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5.3 Qualitative Ziele

5.3.1 Schüler/innen

5.3.1.4 Situation in der Schule

5.3.1.4.1 Konfliktverhalten

Da Schulsozialarbeit auch das Ziel hat, den Schüler/innen einen besseren Umgang mit Konflikten zu vermitteln, soll im Folgenden untersucht werden, ob die Schüler/innen an den Schulen mit und an jenen ohne Schulsozialarbeit unterschiedliche Konfliktlösungsstra-tegien anwenden und ob Unterschiede in der Häufigkeit des Auftretens von Konflikten be-stehen. Die Schulsozialarbeit wird auf diesem Gebiet auf vielfältige Weise tätig: Neben

Einzelgesprächen beim Auftreten von Konflikten sind hier vor allem Klassenprojekte zu diesem Thema zu nennen.

Betrachten wir zunächst einige Aussagen zum Umgang mit Konflikten, die den Schü-ler/innen im Jahr 2003 vorgelegt wurden. Die Befragten wurden gebeten, den Grad ihrer Zustimmung zu den jeweiligen Aussagen anzugeben. Es handelte sich dabei um Feststel-lungen wie „Wenn mir eine/einer blöd kommt, dann wird sie/er es ganz sicher später be-reuen“ oder „Gewalt ist immer vermeidbar.“43 Die Angaben wurden zu einem Index44 zu-sammengefasst, bei dem Werte um Null eine niedrige Gewaltneigung zeigen, Werte um 1 dagegen auf ein gewaltsameres Konfliktlösungsverhalten hinweisen.

Der Gesamtdurchschnitt lag bei 0,30. Damit zeigt sich zwar, dass die Mehrheit der Schü-ler/innen eine gewaltfreie Konfliktlösung bevorzugt, jedoch ergaben sich zwischen den Schulen Unterschiede in der Gewalttendenz der Schüler/innen. Am höchsten war diese an der Berufsschule zur Berufsvorbereitung mit einem Indexmittelwert von 0,40, am gerings-ten am BSZ Antonienstraße (0,15). Relativ hoch war sie auch an den Schulen für Kfz-Technik, für elektrische Anlagen- und Gebäudetechnik und für Fertigungstechnik, eher ge-ring dagegen an der Schule für Kinderpflege (Abbildung 2). Bereits hier ergibt sich ein Hinweis auf einen Einfluss der Geschlechterverteilung an den Schulen auf die Häufigkeit des Auftretens gewalttätiger Konflikte, da Schulen mit einem höheren Männeranteil auch eher eine größere Gewaltneigung der Schülerschaft aufwiesen.

Zwischen den Schulen mit und denen ohne Sozialarbeit zeigten sich keine signifikanten Unterschiede, tendenziell jedoch gaben die Schüler/innen an den Schulen mit Schulsozial-arbeit eine etwas geringere Zustimmung zu den Items an, die auf eine Konfliktbewältigung mit gewalttätigen Mitteln hinweisen.

43 Vgl. Frageblock 16 im Fragebogen von 2003.

44 Cronbach's Alpha 0,662.

Abbildung 2: Konfliktlösungsverhalten der Schüler/innen 2003

0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1

Berufsvorbereitung Kfz-Technik El. Anl.-/Gebtech.

Fertigungstechnik Bau-/Kunsthandwerk Spedition/Touristik Spenglerhandwerk Grosshandel/Automobil Metallbau/Tech. Zeich.

Bäcker/Konditoren Einzelhandel Metzgerhandwerk Zahnmed. FA AH/TAH/PKA Farbe/Gestaltung Gastronomie Buch/Foto/Verm.

Körperpflege Repro/Satz/Druck Kinderpflege BSZ Antonienstr.

Schulsozialarbeit Keine Schulsozialarbeit

N=5890, Index (0: niedrige, 1: hohe Gewaltneigung), Durchschnitte

Die multivariaten Analysen bestätigen diese Ergebnisse. So zeigt sich ein negativer, aber nicht signifikanter Einfluss der Schulgruppe auf den Indexwert, was auf eine geringere Gewaltneigung der Schüler/innen an den Schulen mit Schulsozialarbeit hindeutet. Wesent-lich bedeutsamer ist jedoch die Klassenzusammensetzung. So zeigt sich in Klassen mit ei-nem höheren Frauenanteil eine geringere Gewaltneigung, in solchen mit eiei-nem höheren Ausländeranteil eine höhere. Der Einfluss beider Variablen ist hochsignifikant. Ebenfalls einen signifikanten Einfluss zeigt der Anteil der Schüler mit geringer Bildung: Je höher er liegt, desto größer ist Neigung, Konflikte nicht auf argumentative Weise zu lösen. Aller-dings ist dieser Einfluss schwächer als der der Geschlechterverteilung und des Ausländer-anteils, er ist nur zum 5%-Niveau signifikant. Die Erklärungskraft des Modells ist relativ hoch.

Tabelle A 4 hier

Neben der Neigung der Schüler/innen zu Gewalttätigkeiten ist auch das tatsächliche Auf-treten von Gewalt an der Schule von Interesse. Aus theoretischer Sicht ist dabei anzuneh-men, dass Gewaltneigung und tatsächliche Gewalttätigkeit zwar in einem mehr oder min-der engen Zusammenhang stehen, dass aber auch anmin-dere Faktoren die Häufigkeit des Auf-tretens von Gewalthandlungen beeinflussen. Zu denken ist hierbei beispielsweise an die wahrgenommene Wahrscheinlichkeit, sanktioniert zu werden oder die Strafhöhe im Falle einer Bestrafung, aber auch an das Vorhandensein alternativer Konfliktlösungsstrategien.45 Die Schüler/innen wurden in allen drei Befragungswellen gebeten anzugeben, wie oft be-stimmte Vorfälle in ihrer Klasse auftreten: „Mitschüler wird geschlagen“, „Einrichtung wird beschädigt“ oder „Clique verprügelt einen Mitschüler“ sind einige Beispiele für die abgefragten Gewaltakte. Im Folgenden wird auf einen Index Bezug genommen, bei dem gezählt wurde, bei wie vielen von zehn abgefragten Geschehnissen die Befragten angaben, dies sei in ihrer Klasse vorgekommen. Ein Indexwert von 0 bedeutet also, dass keines der Ereignisse auftrat, ein Indexwert von 10 heißt, dass alle abgefragten Ereignisse auftraten.46 Der Index korrelierte im Jahr 2003 relativ hoch mit der Gewaltneigung: Je höher die durchschnittlich angegebene Gewaltneigung in einer Klasse war, desto häufiger wurden auch gewalttätige Vorfälle in der Klasse berichtet.47

Im Gesamtdurchschnitt erreichte der Index in den Jahren 2002 und 2004 einen Wert von 2,9, im Jahr 2003 lag er mit 2,8 geringfügig niedriger. Abermals zeigten sich zwischen den verschiedenen Schulen relativ deutliche Differenzen. So schwankten beispielsweise die Werte am BSZ Antonienstraße in den drei Befragungswellen zwischen 1,3 und 2,3, womit die Schüler/innen an dieser Schule ein relativ geringes Gewaltpotential zeigten. An der Be-rufsschule für Spedition und Touristik dagegen lagen die Werte zwischen 3,2 und 4,4.

Auch die Schule für das Spenglerhandwerk erreichte zumindest in der ersten und der drit-ten Befragungswelle hohe Werte (fast 5,0 bzw. 4,0).

Die Schüler/innen in den Schulen ohne Schulsozialarbeit gaben signifikant häufiger an, es komme in der Klasse zu Gewalthandlungen (Indexwert 3,3 gegenüber 2,9 an den Schulen mit Schulsozialarbeit).48 Während dieser Wert an den Schulen, an denen Schulsozialarbei-ter/innen tätig sind, über die drei Befragungswellen hinweg ungefähr konstant blieb, ver-besserte er sich an den Schulen ohne Schulsozialarbeit auf 2,9, womit in der zweiten und

45 Für einen Überblick über Theorien zu abweichendem Verhalten siehe Lamnek (1997) und Lamnek (1999).

46 Dieser Index berücksichtigt also nicht, ob die jeweiligen Delikte „häufig“ oder „selten“ auftraten, sondern nur, ob sie überhaupt auftraten. Zur Kontrolle wurde auch ein Index gebildet, der die Abstufung in häufig oder selten berücksichtigt, die Ergebnisse entsprachen aber exakt den berichteten.

47 Korrelationskoeffizient 0,7103.

48 F=22,025, df=2, p=0,000.

dritten Befragungswelle kein signifikanter Unterschied zwischen den Schulgruppen mehr feststellbar war.

Abbildung 3: Häufigkeit des Auftretens von Gewalthandlungen

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

BSZ Antonienstr.

Zahnmed. FA AH/TAH/PKA Kinderpflege Körperpflege Repro/Satz/Druck Buch/Foto/Verm.

Metzgerhandwerk Farbe/Gestaltung Gastronomie Bäcker/Konditoren Spenglerhandwerk Grosshandel/Automobil Metallbau/Techn.Zeich.

Bau-/Kunsthandwerk Einzelhandel El. Anl.-/Gebtech.

Berufsvorbereitung Kfz-Technik Fertigungstechnik Spedition/Touristik Schulsozialarbeit Keine Schulsozialarbeit

2002 2003 2004

N 2002=5618, 2003=6137, 2004=6772, 0: kein Delikt aufgetreten, 10: 10 Delikte aufgetreten, Mittelwerte

Erneut wurden die Ergebnisse der bivariaten Analysen durch die multivariaten Untersu-chungen bestätigt. So zeigte sich unter Berücksichtigung des Frauenanteils in der Klasse, des Ausländeranteils und des Anteils von Schüler/innen mit geringer Vorbildung im Jahr 2002 ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Gewaltvorfällen und der Zugehörigkeit der Schule zu einer der beiden Gruppen: An den Schulen mit Schulsozi-alarbeit gab es weniger Gewalthandlungen als an jenen ohne. Ebenfalls einen signifikanten Einfluss zeigten der Frauenanteil (je höher er war, desto weniger Gewalthandlungen

wur-den berichtet) und der Anteil der Schüler/innen mit geringer Vorbildung (je höher er lag, desto mehr Gewalthandlungen traten auf). Insgesamt erwiesen sich die betrachteten Vari-ablen als gute Prädiktoren für das Auftreten von Gewalt in der Klasse.

Ähnliche Ergebnisse zeigten sich 2003 und 2004: Auch hier hatten der Anteil gering gebil-deter Schüler/innen sowie der Frauenanteil einen signifikanten Einfluss auf die Gewalthäu-figkeit. In diesen beiden Befragungswellen zeigte im Gegensatz zur ersten Welle auch der Ausländeranteil einen zum 5%-Niveau signifikanten Einfluss, wobei ein höherer Anteil eine höhere Gewalthäufigkeit implizierte. Ein Einfluss der Schulgruppenzugehörigkeit ließ sich in beiden Befragungswellen nicht mehr nachweisen.49 Auch 2003 und 2004 zeigten die betrachteten Merkmale eine hohe Erklärungskraft für das Auftreten von Gewalthand-lungen.

Tabelle A 5 hier

Nach der Häufigkeit des Auftretens von Gewalt in der Klasse soll nun die von den Schü-lern selbst berichtet eigene Teilnahme an gewalttätigen Handlungen untersucht werden.50 Abbildung 4 zeigt den Anteil der Schüler/innen, die angaben, mindestens einmal eine Ge-walttat begangen zu haben. Dieser Anteil lag in der Befragungswelle 2002 insgesamt bei 48,8 Prozent, 2003 bei 49,7 Prozent und 2004 bei 49,3 Prozent. Auch hier zeigten sich starke Schwankungen von Schule zu Schule. Schwankte der Anteil der Schüler/innen, die angaben, bereits gewalttätig geworden zu sein, an der Schule für Repro-, Satz und Druck-technik in den drei Befragungswellen zwischen 32,1 und 38,7 Prozent, betrug er an der Schule für elektrische Anlagen- und Gebäudetechnik zwischen 59,1 und 68,6 Prozent. Be-züglich der Unterschiede zwischen den Schulen mit Schulsozialarbeit und jenen ohne die-ses Angebot zeigte sich das selbe Bild wie bei der Häufigkeit des Auftretens von Gewalt:

Im Jahr 2002 gaben an den Untersuchungsschulen signifikant weniger Schüler/innen an, bereits eine oder mehrere Gewalthandlungen begangen zu haben,51 durch einen Rückgang der berichteten Gewalttätigkeit an den Kontrollschulen verschwand dieser Unterschied aber in den folgenden Erhebungswellen.

49 Auf Grund der sehr hohen Schwankung der Angaben an der Schule für das Spenglerhandwerk wurde diese versuchsweise aus den Analysen ausgeschlossen. Dabei ergab sich 2003 ein signifikanter negativer Einfluss der Schulsozialarbeit auf die Gewalthäufigkeit, im Jahr 2004 blieben die Ergebnisse aber konstant.

50 Erwartungsgemäß korrelieren auch die Häufigkeit des Auftretens von Gewalthandlungen und die berichte-te Teilnahme an solchen Handlungen miberichte-teinander: der entsprechende Korrelationskoeffizient schwankberichte-te in den drei Befragungswellen zwischen 0,70 (2003) und 0,75 (2004).

51 χ2=10,783, df= 1 p=0,001.

Abbildung 4: Teilnahme der Schüler/innen an Gewalthandlungen

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Repro/Satz/Druck Zahnmed. FA Körperpflege AH/TAH/PKA Buch/Foto/Verm.

Gastronomie Farbe/Gestaltung BSZ Antonienstr.

Kinderpflege Spenglerhandwerk Grosshandel/Automobil Metzgerhandwerk Metallbau/Techn.Zeich.

Bäcker/Konditoren Einzelhandel Kfz-Technik Bau-/Kunsthandwerk Berufsvorbereitung Spedition/Touristik Fertigungstechnik El. Anl.-/Gebtech.

Schulsozialarbeit Keine Schulsozialarbeit

2002 2003 2004

N 2002=5618, 2003=6137, 2004=6772, Anteil der Schüler/innen, die mindestens einmal an einer Gewalthandlung beteiligt waren

Auch hier bestätigen sich die Ergebnisse, wenn man den Einfluss weiterer Merkmale kon-trolliert. Die Schulgruppenzugehörigkeit hatte 2002 noch einen signifikanten Einfluss, der in den Jahren 2003 und 2004 nicht mehr zu finden war. Wiederum erwiesen sich der Frau-enanteil in der Klasse und der Anteil von Schüler/innen mit niedriger Vorbildung in allen drei Erhebungswellen als einflussreich, während der Ausländeranteil keinen signifikanten Einfluss zeigte. Wie schon bei den vorangegangenen Analysen zeigte sich eine relativ hohe Erklärungskraft der betrachteten Variablen.