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2. Literaturübersicht

2.2. S TÖRUNGEN DES E NERGIEHAUSHALTES

2.2.1. Bovine Ketose

Die Ketose ist eine der wichtigsten Stoffwechselerkrankungen der Hochleistungskuh, sowohl in tiergesundheitlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. In den ersten sechs bis acht Wochen nach der Geburt ist die Kuh einer besonders hohen Beanspruchung ausgesetzt. Es kommt bei Hochleistungstieren in diesem Zeitraum so gut wie immer zu einem Ungleichgewicht zwischen Futteraufnahme und Milchleistung, das heißt, es liegt eine negative Energiebilanz vor. Die Inzidenz der klinischen Fälle von Ketose beträgt in Hochleistungsherden etwa 5-10 %, bei inadäquater Fütterung auch erheblich mehr (MOORE 1997a). Einer Untersuchung von STEEN et al. (1997) zufolge stellt die Ketose bei Milchkühen in 12,1 % aller tierärztlichen Interventionen die Ursache für Krankheitsfälle dar.

Die bovine Ketose tritt in zwei klinischen Formen auf, als subklinische und klinisch manifeste Ketose. Die subklinische Ketose ist definiert als das Stadium der Erkrankung, in dem ein erhöhter Spiegel an Ketonkörpern im Blut, Harn und Milch nachzuweisen ist, aber keine klinischen Symptome zu erkennen sind (ANDERSSON 1988). Des weiteren können im Blut Anzeichen für eine Hypoglykämie, erhöhte Werte an nicht veresterten Fettsäuren sowie eine verminderte hepatische Glukoneogenese nachgewiesen werden (BERGMANN 1971; KRONFELD 1971).

Dieser Zustand bleibt meist unentdeckt und führt ohne Behandlung zu gesundheitlichen Risiken oder Leistungseinbußen (BAIRD 1982).

Die klinische Ketose wird in eine primäre und eine sekundäre Form eingeteilt. Die primäre Form der klinischen Ketose tritt bei empfänglichen, hochleistenden Milchkühen zwischen der zweiten und siebten Laktationswoche auf. Klinisch lassen sich Appetitlosigkeit, verminderte Pansentätigkeit, Indigestion und reduzierte Darmmotilität mit nachfolgender Obstipation erkennen. Deshalb wird diese Form auch „digestive Form“ genannt. Weitere Symptome sind eine sinkende Milchleistung, Hypoglykämie, Hyperketonämie und ein rascher körperlicher Verfall. Ein Teil der Kühe ist leicht erregbar und zeigt nervöse Symptome. Deshalb spricht man von der

„nervösen Form“ der Ketose (BAIRD 1982; ANDERSSON 1984; FOSTER 1988). Im Vergleich zur digestiven Form kommt die nervöse Form selten vor (ALEX et al.

1992). Bei der sekundären Ketose entsteht das Energiedefizit durch andere Erkrankungen. Häufig ist eine klare Trennung zwischen beiden Formen nicht

möglich, da sich viele Erkrankungen im postpartalen Zeitraum mit der negativen Energiebilanz überlagern. So erhöht sich das Ketoserisiko beträchtlich, wenn die Kuh an Gebärparese, akuter toxischer Endometritis, Labmagenverlagerung und schmerzhaften Klauenschäden erkrankt ist (STÖBER 1994a).

Bei maximaler Belastung des Energiestoffwechsels insbesondere während der Frühlaktation, wird dem Intermediärstoffwechsel vermehrt Glukose für die Laktosesynthese entzogen. Der Organismus versucht die entstandene Hypoglykämie durch eine erhöhte Glukoneogenese wieder auszugleichen. Die verstärkte Glukoneogenese entzieht dem Zitratzyklus vermehrt Oxalazetat. Wenn nun Oxalazetat nicht im ausreichenden Maße nachgeliefert wird, fehlt der Reaktionspartner in den Mitochondrien der Leberzellen für die aus dem Fettstoffwechsel anfallenden C2- Bruchstücke. Aus dem biologisch aktivierten C2- Bruchstück Azetyl-CoenzymA entstehen sehr rasch Ketonkörper. Die Hypoglykämie bedingt zusätzlich einen niedrigen Plasmainsulinspiegel, der seinerseits eine fortschreitende Lipolyse begünstigt (BAIRD 1982).

2.2.2. Lipomobilisationssyndrom

Bei Kühen mit hoher Milchleistung haben metabolisch bedingte Hepathopathien große Bedeutung (ROBERTS et al. 1981). Das Fettlebersyndrom (Lipomobilisationssyndrom) der Milchkuh ist nach SACHS (1987) zur primären Ketose zu zählen. Im Gegensatz dazu bezeichnen STÖBER und DIRKSEN (1982) dies als den Gesamtkomplex derjenigen peripartalen Krankheiten und Leistungsstörungen, der bei verfetteten Kühen eine sekundäre Ketose auslöst, mit ihr einhergeht oder auf sie folgt.

Bedingt durch eine exzessive Fettmobilisation bei für Erhaltung und Milchleistung unzureichender Energieaufnahme, erhöht sich im peripartalen Zeitraum die Konzentration nicht veresterter Fettsäuren (NEFA) im Serum (GRUMMER 1993). Die zirkulierenden NEFA werden zum großen Teil von der Leber aufgenommen und entweder zu Triglyzeriden (TG) synthetisiert oder zu Azetyl- CoenzymA (Azetyl-CoA) abgebaut (RUKKWAMSUK et al. 1999). Während die präpartal absinkende Futteraufnahme und der Geburtsstreß in Verbindung mit erhöhten Adrenalin- und Noradrenalinkonzentrationen zum Kalbezeitpunkt die NEFA-Konzentration zusätzlich erhöhen, fördern der Anstieg (plazentalen) Östrogens und der Progesteronabfall

vermutlich die TG-Synthese und -Speicherung in der Leber (GRUMMER 1993).

Dabei erhöhen sich die hepatische Fettsäureaufnahme, Veresterung und TG-Speicherung proportional zur NEFA-Konzentration im Plasma (GRUMMER 1993;

GRUM et al. 1996). Diese steigt in den letzten zwei Wochen a.p. auf den vierfachen Wert an (GRUMMER 1993).

Eine Leberverfettung entwickelt sich in dem Fall, in dem die TG-Syntheserate der Leber die Summe von TG-Hydrolyserate und TG-Export als „very low density lipoprotein“ (VLDL) übersteigt (GERLOFF et al. 1986). Dieser VLDL-Export ist beim Wiederkäuer ein vergleichsweise langsamer Vorgang und damit ein Hauptfaktor in der Entstehung der Fettleber (BERTICS et al. 1992; GRUMMER 1993). Bedingt durch die verstärkte Lipolyse und die damit einhergehende Erhöhung der NEFA-Konzentration weisen zum Kalbezeitpunkt überkonditionierte Kühe in der ersten Laktationswoche um das zwei- bis dreifache erhöhte Leberfettgehalte auf (FRONK et al. 1980; GRUMMER 1993). Mit zunehmendem Grad der Leberverfettung erhöht sich somit das Risiko einer passageren oder terminalen Leberinsuffizienz (REHAGE 1996). Im Unterschied zu gesunden Tieren weisen Kühe mit manifester Leberinsuffizienz eine Hyperinsulinämie auf, die eventuell auf eine unzureichende hepatische Clearance zurückzuführen ist (TAYLER et al. 1985; PETRIDES u.

STROHMEIER 1986; REHAGE 1996). Gleichzeitig ist die Blutglukosekonzentration bei leberinsuffizienten Tieren erhöht; demzufolge ist von einer Insulinresistenz auszugehen (VERNON u. SASAKI 1991; REHAGE 1996). Als Ursachen der Insulinresistenz bei Kühen mit Leberinsuffizienz kommen vor allem der erhöhte Glukokortikoidspiegel und/oder die extrem niedrigen Insulin-like growth factor 1 (IGF-1) Plasmakonzentrationen in Frage (VERNON u. FINLEY 1986; HUSSAIN et al.

1994; REHAGE 1996).

Die wichtigsten Auswirkungen der Leberverfettung auf den Gesundheitszustand der Milchkuh sind neben einer reduzierten Glukoneogeneserate (CADORNIGA-VALINO et al. 1997) die verringerten Abbauraten sowohl von Endotoxinen als auch von Hormonen (RUKKWAMSUK et al. 1999).