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2.1 Allgemeine Anmerkungen zur Schulsozialarbeit

Bei Schulsozialarbeit handelt es sich um Jugendsozialarbeit, die direkt an der Schule statt-findet. Eine mögliche Definition für Schulsozialarbeit liefert Olk (2000). Er versteht darun-ter „sämtliche Aktivitäten und Ansätze einer verbindlich vereinbarten, dauerhaften und gleichberechtigten Kooperation von Jugendhilfe und Schule – bzw. von Fachkräften der Jugendhilfe einerseits und Lehrkräften andererseits – (...), durch die sozialpädagogisches Handeln am Ort sowie im Umfeld der Schule ermöglicht wird.“1 Bereits diese Definition macht deutlich, dass das Aufgaben- und Tätigkeitsfeld der Schulsozialarbeit weit gefasst ist und diese damit in der Lage ist, flexibel auf vielfältige Problemlagen zu reagieren. Die rechtliche Grundlage für Schulsozialarbeit liefert das Kinder- und Jugendhilfegesetz: „Jun-gen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligun„Jun-gen oder zur Überwindung

1 Olk (2000), S. 178.

vidueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind, sollen im Rahmen der Jugendhilfe sozialpädagogische Hilfen angeboten werden, die ihre schuli-sche und berufliche Ausbildung, Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integra-tion fördern.“2 Insbesondere der Schnittpunkt von schulischer und beruflicher Bildung ist es, der Schulsozialarbeit auch an beruflichen Schulen nahe legt.

Auf die Unklarheiten des Begriffs „Schulsozialarbeit“ weisen die Autoren des Elften Kin-der- und Jugendberichts hin, wenn sie schreiben: „Dabei ist zu berücksichtigen, dass es eine beträchtliche Unklarheit um den Begriff der Schulsozialarbeit gibt. Angesichts der Entwicklung des Verhältnisses von Schule und Kinder- und Jugendhilfe hat sich der Beg-riff der Schulsozialarbeit als zu eng erwiesen“,3 und im Anschluss darauf hinweisen, dass auch der Schule selbst sozialpädagogische Aufgaben zufallen. Hollenstein konstatiert, dass es auch keine „Theorie der Schulsozialarbeit“ gibt.4 Im folgenden werden daher die Ziele und Maßnahmen der Schulsozialarbeit etwas genauer dargestellt.

Die Schulsozialarbeiter/innen sollen in Zusammenarbeit mit den Lehrkräften die Probleme der Jugendlichen frühzeitig erkennen und durch geeignete Maßnahmen beheben. Dabei soll die soziale Situation an der Schule insgesamt verbessert werden. Die Verringerung der Zahl der Ausbildungsabbrecher und die Verbesserung der Chancen Bildungsbenachteilig-ter sind dabei explizite Ziele der Schulsozialarbeit. Diese Ziele sind allerdings vor einem weiter gefassten Hintergrund zu sehen: „Im übrigen hat [die Schulsozialarbeit] ebenso wie andere Handlungsformen und Konzepte der Jugendhilfe – und diesen ist sie zuzurechnen – das Ziel, die gesellschaftliche Integration der nachwachsenden Generation sicherzustellen, und zwar sowohl allgemein als auch insbesondere dort, wo diese erkennbar gefährdet ist.“5 Die Schulsozialarbeit ist ein Angebot für die Schüler/innen, das sie freiwillig nutzen kön-nen, mitunter auf Anraten von Lehrkräften. In vertraulicher Arbeit mit den Schüler/innen wird möglichst eine präventive Lösung von Problemen angestrebt. Beispielsweise soll auf einen deutlichen Leistungsabfall in der Schule oder im Betrieb, der einen erfolgreichen Abschluss der Ausbildung gefährden könnte, durch Schulsozialarbeit reagiert werden. Spe-ziell an beruflichen Schulen befasst sich Schulsozialarbeit mit Schwierigkeiten beim Über-gang und bei der Integration der Schüler/innen in die Arbeitswelt.

2 KJHG §13 (1).

3 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2002), S. 161.

4 Vgl. Hollenstein/Tillmann (2000), S. 135 ff.

5 Rademacker (1996), S. 216.

Die Organisation von Schulsozialarbeit ist flexibel angelegt, um auf die verschiedenen Problemlagen individuell reagieren zu können und um sich veränderten Problemlagen an-passen zu können. Die Arbeit setzt auf verschiedenen Ebenen an. So bieten die Schul-sozialarbeiter/innen neben Einzelberatung und längerer Betreuung Einzelner auch klassen- und schulweite Projekte6 an. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit mit anderen Einrich-tungen und die bedarfsgerechte Vermittlung von Schüler/innen in andere Unterstützungs-angebote unabdingbarer Bestandteil von Jugendsozialarbeit an Schulen.

Folgende Problemfelder, auf denen Schulsozialarbeit tätig werden soll, wurden für das un-tersuchte Projekt in München festgelegt:7 Gewaltprobleme, sexuelle Belästigung, Drogen, Unterricht, Beruf/Schule.

Unter „Gewaltprobleme“ fällt dabei verbale Gewalt, physische Gewalt, Gewalt gegen Sa-chen, verbale Gewalt gegen Lehrer, physische Gewalt gegen Lehrkräfte und Erpressung von Schülern. Solche Probleme sollen einerseits durch präventive Angebote wie z.B. die Ausbildung von Streitschlichtern, andererseits durch Reaktionen auf bereits vorgefallene Gewalt wie beispielsweise Schlichtungsgespräche behandelt werden.

Sexuelle Belästigung kann sowohl gegen Mitschüler und Mitschülerinnen als auch gegen Lehrkräfte auftreten und im Übrigen auch am Arbeitsplatz stattfinden. Hierbei sollen die Opfer unterstützt werden (z.B. durch Hilfe bei der Suche nach einer neuen Ausbildungs-stelle) sowie den Tätern Grenzen gesetzt werden, wobei natürlich auch rechtliche Schritte nicht ausgeklammert werden können.

Einer etwaigen Drogenproblematik soll einerseits präventiv begegnet werden, indem bei-spielsweise Fortbildungen für Lehrkräfte organisiert oder Drogenvereinbarungen initiiert werden, andererseits sollen bei Drogen- oder Alkoholmissbrauch Beratungsgespräche ge-führt und Betroffene in entsprechende Einrichtungen vermittelt werden.

Der Bereich „Unterricht“ zerfällt in die beiden Unterpunkte „Unterrichtsstörung“ und

„Schulverweigerung“. In beiden Fällen sind einerseits Beratungsgespräche vorgesehen, im Falle der Schulverweigerung auch die Kontaktaufnahme mit dem Betrieb sowie den Eltern.

Das breiteste Problemspektrum zeigt sich schließlich im Bereich Beruf/Schule. Hierunter fallen zunächst Schwierigkeiten, die sich aus einer falschen Berufswahl ergeben und denen einerseits durch Präventivangebote wie Seminaren zur Berufsvorbereitung, andererseits

6 Hierzu kann z.B. auch die Mediation zählen, ein Gewaltpräventions- und interventionsverfahren, das zu-nehmend Verwendung findet. Vgl. hierzu Schubarth (2003).

7 Vgl. Landeshauptstadt München: Konzept für Schulsozialarbeit an beruflichen Schulen, Anlage 6.

durch eine Vermittlung in die Berufsberatung sowie durch Hilfe bei der Stellensuche be-gegnet werden soll. Die gleichen Maßnahmen können angewendet werden, wenn sich der/die Schüler/in im Betrieb überfordert fühlt. Hier kommt zusätzlich in Betracht, die Ein-haltung der Arbeitsvorschriften zu überprüfen. Falls sich herausstellt, dass ein Schüler das Berufsziel nicht erreichen wird, sollen je nach Ursache differenzierte Maßnahmen ergriffen werden: So kommt bei zu geringer Selbständigkeit des Auszubildenden neben einer Bera-tung in schweren Fällen auch eine Vermittlung in eine Therapie in Betracht, bei zu gerin-ger Qualifikation z.B. die Vermittlung Ausbildungsbegleitender Hilfen (ABH) oder einer Hausaufgabenhilfe und bei persönlicher Orientierungslosigkeit als Ursache des Scheiterns im Beruf ebenfalls Beratungsgespräche sowie die Vermittlung in therapeutische Maßnah-men.

Ähnliche Maßnahmen wie bei zu geringer Qualifikation im Betrieb kommen in Betracht, wenn mangelnde Schulleistungen vorliegen. Weitere Problembereiche sind interkulturelle Konflikte, Verhaltensauffälligkeiten aufgrund familiärer Verhältnisse oder der Wohnsitua-tion sowie geschlechtsspezifische Probleme. Auch hier sind präventive Projekte, Gesprä-che oder Maßnahmen wie z.B. eine Heimunterbringung adäquate Problemlösungsstrate-gien.

An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass die genannten Maßnahmen keine voll-ständige Aufstellung des gesamten Instrumentariums der Schulsozialarbeit darstellen sol-len, insbesondere weil auf Grund der beschriebenen flexiblen Anlage dieser Arbeit auch neue Vorgehensweisen implementiert werden können und Schulsozialarbeit insofern nicht über einen festgelegten Handlungsrahmen verfügt. Selbstverständlich handelt es sich bei Schulsozialarbeit auch nicht um die einzig mögliche Form der Unterstützung Jugendlicher beim Übergang von der Schule in den Beruf, vielmehr ist sie als ein Baustein wachsender Bemühungen zu sehen, Jugendliche beim Berufseinstieg, der in Anbetracht der wirtschaft-lichen und sozialen Lage immer mehr zu einer prekären Phase im Leben Jugendlicher wird, zu unterstützen.8 Es sollte jedoch ein Eindruck entstehen, was Schulsozialarbeit kon-kret bedeutet und erste Hinweise darauf gegeben werden, an welchen Fragestellungen eine Erfolgsmessung, die im vorliegenden Bericht geleistet werden soll, anknüpfen kann.9

8 So führt das Deutsche Jugendinstitut 29 Projekte auf, die sich um die Berufsorientierung Jugendlicher in Deutschland bemühen, wobei es sich aber auch nur um eine Auswahl handelt. Vgl. Schmidt (2002). Für ei-nen Überblick über die Berufsbildungsförderung des Bundes für benachteiligte Jugendliche siehe das Hand-buch „Berufliche Qualifizierung Jugendlicher mit besonderem Förderbedarf – Benachteiligtenförderung –“

des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2002).

9 Für einen Überblick über Ziele und Aufgaben von Schulsozialarbeit siehe auch Wulfers (1991), S 51 ff.

2.2 Schulsozialarbeit in München

Die Entwicklung der Berufsschulsozialarbeit in München soll hier nur kurz angerissen werden. In München wurde im Herbst 1993 ein Modellprojekt zur Einführung von Schul-sozialarbeit an drei Hauptschulen und einer Berufsschule gestartet. Da dieses Projekt sehr positiv verlief, wurde die Schulsozialarbeit 1995 deutlich ausgeweitet. An beruflichen Schulen, die Untersuchungsobjekt der hier vorgestellten Evaluation sind, wurden im jahr 2000/2001 an vier Schulen bzw. beruflichen Schulzentren dauerhaft Stellen für Schul-sozialarbeit eingerichtet. Aufgrund einer anhaltend schwierigen sozialen Situation bei manchen Schülerinnen und Schülern wurde von verschiedenen Seiten wiederholt der Wunsch nach einer Ausweitung dieses Angebots geäußert. Wegen der finanziellen Lage des Schul- und Sozialreferats der Stadt München war es jedoch nicht möglich, diesen Wünschen im Einzelnen zu entsprechen. Zunächst wurde ein Gesamtkonzept unter Beteili-gung des Arbeitsamtes und des Sozialreferats der Stadt München entwickelt. Empirische Grundlage hierfür war eine im Jahr 1999 durchgeführte Umfrage unter Lehrer/innen an beruflichen Schulen, die zum Ziel hatte, sozialpädagogisch relevante Problemlagen und Bedarfe an den Schulen festzustellen. Alle Berufsschulleitungen waren in einer Sammelab-frage bei Lehrkräften zur Teilnahme an der UmSammelab-frage verpflichtet. Wichtiges Ergebnis die-ser Befragung war, dass an einer Vielzahl von beruflichen Schulen ein hoher Problem-druck herrschte, der eine Ausweitung von Sozialarbeit rechtfertigen konnte. Vor diesem Ergebnis wurden unter Berücksichtigung bisheriger Erfahrungen mit Schulsozialarbeit so-wie der Struktur der Schulen (Unterbringung mehrerer Schulen an einem Ort) 17 Schulen ausgewählt, an denen im Frühjahr 2002 Schulsozialarbeit eingeführt oder ausgeweitet wurde. An diesen Schulen wird eine prozessbegleitende Evaluation durchgeführt. Als Kon-trollgruppe werden vier weitere Schulen untersucht, an denen ebenfalls ein hoher Problem-druck herrscht, die aber keine Schulsozialarbeit implementiert haben. Folgende Schulen sind damit Gegenstand der Untersuchung.

Schulen, an denen Schulsozialarbeit implementiert ist (im Text auch als „Untersuchungs-schulen“ bezeichnet):

• Berufsschule für Fertigungstechnik

• Berufsschule für Metallbau und Technisches Zeichnen

• Berufsschule für das Bau- und Kunsthandwerk

• Berufsschule für Buchbindetechnik, Fotografie und Vermessungstechnik

• Berufsschule für elektrische Anlagen- und Gebäudetechnik

• Berufsschule zur Berufsvorbereitung am Bogenhauser Kirchplatz

• Berufsschule für den Einzelhandel

• Berufsschule für Kraftfahrzeugtechnik

• Berufsschule für das Bäcker- und Konditorenhandwerk

• Berufsschule für das Hotel-, Gaststätten- und Braugewerbe

• Berufsschule für das Metzgerhandwerk

• Berufsschule für Körperpflege

• Berufsschule für Repro-, Satz und Drucktechnik

• Berufsfachschulen für Hauswirtschaft, Diätetik und Sozialpflege (auch als BSZ An-tonienstraße bezeichnet)

• Berufsschule für Farbe und Gestaltung

• Berufsschule für Fachkräfte in Arzt- und Tierarztpraxen (AH/TAH/PKA)

• Berufsschule für zahnmedizinische Fachangestellte

Schulen, an denen keine Schulsozialarbeit implementiert ist (im Text auch als „Kontroll-schulen“ bezeichnet):

• Berufsschule für Spedition und Touristik

• Berufsschule für das Spenglerhandwerk

• Berufsfachschule für Kinderpflege

• Berufsschule für Großhandels- und Automobilkaufleute