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3. Soziale Netzwerke

3.3. Erledigung von Entwicklungsaufgaben in der Online-Welt

3.3.2. Freundschaft in sozialen Netzwerken

Nicht nur die Entwicklungsaufgabe der Identitätsarbeit kann mithilfe von Medien bewältigt werden, sondern auch die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Freundschaften.

Soziale Beziehungen, bei welchen der erste Kontakt und wichtige Folgekontakte computer-vermittelt ablaufen, werden heutzutage als Internet-Beziehungen, Online-Beziehungen oder virtuelle Beziehungen bezeichnet. Herkömmliche soziale Beziehungen, die im „realen“ Leben stattfinden, nennt man dagegen Offline Beziehungen. Diese Definition birgt jedoch auch Probleme, da zum Beispiel Offline-Beziehungen nicht allein durch Face-to-Face-Kontakte bestimmt sind, sondern auch auf Telefonkontakten basieren. Auf der anderen Seite be-schränken sich Online-Beziehungen nicht nur auf computervermittelte Kontakte. Für Men-schen, die heute aktiv das Internet nutzen, sind somit Hybrid-Beziehungen typisch, die so-wohl auf Offline- als auch auf Online-Kontakten basieren (vgl. Döring 2003, S. 424).

Medien spielen für das Beziehungsmanagement von Jugendlichen eine bedeutende Rolle.

Darüber hinaus dient die gemeinsame Mediennutzung von Jugendlichen, am selben Ort und zur selben Zeit, der Pflege der gemeinsamen Beziehung. Zum Beispiel hören Peers die Songs der Lieblingsband, schauen sich gemeinsam Filme und Serien an oder spielen in der Gruppe Computerspiele. Unter dem Beziehungsmanagement von Jugendlichen wird somit die Pflege der persönlichen Sozialbeziehungen unter Einbeziehung von Medien verstanden (vgl. Friedrichs/Sander 2010, S. 289f.). Jugendliche nutzen Medien in erster Linie deshalb, um mit Gleichaltrigen, aber auch anderen Familienmitgliedern online zu interagieren und zu kommunizieren. Daraus schaffen sie Anregungen und können ihre Themen online im gemeinschaftlichen Kontext präsentieren und ausformen. Der Wunsch, soziale Einbettung zu erfahren und sich zugehörig zu fühlen, wird in dieser Kommunikation ausgedrückt. Die Pflege und der Ausbau sozialer Beziehungen vollzieht sich nicht nur über Chats und Communitys, sondern Jugendliche bedienen sich dazu auch der Feedbackstrukturen, wenn sie zum Beispiel eigene Werke online stellen und dann die Rückmeldung von anderen einfordern (vgl. Wagner 2009, S. 120).

Die Nutzung von Medien führt aber nicht immer von sich aus zu neuen Kontakten und Be-ziehungen. Das heißt, dass es darauf ankommt, unter welchen Bedingungen Personen das Internet als Medium zum Beziehungsmanagement auswählen und wie sie ihr Kommunikati-onsverhalten situativ auf die Medienmerkmale und das jeweilige Gegenüber abstimmen (vgl.

Döring 2003, S. 448). Döring behandelt in diesem Zusammenhang die These vom sozialen

40 Beziehungsverlust. Anstatt persönlichen Kontakt zu haben und sich miteinander zu beschäf-tigen, verschanzen sich Menschen zunehmend hinter Medien. FreundInnen werden zuneh-mend in unpersönlicher Weise per Telefon, Instant Message oder E-Mail kontaktiert. Bezie-hungsverarmung ist dann zu befürchten, wenn Medienwahlen nicht gemäß den Präferenzen der Beteiligten getroffen werden, sondern durch äußere Zwänge vorgegeben sind. Es bleibt zu hoffen, dass ein kompletter Ersatz anderer Kontaktformen durch computervermittelte Kommunikation letztlich nicht durchgesetzt werden kann und Netzkommunikation stattdes-sen eine reflektierte und gezielt eingesetzte Ergänzung des Medienspektrums darstellt.

Netzbasierte Außenkommunikation kann auch die Ressourcen einer Beziehung vermehren, vor allem durch Zeitersparnis, praktische Informationen oder die Planung und Organisation gemeinsamer Aktivitäten. Es hängt entscheidend von der Qualität der jeweiligen sozialen Beziehung und der Quantität und Qualität der Netzaktivitäten ab, ob und wie die Nutzung von Internet konstruktiv integrierbar ist oder bestehende Beziehungen und Netzwerke ge-fährdet und verarmt (vgl. ebd., S. 478ff.).

Durch den Einfluss von neuen Medien stellt sich die Frage, wie die Kommunikation die Bin-dungsqualität beeinflusst. Starke Bindungen (strong ties) werden heutzutage stärker reflek-tiert, bevor sie vom Individuum eingegangen werden. Im Gegensatz dazu vermehren sich die schwachen Bindungen (weak ties) bei Jugendlichen vor alles deshalb, da diese zu nichts verpflichten und man somit flexibel sein kann. Soziale Netzwerke sind zudem ideale Struktu-ren zur Anhäufung von Sozialkapital. Im Zentrum vieler Internetbeziehungen steht nicht be-dingungslose Zuneigung oder Freundschaft, sondern die Vernutzung der Zwischenmensch-lichkeit zum persönlichen Vorteil. Das Internet ist in erster Linie Marktplatz für den Austausch von soziokulturellen Kompetenzen, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Beziehungen, die dem Aufbau und der Ausgestaltung von Sozialkapital dienen sollen (vgl. Heinzlmaier 2013, S.

64f.).

Wie erwähnt, bieten Social Network Sites neue Möglichkeiten im Hinblick auf den Auf- und Ausbau von Sozialkapital. Beziehungen und Bekanntschaften können gebildet bzw. gepflegt werden, die teilweise über die Kontaktpflege im realen Leben hinausgehen. Auch die Mög-lichkeit für den Austausch von Hilfeleistungen oder sozialen Unterstützungsformen haben sich durch die computervermittelte Kommunikation verändert bzw. erweitert. So kann zum Beispiel in sozialen Netzwerken von Personen emotionaler Trost gespendet werden, mit de-nen man im realen Leben nur wenig oder gar keide-nen Kontakt hat.

41 Die Gründe, warum soziale Netzwerke den Aufbau und die Pflege von Sozialkapital erleich-tern, fasst Kneidinger unter drei Annahmen zusammen:

 Soziale Netzwerke bieten neue und bequeme Kommunikationsmöglichkeiten (z.B.

Chat, Pinnwand, Statusmeldungen etc.), die den Aufbau und die Pflege von Kontak-ten einfach und an jedem Ort ermöglichen. Neben dem Zeitfaktor ist auch der Kos-tenfaktor zu beachten, der für diese Interaktionsform im Vergleich zu traditionellen Kommunikationsmitteln wie Telefon oder Briefen deutlich geringer ist.

 Mithilfe von sozialen Netzwerken können die eigenen Interessen und Aktivitäten sehr schnell mit anderen Personen geteilt werden. Auf diese Weise wird der Kommunikati-onsfluss auch mit jenen Personen erleichtert und initiiert, die mittels klassischer Kommunikationsformen kaum kontaktiert worden wären.

 Soziale Netzwerke fördern aber auch die Kontaktaufnahme im realen Leben, da Kon-taktinformationen (z.B. Wohnort, Telefonnummer, E-Mail) im Online-Profil bereitge-stellt werden können. Auf diese Weise unterstützen soziale Netzwerke den Übergang zwischen Online- und Offlineinteraktionen bzw. erleichtern die Wiederaufnahme von Kontakten, die aufgrund von geographischer Distanz verloren gegangen sind („main-tained social capital“) (vgl. Kneidinger 2010, S. 35ff.).

Bei der Betrachtung der Mediennutzung von Jugendlichen wird klar, dass sich diese sicherlich positiv auf das Beziehungsmanagement und die Identitätsentwicklung auswirken kann. Auf der anderen Seite sind aber auch Risiken zu nennen:

Konsum- und Konformitätsdruck: Jugendliche unterstehen im Zusammenspiel mit der Peer-Group einem gewissen Konsum- und Konformitätsdruck in Hinblick auf die Medienausstattung. Dies kann dazu führen, dass Jugendliche sich im Rahmen ihrer Mediennutzung finanziell überlasten. Zudem laufen Jugendliche, die nicht an einer solchen Mediennutzung teilnehmen können (z.B. durch mangelnde Geräteausstattung), Gefahr, isoliert zu sein.

Mediensucht/Onlinesucht: Eine exzessive Mediennutzung, beispielsweise durch Online-Rollenspiele, kann unterschiedliche Problemlagen nach sich ziehen und die sozialen Beziehungen im Offline-Kontext massiv beeinträchtigen.

Persönliche Öffentlichkeiten/Privatsphäre: Jugendliche müssen dafür sensibilisiert werden, dass Daten, die sie veröffentlichen, prinzipiell für jeden zugänglich sind und im Internet weiterverbreitet werden können, sofern sie nicht gezielt spezifische Privatsphäreeinstellungen nutzen.

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Cyber-Mobbing: Eine weitere, recht häufig auftretende Gefahr stellt das Mobbing im Internet dar, bedingt durch die Anonymität des Internets (vgl. Friedrichs/Sander 2010, S. 302f).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass soziale Netzwerke in der heutigen Zeit aufgrund der vielfältigen Möglichkeiten, die Jugendlichen geboten werden, nicht mehr wegzudenken sind. Nachfolgend wird auf Forschungsarbeiten eingegangen, die diese Thematik behandeln.