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2. Freundschaft

2.4. Bindungstypen

2.4.2. Sozialkapital

Der Aspekt des Sozialkapitals spielt im Bereich der sozialen Beziehungsformen eine zentrale Rolle. Mit Sozialkapital umschreibt man den Nutzen, den man aus sozialen Beziehungen ziehen kann. Dieser ist somit eine Art Maßzahl für den Wert von sozialen Bindungen.

Voraussetzungen für das Sozialkapital sind soziale Beziehungen, die auf verschiedenem Wege zunächst aufgebaut, dann erhalten und gepflegt werden müssen, um tatsächlich vom Sozialkapital profitieren zu können. Sozialkapital ist weder eine reine Eigenschaft des Indivi-duums, noch kann es als reine Eigenschaft einer Gesellschaft insgesamt zugeschrieben

28 werden, da es immer auch aus der Sicht des jeweiligen Individuums gesehen werden muss (vgl. Kneidinger 2010, S. 25f.).

Das Modell von Puntnam (2002) unterscheidet zwischen zwei Formen des Sozialkapitals, nämlich dem „brückenschlagenden“ (bridging) und dem „bindenden“ (bonding) Sozialkapital.

Dieses Modell entspricht ziemlich dem Modell von Granovetter, welches im vorigen Abschnitt der Arbeit behandelt wurde. Das „bridging social capital“ entspricht dabei den schwachen Beziehungen, die auch unterschiedliche Gesellschaftsgruppen miteinander vernetzen kön-nen, wobei das „bonding social capital“ den starken Beziehungen entspricht, bei denen Per-sonen miteinander verbunden sind, die oft auch aus der gleichen gesellschaftlichen Gruppe entstammen (vgl. ebd., S. 28).

Grundsätzlich kann für die unterschiedlichen Formen sozialen Kapitals auf individueller Ebe-ne folgende Differenzierung festgehalten werden:

bridging social capital: Hier stehen die schwachen, eher losen Bindungen (weak ties) und der informationelle Gewinn durch ein sehr heterogenes Netzwerk im Zent-rum. Emotionale Unterstützung wird jedoch kaum erwartet.

bonding social capital: Hier stehen die emotionalen Gewinne durch starke Bindun-gen (strong ties) zu enBindun-gen FreundInnen und Familienmitgliedern im Mittelpunkt.

maintained social capital: Diese Form des Sozialkapitals erlaubt es, mit der ehema-ligen Gemeinschaft in Verbindung zu bleiben (z.B. nach einem Umzug). Gerade die-ser Aspekt scheint im Zusammenhang mit Online Social Networks von großer Rele-vanz zu sein (vgl. ebd., S. 29f.).

Nach der Auseinandersetzung mit dem Thema Freundschaft, der Entwicklung von Freund-schaftsbeziehungen, der Wichtigkeit von Peer-Groups im Jugendalter sowie den verschiede-nen Bindungstypen, widmet sich das folgende Kapitel dem Thema „soziale Netzwerke“.

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3. Digitale soziale Netzwerke

Im dritten Kapitel der Arbeit wird auf das Thema digitale soziale Netzwerke eingeganen.

Nach einer einleitenden Definition, was soziale Netzwerke sind, wird darauffolgend die Nutzung von neuen Medien sowie deren Wichtigkeit für Jugendliche betrachtet.

Abschließend werden Forschungsarbeiten vorgestellt, welche das Thema in den Blickwinkel nehmen.

Das Leitmedium Fernsehen hat mit der Medienkonvergenz seine jahrzehntelange Spitzenposition verloren. Die Medienkonvergenz erlaubt es, im Internet neue mediale Inhalte und damit verbunden neue Kommunikationsweisen zu entwickeln und ebenso fast alle

„alten“ Medien (vor allem Rundfunk und Printmedien) zusammenzuführen. Mit dem Internet und seinen vielfältigen Möglichkeiten haben sich auch die Quellen sowie die Aneignungsformen der medialen Quellen verändert (vgl. Schorb 2009, S. 87f.). Für Jugendli-che geht es im Internet vor allem um aktive Kommunikation und Beziehungspflege. Zudem bietet sich das Internet aber auch als autonomer Raum an, in dem Jugendliche ihr kulturelles Leben, ohne unter der Beaufsichtigung von Erwachsenen zu sein, leben können (vgl.

Heinzlmaier 2013, S. 130).

3.1. Was sind soziale Netzwerke?

Nachfolgend wird auf die Definition von sozialen Netzwerken bzw. Social Network Sites (SNS) eingegangen sowie das bekannteste soziale Netzwerk, nämlich Facebook, kurz dargestellt.

3.1.1. Begriffsbestimmung

„Bei Social Network Sites (SNS) handelt es sich um Anwendungsplattformen.

SNS geben Informationen über Beziehungen zwischen Personen, wobei sich die bisherige Trennung von privater und öffentlicher Kommuniktation auflöst. Ein Drang nach unmittelbarer Ausdrucksform im virtuellen Raum lässt sich beobachten. Für die User eröffnen sich neue Möglichkeiten zu individueller Selbstdarstellung und zur aktiven Gestaltung von sozialen Beziehungen.

Gleichzeitig drohen ihnen Risiken, da ihre Daten nicht nur von ihren »Freunden«

eingesehen werden können. Die Betreiber der Plattformen haben widerum das Interesse, ihre Investitionen zu amortisieren“ (Röll 2010, S.209).

30 Soziale Netzwerke gibt es im engen und im weiten Sinne. Netzwerke im engen Sinne haben ein gemeinsames Ziel und Interesse. Die Mitglieder treten weitgehend unter einem Pseudonym auf. Netzwerke im weiten Sinne (SNS) dienen der Erstellung von Mitgliederprofilen und der Vernetzung ihrer Mitglieder untereinander. Hier interagieren die Beteiligten mit ihrer realen Identität. SNS lassen sich differenzieren in themenbezogene, austauschbezogene, transaktionsbezogene und unterhaltungsbezogene Netzwerke. Unterschieden werden können zudem Freundesnetzwerke (Facebook, MySpace) und professionelle Netzwerke (Xing, LinkedIn) (vgl. Röll 2010, S. 209).

Eine weitere Definition stammt von Boyd und Ellison:

„We define social network sites as web-based services that allow individuals to (1) construct a public or semi-public profile within a bounded system, (2) articulate a list of other users with whom they share a connection, and (3) view and traverse their list of connections and those made by others within the system.

The nature and nomenclature of these connections may vary from site to sites”

(Boyd/Ellison 2007, S. 11)

3.1.2. Was bieten soziale Netzwerke?

Bei sozialen Netzwerken geht es um das Verwalten von Profildaten, um Beziehungen zu anderen Mitgliedern oder um unterschiedliche Aktivitäten der Beteiligten. Zusätzlich kann der Kontakt zu aktuellen und ehemaligen FreundInnen hergestellt werden. Soziale Netzwerke erlauben das Erstellen von (halb-)öffentlichen Profilen auf einer kostenlosen Homepage mit Fotos, Hobbys, Audio- und Videofiles, Gästebuch und eigenem Blog innerhalb eines eingebundenen Systems. (vgl. Röll 2010, S. 210).

Eine Social Network-Plattform zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:

Profilseite: Mitglieder erstellen eine Profilseite, auf der sie sich der Öffentlichkeit präsentieren. Nachdem sich ein/e User/in bei einer SNS angemeldet hat, wird ihm/ihr eine Reihe von Fragen gestellt, wodurch ein persönliches Profil generiert wird. Zum Profil gehören unter anderem ein Profilbild, Informationen über demografische Anga-ben (z.B. Geschlecht, Alter, Kontaktdaten, AngaAnga-ben zu Schule bzw. Arbeitsstelle) und eine Selbstbeschreibung des Mitglieds samt Angaben zu persönlichen Vorlieben und Interessen und hochgeladene Fotos. Des Weiteren hat man die Möglichkeit, sich

31 einer bestimmten Gruppe im Netzwerk zuzuordnen, die zum Beispiel Interessensge-biete wie Fan-Zugehörigkeiten oder Eigenschaften der NutzerInnen abbilden. Indivi-dualisiert gestaltet werden kann das eigene Profil auch durch das Einstellen von Songs und Videos.

Artikulation sozialer Beziehungen: Freundschaftseinladungen ermöglichen die Artikulation von sozialen Beziehungen. Das bedeutet, dass NutzerInnen an andere Personen eine Freundschaftsanfrage senden können. Bei der Annahme dieser Freundschaftseinladung erscheint das Profilbild des jeweils anderen Mitglieds in der Freundesliste der beiden NutzerInnen. Auch für andere TeilnehmerInnen der Community ist somit sichtbar, dass die beiden NutzerInnen nun „befreundet“ sind.

NutzerInnen können die Profilseiten ihrer „FreundInnen“ betrachten und somit Informationen über sie erhalten.

Möglichkeiten der Kommunikation: Zu den Kommunikationsmöglichkeiten von SNS gehören private Nachrichten, die nur für den/die Empfänger/in zugänglich sind, eine öffentlich einsehbare Pinnwand auf der Profilseite sowie die Möglichkeit einer Chatfunktion. Außerdem können die NutzerInnen je nach Plattform in Gruppen, denen sie angehören, über Diskussionsforen und per Blogs kommunizieren.

Daneben können die NutzerInnen kurze Nachrichten versenden, die auf der Startseite der anderen Mitglieder beim Einloggen in die Plattform erscheinen.

Startseite: Wenn man sich bei einer Social Network-Plattform einloggt, gelangt man zuerst auf die persönliche Startseite und wird dort über die Aktivitäten des eigenen Netzwerks informiert. Außerdem wird das Mitglied vom Betreiber durch automatisch generierte Mitteilungen auf der Startseite darüber benachrichtigt, ob andere NutzerInnen mit ihm in Kontakt treten und kommunizieren wollen (vgl.

Friedrichs/Sander 2010, S. 292ff.).

Nachfolgend wird nun auf Facebook, das wohl bekannteste soziale Netzwerk, eingegangen.

3.1.3. Facebook

2004 wurde Facebook vom Harvard-Studenten Mark Zuckerberg entwickelt und war ur-sprünglich ausschließlich für die Kommunikation der StudentInnen innerhalb des Universi-täts-Campus gedacht. Erst zwei Jahre später (September 2006) wurde Facebook für die ganze Bevölkerung geöffnet und erreichte innerhalb kurzer Zeit weite Bereiche der USA und zunehmend auch Asien und Europa. 2008 ging die deutsche Version online. Zwar sind die NutzerInnen von Facebook nach wie vor eher jung, jedoch gewinnt Facebook in immer

brei-32 teren Bevölkerungskreisen an Bedeutung. Dies lässt die Annahme zu, dass die Nutzungs-formen und damit die Auswirkungen auf bestehende Sozialbeziehungen in der breiten Be-völkerung zunehmend ausdifferenzierter werden.

Bei Facebook verfügt jedes Mitglied, ähnlich wie bei anderen Social Network Sites, über eine eigene Profilseite, auf der man Informationen über sich selbst, Foto- und Videomaterial, aber auch sprachliche Meldungen, wie zum Beispiel eine Statusmeldung mit der aktuellen Befind-lichkeit oder Aktivität, online stellen kann. Der Austausch zwischen den Mitgliedern wird dadurch begünstigt, dass bei allen Aktivitäten die Möglichkeit vorhanden ist, Kommentare dazu zu veröffentlichen oder mittels Klick auf den „Gefällt mir“-Button zu zeigen, dass man eine Aktivität positiv findet. Des Weiteren ist es den UserInnen auch möglich, per Chat und über die Nachrichten-Funktion untereinander zu interagieren. Ergänzt wird das Angebot durch verschiedene Facebook-Gruppen sowie Unterhaltungstools (kleine Spiele oder Tests) (vgl. Kneidinger 2010, S. 59f.).

Facebook ist das weltweit größte soziale Netzwerk mit über einer Milliarde Mitglieder. Durch-schnittlich gibt es 890 Millionen täglich aktive NutzerInnen, davon nutzen 745 Millionen Men-schen Facebook mobil (vgl. Facebook 2015, o. S.). Der/Die durchschnittliche Nutzer/in be-sitzt 130 FreundInnen im Netzwerk und versendet acht Freundschaftseinladungen im Monat.

Er/Sie verbringt ca. 55 Minuten pro Tag in Facebook, schreibt durchschnittlich 25 Kommen-tare im Monat bzw. klickt 9 Mal den „Gefällt mir“-Button. Pro Monat wird der/die durchschnitt-liche Nutzer/in zu 3 Veranstaltungen über Facebook eingeladen, und wird Fan von 2 Seiten.

Außerdem ist der/die durchschnittliche User/in Mitglied von 12 Gruppen (vgl. Kneidinger 2010, S. 61).

Nach der Einführung in die Thematik wird im nächsten Abschnitt auf die Nutzung von Medien und sozialen Netzwerken Bezug genommen.

3.2. Nutzung von Medien und soziale Netzwerken

Digitale Technologien wie Smartphones und Tablets sowie Social Network Sites sind aus dem Alltag vieler Jugendlicher nicht mehr wegzudenken. Diese sind nicht nur ein Mittel für die Unterhaltung, sondern bieten Jugendlichen die Möglichkeit, mit FreundInnen zu kommu-nizieren und in Kontakt zu bleiben. Der nachfolgende Einblick in das Nutzungsverhalten soll die Wichtigkeit dieser Medien verdeutlichen.

Der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (mpfs) untersucht seit 1998 mit der Studienreihe JIM (Jugend, Information, (Multi-) Media) die Mediennutzung von Jugendlichen im Alter von 12 bis 19 Jahren. Für die JIM-Studie 2014 wurden im Zeitraum vom 13. Mai bis 27. Juli 2014 aus der Grundgesamtheit der ca. 6,5 Millionen Jugendlichen eine

repräsentati-33 ve Stichprobe von 1.200 Zielpersonen telefonisch befragt (vgl. Medienpädagogische For-schungsverbund Südwest 2014, S. 3f.).

Mediennutzung und –ausstattung

Computer und Internet zählen heutzutage genauso selbstverständlich zur technischen Grundausstattung wie ein Fernseher oder das Handy bzw. Smartphone und sind in mindes-tens 98 Prozent aller Haushalte zu finden. Drei Viertel (76 %) aller Jugendlichen haben einen eigenen Computer oder Laptop zur Verfügung. Insgesamt scheint es beim Besitz von Com-putern bzw. Laptop eine Sättigung zu geben. Das Bedürfnis von Jugendlichen, Computer und vor allem das Internet zu nutzen, wird zunehmend von anderen technischen Geräten wie beispielsweise dem Smartphone übernommen (vgl. ebd., S 23).

Medien sind aus dem Alltag von Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Bei der täglichen Nutzung steht das Handy mit 87% an erster Stelle, dicht gefolgt vom Internet (81%). Fernse-hen spielt für knapp drei Fünftel der JugendlicFernse-hen im täglicFernse-hen Gebrauch eine Rolle. Gut die Hälfte hört täglich Radio, etwa jeder Fünfte liest jeden Tag in Büchern oder Tageszeitungen.

Bezogen auf die regelmäßige Nutzung (mindestens mehrmals pro Woche) stellen sich Inter-net (94 %) und Handy (93 %), gefolgt von Fernsehen (83 %), als diejenigen Medien mit be-sonders hoher Alltagsrelevanz heraus (vgl. ebd., S 11). Insgesamt nutzen 81 Prozent der Zwölf- bis 19-Jährigen das Internet täglich, weitere 13 Prozent mehrmals pro Woche. Bei den täglichen NutzerInnen unterscheiden sich die Geschlechter kaum. Im Altersverlauf steigt der Anteil der intensiven NutzerInnen von 64 Prozent (12-13 Jahre) auf 90 Prozent (18-19 Jah-re). Nur drei Prozent der Jugendlichen geben an, das Internet nie (1%) oder seltener als einmal pro Monat (2%) zu nutzen. Zwölf- bis 19-Jährige sind durchschnittlich 192 Minuten online (pro Tag), wobei Jungen und Mädchen die exakt gleichen Werte aufweisen. Betrach-tet man die Nutzungswege des Internets, so stehen 2014 erstmals Handy bzw. Smartphone an der Spitze. 86 Prozent der Jugendlichen, die in den letzten 14 Tagen vor der Befragung das Internet genutzt haben, taten dies mit einem mobilen Telefon. Computer bzw. Laptop werden mit 82% auf den zweiten Rang verwiesen (vgl. ebd., S 23f.).

Online-Aktivitäten

Das beliebteste Internetangebot ist laut der JIM-Studie die Videoplattform YouTube (30%), gefolgt von Facebook (23%). Generell lassen sich die Aktivitäten im Internet in vier Katego-rien teilen, nämlich Kommunikation (z.B. E-Mail, Chat, Online-Communities), Unterhaltung (z.B. Musik, Videos), Information (z.B. Recherche im Internet) und Spiele.

34 Abb. 3: Inhaltliche Verteilung der Internetnutzung 2008 -2014

(übernommen aus: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2014, S. 26).

Wie in Abbildung 3 ersichtlich ist, zeigt sich, dass mit 44% der größte Anteil der Online-Nutzung auf den Bereich Kommunikation entfällt. Ein Viertel entfällt auf den Bereich Unter-haltung, 18% werden für Spiele und 13% für Recherche und Information verwendet. Bei weiblichen NutzerInnen nehmen kommunikative Aktivitäten die Hälfte der Nutzungszeit in Anspruch. Bei männlichen NutzerInnen hingegen fällt vor allem die große Bedeutung der Spiele ins Auge (26%). Die Langzeitbetrachtung seit 2008 zeigt ein sehr stabiles Muster auf (vgl. ebd., S 25f.).

Online-Communities

Bei der Betrachtung der Nutzung von Online-Communities deutete sich erstmals 2013 ein Rückgang an. Während im Jahr 2012 noch 87% der zwölf- bis 19-jährigen Internet-NutzerInnen zumindest selten soziale Netzwerkebesuchten, ging dieser Anteil im Jahr 2013 auf 84% zurück und fiel im Jahr 2014 auf 73%. Vor allem die jüngeren Jugendlichen zieht es immer weniger zu Communities wie Facebook. Bei der Frage, welche Communities die Ju-gendlichen überhaupt nutzen, steht Facebook nach wie vor an der Spitze (69 %), gefolgt von Instagram (13%) und dem Messenger-Dienst WhatsApp (11%) (vgl. ebd., S. 35f.).

35 Abb. 4: Online-Communities: Nutzung verschiedener Funktionen 2014

(übernommen aus: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest 2014, S. 37).

Abbildung 4 zeigt deutlich, dass vor allem das Versenden von Nachrichten, das Chatten in-nerhalb der Community sowie das „Liken“ von Posts und Bildern zu den regelmäßigen An-wendungen in der Community gehören. Mit geringerer Häufigkeit werden das Stöbern in Pro-filen sowie das Suchen nach alten und/oder neuen Bekannten genannt. Deutlich weniger häufig werden regelmäßig Spiele gespielt, Links oder aktuelle Befindlichkeiten (Status) ge-postet, Fotos bzw. Videos eingestellt oder Nachrichten auf der Pinnwand hinterlassen. Der Vergleich mit dem Vorjahr zeigt, dass vor allem diejenigen kommunikativen Tätigkeiten deut-lich weniger ausgeübt werden, die auf eine schnelle Verbreitung und Reaktion hin zielen (Nachrichten, Chatten innerhalb der Community). Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass das Smartphone einen attraktiveren Kommunikationsweg etabliert hat, nämlich WhatsApp (vgl. ebd., S 36f.).

Anhand der durchschnittlichen Anzahl an Kontakten bzw. FreundInnen lassen sich Rückzug-stendenzen feststellen. Während die Jugendlichen in den letzten Jahren immer mehr Freun-dInnen sammelten (2013: 290), sind es aktuelle nur mehr 256. Die Jugendlichen häufen also nicht automatisch im Laufe der Zeit immer mehr Kontakte an. Die Anzahl der Kontakte in der Community und der FreundInnen, die die Jugendlichen regelmäßig treffen, steht im

Verhält-36 nis 3:1. Die Anzahl enger FreundInnen, denen man Geheimnisse anvertrauen kann, ist von 17 (2013) auf aktuell 13 zurückgegangen (vgl. ebd., S. 37f.).

3.3. Erledigung von Entwicklungsaufgaben in der Online-Welt

Ausgehend von den Nutzungsgewohnheiten von Jugendlichen in Bezug auf neue Medien, widmet sich dieser Teil der Arbeit einer wichtigen Funktion von Medien, nämlich der Erledi-gung von Entwicklungsaufgaben.

Heutzutage ist es für viele Kinder und Jugendliche selbstverständlich, ein eigenes Handy zu besitzen, um somit ständig erreichbar zu sein und mit anderen in Kontakt bleiben zu können.

Dadurch ergeben sich neue Optionen hinsichtlich der Kommunikation, sowohl innerhalb der Familie als auch in Bezug auf die Aufnahme und Aufrechterhaltung von Kontakten mit Peers.

Handys und andere Medien haben dadurch einen großen Einfluss auf die Bedingungen für die sozial-emotionale Entwicklung der Jugendlichen genommen und sind daher für die Be-wältigung von Entwicklungsaufgaben von großer Bedeutung (vgl. Ross-mann/Legenstein/Pöschl 2015, S. 1). Im Freizeitgeschehen der Jugendlichen läuft die Tech-nologienutzung oft ganz selbstverständlich zu anderen Aktivitäten parallel. Jugendliche ver-ändern dadurch die Kommunikationsroutinen, das Raum- und Zeitgefühl verändert sich und Offline- und Online-Welten sind kein Widerspruch mehr, sondern wachsen zusammen. Die heutige Jugend bevorzugt technologievermittelte Kommunikation in Echtzeit und nutzt me-diale Angebote von ständig wechselnden Standorten aus. Geht es nach den Jugendlichen, soll technologievermittelte Kommunikation immer und überall möglich sein (vgl. Großegger 2013, S. 2f.).

3.3.1. Identität in sozialen Netzwerken

Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt wurde, haben die klassischen Sozialisationsinstanzen einen immer geringer werdenden Stellenwert. Dafür tritt die Peer-Group in den Vordergrund. Auch Medien nehmen heutzutage einen zentralen Stellenwert ein. Sie vermitteln die vermeintlichen und tatsächlichen Entwicklungsaufgaben, die die Gesellschaft den Jugendlichen stellt. Diese Gesellschaft jedoch, die den Jugendlichen via Medien Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung und Entwicklung von Identität macht, tritt den Menschen diffus gegenüber (vgl. Schorb 2009, S. 84). Identitätsarbeit von Jugendlichen findet ihre Ausdrucksformen in Online-Räumen über vier Dimensionen im Medienhandeln:

Sich in Beziehung setzen: Jugendliche stehen in einem regen Austausch mit anderen Gleichaltrigen. Sie suchen in ihren Selbstkonstruktionen ein Gegenüber, das

37 ihnen die Möglichkeit der Bestätigung des Eigenen gibt. Allerdings müssen sie durchaus mit Widerspruch zurechtkommen.

Sich als kompetent erleben: In den Interessen wird besonders deutlich, dass Jugendliche die Bestätigung für das eigene Handeln suchen und dabei stolz auf ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sind und diese kontinuierlich weiterentwickeln wollen.

Sich selbstbestimmte Freiräume suchen: Medien bieten bei der Suche nach Abgrenzung (z.B. gegenüber Erwachsenen) vielfältige Vorgaben und Vorlagen, die Jugendliche aufgreifen und in ihrer Gestaltung erproben müssen.

Sich beteiligen: Die Jugendlichen finden in medialen Räumen die Möglichkeit, sich zu positionieren und zu verorten. Die Verortung bildet die Voraussetzung, sich mit der eigenen Lebenswelt sowie der weiteren sozialen, kulturellen und politischen Welt auseinanderzusetzen (vgl. Wagner 2009, S. 124).

Soziale Netzwerke geben den NutzerInnen die Möglichkeit, sich selbst darzustellen und zu präsentieren. In diesem Zusammenhang sind zwei Begriffe in Umlauf gekommen, nämlich Online-Selbstdarstellung und Online-Identität. Online-Selbstdarstellung (virtuelle Selbstdarstellung) meint die dienst- oder anwendungsspezifische Repräsentation einer Person im Internet. Die Online-Selbstdarstellung impliziert weder Dauerhaftigkeit noch subjektive Relevanz. Bei der erst- und einmaligen Anmeldung mit einem bestimmten Usernamen in einem Chat ist eine Online-Selbstdarstellung erschaffen, die vielleicht nur einige Minuten besteht, da die Person dann den Chat wieder verlässt, ihn nie wieder aufsucht und auch den Usernamen nie wieder verwendet. Virtuelle Identität (Online-Identität) meint eine dienst- oder anwendungsspezifische, mehrfach in konsistenter und für andere Menschen wiedererkennbare Weise verwendete, subjektiv relevante Repräsentation eines Menschen im Internet. Ob es sich bei einer Online-Selbstdarstellung um eine Online-Identität handelt, ist einerseits aus den Medientexten zu ermitteln (z.B. Dauerhaftigkeit, Umfang, Datum der letzten Aktualisierung etc.), andererseits von den jeweiligen NutzerInnen zu erfragen (vgl. Döring 2003, S. 341).

Das Internet bietet die ideale kommunikationstechnische Grundlage für ein Selbst, das sich zur permanenten Selbstdarstellung gezwungen sieht. Das Erfolgsrezept für den Einzelnen heißt Selbstvermarktung. Nicht nur Waren und Dienstleistungen müssen unter den Ge-sichtspunkten des Marketings betrachtet werden, auch das Individuum selbst ist zur Ware geworden. Insbesondere Jugendliche erhalten die Möglichkeit, sich über die natürlichen Be-grenzungen des körper- und gegenstandsgebundenen Soziallebens hinaus zu vernetzen.

Soziale Netzwerke erweitern die Kontakträume und eröffnen zusätzliche Möglichkeiten der

38 Vernetzung und der Intensivierung von sozialen Beziehungen (vgl. Heinzlmaier 2013, S.

60ff.).

In diesem Zusammenhang ist auf die wichtige Funktion des Internets für die Herausbildung von kulturellen Identitäten unter Jugendlichen hinzuweisen. Wenn sich Jugendliche auf be-stimmten Plattformen einloggen oder sich in jugendkulturell codierte Netzwerke einbringen, arbeiten sie an ihrer Identität, die dabei ist, zur multiplen Identität zu werden. Die identitäts-orientierte Nutzung des Internets ist zu einem Spiel mit Identitätsmasken geworden. Jugend-liche wollen flexibel bleiben, was die eigene Identität betrifft. Das Internet eröffnet ihnen ei-nen Raum, in dem es weit weniger als im wirklichen Leben notwendig ist, sich festzulegen.

Rollen können gewechselt oder verschiedene Rollen gleichzeitig auf verschiedenen Platt-formen gespielt werden (vgl. ebd., S. 68f.).

Jugendliche, die ein Profil in sozialen Netzwerken erstellen, müssen sich einerseits mit den

Jugendliche, die ein Profil in sozialen Netzwerken erstellen, müssen sich einerseits mit den