— was
schon gegen die Sitte verstieß, da noch einErbe
imMannesstamm,
ein Bruder seines Vaters,am Leben war —
, sondern auch zur Erbin des Reiches, obgleich dieThronbesteigung einer Frau
im
damaligenRom
beinahe undenkbar war. Selbst auf einerMünze,
die der Kaiser schlagen ließ,kommt
die Bevorzugung der geliebten Schwester deutlichzum
Ausdruck. Die drei Schwestern sind als Verkörperungen dreier Schutzgottheiten, in derenKostüm und
mit den Attributen, abgebildet. Agrippina und Julia Livilla stehen rechts und links, die eine als die Beschirmerin der Sicherheit, die andere als die Gliick-spenderin des Reiches, DrusÜla aber ist in die Mittege-stellt, und ihr
wurde
das Wichtigste anvertraut: die Ein-tracht, auf der die Existenz des Staates beruht.Das
Schlimmste, was Caligula treffen konnte, geschah:etwa ein Jahr nach seiner Thronbesteigung starb Drusilla,
und
ihrTod
warf ihn völlig der Einsamkeit in dieArme.
Sein Schmerz
war
maßlos, vernichtend,und
da sein schwächliches Ich unfähig war, gegen ihn anzukämpfen, bedurfte er einer anderen Hilfe,um
der Selbstzerflei-schung nicht zu erliegen. Innerlich standihm
nichts zur7 Sachs, Bubi Caligula
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Verfügung,
was
Zuflucht geboten hätte, so suchte er sichdurch äußere Flucht zu retten. Bei Nacht, zu
unvermute-ter Stunde verließ er die Stadt
und
durchraste, zuimmer
größerer Eile geheut, Campanien. So
kam
erverwahr-lost
und
entstellt, mit verwildertem Bartund Haar
bis Syrakus. Als er auch dort dieRuhe
nicht fand, kehrte er wiederum und
stürmte nachRom
zurück. Eine andere Ablenkung, die er für seinen Schmerz suchte,war
die, die übrigeWelt
daran mit leiden zu lassen; zugleich sollte die tote Schwester durch solche Massentrauer geehrt werden. So ließ er eine Trauerfeier von unerhörter Strenge ansagen; bis zu ihrem Ablauf durfte beiTodes-strafe
niemand
lachen, sich waschenund
mit anderen, sei es auch mit Familienmitgliedern,zusammen
Mahlzeithalten.
Das
sonst so wandelbareGemüt
des Kaisers hieltauch über denersten Schmerz
und
die Trauerfrist hinaus an der Schwester fest. Bis an sein Lebensende schwor er nur bei ihrer „Wesenheit"—
selbst bei großen Staats-akten. Ein solcherSchwur war
nach der Auffassung des Altertums nicht bloß eine feierliche Formel, wie für uns, sondern eine magischeHandlung von
unabsehbaren Fol-gen,weilman
sich dabei leicht den unterirdischenGöttern verstricken konnte.— Das
einzige Kind, dasihm
ge-boren wurde, eine Tochter, nannte er nach der geliebten Verstorbenen Julia Drusilla.
Von
dieser einen Liebe abgesehen,war
seineGe-schlechtlichkeit
im
Einklang mit seinemWesen:
unent-wickeltund
hemmungslos, rohund
spielerisch, ohne Zärt-lichkeitund
ohneGenuß,
in den Leidenund
der Ernied-rigung anderer Ersatz suchend für das,was
ihr selbst fehlte.Zweimal
wählte er für die kurze Frist, in der eine Frau ihn zu reizen vermochte, dieForm
der Ehe,
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aber
kaum
weil er sichmehr
als sonst angezogen fühlte,sondern weil es Frauen waren, die anderen
Männern
zu-gehörten; sie diesen anderen unter recht höhnischenund
beleidigendenUmständen
zu nehmen, sie eine kurze Zeit zu besitzenund dann
wegzuwerfen, darin bestand sein eigent-liches Vergnügen.Die
erstewar
eine Braut, Livia Orestilla, zu derenVermählung
der Kaiser als Hochzeitsgast erschien.Er
ließ sie
vom
Hochzeitsmahl fort in seinen Palast führen.Man
erzählt,daß
er diese Aktion mit einem überraschen-den Satz eingeleitet habe, den erdem
Bräutigam, der bei der Tafel seinGegenüber
war, zuschrie: „Sei so gut,meine Frau nicht zu drückenl"
Am
nächstenTage
gab er ein Edikt heraus, indem
es hieß, „er habe sich eineFrau
gewählt nach derWeise
des Augustus und Romulus".Augustus hatte die Livia ihrem
Manne weggenommen, und von Romulus
berichtete die Sage, er allein habevon
den geraubten Sabinerinnen keine Jungfrau für sich gewählt, sondern eine Frau, die schon einemManne
angehörte.Bald darauf trennte sich Caligula von der so Erbeuteten, verbot ihr aber, zu ihrem Gatten zurückzukehren.
Das
geschah wahrscheinlich nicht nur aus Bosheit, sondernjenem Grundzug
folgend, der den von einer tiefen inne-ren Unsicherheit Getriebenen zwang, jeder Möglichkeit eines Vergleiches mit anderen auszuweichen.Zwei
Jahre später verbannte er die ehemalige Gattin, angeblich weilsie sein Verbot übertreten habe. Ähnlich, aber nicht ganz so kraß,
benahm
er sich in einem zweiten Fall, Lollia Paulina hieß diese Frau, derenMann
einArmeekom-mando
führte.Wie
es heißt,wurde
die Aufmerksamkeit des Kaisers dadurch auf sie gelenkt,daß man ihm
er-zählte, ihreGroßmutter
sei die berühmteste SchönheitI
lOO
ihrer Zeit gewesen. Jedenfalls ließ er sie aus der Provinz zu sich
kommen und
heiratete sie. Die Beziehung zu ihr scheintihm
etwasmehr
bedeutet zu haben, denn wirbesitzen eine Schilderung ihres berühmten Schmuckes, der aus Tiara, Kollier, Ohrringen
und
Ringen besund,alles aus den schönsten Perlen
und
Smaragden. Diese Juwelen, deren Preis auf einen unwahrscheinlichen Be-trag geschätzt wurde, konnte nur ein einzigerMann
schenken
—
der Kaiser, der also doch an ihr einWohl-gefallen gefunden haben
muß.
Dies dauerte aber nicht lange,und
nach seinem Erlöschenwurde
Lollia fortge-schickt, wieder mitdem
charakteristischen Verbot, keinem anderenManne mehr
angehören zu dürfen.In welcher
Stimmung
wohl die Gäste gewesen seinmögen,
wenn
sie, der Einladung des Kaisers zu einem Festmahl Folge leistend, sich in ihren Sänftenzum
Palatin hinauftragen ließen?An
und für sich hatte ein solches Fest—
abgesehen von der Auszeichnung, die eine Ein-ladung bedeutete,—
nichtsUnwillkommenes. Kein
gräm-licherund knauseriger Hausherr, wie es Tiberius gewesen war, dessen Zurückhaltung und abgezirkelte Höflichkeit den Frohsinn nicht