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Als zweiter Aspekt im Civic Voluntarism Modell werden a) die Bereitschaft zur politischen Teilhabe und b) der politisch-kulturelle Hintergrund als bedeutsam beschrieben. Auf die Befunde zu diesem Teilbereich wird im Folgenden eingegangen.

Die Bereitschaft der Befragten zur politischen Teilhabe

Was die Bereitschaft zur politischen Teilhabe betrifft, so wurden die Beschäftigten gefragt, ob sie prinzipiell bereit wären, in einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband aktiv zu werden.

Die erhobenen Daten zeigen, dass jeweils mehr als die Hälfte der Berufsgruppenangehörigen dazu bereit ist: 62 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen,55 % der Pflegebeschäftigten und 50 % der Erzieher_innen gaben dies an (vgl. Abb. 31).

Abbildung 31 Die Bereitschaft der Befragten zur Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband (Quelle: eigene Berechnung und Darstellung)

In allen drei Berufsgruppen ist demnach die Bereitschaft, in einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband aktiv zu werden, größtenteils gegeben. Denn gänzlich ausgeschlossen haben dies nur 17 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen, 22 % der Erzieher_innen und 24 % der Pflegebeschäftigten. Interessant wäre es, mehr zu den Hintergründen dieses strikten Ablehnens zu erfahren. Eventuell ist es zumindest zum Teil auf frühere Frustrationserfahrungen mit Gewerkschaften oder Berufsverbänden zurückzuführen, wie sie Kerber-Clasen (2017: 32) skizziert, anhand der erhobenen Daten kann diese Frage jedoch leider nicht abschließend beantwortet werden.

Der politisch-kulturelle Hintergrund der Befragten

17 22 24

62

50 55

21 28

21

0 20 40 60 80 100

Sozialarbeiter_innen / Sozialpädagogen

Erzieher_innen Pflegebeschäftigte

Wären Sie oder sind Sie bereit in einer Gewerkschaft oder einem Berufsverband aktiv zu werden?

Nein Ja Weiß nicht

180 Als weitere Komponente wird in dem Modell, wie erwähnt, der politisch-kulturelle Hintergrund der Beschäftigten als bedeutsam beschrieben. Deshalb wurden im Rahmen der Fragebogenerhebung Fragen zur praktizierten politischen Teilhabe sowie zu Mitgliedschaften in politischen Vereinigungen gestellt.

Die Auswertungen zur praktizierten politischen Teilhabe zeigen, dass 29 % der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen in der Vergangenheit Kontakt zu Politiker_innen aufgenommen hatten, 12 % von ihnen hatten in einer politischen Partei mitgearbeitet und 52 % von ihnen hatten in anderen politischen Organisationen mitgearbeitet, 42 % von ihnen hatten ein politisches Abzeichen getragen oder irgendwo befestigt gehabt, 85

% von ihnen hatten sich an Unterschriftensammlungen beteiligt, 73 % hatten an einer Demonstration teilgenommen und 52 % waren anderweitig politisch aktiv gewesen. Von den Erzieher_innen hatten 24 % in der Vergangenheit Kontakt zu Politiker_innen aufgenommen, 7

% in einer politischen Partei und 33 % in anderen politischen Organisationen mitgearbeitet, 26

% ein politisches Abzeichen getragen oder irgendwo eins befestigt gehabt, 74 % hatten sich an Unterschriftensammlungen beteiligt, 55 % an einer Demonstration teilgenommen und 37 % hatten sich anderweitig politisch betätigt. Von den Pflegbeschäftigten hatten 18 % in der Vergangenheit Kontakt zu Politiker_innen aufgenommen, 9 % hatten in einer politischen Partei und 29 % in anderen politischen Organisationen mitgearbeitet, 21 % hatten ein politisches Abzeichen getragen oder irgendwo eins befestigt gehabt, 70 % hatten sich an Unterschriftensammlungen beteiligt, 42 % hatten an einer Demonstration teilgenommen und 25 % hatten sich anderweitig politisch betätigt (vgl. Abb. 32).

181 Abbildung 32 Die praktizierte politische Teilhabe der Beschäftigten (Quelle: eigene Berechnung und Darstellung)

29

12

52

42

85

73

52 24

7

33 26

74

55

37 18

9

29

21

70

42

25

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

... Kontakt zu Politiker_innen oder einer

Amtsperson auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene

aufgenommen?

... in einer politischen Partei mitgearbeitet?

... in einer anderen Organisation oder in einem anderen Verband

oder Verein mitgearbeitet?

... ein Abzeichen oder einen Aufkleber einer politischen Kampagne getragen oder irgendwo

befestigt?

... sich an einer Unterschriftensammlung

beteiligt?

... an einer öffentlichen Demonstration teilgenommen?

... sonstiges

Praktizierte politische Teilhabe (Anteil der Zustimmungen in Prozent)

Sozialarbeiter_innen / Sozialpädagogen Erzieher_innen Pflegebeschäftigte

182 Die Befunde zeigen, werden Sie im Gesamtbild betrachtet, zwar auf, dass die praktizierten politischen Aktivitäten zwischen den Berufsgruppen deutlich variieren, weisen jedoch auch darauf hin, dass bei den Angehörigen dieser drei Berufsgruppen eben nicht von unpolitischen Beschäftigten gesprochen werden kann, wie es Seithe (2010) für die Soziale Arbeit beschreibt.

Allerdings zeigen sich diesbezüglich Differenzen zwischen den Berufsgruppen: Wenn die politischen Aktivitäten zu einem Scorewert aufaddiert werden, zeigt sich, dass sich die Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen am häufigsten politisch betätigt hatten. Im Durchschnitt hatten sie sich 3,37 Mal politisch betätigt, während die Erzieher_innen sich nur 2,43 und die Pflegebeschäftigten sich nur 2,01 politische Aktivitäten zuschrieben. Die Befunde sprechen also dafür, dass es sich bei den Befragten um Beschäftigte handelt, die durchaus politisch aktiv sind - wenn auch in unterschiedlichem Maße. Sie stützen insofern die Annahme von Benz (2019), dass es sich eben nicht, wie in der Vergangenheit öfters behauptet, um unpolitische Beschäftigte bzw. um Beschäftigte mit schwachen politischen Interessen handelt.

Aus gewerkschaftlicher Perspektive bedeutet dieser Befund, dass die Beschäftigten im SAGE-Sektor politisiert sind und dass das politische Interesse der Beschäftigten für das gewerkschaftliche Framing genutzt werden kann. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass die Beschäftigten empfänglich sind für gesellschaftspolitische Themen, was eine wesentliche Voraussetzung für kollektives Interessenhandel darstellt.

Wie oben bereits angesprochen wurde, gilt dem Modell zufolge auch die Mitgliedschaft in einer politischen Organisation als ein Indikator für den politisch-kulturellen Hintergrund der Beschäftigten. Die diesbezügliche Auswertung zeigt, dass zum Erhebungszeitpunkt von den Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen 22 % Mitglied in einem Berufsverband waren, 33 % in einer Gewerkschaft, 17 % in einem Hobbyverband, 14 % in einem Wohlfahrtsverband, 8 % in einer Partei und 9 % in einer Bürger_inneninitiative. Von den Erzieher_innen waren 5

% Mitglied in einem Berufsverband, 32 % in einer Gewerkschaft, 14 % in einem Hobbyverband, 13 % in einem Wohlfahrtsverband, 4 % in einer Partei und 5 % in einer Bürger_inneninitiative.

Von den Pflegebeschäftigten waren 17 % Mitglied in einem Berufsverband, 25 % in einer Gewerkschaft, 13 % in einem Hobbyverband, 10 % in einem Wohlfahrtsverband, 7 % in einer Partei und ebenfalls 7 % in einer Bürger_inneninitiative (vgl. Abb. 33).

183 Abbildung 33 Die Mitgliedschaft der Befragten in politischen Organisationen (Quelle: eigene Berechnung und Darstellung)

Die Befunde zeigen, dass die meisten Befragten zum Studienzeitpunkt keine Mitglieder in einer politischen Organisation waren und dass in allen drei Berufsgruppen die Mitgliedschaft in einer politischen Organisation eher die Ausnahme als die Regel ist. Die Beschäftigten sind demnach zwar politisch aktiv, aber deshalb nicht auch automatisch Mitglied in einer politischen Organisation. Dabei zeigen sich jedoch Unterschiede zwischen den Berufsgruppen. Denn werden die Angaben zur Mitgliedschaft in einer politischen Organisation zu einem Scorewert aufaddiert, zeigt sich, dass dieser bei den Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen im Durchschnitt 0,93, bei den Erzieher_innen 0,67 und bei den Pflegebeschäftigten 0,77 beträgt.

Die Berufsgruppe der Sozialarbeiter_innen und Sozialpädagog_innen ist im Verglich mit den zwei anderen Berufsgruppen den Befunden zufolge also häufiger politisch aktiv und eher Mitglied in einer politischen Organisation.

Der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Beschäftigten wird vor dem Hintergrund der gewerkschaftlichen Organisationsmacht in dem Kapitel zu den Machtressourcen der Befragten (Kapitel 7.4) noch separat diskutiert werden.

21

33

17 14

8 9

5

32

14 13

4 5

17

25

13 10 7 7

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Sind Sie Mitglied ...

(Anteil der Zustimmung in Prozent)

Sozialarbeiter_innen / Sozialpädagogen Erzieher_innen Pflegebeschäftigte

184