvertiert, pessimistisch,... über-durchschnittlich anfällig für Depressionen und neigen ganz allgemein zum Unglücklichsein“

(ebd., S. 61). Dagegen sind Menschen mit starkem Übergewicht des linken Stirnhirns meistens voller Selbstvertrauen, optimistisch und ausgelassen (vgl. ebd.; vgl. a. Carter, S. 103; Pauli u.

Birbaumer, 2000).

Das Stirnhirn ist die „Kommandozentrale für das Verhalten“ (Klein, S. 55), dasjenige System,

„das im Gehirn Handlungen plant, vorbereitet, kontrolliert und bewertet“ (Roth, 2001, S. 413 ff.). Wenn diese Funktion, etwa durch Verletzungen im Frontallappen ausfällt, dann kann dies verstärkt zu euphorischen Zuständen und unverantwortlichem Handeln führen (vgl. Gahr, S. 480). Die Forscher nehmen deshalb an, dass hier im Präfrontallappen der Schalter liegt, der in der Lage ist, die Aufwallungen des Mandelkerns zu dämpfen. Der präfrontale Kortex scheint am Werk zu sein, wenn jemand ängstlich oder wütend ist, sein Gefühl aber zügelt, um sich effektiver mit der Situation auseinanderzusetzen (vgl. a. Goleman 1998 a, S. 44 f.; Bösel, 2000). Dabei sind die präfrontalen Bereiche gewöhnlich in der Lage, unsere emotionalen Reak-tionen zu mäßigen. Aber auch wenn GefühlsreakReak-tionen uns im Einzelfall übermächtig erschei-nen und es bei großer Freude und großer Wut für das Stirnhirn manchmal unmöglich ist, den Mandelkern zu hemmen (vgl. den Neurobiologen Korte im Gespräch mit Miketta, in: Miketta, 2002, S. 117), so können wir doch – wie im weiteren noch deutlich wird – lernen, unsere Ge-fühlsreaktionen zu beeinflussen.

Die „linke Hemisphäre kann guten Gefühlen Vorschub leisten, vermutlich indem sie mäßigend auf tiefer im Schädelinneren liegende Hirnareale einwirkt“ (Klein, S. 58). Vom Stirnhirn aus zieht sich nämlich eine Nervenbahn zur Amygdala. Wie nun genau das linke Stirnhirn den nega-tiven Emotionen im Mandelkern entgegenwirkt, ist noch nicht bekannt. Aber Neuropsycholo-gen vermuten, dass es hemmende Impulse an die Mandelkerne aussendet. Beide verhalten sich

„umgekehrt proportional zueinander. Wenn die Aktivität im linken Stirnhirn zunimmt, nimmt die Aktivität in den Mandelkernen also ab und umgekehrt“ (Klein, S. 287, Fußnote 11). Dabei ist die Regelung der Emotionen oft eine Sache von Sekunden. Ist es in dieser Zeit nicht gelun-gen, diese Emotionen „als unangemessen zu erkennen, können die negativen Emotionen eine Eigendynamik entwickeln“ (ebd., S. 60). Erst einmal „von der Macht seiner Gefühle über-mannt, fällt es dem Betroffenen nun viel schwerer, sich zu beruhigen und den klaren Blick auf Realitäten zurückzugewinnen“ (Klein, S. 60). Entgegen der verbreiteten Vorstellung, dass ein Wutanfall von der Wut befreit, steigern wir uns dadurch erst recht in den Ärger hinein und halten damit die negativen Emotionen nur länger als nötig am Leben. Darüber hinaus tragen wir mit jedem Mal, bei dem wir uns von Ärger oder anderen negativen Emotionen mitreissen las-sen, dazu bei, dass sich diese Gefühlsreaktionen im Gehirn eingraben und ihre Spuren hinter-lassen (vgl. ebd., S. 78 f.).

Neurobiologisch empfiehlt es sich vielmehr, „positive Emotionen zu kultivieren und negative Gefühle im Zaum zu halten“ (Klein, S. 78). „Wenn wir uns in Selbstbeherrschung üben, for-men wir das Gehirn in doppelter Weise. Zum einen mindern wir die Wahrscheinlichkeit, dass eine negative Emotion überhaupt entsteht, weil die Verbindung zwischen dem Reiz und der Gefühlsantwort darauf geschwächt wird. Zum anderen stärken wir die Fähigkeit vor allem des Stirnhirns, solche Emotionen im Zaum zu halten, sollten sie doch ausgelöst werden. Denn wie die meisten Fertigkeiten gilt es auch die bewusste Kontrolle der Emotionen zu trainieren. Doch auch solches Training verändert wiederum die Struktur des Gehirns – mit der Folge, dass der Umgang mit den eigenen Gefühlen allmählich leichter fällt“ (Klein, S. 78 f.).

Der bewusste Umgang mit schwierigen Emotionen ist noch aus einem anderen Grund hilfreich.

Das Stirnhirn, „diese Region, die so großen Einfluss auf unsere Stimmungen hat, dient nämlich zugleich als Arbeitsgedächtnis. Hier werden Informationen, die bald wieder benötigt werden, zwischengespeichert. Deswegen hat die Gefühlslage so großen Einfluss darauf, wie wir mit dem umgehen, was wir gerade gesehen, gelesen oder gehört haben. Über verschiedene Nerven-bahnen ist das Stirnhirn aber auch mit dem Langzeitgedächtnis verküpft. An diesen Verbindun-gen mag es lieVerbindun-gen, dass wir uns traurige ErinnerunVerbindun-gen vermehrt ins Bewusstsein rufen, wenn wir schwermütig sind“ (Klein, S. 208). „Man kann sich Depression so vorstellen, dass die Großhirnrinde einen abstrakten negativen Gedanken denkt und es schafft, das übrige Gehirn davon zu überzeugen, dass dieser ebenso wirklich sei wie ein physischer Stressor“ zitiert Klein (ebd., S. 208) den Stressforscher Sapolsky.

Indem wir lernen, unsere negativen Emotionen zwar bewusst wahrzunehmen, uns aber nicht hineinzusteigern, sondern sie im Moment der Entstehung zu kontrollieren, trainieren wir ver-mutlich die linke Seite des Stirnhirns und können auf diese Weise möglicherweise die Anatomie des Gehirns nutzen, um zufriedener zu leben (vgl. ebd., S. 61 ff.).

Das Dopamin – der Botenstoff des Begehrens und Wollens

Glück und Unglück haben aber nicht nur ihre eigenen Schaltungen, sie haben auch ihre eigene Chemie. Während Angst, Anspannung und Niedergeschlagenheit unter anderem von

Acetyl-cholin und Cortisol gesteuert werden, spielen bei Begehren, Zufriedenheit und sexueller Anzie-hung die Botenstoffe Dopamin, Oxytocin und Beta-Endorphin eine wichtige Rolle (vgl. Klein, S. 52). Wegen ihrer großen Bedeutung für unser Wohlbefinden sollen diese „Glückshormone“

etwas genauer dargestellt werden.

Zunächst das Dopamin, ein Stoff, der „Neugierde, Lernvermögen und Phantasie, Kreativität und Lust auf Sex (steigert)“ (ebd., S. 97). Dopamin ist „das Molekül des Wollens“ (ebd.), der Stoff, der uns antreibt. Das „Gehirn schüttet diesen Stoff immer dann aus, wenn wir etwas oder jemanden begehren“ (ebd.). Dopamin ist im Spiel, wenn wir im Supermarkt frisches Obst sehen, nach dem uns gerade der Sinn steht, wenn wir im Berufsleben eine neue Aufgabe anpa-cken, wenn ein attraktiver Mensch auf der Straße vorübergeht und wenn wir zu einem Glas Bier oder einer Zigarette greifen. Aus zwei Zentren, die ihren Sitz ziemlich genau im Mittel-punkt des Kopfes haben (der substantia nigra und der area ventralis tegmentalis), strömt das Dopamin über verschiedene Nervenäste in die Bereiche des Gehirns, die die eigentliche Arbeit leisten (vgl. Klein, S. 105). Ebenso sind die dopaminergen Nervenzellen aber auch umgekehrt in ein Geflecht von hemmenden und stimulierenden Nervenbahnen eingebettet, die aus zahlrei-chen Hirnregionen diese Neuronen beeinflussen (vgl. Rommelspacher, 1999, S. 32 ff.). Der Botenstoff Dopamin ist deswegen so bedeutungsvoll, weil er gleich auf dreierlei Weise beein-flusst, was im Kopf geschieht. Er weckt auf und macht uns aufmerksam. Er fördert das Ler-nen, indem er dafür sorgt, dass wir uns gute Erfahrungen einprägen und auf Belohnungen an-sprechen. Schließlich dient er dazu, die Muskeln zu aktivieren, und bewirkt, dass wir uns rüh-ren, um das zu erreichen, was wir uns wünschen (vgl. Klein, S. 105 f.). So gesehen erstaunt es wenig, dass Dopamin-Mangel die Menschen antriebslos werden lässt. Ein Beispiel dafür sind Parkinson-Patienten, bei denen der Dopamin-Haushalt gestört ist, so dass sie ihre Muskeln nicht mehr unter Kontrolle haben (vgl. ebd., S. 108). Ein anders Beispiel ist der Patient Leo-nard, den Oliver Sacks in seinem Buch „Zeit des Erwachens“ beschreibt50 (vgl. zur Bedeutung des Dopamins u. des Dopaminmangels a. Rommelspacher, 1999, S. 32 ff.; Carter, S. 63 ff.).

Dabei ist der Mechanismus, der durch das Dopamin in Gang gesetzt wird, offensichtlich dar-auf angelegt, dass wir immer Besseres und Neues wollen. In der Fachliteratur wird in diesem Zusammenhang vom Belohnungssystem gesprochen. Klein meint, dass es genauer sei, vom

„Erwartungssystem“ (ebd., S. 109) zu sprechen. Die Bezeichnung Belohnungssystem sei un-genau, weil im Tierexperiment die verstärkte Tätigkeit der Neuronen im Gehirn weniger durch die Belohnung (das Futter), sondern vielmehr durch die Erwartung der Belohnung (durch die Vorfreude auf das Futter) angeregt werde. Die Freudenbekundungen der Tiere blieben nämlich aus, sobald sie sich an ein bestimmtes Futter gewöhnt hatten. Klein vergleicht diese Situation mit Menschen, die sich jeden Abend Champagner leisten und nach einiger Zeit kaum noch in Begeisterungsstürme ausbrechen. Offensichtlich werden wir durch immer neue Wünsche beflü-gelt, gewöhnen wir uns aber schnell daran, wenn wir erst einmal haben, was wir wollten (vgl.

ebd., S. 108 f., vgl. a. Roth, 2001, S. 302 f.).

50 Leonard war aufgrund einer Gehirnentzündung unfähig zu fast jeder Bewegung und zu jedem Ausdruck ge-worden. Durch ein damals neues Medikament, das L-Dopa, welches dem natürlichen Botenstoff Dopamin ähnelt, wurde er dann so lebendig und berauscht von der Welt, dass sich seine Verfassung im Laufe mehrerer Wochen bis zur Raserei steigerte und das Medikament schließlich wieder abgesetzt werden musste. Überstei-gert bis zur Groteske führt Leonards Fall vor, wie das Dopamin in uns allen wirkt (vgl. Klein, S. 102 ff.).

„Tief im Gehirn arbeitet ... ein Detektor für Neues und Besseres, ohne den wir unfähig wären zu lernen“ (Klein, S. 111). An diesem Mechanismus ist das Dopamin wesentlich beteiligt.

Dabei ist die Lust auf Anregung und Neuigkeiten – die Neugierde –, die durch das Dopamin gesteuert wird, kein Selbstzweck der Natur. „Sie bringt uns dazu, Neues nicht nur hinzuneh-men, sondern es sogar zu wollen und zu suchen. Wenn wir die Welt erforschen, sind wir ihr immer ein Stückchen voraus“ (ebd., S. 116). „Dopamin fördert die Entstehung neuer Verknüp-fungen im Gehirn“ (ebd., S. 111). Es macht die Neuronen für den Umgang mit Neuem bereit und unterstützt das Gehirn darin, Zusammenhänge herzustellen. Schließlich macht es einfalls-reich und kreativ. Als Beispiel führt Klein eine Untersuchung an, die von der Psychologin Isen bei Krankenhausärzten durchgeführt wurde. Diese Versuchspersonen wurden durch einige kleine Freundlichkeiten, z.B. ein nettes Kompliment zu Beginn des Experiments, so in gute Stimmung versetzt und dermaßen zu kreativen Höchstleistungen beflügelt, dass sie bereits nach halb so vielen Schritten wie in Vergleichsexperimenten die richtige Diagnose ermittelt hatten (vgl. ebd., S. 119). Die Stimmung beeinflusst also die Leistungsfähigkeit des Gehirns, eine optimistische Botschaft, die sich auf vielerlei Situationen übertragen lässt: „Schüler, die sich in der Klasse wohl fühlen und lachen dürfen, lernen leichter. Angestellte, die bei ihrer Ar-beit Freude haben, werden auch produktiver sein“ (ebd., S. 121; vgl. zur Funktion des Dopa-min auch Roth, 2001, S. 301 f.).51

Die Opioide – die Botenstoffe des Genusses

Gute Gefühle entstehen beim Menschen auf zweierlei Art. „Wenn er etwas will – oder wenn er etwas bekommen hat, was ihm behagt“ (Klein, S. 123). Bei beidem sind unterschiedliche Bo-tenstoffe und Gebiete im Hirn beteiligt. Wenn wir genießen, sind vor allem die Opioide als Botenstoffe aktiv, körpereigene Substanzen, die dem Opium ähneln. Die Neuronen, die für die Opioidsynthese zuständig sind, finden sich hauptsächlich in verschiedenen Kernen des Hypo-thalamus, aber auch in verschiedenen limbischen Strukturen, im Hirnstamm und im Hypophy-senvorderlappen (vgl. Wagner u. Born, 2000; zu den Unterschieden der beteiligten Gehirn-strukturen und der jeweils vorherrschenden Neurotransmitter Dopamin bzw. Opioide, vgl. a.

Berridge, 1999).

Als die Forscher im Jahre 1973 herausfanden, dass wir in unseren Köpfen Neuronen mit Re-zeptoren für Opiate besitzen, begannen sie intensiv nach den körpereigenen Substanzen zu suchen, die wie das Morphium oder Heroin auf diese Rezeptoren passten. Die ersten körper-eigenen Opiate wurden entdeckt, die Endorphine, ein Wort, das aus der griechischen Vorsilbe

„endo“ für innen und Morphin zusammengesetzt ist. Neben den Endorphinen fanden sich weitere solcher Stoffe, die Enkephaline und die Dynorphine. Endorphine und Enkephaline lösen Wohlgefühl aus, während die Dynorphine die Empfindung des Abscheus und Ekels er-zeugen (vgl. Klein, S. 124 f.). Um die Wirkung der Endorphine auf natürliche und unbedenkli-che Weise erleben zu können, reiunbedenkli-chen häufig einfaunbedenkli-che Genüsse, beispielsweise all das Vergnü-gen, das durch die verschiedenen Sinnesfreuden entstehen kann. Das Essen spielt dabei eine besondere Rolle, was vielleicht damit zu erklären ist, dass die Geschmacksknospen und Sin-neszellen im Mund so außerordentlich zahlreich und vielfältig sind. Schön ist es auch, eine

51 Aufschlussreich für das Verständnis der Wirkungen des Dopamins und vieler anderer „Neurostoffe“ ist auch ein Beitrag von Erdmann u. a. (2000) über die Bedeutung der Pharmakopsychologie für die Emotionsfor-schung, der sich mit der Wirkung verschiedenster emotionsbeeinflussender Substanzen und deren möglichen neurochemischen und physiologischen Wirkungsmechanismen befasst.

Massage zu bekommen oder gestreichelt zu werden. Nicht nur Menschen, auch Katzen, Affen und sogar Vögel schütten Opioide aus, wenn sie berührt werden (vgl. ebd., S. 128 ff.). Dabei dient die Opioid-Schwemme „offenbar weniger dazu, Lust zu erzeugen, als Angst zu lindern und einzelne Mitglieder einer Gruppe zu beruhigen,wenn sie sich verlassen oder ängstlich füh-len“ (ebd., S. 130). Schließlich lassen sich Belege für eine euphorisierende Wirkung von Opioi-den auch aus Opioi-den zahlreichen Untersuchungen ableiten, in Opioi-denen die psychischen Auswirkun-gen sportlicher Betätigung studiert wurden (vgl. Wagner u. Born, S. 506).

Mit dem Mittel des Vergnügens verführt uns die Natur dazu, das zu tun, was uns am meisten nützt. So sind genau die Dinge am angenehmsten, die für die Erhaltung der Art am notwendigs-ten sind, beispielsweise die Sexualität, das Sichkümmern um den Nachwuchs oder eben die Nahrungsaufnahme (vgl. Klein, S. 128 ff., vgl. a. S. 45 ff.). Dabei ist beispielsweise die Freude am guten Geschmack kein Luxus, sondern dient dazu, den Energiehaushalt zu steuern. Dies zeigten Psychobiologen im Experiment mit Ratten, die durch eine Magensonde Nährlösung zugeführt bekamen. Die Tiere bekamen nichts zu fressen, sie konnten sich nur durch Selbstbe-dienung per Hebeldruck Nährlösung einflößen. Obwohl sie sich über Knopfdruck soviel zufüh-ren konnten, wie sie wollten, verlozufüh-ren sie dennoch nach ein paar Wochen fast ein Drittel ihres Gewichts (vgl. Klein, S. 128 f.).

Andererseits sorgt das Dynorphin, das Opioid des Unwohlseins dafür, dass wir Hunger als unangenehm empfinden und ein Drang einsetzt, etwas dagegen zu tun und dem Mangel abzu-helfen. Wenn wir dann etwas essen und der Organismus bekommt, was er braucht, begleiten Genuss und die entsprechende Endorphinausschüttung die Rückkehr zum Gleichgewicht. So-bald dann alles wieder im Lot ist, verflüchtigt sich der Genuss wieder. „Genuss ist ein Signal dafür, dass wir uns aus einem schlechteren in einen besseren Zustands bewegen“ (ebd., S. 131) und „dass der Organismus bekommen hat, was er braucht“ (ebd.). Was gut tut, ist angenehm.

Doch das hedonistische Prinzip, dem der Organismus folgt, hat auch eine Gegenseite. Ein Zu-viel an Genuss kann auch in ein anderes Extrem führen. Ab einer bestimmten Dosis Opioide werden wir willenlos und träge (vgl. ebd., S. 134 ff.). So sorgt also die Steuerung nach Lust und Unlust aus biologischen Gründen dafür, dass wir „den Organismus in dem Betriebszustand halten, in dem er am besten funktioniert“ (ebd., S. 46).

Eine wichtige Funktion haben die Opioide auch im Zusammenhang mit Schmerzen und Stress. Es sieht so aus, als ob körpereigene Opiate, z.B. ß-Endorphin, über die Hemmung der Schmerzempfindung positive emotionale Zustände auslösen, da Zellen, die Opiatrezeptoren enthalten, im Gehirn häufig in der Nähe von schmerzverarbeitenden Zentren gefunden werden.

Dadurch könnte eine Hemmung der Schmerzwahrnehmung an verschiedenen Stellen des

schmerzverarbeitenden Systems möglich sein (vgl. Gahr, S. 481). Ein Jogger kann zum Beispiel ganz high werden, weil das Gehirn Endorphine ausschüttet, wenn die Erschöpfung naht. So helfen die Endorphine dem Organismus über die Qual hinweg, weiterzulaufen und Schwä-chegefühle zu verdrängen. Der Mechanismus ist evolutionär gesehen äußerst sinnvoll. Ein ver-letztes Tier oder ein verletzter Mensch können trotz der Verletzung weiterrennen, weil die Opioide die Schmerzen abschalten. Aber „nicht nur der Angriff eines Raubtiers, auch andere Spielarten von Stress lassen im Kopf Opioide zirkulieren“ (Klein, S. 133). Dies mag erklären, weshalb mancher viel Beschäftigte sich immer noch mehr aufhalst, obwohl er schon längst ausgelastet ist. Schließlich sorgen die körpereigenen Opiate auch dafür, dass Frauen die Qualen einer Geburt ertragen und schon direkt nach der Niederkunft wieder glücklich strahlen. Lust und Schmerz, Genießen und Begehren sind eng miteinander verbunden (vgl. ebd., S. 133 f.).

Zusammenfassend gesagt: Die Opioide repräsentieren ein neurochemisches System, welches nicht nur unsere positiven Stimmungen und Glücksgefühle steuert, sondern auch zahlreiche andere Funktionen wie die Körpertemperatur, den Blutdruck, Appetit und Durst sowie sexu-elles Verhalten und Schmerzempfinden (vgl. für einen Überblick auch: Wagner u. Born, 2000).

Viele weitere Substanzen beeinflussen das Wohlbefinden

Viele andere Substanzen mehr beeinflussen unser Wohlbefinden. Oxytocin und Vasopressin steuern das Geschlechtsleben und stiften Partnerschaft, indem sie „das Gehirn in die Lage (ver-setzen), eine Vorliebe für den Partner zu entwickeln“ (Klein, S. 152). Auch für andere mensch-liche Beziehungen haben sie ihre Funktion, „da sie für die soziale Erinnerung notwendig sind“

(ebd., S. 178). Oxytocin spielt darüber hinaus auch bei der Sorge für ein Kind eine Rolle und begleitet soziales und fürsorgliches Verhalten (vgl. ebd., S. 166). Oxytocin und Opioide werden durch Berührung freigesetzt – einer der Gründe, weshalb Singles eher von depressiver stimmung bedroht sind (vgl. ebd., S. 198). Das Luliberin löst ungestümes Begehren und Ver-langen nach Sex aus (vgl. S. 151 ff.). Schließlich hat das Testosteron, auch Sieger-Hormon ge-nannt, Einflüsse auf die Aggressivität und die Sexualität (vgl. Wagner u. Born, 2000; vgl. für einen Überblick über die verschiedenen „Neurostoffe“ auch Erdmann u.a., 2000; Birbaumer u.

Schmidt, S. 87; Panksepp, 1998, S. 101).

Der Botenstoff Serotonin „spielt offenbar eine wichtige Rolle für Gefühle von Sympathie“

(Klein, S. 178). Zugleich ist das Serotonin von besonderer Bedeutung beim Umbau des Gehirns und wesentlich daran beteiligt, Informationsflüsse zwischen Nervenzellen zu erleichtern und zu verstärken. Dabei besteht wahrscheinlich ein Zusammenhang zwischen unserer Stimmung und den Faktoren, die das Nervenwachstum unterstützen und neue Verbindungen im Gehirn sprießen lassen (vgl. ebd., S. 81). „Positive Emotionen (halten) das Gehirn lebendig, weil sich neue Verknüpfungen leichter anbahnen, wenn reichlich Serotonin und Dopamin zirkulieren“

(ebd., S. 82). Sind wir dagegen niedergeschlagen, sinkt der Serotoninspiegel. So ist zu erklären, warum es bei Depressionen an Serotonin mangelt und die Nervenzellen des Gehirns verküm-mern, eine Theorie, die nicht jeder glaubt, weil Gesunde keineswegs in Schwermut verfallen, wenn das Serotonin im Gehirn künstlich abgesenkt wird (vgl. ebd., S. 80 ff.; S. 210 f. u. S. 294, Fußnote 14; vgl. für einen Überblick über die Diskussion a.: Roth, 2001, S. 307 ff.). Vor die-sem Hintergrund beschreibt Klein die Trübsal als „einen Zustand der Erstarrung“, durch den

„nicht nur die Tatkraft erlahmt, sondern die Melancholie sich auch (verfestigt)“ und „der Verstand und die Konzentration nach(lassen)“ (ebd., S. 210; vgl. a. Carter, S. 99 f.). Mögli-cherweise wirken Antidepressiva deshalb erst nach einigen Wochen, weil die Mittel das Gehirn erst aus seinem Winterschlaf wecken müssen (vgl. Klein, S. 212 f.). Die Menge an Botenstof-fen im Gehirn verändert sich zwar kurze Zeit nach der Einnahme, aber es dauert, bis Patienten von einer Verbesserung ihrer Stimmung berichten. Während bei schwerer Depression oft nur Medikamente das Gehirn wieder aus seiner Reglosigkeit befreien können, muss bei den häufi-geren Niedergeschlagenheiten des Alltags ein anderer Weg eingeschlagen werden. Da bei „Trüb-sal die linke Stirnhirnhälfte, die uns einerseits auf Ziele zustreben lässt und andererseits die negativen Emotionen kontrolliert, zu wenig aktiv (ist)“ (ebd., S. 215), gilt es einerseits, durch das Verhalten, beispielsweise durch kleine Aktivitäten oder auch durch Bewegung, diesen Teil des Gehirns sanft anzuregen, andererseits, seine Gedanken und Gefühle so zu steuern, dass sich die bedrückte Stimmung nicht verfestigen kann (vgl. ebd., S. 214 ff. und hinten Kap.

6.2.1.3 u. 6.2.1.6).

Das Zusammenspiel von Glückssystem und Stressregulation

All die beschriebenen Botenstoffe sind keine Einzeltäter, so dass die Formeln „Dopamin = Neugier und Lust auf Anregung“ und „Oxytocin = Mutterliebe“ nur sehr bedingt stimmen.

Zwar spielen bestimmte Neurotransmitter für bestimmte Emotionen eine Hauptrolle. Dennoch sind sie nur so etwas wie die einzelne Stimme in einem Orchester (vgl. ebd., S. 98). Dabei be-stehen nicht nur enge Zusammenhänge der positiven Emotionen untereinander. Auch die bei-den Regelkreise von Lust und Stress sind miteinander verbunbei-den und beeinflussen einander (vgl. Klein, S. 58; vgl. a. Zieglgänsberger u. Spanagel, S. 238 f.).

Beispielsweise wirken Endorphine Stresshormonen entgegen. Junge Ratten, die schreien, wenn sie von der Mutter getrennt werden, hören sofort auf, wenn man ihnen das den Endorphinen verwandte Morphium gibt. Man nimmt an, dass hier Endorphine im Spiel sind, die für ein Gefühl von Geborgenheit sorgen und ganz allgemein signalisieren, dass eine gewünschte Situa-tion erreicht ist. Wird jedoch die natürliche Wirkung der Endorphine blockiert, schreien die Tierkinder auch dann weiter, wenn die Mutter schon längst zurückgekehrt ist (vgl. Klein, S. 177 f.). Im Tierversuch wird deutlich, dass Einsamkeit bei Tieren Stress auslöst, an dem das CRH (Corticotropin-Releasing-Hormon) und das Stresshormon Cortisol beteiligt ist, welches für eine Suppression des Immunsystems und für verschiedene Krankheiten verantwortlich gemacht wird (vgl. Fußnoten 40 u. 42). Klein (vgl. ebd., S. 176 ff.) stellt Befunde des Neuro-psychologen Panksepp vor, der an Ratten beobachten konnte, dass diese bei andauernder Ein-samkeit anfällig für Krankheiten werden, weniger dicht mit Neuronen bestückte Gehirne ent-wickeln und ihr ganzes Leben lang ängstlich und irritierbar bleiben. Daneben sind – obwohl die Ursachen für Unterschiede zwischen den Tieren nicht erläutert werden – auch Studien erwäh-nenswert, wonach sich bei einjährigen Affen mit ausgeprägter Aktivität des rechten Stirnhirns schon bei der Baseline-Blutabnahme am Morgen höhere Cortisol-Werte zeigten als bei Tieren mit ausgeprägter Aktivität des linken (für die positiven Gefühle) zuständigen Stirnhirns und sich herausstellte, dass diese individuellen Differenzen auch noch zwei Jahre später vorhanden waren. Parallele Befunde zeigten sich bezüglich der Höhe des CRH (des an der Stressentste-hung beteiligten Corticotropin-Releasing-Hormons) in der Spinalflüssigkeit (vgl. Davidson, 2003, S. 660).

Dagegen gedeihen Tiere, die sich guter Pflege erfreuen dürfen und häufig gestreichelt werden, prächtig. Ratten z.B. „wachsen um die Hälfte schneller heran als Artgenossen unter Ver-gleichsbedingungen“ (Klein, S. 176). Auch wirkt sich das Ausmaß mütterlicher Pflege gegen-über Tierjungen in hohem Maße auf verschiedene Gehirnfunktionen aus. Nach Befunden, die der Hirnforscher Davidson in einem Übersichtsartikel vorstellt (vgl. Davidson, 2003, S. 662), nimmt beispielsweise bei guter Pflege die Rezeptorendichte für Benzodiazepine (also für Bo-tenstoffe der Beruhigung und Entspannung) in den einschlägigen Gehirnregionen deutlich zu, während die Rezeptoren für das CRH abnehmen. Wie schädlich sich Einsamkeit und wie ge-sundheitsförderlich sich umgekehrt sozialer Kontakt auswirkt, wurde auch bei Affen festge-stellt. Diese mussten – gemessen am Cortisolspiegel – umso weniger Stress ertragen, je mehr und je dauerhaftere Freundschaften sie pflegten. Ungewöhnlich geringe Mengen an Cortisol fanden sich beispielsweise in der Blutprobe eines Affen, der dauerhafte und langjährige Freundschaft mit einem Affenweibchen pflegte (vgl. ebd., S. 171 f.; vgl. a. Sapolsky, 1998, S. 321 ff.).

Diese Befunde stehen im Einklang mit vielen Forschungsergebnissen zu den Auswirkungen von Hospitalismus bei kleinen Kindern (vgl. Klein, S. 176 f.; vgl. a. Bowlby, 1976; Field u. a., 1986) und von Einsamkeit bei erwachsenen Menschen (vgl. dazu auch hinten Kap. 3.2.4 u.

4.2.2). Erwachsene „lassen es sich nicht so deutlich anmerken, wenn sie unter Einsamkeit lei-den, doch die Symptome an Körper und Seele sind kaum minder drastisch: Unruhe, innere Leere, Angespanntheit, Schlaf- und Appetitlosigkeit, Selbstzweifel machen das Leben zur Qual“ (Klein, S. 176).

So wie die Endorphine Stresshormonen entgegenwirken, könnten auch der Serotonin-Haushalt und das Stresssystem miteinander gekoppelt sein. Wenn im Gehirn viel Serotonin zirkuliert, schüttet es weniger Stresshormone aus. Daher lindern Antidepressiva den Dauerstress und die negativen Gefühle, die ihn begleiten, indem sie diesen Stoff verfügbar machen. Man nimmt an, dass unter der Wirkung von Serotonin und möglicherweise auch Noradrenalin die grauen Zellen wieder zu wachsen beginnen. Das erreichen die Botenstoffe vermutlich auf zwei Wegen. Zum einen kommt bei weniger Stresshormonen auch das Wachstum der grauen Zellen wieder in Gang. Zum anderen vermutet man, dass die beiden Botenstoffe auf die Neuronen einwirken und hier bestimmte Gene „einschalten“, die wiederum die Herstellung von Nervenwachstums-faktoren auslösen (vgl. Klein, S. 211 ff.; vgl. für eine Diskussion des Forschungsstandes a.:

Roth, 2001, S. 308 f.).

Insgesamt ist die Befundlage zum Zusammenhang zwischen Stressregulation und Glückssys-tem aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch unüberschaubar und zum Teil widersprüchlich (vgl. z.B. zur Wirkung des Noradrenalins: Sapolksy, 1998, Kap. 11). So stehen verschiedene Einzelbefunde nebeneinander, ohne dass sich bereits ein eindeutiges Gesamtbild zeigen würde.

Wie genau die verschiedenen Ebenen – zentrales und peripheres Nervensystem, Hormone und Immunsystem – zusammenspielen, ist für die Stressregulation weitgehender geklärt als für das Glückssystem. Zwar konnten Damasio und Kollegen bei ihrer Identifikation verschiedener Aktivitätsmuster im Gehirn auch spezifische Muster für Freude entdecken (vgl. Damasio u.a., S. 1049). Auch ist – wie in den vorhergehenden Abschnitten deutlich wurde – einiges über die Botenstoffe bekannt, die an den positiven Emotionen beteiligt sind. Wie aber deren Zusam-menspiel funktioniert, scheint noch weitgehend unklar zu sein. Erschwerend kommt hinzu, dass mit jeder der Ebenen spezialisierte Forschungsgebiete befasst sind, so dass eine Zusam-menschau der Befunde sehr schwierig ist.

Offene Fragen in Bezug auf die Emotion Freude

Zum Beispiel ist es offensichtlich diffizil, auf der Ebene des peripheren Nerven- und des Herz-Kreislaufsystems solche spezifischen Aktivierungsmuster für die positiven Emotionen aus-zumachen, wie sie für verschiedene negative Emotionen ja zum Teil unterschieden werden können. Dies mag damit zu erklären sein, dass die ausgeprägte Anpassungs- und Reaktionsbe-reitschaft des Körpers für bedrohliche Reize ihren Sinn macht, aber für positive Reize biolo-gisch überflüssig ist (vgl. Ekman, S. 552; vgl. a. Stock u. Badura, S. 78 ff.). Ein weiterer Grund könnte darin bestehen, dass positive und negative bzw . lust- und unlustbetonte Emotionen zum Teil doch die gleichen Bausteine benutzen bzw. die gleichen Kernprozesse in Gang set-zen, auch wenn die Bruchstellen und die Natur der einzelnen Kernkomponenten bzw.

Kern-prozesse im Alltag nicht sichtbar und dem Bewusstsein kaum zugänglich sind (vgl. Berridge, 1999).52

Würden diese Forschungsbefunde nicht nur für das zentralnervöse System, sondern auch für die peripheren physiologischen Aktivitäten zutreffen, dann könnte dies aufklären, warum die physiologischen Effekte von Glück und Freude häufig nicht eindeutig gegenläufig gegenüber den bereits bekannten Aktivierungsmustern von Angst, Ärger und Depression sind. Positive emotionale Reaktionen zeigen sich eher graduell abgeschwächt oder ausbleibend und sind mit geringeren Veränderungen der entsprechenden Messparameter verbunden und weniger spezi-fisch (vgl. für die Diskussion verschiedener Befunde: Stock u. Badura, S. 80). Stemmler, ein Psychologe, der sich eingehend mit der Frage spezifischer psychophysiologischer Profile bei Angst, Ärger und Freude befasst hat (vgl. Stemmler,1984), spricht in diesem Zusammenhang sogar von einer „verwirrenden bzw. verblüffenden Inkonsistenz“ (Stemmler, 1989, S. 629).

Allerdings nimmt er an, dass sich viele Widersprüche klären liessen, wenn zwischen Emotio-nen niedriger, mittlerer und hoher Intensität unterschieden würde (ebd., S. 630). Die Möglich-keit zur weiteren Klärung dieser Fragen wird allerdings dadurch eingeschränkt, dass Vergleiche von Angst und Ärger häufiger durchgeführt wurden als von jeder anderen Kombination von Emotionen (vgl. Stemmler, 2000, S. 484) und die Emotion Freude dabei kaum berücksichtigt wurde.

Vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten bei der Erforschung der positiven Gefühlszustände sieht Fredrickson, die Leiterin des Labors für positive Gefühle und Psychophysiologie an der Universität von Michigan, den „logische(n) erste(n) Schritt zur Erforschung guter Gefühle ...darin, die alten Modelle zu Gunsten neuer aufzugeben“ (Fredrickson, S. 40). Da es aus der Warte der Evolutionsgeschichte fraglich erscheint, ob positive Gefühle überhaupt einen An-passungsvorteil haben oder dazu dienen das Überleben zu sichern (vgl. ebd.), nimmt sie an, dass „gute Gefühle helfen, sich innerlich weiterzuentwickeln und so für härtere Zeiten zu wappnen“ (ebd.). Nach ihrer ´Broaden and Build Theorie` „vergrößern positive Empfindungen unser Gedanken- und Handlungsrepertoire und helfen damit, dauerhafte mentale Ressourcen und psychische Belastbarkeit aufzubauen“ (ebd.), eine These, die sie in einem Experiment mit Collegestudenten belegen konnte (vgl. ebd., S. 41). Darüberhinaus gelang es der Gruppe um Fredrickson auch zu zeigen, dass positive Emotionen nicht nur augenblickliches psychisches Wohlbefinden erzeugen, sondern sich auch förderlich auf die körperliche Gesundheit auswirken (vgl. dazu den folgenden Absatz). Schließlich sind noch Hinweise auf einen eher indirekten Zusammenhang zwischen positiven Gefühlen und Gesundheit zu erwähnen, der dadurch zustandekommt, dass ´gutgelaunte` Menschen eher die Sympathien anderer gewinnen und durch ihr prosoziales Verhalten soziale Bindungen stärken, die sich wiederum förderlich auf die Gesundheit auswirken (vgl. für einen Überblick: Kubzansky u. Kawachi, 2000 a., S. 229f.).

52 Es sieht so aus, als ob Stresssystem und Glückssystem sich nicht nur – wie in den vorgenannten Beispielen – gegenseitig beeinflussen, sondern sich zum Teil auch in ihren neurophysiologischen Abläufen überschnei-den. Berridge zeigt, dass auch vermeintlich basale Emotionen aus verschiedenen Kernprozessen zusammenge-setzt sind und einige dieser Kernprozesse sowohl an positiven als auch an negativen Emotionen beteiligt sind. So scheinen ebenso typische Zusammenhänge zwischen Teilprozessen von Vergnügen und Schmerz zu bestehen wie Überschneidungen zwischen dem Wünschen und Begehren und Kernprozessen der Emotionen Angst und Furcht (vgl. z. B. Berridge, S. 544 ff.).

Unklare Zusammenhänge zwischen positiven Emotionen und Gesundheit

Nach der vorliegenden Literatur sind die physiologischen Effekte positiver Emotionen offen-sichtlich nicht so eindeutig zu identifizieren, wie dies für die negativen Gefühle der Fall ist.

Dies bedeutet aber auch, dass zumindest eine einfache Zuordnung positiver Gefühle zu ge-sundheitsfördernden physiologischen Wirkungen nach dem derzeitigen Stand der Forschung nicht zulässig ist. Zwar zeigt eine Reihe von Untersuchungen, dass positive Emotionen und Grundgestimmtheiten den Gesundheitsverlauf in förderlicher Weise beeinflussen können.

- So stellt Goleman (1998 b, S. 56 ff.) verschiedene Untersuchungen vor, u.a. eine, die schon in den vierziger Jahren begann. Harvard-Studenten wurden auf der Grundlage von Aufsät-zen, in denen sie wichtige Ereignisse ihres Lebens beschrieben und erklärten, als Optimis-ten oder PessimisOptimis-ten eingestuft. Die PessimisOptimis-ten hatOptimis-ten ab ihrem vierzigsOptimis-ten Lebensjahr erheblich mehr ernsthafte Krankheiten als die Optimisten. In dieselbe Richtung weist auch eine Untersuchung an der Universität von Michigan mit Patienten nach einer Bypass-Operation. Hier zeigte sich, dass bei den Optimisten nicht nur die Operation weniger problematisch, sondern auch der Erholungsvorgang schneller verlief.

- Eine Studie von Danner, Snowdon und Friesen zeigt ebenfalls, dass Menschen, die sich gut fühlen, im Durchschnitt auch länger leben. Diese Psychologen werteten 180 biographische Texte (Tagebücher, Aufsätze) von Nonnen auf ihren emotionalen Gehalt hin aus und stell-ten anhand von Aussagen über Freude, Glück, Liebe, Hoffnung, Dankbarkeit etc. fest, dass eine positive, optimistische und fröhliche Lebenseinstellung die Lebenszeit bis zu ca. 10 Jahre verlängern kann (vgl. Danner u.a., 2001)

- Die oben bereits erwähnte Forschungsgruppe um Fredrickson fand auch einen Weg die körperlichen Effekte positiver Emotionen zu messen. Bei zuvor gestressten Probanden wurden durch fröhliche Filme positive Gefühle erzeugt, „die das aufgewühlte Herz-Kreis-lauf-System .. eindeutig günstig (beeinflussten)“ (Fredrickson, S. 41). Fredrickson inter-pretiert die Ergebnisse ihrer Experimente dahingehend, dass die entschärfende Wirkung po-sitiver Gefühle in Stresssituationen nahelegt, „dass sie langfristig eine Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems durch negative Gefühle reduzieren könnten“ (ebd,)

- Andere Beispiele für die gesundheitsförderliche Wirkung positiver Emotionen stammen von dem Neuropsychologen Davidson, der seit langem die Zusammenhänge zwischen dem af-fektivem Stil eines Menschen und der Aktivität der Amygdala bzw. des präfrontalen Kor-tex sowie deren Zusammenhänge mit weiteren biologischen Parametern erforscht. Nachdem er in früheren Arbeiten gezeigt hat, dass Menschen mit starker Dominanz der linken Ge-hirnhälfte dispositionell ebenso wie in experimentell erzeugten Situationen53 mehr positive

53 Davidson hat in verschiedenen Experimenten untersucht, wie sich die psychische Verfassung seiner Testper-sonen auswirkt. Demnach ließen sich VersuchsperTestper-sonen umso weniger von bedrückenden Bildern und Film-szenen aus der Ruhe bringen, je aktiver ihre linke Hirnhälfte war. Versuchspersonen mit aktiver rechter Ge-hirnhälfte gelang es dagegen deutlich schlechter, ihre Erregung zu bekämpfen (vgl. Klein, S. 59 ff.; vgl. für einen Überblick auch: Davidson, 2003; Davidson u.a., 1999 sowie Pauli u. Birbaumer, 2000). Auch Gole-man berichtet von Experimenten, bei denen Wissenschaftler der Harvard Universität die Hormonausschüttung von Personen untersuchten, die sich Filmkomödien anschauten, und entdeckten, dass sich der Cortisol-Spiegel dabei senkte und die Zahl der Abwehrzellen erhöhte. In einem weiteren, ähnlichen Experiment wurde eine Vermehrung von T-Lymphozyten festgestellt und außerdem, dass diejenigen Menschen, die im Alltag gerne lachen, den höchsten Anstieg an T-Lymphozyten aufwiesen. In diesem Zusammenhang verweisen Kri-tiker allerdings darauf, dass die genannten Immunparameter nur sehr ungenaue Messgrößen darstellen (vgl.

Affekte bzw. eine allgemein positivere Gefühlseinstellung zeigen als Menschen mit einer Dominanz der rechten Gehirnhälfte, machen Arbeiten aus jüngerer Zeit darüber hinaus deutlich, dass die Erstgenannten auch über mehr Killerzellen und über ein aktiveres Immun-system verfügen. So sprachen Versuchsteilnehmer umso besser auf eine Grippeimpfung an, je stärker die Aktivität ihrer linken Gehirnhälfte überwog (vgl. den Review von Davidson, 2003; vgl. a.: Davidson, 1999; Rosenkranz u.a., 2003 sowie Saron u. Davidson, 1998) Es ist aber unklar, wie diese Effekte zustandekommen. Man vermutet, dass „negative Emotio-nen bei Menschen mit mehr Aktivität im linken Stirnhirn weniger häufig auftreten und nicht so lange anhalten“ (vgl. Klein, S. 62), so dass „ihr Körper insgesamt weniger Stresshormone aus-(schüttet)“ (ebd.). Dies würde die These unterstützen, dass positive Emotionen weniger direkt die Gesundheit beeinflussen, sondern vielmehr dadurch, dass sie im Sinne eines Puffereffekts dämpfend auf schädigende Stressemotionen wirken (vgl. Stock u. Badura, S. 84).

Schließlich finden sich auch vereinzelt Hinweise auf eine gesundheitsförderliche Wirkung posi-tiver Emotionen auf der peripher-physiologischen Ebene. Beispielsweise wurden während als glücklich erlebter Phasen signifikant niedrigere Blutdruckwerte registriert als während der Pha-sen, die durch Aggression oder Angstgefühle gekennzeichnet waren (vgl. Stock u. Badura, 1995, S. 79 ff.).

Insgesamt erscheinen die vorliegenden Forschungsbefunde aber zu singulär, um eine zusam-menhängende Aussage zu den gesundheitsförderlichen physiologischen Wirkungen von positi-ven Emotionen machen zu können. Dennoch: Obwohl die Mechanismen, wie die positipositi-ven Emotionen auf den Körper und auf die Gesundheit wirken, im Einzelnen zu wenig bekannt sind, machen die vorliegenden Befunde doch deutlich, dass es in jedem Fall sinnvoll ist, das bereits vorliegende Wissen zumindest für unser psychisches Wohlbefinden zu nutzen. So er-öffnet uns beispielsweise die Tatsache, dass „die Hirnsysteme für negative und positive Emp-findungen so miteinander verbunden (sind), dass ein gutes Gefühl schlechte verhindern kann und umgekehrt“ (Klein, S. 56) auch die Möglichkeit, unangenehmen Gefühlen entgegenzu wir-ken und mit positiven Erlebnissen schlechte Gefühle zu verdrängen. Wir können lernen, Dinge zu tun, die die Aktivität unseres linken Stirnhirns steigern, z.B. indem wir uns soziale Unter-stützung suchen, uns bewegen, stimmungshebende Filme betrachten oder lernen, unseren Geist systematisch zu trainieren (vgl. Klein, S. 56 ff.). In Bezug auf den zuletzt genannten Aspekt verweisen Untersuchungen des Hirnforschers Davidson darauf, dass Meditationsübungen die Aktivität des linken Stirnhirns steigern. Seine erste Testperson, ein buddhistischer Mönch zeigte sogar eine linksfrontale Hirnaktivität, die alles in den Schatten stellte, was Davidson bis dahin studiert hatte (vgl. die Hinweise bei Flanagan, 2003 u. bei Klein, S. 66). Entsprechende Befunde fand Davidson aber nicht nur bei praktizierenden Buddhisten sondern auch bei den Teilnehmern eines auf Meditationsprinzipien basierenden Stressbewältigungsprogramms, wel-ches hinten in Kap. 7.2.2 noch genauer vorgestellt wird (vgl. Davidson u.a., 2003).

Offensichtlich ist, dass es für viele Menschen „positive Emotionen nicht gratis geben (kann)“

(Klein, S. 48). „Wir neigen dazu, Glück als Genuss ohne Vorgeschichte und Kosten zu begrei-fen, nicht als einen Prozess“ (ebd.), für den wir etwas tun können.54 Anders als viele

54 Selbst wenn manche Menschen mit einem aktiven linken Stirnhirn genetisch bevorzugt sein mögen, so kann sich diese Grundausstattung im Laufe des Lebens umkehren. Was ein bestimmtes Gen im Organismus an-richtet, hängt in hohem Maße von Wechselwirkungen mit der Außenwelt ab. So berichtet Klein über eine persönliche Mitteilung des Hirnforschers Davidson, wonach dieser festgestellt hat, dass sich die