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1. Das Jugendalter

1.4. Entwicklungsaufgaben im Jugendalter

1.4.2. Selbst – Selbstwert - Selbstkonzept

„Selbstkonzept“ und „Selbstwert“, welche im nachfolgenden Kapitel behandelt werden, deut-lich ist.

1.4.2. Selbst – Selbstwert - Selbstkonzept

Neben der Entwicklung und Auseinandersetzung mit der eigenen Identität ist der Aufbau von Selbstwert und Selbstkonzept im Jugendalter von besonderer Bedeutung.

Der Begriff „Selbst“ ist größtenteils deckungsgleich mit dem Begriff der Identität. Das Selbst bezieht sich in einem ontologischen Sinn auf das Wesentliche einer Person, den Kern des Persönlichkeitssystems. Im phänomenologischen Sinn dagegen bedeutet Selbst die Selbst-wahrnehmung und Selbsterkenntnis. In diesem spezifischeren Sinne spricht man dann vor-wiegend vom Selbstkonzept, von dem man wiederum verschiedene Komponenten erfassen kann (vgl. Oerter/Montada 2008, S. 303). Das Selbstkonzept wird von vielen als das Resultat einer Selbstbeschreibung und Selbstbewertung konzipiert, während Identität das Ergebnis einer aktiven Suche, Definition oder Konstruktion des Selbst beinhaltet (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S. 157). Selbstwert wird als das Ergebnis evaluativer Prozesse oder als Einstellung gegenüber sich selbst definiert (vgl. ebd., S. 143).

Meist werden zwei Hauptkomponenten des Selbstkonzeptes unterschieden. Die affektive Komponente des Selbstkonzeptes erfasst das Selbstwertgefühl und das Selbstvertrauen.

Die kognitive Komponente beinhaltet das Wissen, das man von sich hat und die Selbstwahr-nehmung. Während der Identitätsbegriff durch Erikson eingeführt wurde, geht der Begriff des Selbst auf James (1890) zurück. Er unterscheidet zwischen „I“ (Ich) und „Me“ (Mich), einem Erkennenden und einem Erkannten. Der Erkennende (Wissende), das Ich, hat die Aufgabe und zugleich das kognitive Bedürfnis, ein klares Bild vom Gegenstand seines Erkennens, dem „Mich“, zu gewinnen. Mead (1973) führt diese Unterscheidung weiter. Das „Me“ wird zu einer individuellen Spiegelung des gesellschaftlichen Gruppenverhaltens. Das „Me“ steht für eine bestimmte Organisation in der Gemeinschaft, die in unserer Haltung präsent ist und verlangt nach einer Reaktion. Die Reaktion des Subjekts auf gesellschaftliche Inhalte nennt Mead das „I“. Das „I“ reagiert auf die Identität, die sich durch die Übernahme der Haltungen anderer entwickelt. Indem wir diese Haltungen übernehmen, führen wir das „Me“ ein und reagieren darauf als ein „I‘“. Beim „I“ wird auch Freiheit und Unvorhersehbarkeit des Han-delns angesiedelt. Die Handlung des „I“ ist etwas, dessen Natur wir im Vorhinein nicht be-stimmen können. Damit wird zugleich die Offenheit von Entwicklung theoretisch postuliert (vgl. Oerter/Montada 2008, S. 303f.).

Obwohl man Selbstkonzept und Selbstwert theoretisch klar voneinander trennen kann, ist das empirisch eine komplizierte Sache. AutorInnen, welche das Selbstkonzept erforschen,

15 fragen meist nach den Einschätzungen und Bewertungen des Selbst oder sie sprechen von positivem oder negativem Selbstkonzept. Es gibt wenig Forschungen darüber, die sich direkt mit Selbstbeschreibungen und den Vorstellungen über das Selbst beschäftigt haben. Selbst-konzept und Selbstwert werden, trotz aller Bemühungen, sie zu differenzieren, meist implizit synonym verwendet. Das hat eine gewisse Berechtigung, weil Selbstbeschreibungen selten neutral sind. Meistens haben unsere Selbstbeschreibungen klare evaluative Komponenten und liegen nahe bei Selbsteinschätzungen. Rosenberg (1979) geht noch weiter und meint, dass der Mensch kaum in der Lage ist, etwas wahrzunehmen, ohne es zu bewerten. Dies impliziert, dass alle Selbstwahrnehmungen auch Selbstbewertungen sind (vgl. Flam-mer/Alsaker 2002, S. 143).

Rosenberg unterteilt das Selbstkonzept in drei Bereiche, nämlich das Konzept des aktuellen Selbst (extant self), d.h. wie eine Person sich selbst wahrnimmt, das, was wir üblicherweise Selbstkonzept oder Selbstbild nennen, das Konzept des erwünschten Selbst (desired self), d.h. wie eine Person sich selbst gern sehen möchte und das Konzept des sich darstellenden Selbst (presenting self), d.h. wie eine Person sich anderen gegenüber darstellt (vgl. ebd., S.

145).

Selbstkonzept und Identität besitzen gerade in der Entwicklung der Adoleszenz einer Son-derstellung. Die Adoleszenz beinhaltet zahlreiche Veränderungen, die nicht ohne Auswir-kungen auf die Selbstrepräsentation bleiben. Wie bereits im vorigen Abschnitt der Arbeit er-wähnt wurde, entstehen Identität und Selbstkonzept nicht erst in dieser Lebensphase. Die Adoleszenz führt zu Neuorientierungen und damit vereinzelt auch zur Desorientierung. Nicht nur die körperlichen Veränderungen, sondern auch die kognitive Entwicklung fordert Umstel-lungen der Selbstrepräsentationen. Jugendliche sind in einer Phase, in der sie zunehmend abstrakter denken können und sich der Relativität von Aussagen über die Wirklichkeit und sich selbst bewusst werden. Es zeigt sich auch, dass sich Jugendliche mehr als zuvor damit beschäftigen, wer sie wirklich sind, woher sie kommen und wie andere Menschen sie wahr-nehmen (vgl. ebd., S. 142).

Im Verlauf der späten Adoleszenz hat sich ein ziemlich realistisches Selbstbild entwickelt.

Der/Die Jugendliche weiß, dass er/sie sich nicht in allen Situationen seinem idealen Selbst-bild entsprechend verhalten kann und schafft es, sich selbst viel realistischer als früher ein-zuschätzen, kennt seine/ihre Stärken und Schwächen genauer und ist in der Lage, das eige-ne Selbst einheitlicher und stabiler zu sehen als noch Jahre zuvor. Mit der Bildung des Selbstkonzepts verfügt der/die Jugendliche über eine gute Voraussetzung zu seiner/ihrer Identitätsfindung, die aber damit noch nicht abgeschlossen ist, sondern erst ermöglicht wird.

Eine persönliche Identität ist mehr als ein Selbstkonzept, denn sie erfordert, dass vorausge-gangene Erfahrungen, fortdauernde persönliche Veränderungen während der gesamten

Le-16 bensspanne integriert werden. Die Identität gilt als gefunden, wenn junge Menschen verbind-liche Antworten auf Fragen der folgenden Art gefunden haben: Welchen Beruf sollte ich er-greifen? Welche religiösen Überzeugungen, welche moralischen Werte und welche politi-schenEinstellungen wähle ich als für mich verbindlich aus? Wer bin ich als Mann oder Frau, als sexuelles Wesen? Wie kann ich mich konstruktiv in die Gesellschaft einfügen? (vgl. Miet-zel 2002, S. 389f.).

In der heutigen Zeit ist es nicht nur normal, dass wenig vorgegeben ist, sondern auch, dass vieles angeboten und gefordert wird. Der heranwachsende Mensch soll nicht nur ein Gefühl der Identität aufbauen, er ist auch vor die Aufgabe gestellt, den Inhalt seines Lebens zu ge-stalten und damit auch selbst zu bestimmen, wie er sich definieren will. Auf der anderen Sei-te verlangen die schnellen Sei-technologischen Entwicklungen und die sich schnell wandelnden sozialen Strukturen eine hohe Anpassungsfähigkeit, die weniger Raum für die Bildung eines Gefühls der Einigkeit mit sich selbst lassen. Selbstrepräsentationen sind vielfältig bedingt und beeinflussen ihrerseits Wahrnehmungen und Entscheidungen. Das Selbstkonzept und die Identität beeinflussen darum die weitere Entwicklung einer jeden Person. Ein hoher Selbstwert kann als Schutzfaktor fungieren, ein niedriger Selbstwert als Risikofaktor. Da Selbstbeurteilungen sich in der Adoleszenz mit zunehmenden Alter stabilisieren und sehr negative Einstellungen zu sich selbst meistens nicht spontan verbessern, ist es ein wichtiges Anliegen, Jugendlichen mit negativen Selbstrepräsentationen adäquate Unterstützung zu geben (vgl. Flammer/Alsaker 2002, S. 165f.).

Nach der Einführung in das Thema Jugendalter, in der die wichtigsten theoretischen Konzep-te der jugendlichen Entwicklung und die Entwicklungsaufgaben erläuKonzep-tert wurden, wird im nächsten Kapitel das Thema Freundschaft behandelt.

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