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schwunden war, von wo es keine Wiederkehr gibt, fühlte sich das Ich des Kaisers wieder eine Weile sicher und

Im Dokument HANNS SACHS BUBI CALIGULA (Seite 89-92)

imstande, seine Einsamkeit zu ertragen. Die Beispiele

ein paar aus der Fülle gleichartiger Greuel aus-gesuchte genügen

zeigen alle dasselbe: etwas, das wie eine auf die höchste Spitze gesteigerte, vor nichts zurück-scheuende Eitelkeit wirkt, in Wirklichkeit jedoch nichts ist als ein fortwährender Versuch zur Selbstberuhigung bei einem Menschen, der sich schwach und seinen Trie-ben ausgeliefert fühlt

und gezwungen

wird, sich selbst sein eigenes Ideal vorzuspielen.

Aber

vielleicht ist jede Eitelkeit ira

Grunde

auf

Ähnlichem

aufgebaut.

Einen

Mann,

der

wegen

seiner Schönheit und

Körper-kraft von allen bewundert wurde,

zwang

er zweimal. In der

Arena

zu kämpfen,

und

als er trotz des Nachteils ungleicher

Bewaffnung

beide

Male

Sieger über seine

Gegner

blieb, ließ er ihn erst verstümmeln

und

so her-umführen,

um

ihn besonders den Frauen zu zeigen,

dann

abschlachten.

Einer der unter

Roms

Oberhoheit

stehen-den Fürsten, Ptolemäus,

war

ein entfernter Vetter des Kaisers von einer Seite her, die dieser ganz besonders hochschätzte, nämlich durch die

gemeinsame Abstammung

von

Marc

Anton. Er

wurde

deshalb an den

Hof

geladen

und

aufs freundlichste

aufgenommen.

Als er aber bei den Spielen durch die Farbenpracht seiner Kleidung die

Augen

des Publikums auf sich zog,

war

das gleich-bedeutend mit einem Todesurteil.

Bei einem Gastmahl, bei

dem

sich Fürsten

und

Könige

um

den

Vorrang

ihrer Titel stritten, wollte er auf der Stelle den

in

Rom

noch

immer

verhaßten

Königs-u

txtel

annehmen und

ließ sich nur dadurch davon ab-bringen,

daß man ihm

vorstellte, sein

Rang

übersteige jeden Titel, da er über alles Menschenschicksal hinaus-rage.

Wie

in diesem Falle wollte er überhaupt

ganz nach Kinderart

alles haben,

was

ein anderer besaß, das Schöne

und

Köstliche vor allem, aber auch noch das Häßliche und Böse; keiner

war

so hoch oder so niedrig,

daß nicht

Raum

für seinen

Neid

gewesen wäre.

Er

wollte

Roms

höchsten Schutzgott, den kapitolinischen Jupiter, übertreffen

und

stellte einmal seinen Liebling, den Schau-spieler Apelles, ganz unvermutet vor die Frage,

wen

er für den

Größeren

halte, ihn oder den Gott. Als dieser,

von der Gotteslästerung geschreckt, zögerte, ließ er ihn geißeln, lobte ihn dann allerdings, weil seine

Stimme

noch im Stöhnen ihre Süßigkeit nicht verliere.

Aber

auch

dem Ärmsten

der

Armen, dem

Priesterkönig von

Nemi,

den

jedermann

erschlagen durfte, der Lust

hatte, sein

Nachfolger zu

werden und

nun seinerseits

jedem

An-greifer ausgeliefert zu sein („the priest

who

slay the slayer

and

wiU

himself be slain"), mißgönnte er sein Geschick, das jener

so jammervoll es

war —

als sein eigenes vor

ihm

voraus hatte,

und

hetzte einen

Mörder

auf ihn.

Die Auszeichnungen

und

Reliquien der großen Familien

wurden

selbstverständlich eingezogen, aber sein

Neid

griff sogar nach den Vorzügen der großen Toten. So

ließ er die Statuen berühmter

Männer

auf

dem

Mars-felde

umwerfen und

bis zur Unkenntlichkeit verstümmeln verbot auch die Aufrichtung neuer

Denkmäler

ohne seine ausdrückliche Zustimmung. Es hieß, daß er die Absicht habe, sämtliche vorhandenen Niederschriften der

home-rischen Gedichte zu vernichten,

um

den

am

meisten

be-87 wunderten Geist der Vorwelt aus

dem

Gedächtnis der

Menschen

auszumerzen (wobei er sich auf Plato berief, der sich das Recht

genommen

habe, den Dichter aus seinem Idealstaat auszuschließen). DasselbeSchicksal sollte

den

Werken

und Standbildern des Vergil und des Livius zuteil werden.

Neben

der Auslöschung aller jener, in denen er auch nur einen Augenblick lang einen erfolgreichen Rivalen witterte, ging eine andere Reihe von Schutzmaßregeln einher, die dazu dienen sollten, Eigenschaften, die er an sich selbst als minderwertig empfand,

vom

Vorhanden-sein auszuschließen, ihre Existenz nicht zuzulassen. Nicht einmal ein schlechter

Wurf im

Würfelspiel durfte gelten, er

wurde

abgeleugnet oder fortgeschwindelt. Streng ver-boten

war

es, das

Wort

„Ziege" vor den

Ohren

des Kaisers auszusprechen, weil er an die starke Behaartheit seines Körpers nicht erinnert sein wollte.

Da

er bereits

in der Mitte der zwanziger Jahre dünnes

Haupthaar und

auf

dem

Scheitel eine Glatze hatte, durfte

niemand

von oben her auf ihn herabsehen.

Hingegen

liebte er es,

denen, die schönes

Haar

hatten, den Schädel rasieren zu lassen. Bei diesen Vorsichten, die das Körper-Ich be-treffen

und darum

einfacher

und

unmittelbarer sind,

wird

es ganz deutlich,

daß

sich hinter

dem

Anschein der

alles Menschenmögliche in den Schatten stellenden

An-maßung

eine aufs äußerste gesteigerte Verletzlichkeit verbirgt.

Andere

Untaten gegen

Fremde und

Unbekannte, gegen eine namenlose

Menge

scheinen jeder Erklärung zu spot-ten. Sie wirken, wie

wenn

ein Spaziergänger im Vorüber-gehen gedankenlos in einem Ameisenhaufen stochert oder

emen

Käfer zertritt.

Für

diese

Taten

charakteristisch Ist

88

die Geschichte

vom

Brückenschlag bei Bajä, die

wie

ein

Märchen

beginnt

und

mit einer üblen Rüpelei endet.

Der

junge Kaiser liebte das Außerordentliche

und

Ungewöhnliche; alles,

was

von den

gewohnten Wegen

gewöhnlicher

Menschen

ferne abzuliegen schien, zog ihn an.

Auch

in dieser Originalitätssucht ist das Bedürfnis,

sem

Ich bestätigt zu sehen, unverkennbar.

Dämme und

Wege, Lager und

Städte zu bauen,

wo

die

Natur

ein

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