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Streiks im SAGE-Sektor sind in mehrfacher Hinsicht von Besonderheiten geprägt und aufgrund dessen eine große Herausforderung für die Beschäftigten. So finden die Arbeitskämpfe z.B. immer im Kontext von Sorgetätigkeiten statt und führen dazu, dass die Adressat_innen mittelbar oder unmittelbar betroffen sind. Darüber hinaus ist das durch Ungleichheit und ungleiche Machtverhältnisse geprägte Geschlechterverhältnis in den Kämpfen von Bedeutung: Die Mehrfachbelastung von Frauen führt dazu, dass an anderer Stelle zunächst Freiräume geschaffen werden müssen, um die Teilnahme an Arbeitskämpfen zu ermöglichen. Darüber hinaus werden auf gesellschaftlicher Ebene die Streiks von Frauen weniger ernst genommen, und die geschlechterdifferenten Sozialisationsprozesse führen dazu, dass die konstruierten Geschlechterstereotypen bei Frauen oftmals mit einer Rückstellung ihrer Bedürfnisse sowie mit Hemmnissen im politischen Engagement einhergehen (vgl. Kap. 4.3.2). Für das kollektive Interessenhandeln ist es daher von Bedeutung, dem nachzugehen, was in einem der geführten Interviews anklang: „Ja also einfach diese Einstellung ist halt nicht so da. Diese Streikkultur ist halt nicht so“ (Interview:

170215_010). So wird im Folgenden, nachdem die Streikerfahrung und -bereitschaft der Befragten beschrieben wurde, auf die Einschätzung der Beschäftigten zu Themen wie a) a) Streikbedenken, b) Streikmotivation und c) Wahrnehmung der Verhandlungsergebnisse sowie deren Projektion eingegangen.

7.5.1 Streikerfahrung und Streikbereitschaft

In der Erhebung ging es bezüglich der Streikerfahrung zunächst einmal darum, zu ermitteln, wie viele der Befragten schon einmal gestreikt hatten. Hier zeigte sich auf die Frage „Haben Sie schon mal gestreikt?“ hin, dass die meisten der Befragten (73 % der Pflegebeschäftigten, 66 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen, 60 % der Erzieher_innen) noch nicht gestreikt hatten. Dass es mehr Pflegebeschäftigte als Beschäftigte der anderen beiden

191 Berufsfelder waren, dürfte mit der existenziellen Pflegeverantwortung in diesem Bereich zusammenhängen.

Vertiefend wurde danach gefragt, ob die Beschäftigten regelmäßig an Streiks teilnehmen.

Dies vereinten allerdings nahezu alle der Befragten, nämlich 94 % der Pflegebeschäftigten, 92

% der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen und 86 % der Erzieher_innen. Die befragten Beschäftigten verfügten dementsprechend zum Erhebungszeitpunk mehrheitlich über keine Streikerfahrungen, was sich mit dem Befund von Schroeder (2017) aus dem Bereich der Altenpflege deckt. Die Unerfahrenheit der Beschäftigten dürfte im Sinne einer gewerkschaftlichen Mobilisierung dementsprechend mit der Notwendigkeit einhergehen, dass eine verstärkte Kommunikation zum Abbau von Befürchtungen und zur Klärung von realistischen Zielsetzungen stattfinden muss - um sowohl die Interessen der Beschäftigten zu eruieren als auch die Streikvoraussetzungen herzustellen.

Die Beschäftigten wurden ergänzend dazu gefragt, ob sie grundsätzlich dazu bereit seien, an Streiks teilzunehmen. In allen drei Berufsgruppen fielen die Antworten sehr ähnlich aus.

Denn 87 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen, 86 % der Erzieher_innen und 80 % der Pflegebeschäftigten gaben an, grundsätzlich zum Streiken bereit zu sein. Die Bereitschaft zum Streik ist demnach unter den Beschäftigten grundsätzlich weit verbreitet.

Dieser Befund ist in Anbetracht der Erkenntnisse von Sweetman et al. (2019) von besonderer Bedeutung, da die Protesthaltung von Personen einen außergewöhnlichen Prädiktor darstellt:

Sie prognostiziert in besonderer Weise sowohl die politischen Aktionstendenzen von Mitgliedern benachteiligter Gruppen als auch die Bereitschaft, im Namen solcher Gruppen solidarisch zu handeln.

Skeptischer schätzen die Beschäftigten jedoch die grundsätzliche Bereitschaft ihrer Kolleg_innen ein, sich an Streiks zu beteiligen. Denn immerhin 60 % der Sozialarbeiter_innen, Sozialpädagog_innen und Pflegebeschäftigten und 46 % der Erzieher_innen gehen davon aus, dass ihre Kolleg_innen eher nicht bereit sind, zu streiken. Etwa die Hälfte der Beschäftigten geht demnach davon aus, das ihre Kolleg_innen eher nicht streiken würden - obwohl die tatsächliche Bereitschaft der Kolleg_innen offensichtlich deutlich höher ist. Erklärt werden kann dieser Widerspruch eventuell durch die mangelnde Kommunikation unter den Beschäftigten über derartige Themen. Zumindest wird diese Annahme durch die Auswertung der Frage gestützt, ob unter den Kolleg_innen offen über Streiks kommuniziert werde. Denn dies verneinten 70 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen, 69 % der Pflegebeschäftigten und 57 % der Erzieher_innen. Dass die Erzieher_innen zum einen öfter gestreikt haben und dass unter ihnen zum anderen eine höhere Streikbereitschaft herrscht, wird wahrscheinlich mit den Mobilisierungserfolgen der Arbeitskämpfe in den Jahren 2009 und 2015 zusammenhängen.

192 Diese Ergebnisse stützen auch die im Rahmen des Civic Voluntarism Modell herausgearbeiteten Befunde bezüglich der mangelnden Ansprache durch die Gewerkschaften. Denn die Mehrheit der Beschäftigten hat an ihren Arbeitsstätten bislang nicht offen über Arbeitskämpfe kommuniziert, was als hinderlich für die kollektive Mobilisierung angesehen werden kann. Die Befunde zur Streikbereitschaft zeigen aber auch, dass die Bereitschaft seitens der Beschäftigten, sich kollektiv zu organisieren, grundsätzlich gegeben ist, was ebenfalls im Einklang zu den im Rahmen des Civic Voluntarism Modellgenerierten Befunden steht, denen zufolge die Mehrheit der Beschäftigten bereit wäre, sich aktiv in einer Gewerkschaft zu engagieren.

Für die gewerkschaftliche Mobilisierung bedeuten diese Befunde, dass die Kommunikation mit den Beschäftigten aus verschiedenen Gründen verstärkt werden sollte, um einerseits dem aufgrund der Unerfahrenheit erhöhten Kommunikationsbedarf gerecht zu werden und um andererseits die skeptische Wahrnehmung bezüglich der Streikbereitschaft der Kolleg_innen zu bearbeiten.

7.5.2 Streikbedenken – Lohnausfall, Repressalien, Zuneigungsgefangenschaft Im Rahmen der qualitativen Voruntersuchung kam heraus, dass der aus der Streikteilnahme resultierende Lohnausfall einen Grund darstellt, warum sich Beschäftigte nicht an Streiks beteiligen (vgl. Kap. 6.1): „Wer auch nicht bereit ist, auch finanzielle Einbußen zu machen, der geht dann wahrscheinlich doch lieber arbeiten“ (Interview: 170215_14) – und zwar auch dann, wenn der Lohnausfall zu einem späteren Zeitraum in Form von Streikgeldern teilweise erstattet würde. In Anbetracht der Befunde zum unterdurchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommen (vgl. Kap. 7.3.1) sind derartige finanzielle Bedenken durchaus nachvollziehbar, die immerhin 40 % der Erzieher_innen, 37 % der Pflegebeschäftigten und 36 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen äußerten. Umgekehrt bedeutet dieser Befund jedoch, dass die meisten der im SAGE-Sektor Beschäftigten keine diesbezüglichen Bedenken haben.

Ein weiterer Befund der qualitativen Voruntersuchung war es, dass Sorgen und Ängste vor Repressalien sich negativ auf die Bereitschaft auswirken, an Streiks teilzunehmen. Diese Sorgen kommen exemplarisch in den folgenden Aussagen einer Befragten zum Ausdruck: „Da wurde gesagt: ,Ja, hier gibt es eine Lehrerin, die streikt.‘ Und mein Name wurde über den Korridor gebrüllt. (…) dass angeblich Schulleiter Kolleginnen, die streiken, auf Listen schreiben und die Leute von den Listen nicht entfristet werden. Dass dann nämlich die Verträge einfach auslaufen von denen, die quasi unbequem sind“ (Interview: 170215_012). Vor diesem Hintergrund wurden die Beschäftigten in der Hauptuntersuchung nach ihren Befürchtungen und ihren Ängsten vor Repressalien gefragt. Hier zeigte sich, dass sich zwar die meisten der Befragten zum Erhebungszeitpunkt keine Sorgen darüber machten, durch die Leitung oder Träger für die Teilnahme an Streiks negativ sanktioniert zu werden, dass sich jedoch immerhin

193 etwas über einem Drittel Sorgen machte (41 % der Pflegebeschäftigten, 39 % der Erzieher_innen, 32 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen). Inwieweit derartige Bedenken tatsächlich berechtigt sind und ob bzw. inwiefern es sich bei den befürchteten Repressalien eher um Gerüchte oder Ausnahmen handelt, ist eine interessante Frage, die im Rahmen dieser Untersuchung jedoch leider nicht zu klären ist. Die beiden Befunde zeigen allein, dass Bedenken wegen des streikbedingten Lohnausfall ähnlich weit verbreitet sind wie Befürchtungen um Repressalien.

In der Vergangenheit stellte die sog. „Zuneigungsgefangenschaft“ (‚Prisoner of Love‘) den wesentlichen Hinderungsgrund dar, warum sich Beschäftigte des SAGE-Sektors nicht an Arbeitsniederlegungen beteiligten (vgl. Kap. 4.5.2). Zur Überwindung dieser Problematik haben die Gewerkschaften strukturelle Lösungen entwickelt, z.B. im Fall von bestreikten Kindertageseinrichtungen in Form von Notdiensten. Die organisatorisch-strukturelle Dimension der Gefangenschaft konnte demnach zum Teil erfolgreich bearbeitet werden. Wie sieht es jedoch in mentaler Hinsicht bei den Beschäftigten aus? Wie verbreitet sind Sorgen gegenüber den Adressat_innen, wenn die Beschäftigten daran denken, zu streiken? – Die Auswertung zeigt diesbezüglich, dass die Sorge gegenüber den Adressat_innen für viele Beschäftigte ein zentrales Hindernis für Arbeitskämpfe darstellt: 61 % der Pflegebeschäftigten, 50 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen und 46 % der Erzieher_innen gaben

„Sorgen gegenüber Kund_innen/Klient_innen/ Schüler_innen/ Patient_innen“ als Streikhindernis an. Im Umkehrschluss bedeutet dieser Befund jedoch, dass immerhin 54 % der Erzieher_innen, 50 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen und 39 % der Pflegebeschäftigten sich trotz der Sorgen um die Adressat_innen an Arbeitsniederlegungen beteiligen würden. Dass es einen deutlichen Unterschied zwischen den Pflegebeschäftigten und den anderen zwei Berufsgruppen gibt, ist vor dem Hintergrund der existenziellen Pflegeverantwortung plausibel. Denn die Frage, ob die streikinduzierte unzureichende Grundversorgung der Adressat_innen eine Hürde für Streiks darstelle, bejahten 67 % der Pflegebeschäftigten, 48 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen und 45 % der Erzieher_innen. Sorgen und Ängste um das Wohl der Adressat_innen sind in diesen Berufsgruppen dementsprechend weit verbreitet sind und für die kollektive Mobilisierung hochgradig bedeutsam. Gleichzeitig sprechen die Befunde jedoch dafür, dass die Mobilisierungspotentiale seitens der Beschäftigten noch nicht erschöpft sind.

7.5.3 Streikmotivation - qualitative oder quantitative Tarifpolitik

Die Erkenntnisse aus den bisherigen Arbeitskämpfen im SAGE-Sektor deuten an, dass es vielen Beschäftigten vor dem Hintergrund der Arbeitsverdichtung (vgl. Kap. 4) zunehmend um qualitative statt um monetäre Verbesserungen geht. Für die Gewerkschaften sind solche Forderungen der Beschäftigten ein relativ neuer Umstand, der in den letzten Jahren allerdings

194 auch in anderen Bereichen zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. So stehen neben Forderungen nach einer höheren Entlohnung zunehmend Forderungen nach mehr Zeit (in Form von Arbeitszeitverkürzung oder mehr Urlaub für die Beschäftigten) im Zentrum der tarifpolitischen Auseinandersetzungen (Plück 2019). Für die Berufsgruppe der Altenpfleger_innen hält Schroeder (2018: 224) sogar fest, dass in der Hierarchie der Beschäftigtenforderungen die Aspekte „weniger Zeitdruck“ und „mehr Personal“ vor den finanziellen Forderungen liegen. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten 20 bis 30 Jahre im SAGE-Sektor ist dieser Befund plausibel (vgl. Kap. 3.1.1).

Um dieser Frage empirisch nachzugehen, wurden die Beschäftigten mithilfe des Fragebogens gefragt, für was sie hauptsächlich streiken würden (oder dies bereits tun): für eine bessere Entlohnung oder für bessere qualitative Arbeitsbedingungen. Die erhobenen Daten zeigen auf, dass sich 70 % der Pflegebeschäftigten und 63 % der Erzieher_innen, jedoch nur 45 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen eher für bessere qualitative Arbeitsbedingungen als für eine bessere Entlohnung entscheiden würden. Bessere Arbeitsbedingungen sind im Durchschnitt für die Beschäftigten also von größerer Bedeutung als ein höherer Lohn. Interessant wäre allerdings eine vertiefende Untersuchung darüber, wie es zu erklären ist, dass für die Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen anscheinend die monetäre Aufwertung bedeutsamer ist als für die Angehörigen der zwei anderen Berufsgruppen (55 % vs. 37 und 30 %). Spekuliert werden könnte, dass das Feld der Sozialen Arbeit bisher nicht in dem Maße dem Anforderungsdruck und den ökonomischen Rationalisierungsprozessen ausgesetzt gewesen ist wie der Bereich der frühkindlichen Bildung bzw. der Pflegebereich. Dafür sprechen jedenfalls die Befunde dieser Studie zur beruflichen Gratifikationskrise und übersteigerten Verausgabungsleistung, die in der Sozialen Arbeit deutlich geringer ausfällt als in den zwei anderen Berufsgruppen (vgl. Kap. 7.2.2).

Für die Gewerkschaften bedeutet dieser Befund, dass die Strategie der qualitativen Tarifpolitik für das motivierende Framing im SAGE-Sektor sehr wichtig ist und favorisiert werden sollte. Gleichzeitig bedeutet dies für die Gewerkschaften jedoch die Herausforderung, jenseits der etablierten tarifpolitischen Verhandlungsgegenstände Lösungen entwickeln zu müssen, um Faktoren wie Personalbemessung oder auch Zeitdruck zum Gegenstand der Tarifpolitik machen zu können.

Wenn es gelingen würde, mehr Beschäftigte für Streiks zu mobilisieren, dann könnte dies einen selbstverstärkenden Effekt haben, da dies die Wirksamkeitswahrnehmung der Beschäftigten erhöhen und die Motivation anregen würde, wie der folgende Befund zeigt. Die Frage „Denken Sie, dass eine größere Einflussnahme auf die Arbeitsbedingungen möglich wäre, wenn mehr streiken würden?“ bejahten die meisten der Befragten: Von den Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen sowie Erzieher_innen bejahten es jeweils 79

% und von den Pflegebeschäftigten waren es 72 %. Die überwiegende Mehrheit der

195 Beschäftigten geht also von einer stärkeren Einflussnahme aus, wenn sich mehr Personen an den Streiks beteiligen würden.

7.5.4 Die Wahrnehmung der Verhandlungsergebnisse durch die Beschäftigten Die Arbeitskämpfe im Sozial- und Erziehungsdienst in den Jahren 2009 sowie 2015 haben belegt, dass es den Gewerkschaften gelungen ist, die strukturell-institutionelle „Ordnung der Machtlosigkeit" (Evans/Kerber-Clasen: 183) zu überwinden und die gewerkschaftlich Unorganisierten zu mobilisieren. Wenn die Mobilisierung jedoch nicht mit einem Verhandlungserfolg einhergeht, kann dies dazu führen, dass die Gewerkschaften als unzureichendes Mittel der kollektiven Interessenvertretung wahrgenommen werden (Kerber-Clasen 2017: 34). Vor dem Hintergrund, dass die Verhandlungsergebnisse in den o.g.

Kämpfen hinter den Forderungen der streikenden Erzieher_innen blieben (Kerber-Clasen 2017: 42), wurden die Beschäftigten in der vorliegenden Studie gefragt, wie sie die Verhandlungsergebnisse der tarifpolitischen Auseinandersetzungen bewerten. Hierzu wurde ihnen die Frage „Wenn Sie an die Streikergebnisse der letzten Jahre denken, wie schätzen Sie diese ein?“ gestellt, welche sie mit „zu schwach“, „neutral“ oder „angemessen“

beantworten konnten. Als zu schwach empfanden die Ergebnisse die meisten der Befragten:

76 % der Pflegebeschäftigten, 60 % der Erzieher_innen und 59 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen. Als neutral beurteilten sie 35 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen, 34 % der Erzieher_innen und 21 % der Pflegebeschäftigten. Als angemessen bewerteten diese hingegen nur jeweils 6 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen und Erzieher_innen und nur 3 % der Pflegebeschäftigten (vgl. Abb. 34).

Abbildung 34 Bewertung der Streikergebnisse der letzten Jahre durch die Befragten (Quelle:

eigene Berechnung und Darstellung)

Der Befund zeigt, dass die tarifpolitischen Verhandlungsergebnisse von den Pflegebeschäftigten als deutlich schwächer wahrgenommen werden als von den Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen sowie Erzieher_innen. Erklärt werden könnte

59 60

76

35 34

21

6 6 3

0 20 40 60 80 100

Sozialarbeiter_innen / Sozialpädagogen

Erzieher_innen Pflegebeschäftigte

Wenn Sie an die Streikergebnisse der letzten Jahre denken, wie schätzen Sie diese ein?

zu schwach neutral angemessen

196 dies durch die nur partiell stattgefundenen Arbeitskämpfe im Pflegesektor. Denn in diesem Sektor haben tarifpolitische Auseinandersetzungen bisher in einem geringeren Umfang stattgefunden als im Sozial- und Erziehungsdienst, was dementsprechend zu weniger Verbesserungen geführt hat. Die Studie zeigt zudem, dass die Mehrzahl der Beschäftigten im SAGE-Sektor den Erfolg der Bemühungen als zu gering bewertet, was für die zukünftigen Mobilisierungsprozesse seitens der Gewerkschaften zu einem Problem werden könnte, zumindest dann, wenn sie auch zu diesem Zeitpunkt nicht als wirkmächtige Akteurinnen wahrgenommen werden.

Interessant wäre eine Überprüfung dieses Befundes vor dem Hintergrund der relativ hohen Verhandlungsergebnisse auf Bundesebene im Jahr 2018 und auf Länderebene im Jahr 2019 (vgl. Kap. 3.1.1), was in dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden kann, da die Datenerhebung zeitlich vorher stattfand. Es ist jedoch davon auszugehen, dass – unabhängig von den Ergebnissen einer solch neuen Studie – die anstehenden Tarifverhandlungen (TVöD) und Verhandlungsergebnisse ab August des Jahres 2020 im öffentlichen Dienst von großer Bedeutung für die Gewerkschaften sein werden.