• Keine Ergebnisse gefunden

196 dies durch die nur partiell stattgefundenen Arbeitskämpfe im Pflegesektor. Denn in diesem Sektor haben tarifpolitische Auseinandersetzungen bisher in einem geringeren Umfang stattgefunden als im Sozial- und Erziehungsdienst, was dementsprechend zu weniger Verbesserungen geführt hat. Die Studie zeigt zudem, dass die Mehrzahl der Beschäftigten im SAGE-Sektor den Erfolg der Bemühungen als zu gering bewertet, was für die zukünftigen Mobilisierungsprozesse seitens der Gewerkschaften zu einem Problem werden könnte, zumindest dann, wenn sie auch zu diesem Zeitpunkt nicht als wirkmächtige Akteurinnen wahrgenommen werden.

Interessant wäre eine Überprüfung dieses Befundes vor dem Hintergrund der relativ hohen Verhandlungsergebnisse auf Bundesebene im Jahr 2018 und auf Länderebene im Jahr 2019 (vgl. Kap. 3.1.1), was in dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden kann, da die Datenerhebung zeitlich vorher stattfand. Es ist jedoch davon auszugehen, dass – unabhängig von den Ergebnissen einer solch neuen Studie – die anstehenden Tarifverhandlungen (TVöD) und Verhandlungsergebnisse ab August des Jahres 2020 im öffentlichen Dienst von großer Bedeutung für die Gewerkschaften sein werden.

197 Fragebogenerhebung gefragt, wie häufig sie das Gefühl haben, dass Gewerkschaften ihre Anliegen aus der Arbeitswelt thematisieren. Die Antworten der Sozialarbeiter_innen, Sozialpädagog_innen und Pflegebeschäftigten hierzu fielen sehr ähnlich aus: Von ihnen sagten knapp zwei Drittel (Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen = 63 %, Pflegebeschäftigte = 64 %), dass sie nie bzw. nur selten dieses Gefühl hätten. Von den Erzieher_innen waren 53 % dieser Auffassung. Dies deutet darauf hin, dass es den Gewerkschaften bisher nur teilweise gelungen ist, die Themen der Beschäftigten im SAGE-Sektor aufzugreifen. Dass mehr Erzieher_innen als andere Befragte der Meinung sind, dass ihre Anliegen gewerkschaftlich aufgegriffen werden, könnte auf die erfolgreiche Mobilisierung der Erzieher_innen bei den Arbeitskämpfen der Jahre 2009 und 2015 zurückzuführen sein.

Denn die damaligen Reibungen der Beschäftigten dieser Berufsgruppe mit den Gewerkschaften könnte - im Unterschied zu den zwei anderen Berufsgruppen - dazu beigetragen haben, das gegenseitige Verständnis zu fördern und so die Resonanz und Zentralität seitens der Beschäftigten zu stärken.

Bei der Frage, ob sich die Beschäftigten von gewerkschaftlichen Auftritten angesprochen fühlen, zeigt sich allerdings, dass sich nur sehr wenige Befragte oft oder häufig von den Auftritten angesprochen fühlen, während knapp 80 % der Pflegebeschäftigten (78 %) und der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen (79 %) der Auffassung sind, dass diese sie nie oder nur selten ansprechen. Unter den Erzieher_innen sind dies mit 70 % etwas weniger, jedoch immer noch die deutliche Mehrheit. Den Gewerkschaften scheint es dementsprechend bezüglich der motivierenden Rahmung tendenziell noch nicht gelungen zu sein, eine Form der Kommunikation zu entwickeln, die von den Beschäftigten als ansprechend wahrgenommen wird. Auch hier besteht allerdings ein deutlicher Unterschied zwischen den Erzieher_innen und den zwei anderen Berufsgruppen, was ebenfalls als Auswirkung der bereits erfolgreichen Mobilisierung interpretiert werden kann.

Sowohl nach dem Framing-Ansatz als auch gemäß der Mobilisierungstheorie ist es für die Mobilisierung der Beschäftigten von großer Bedeutung, ob bzw. inwiefern sie die kollektiven Interessorganisationen ,Gewerkschaften‘ als geeignete Akteurinnen zur politischen Einflussnahme bewerten. Dementsprechend wurden die Untersuchungsteilnehmenden anhand der Frage „Wie häufig trifft das Gefühl zu, dass Gewerkschaften ein geeignetes Mittel zur politischen Einflussnahme sind?“ zu ihrer diesbezüglichen Wahrnehmung befragt. Die Befunde zeigen, dass es deutliche Unterschiede zwischen den drei Berufsgruppen gibt, was diese Wahrnehmung betrifft. So sind 68 % der Pflegebeschäftigten, 53% der Erzieher_innen und 47 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen der Auffassung, dass dies nie oder nur selten der Fall sei. Dementsprechend lässt sich festhalten, dass etwa die Hälfte der Erzieher_innen und Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen der Ansicht sind, dass Gewerkschaften eher kein geeignetes Mittel zur politischen Einflussnahme sind, während dies

198 sogar für knapp 70 % der Pflegebeschäftigten gilt. Vor dem Hintergrund, dass auch Berufsverbände wie der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) als mögliche Akteurinnen in der politischen Arena von Bedeutung sein könnten, wurde den Beschäftigten die Frage nochmal gestellt - in Bezug auf Berufsverbände. Auch hier differieren die Antworten zwischen den Berufsgruppen teilweise sehr. Von den Pflegebeschäftigten waren 75 % der Auffassung, dass Berufsverbände kein geeignetes Mittel zur politischen Einflussnahme darstellen würden, von den Erzieher_innen waren es 66 % und von den Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen 56 %. Auch die Berufsverbände werden von den meisten Beschäftigten also als ungeeignet wahrgenommen, um politischen Einfluss auszuüben. Dabei stellen die Berufsverbände aus Sicht der Befragten ein noch ungeeigneteres Mittel zur politischen Einflussnahme dar als die Gewerkschaften.

7.6.1 Interessenvertretung

Im Rahmen der Mobilisierungstheorie von Kelly (1998) wird beschrieben, dass die Beschäftigten davon überzeugt sein müssen, dass die Gewerkschaften ihre Interessen und die ihrer Berufsgruppe ausreichend vertreten, wenn sie mobilisiert werden sollen. Vor diesem Hintergrund wurden die Beschäftigten gefragt, inwiefern sie davon ausgehen, dass a) Politiker_innen, b) Gewerkschaften und c) Berufsverbände ihre Interessen vertreten. Denn der Vergleich zwischen diesen drei Akteur_innen ermöglicht eine Einschätzung darüber, von wem die Beschäftigten glauben, am ehesten vertreten zu werden.

Was die erste Gruppe der Politiker_innen betrifft, so sagten auf die Frage „Inwieweit sind Sie überzeugt davon, dass Politiker_innen sich um Ihre Arbeitsbeziehungen kümmern?“ in allen drei Berufsgruppen über 95 % (Erzieher_innen = 98 %, Pflegebeschäftigte = 97 %, Sozialarbeiter_innen/Sozialpädagog_innen = 96 %), dass sie gar nicht oder nur etwas davon überzeugt seien. So gut wie keine_r der befragten Beschäftigten war zum Erhebungszeitpunkt also davon überzeugt, dass Politiker_innen sich um ihre Arbeitsbedingungen kümmern. Fast identisch antworteten die Beschäftigten auf die Frage, inwieweit sie davon überzeugt seien, dass Politiker_innen die Interessen ihrer Berufsgruppe vertreten: Hier sind es 98 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen und jeweils 97 % der Erzieher_innen und Pflegebeschäftigten, die von dieser Interessensvertretung gar nicht oder nur etwas überzeugt sind. Ebenfalls fast keine_r der Beschäftigten geht also davon aus, dass Politiker_innen die Interessen ihrer Berufsgruppe vertreten.

Wie sieht es diesbezüglich aber bei der zweiten Gruppe, den Gewerkschaften, aus? Auf die Frage, inwieweit die Beschäftigten davon überzeugt sind, dass Gewerkschaften ihre Interessen vertreten, sagten 36 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen, dass sie sehr stark bzw. stark von dieser Interessensvertretung überzeugt seien. Von den Erzieher_innen waren es 54 % von den Pflegebeschäftigten 30 %. In allen drei Berufsgruppen

199 sind also mindestens 30 % mindestens stark davon überzeugt, dass Gewerkschaften ihre Interessen vertreten. Dabei überwiegt diese Bewertung bei den Erzieher_innen sogar.

Auf die Frage, inwieweit die Beschäftigten davon überzeugt sind, dass die Gewerkschaften die Interessen der Beschäftigten vertreten, antworteten 61 % der Erzieher_innen, 54 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen sowie 37 % der Pflegebeschäftigten, sie seien davon (sehr) stark überzeugt. Dieser Befund zeigt, dass die Gewerkschaften von mehr als der Hälfte der Sozialarbeitenden und Sozialpädagog_innen sowie Erziehenden als geeignete Interessensvertretende bewertet werden, wenn es um die Beschäftigteninteressen geht, und dass die Bewertung der Vertretung der Beschäftigteninteressen deutlich positiver ist als die Bewertung der Vertretung persönlicher Interessen.

Wie verhält sich bei gleicher Fragestellung in Hinblick auf die dritte Gruppe der Berufsverbände? Auf die Frage, inwieweit die Beschäftigten überzeugt sind, dass Berufsverbände ihre Interessen vertreten, gaben 51 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen, 44 % der Erzieher_innen und 30 % der Pflegebeschäftigten an, sehr stark oder stark davon überzeugt zu sein, dass ihre Interessen durch die Berufsverbände vertreten würden. Dies weist darauf hin, dass Berufsverbände von weniger als der Hälfte der Befragten als persönliche Interessenvertreterinnen wahrgenommen werden. Werden die Antworten mit denen auf die gleiche Frage in Bezug auf die Gewerkschaften vergleichen, zeigt sich, dass unter den Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen der Anteil von denen, die (stark) stark davon überzeugt sind, vertreten zu werden, um 15 Prozentpunkte höher liegt. Bei den Erzieher_innen sind es hingegen 11 % weniger, und unter den Pflegebeschäftigten bleibt der Anteil identisch.

Auf die Frage, inwieweit die Beschäftigten davon überzeugt sind, dass die Berufsverbände die Interessen der Beschäftigten vertreten, antworteten 52 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen, 47 % der Erzieher_innen und 32 % der Pflegebeschäftigten, dass sie von dieser Art der Interessensvertretung sehr stark oder stark überzeugt seien. Der Befund zeigt, dass die Berufsverbände bezogen auf die berufliche Rolle von der Hälfte der Sozialarbeiter_innen, Sozialpädagog_innen und Erzieher_innen und von einem Drittel der Pflegebeschäftigten als (eher) starke Interessenvertreterinnen wahrgenommen werden. Im Vergleich zu der Beantwortung der gleichen Frage zu den Gewerkschaften zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede: Unter den Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen nimmt der Anteil derjenigen, die gesagt haben, dass sie (sehr) stark davon überzeugt seien, dass diese die Interessen ihrer Beschäftigten vertreten, um zwei Prozentpunkte ab. Unter den Erzieher_innen geht der Anteil um 14 Prozentpunkte zurück, und unter den Pflegebeschäftigten nimmt dieser um 5 Prozentpunkte ab.