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Rollenspiel „Polizeieinsatz bei Familie Berger“

5.4 Grund- und Aufbaukurse „Häusliche Gewalt“ im Rahmen der

5.4.5 Rollenspiel „Polizeieinsatz bei Familie Berger“

In den Aufbaukursen wurde von Polizeischüler/innen in einem Rollen-spiel ein polizeilicher Einsatz aufgrund häuslicher Gewalt dargestellt.

Folgende Rollen wurden vergeben: Ein Ehepaar (Herr und Frau Berger) deren achtjähriger Sohn (Sascha Berger) sowie zwei

Polizis-ten/Polizistinnen im Einsatz (siehe Anhang). Die anderen Teilneh-mer/innen beobachteten das Spiel ihrer Mitschüler/innen.

Einschätzung von Polizeieinsätzen bei häuslicher Gewalt nach dem Rollenspiel

Das Rollenspiel vermittelte den Polizeischüler/innen einen Eindruck von der Situation, mit der sie bei späteren Einsätzen wegen häuslicher Ge-walt konfrontiert werden. Die Einschätzungen dieser Einsätze hing da-bei neben der Gestaltung des jeweiligen Spiels auch davon ab, wie die Befragten sich in die Spielsituation hineinbegeben hatten, ob sie als Spieler/in auftraten und welche Rolle sie inne hatten oder ob sie eine beobachtenden Funktion einnahmen.

Tabelle 20: Einschätzung von Polizeieinsätzen bei häuslicher Gewalt

(Aufbaukurs, Mehrfachnennungen)

Antwortvorgabe Nennungen*

das scheint komplizierter zu sein, als ich gedacht habe 71 (52,6 %) aus polizeilicher Sicht ist es eine ganz klare Situation 9 (6,7 %) dafür benötige ich noch mehr Wissen und Vorbereitung 41 (30,4 %) dafür benötige ich klare Dienstanweisungen 8 (5,9 %) diese Einsätze werden sicherlich diejenigen sein, die ich

am liebsten vermeiden würde

42 (31,1 %) da möchte ich einen erfahrenen Kollegen an meiner

Seite haben

94 (69,6 %) da möchte ich eine Kollegin dabei haben 58 (43,0 %)

Nennungen insgesamt 323

* Die Prozentangaben in den einzelnen Zeilen beziehen sich auf die Befragten (135 = 100 %)

Die Mehrheit der Befragten schätzte nach dem Rollenspiel einen ent-sprechenden Einsatz als komplizierter ein, als sie gedacht hatten und nur sehr wenige waren der Meinung, dass es sich dabei um eine poli-zeilich klare Situation handeln würde. Die Einschätzungen der Kompli-ziertheit der Situation scheint auch von der Rolle abzuhängen, die im Spiel eingenommen wurde. Diejenigen, die in der Opferrolle (Frau, Kind) waren, empfanden das Ganze schwieriger als diejenigen, die ei-nen eher aktiven Part (Polizisten, misshandelnder Mann) oder den Be-obachter/innenstatus inne hatten.

Fast ein Drittel der Polizeischüler/innen wünschte sich mehr an Wissen und Vorbereitung für entsprechende Einsätze, aber nur wenige

spra-chen sich für klare Dienstanweisungen aus. Hierbei haben sich die Be-fragten, die im Rollenspiel den Part der Polizeibeamten übernommen hatten, im Verhältnis eindeutig mehr an Wissen und Vorbereitung wünscht als die Beobachter/innen (46 % der Polizeispieler/innen ge-genüber 26 % der Beobachter/innen). Unsicherheiten im Umgang mit Fällen häuslicher Gewalt wurden von den aktiv Beteiligten in der kon-kreten (Spiel-)Situation bewusster wahrgenommen als von den Außen-stehenden.

Ein weiterer Grund für Unsicherheit scheint die Anwesenheit eines Kin-des bei einem solchen Einsatz zu sein. So variierte der Wunsch nach mehr Wissen und Vorbereitung für Einsätze bei häuslicher Gewalt ent-sprechend dem Verhalten des Kindes „Sascha Berger“ im Rollenspiel.

Der meiste Informationsbedarf wurde geäußert, wenn die Gestaltung der Kinderrolle still und zurückhaltend war.

Fast ein Drittel der befragten Polizeischüler/innen aus den Aufbaukur-sen würden Einsätze wegen häuslicher Gewalt am liebsten vermeiden.

Hierbei scheint auch das Verhalten des Opfers ausschlaggebend zu sein. War die Rollengestaltung von Frau Berger ängstlich, verletzt und unsicher, so bestand bei den Befragten eine starke Tendenz, entspre-chende Einsätze am liebsten vermeiden zu wollen (bis zu 50 %). Dem-gegenüber waren es bei den Teilnehmer/innen, die eine zwar ängstli-che, aber dabei offensive Frau Berger erlebten, nur 4,8 %. Auch das Verhalten der Polizeispieler/innen hatte Einfluss auf die Haltung zu ent-sprechenden Einsätzen: In den Kursen, in denen die Polizisten im Rol-lenspiel als Team auftraten, wollten gut ein Fünftel (23 %), in den Kur-sen, in denen die spielenden Kolleg/innen eher nebeneinander oder sogar gegeneinander agierten, jedoch etwa doppelt so viele einen Poli-zeieinsatz wegen häuslicher Gewalt vermeiden.

Mehr als zwei Drittel der Polizeischüler/innen hätten in entsprechenden Fällen am liebsten einen erfahrenen Kollegen an ihrer Seite, und gut zwei Fünftel wünschten sich eine Kollegin dabei. 59 % der Schüler, aber nur 5 % der Schülerinnen wollten bei entsprechenden Einsätzen eine Kollegin dabei haben. Auch hier schlägt sich die Rolle, die im Kontext des Rollenspiels eingenommen wurde, auf das Antwortverhal-ten nieder. Diejenigen, die die unmittelbar BeteiligAntwortverhal-ten gespielt hatAntwortverhal-ten (misshandelnder Mann, Frau und Kind) wünschten sich verhältnismäßig häufiger einen erfahrenen Kollegen dabei als diejenigen, die die Rolle von Polizisten übernommen hatten und die Beobachter/innen. Auch hier wirkte sich die Gestaltung der Rolle von „Frau Berger“ auf das Antwort-verhalten aus. Agierte sie ängstlich und unsicher, führte dies vermehrt

dazu, dass die Unterstützung durch einen erfahrenen Kollegen ge-wünscht wurde.

Insbesondere die Unsicherheiten in Bezug auf die Anwesenheit von Kindern und ein ausgeprägtes Opferverhalten der Frau zeigen einen deutlichen Trainingsbedarf zum Umgang mit den Opfern und Mitbetrof-fenen von häuslicher Gewalt. Aber auch der Zusammenhang zwischen dem Teamverhalten der Polizeispieler/innen und dem Wunsch nach Vermeidung entsprechender Polizeieinsätze belegt die Notwendigkeit der Stärkung des Teamverhaltens und der Teamfähigkeit. Um die Vor-aussetzungen für einen adäquaten, d.h. sicheren und sensiblen polizei-lichen Umgang mit den in Fällen häuslicher Gewalt Beteiligten zu verbessern, sollte daher auch in Zukunft jede/r auszubildende Poli-zist/Polizistin die Möglichkeit zur aktiven Aneignung und Erprobung von Strategien beim Polizeieinsatz in Fällen häuslicher Gewalt haben.

Reflexion des gespielten Polizeiverhaltens

Im Anschluss an das Rollenspiel wurden die verschiedenen Rollen und angewandten polizeilichen Interventionsstrategien reflektiert und Hand-lungsalternativen diskutiert. Korrespondierend dazu wurde im Evaluati-onsbogen gefragt, ob dem Verhalten der Polizisten im Rollenspiel zu-gestimmt wird oder eine andere Interventionsstrategie gewählt worden wäre. Das Antwortverhalten ist dabei sowohl von der konkreten Rollen-spielsituation als auch von der darin eingenommenen Rolle der Kursteilnehmer/innen abhängig.

Zwei Drittel der Befragten (67 %) hätten sich genauso verhalten wie diejenigen, die die Polizisten gespielt haben. Mehr als ein Viertel (28 %) würde jedoch eine andere Interventionsstrategie wählen. Alternativen wurden vor allem dann formuliert, wenn die im Rollenspiel als Polizisten agierenden Mitschüler/innen unsicher oder hilflos wirkten und eher ne-beneinander denn als Team reagierten. Diejenigen, die das Rollenspiel als Beobachtende verfolgten, benannten seltener alternative Interventi-onsstrategien als die Spielenden.

Etliche Befragte, die den im Rollenspiel gezeigten polizeilichen Verhal-tensweisen grundsätzlich zustimmten, äußerten dennoch, dass sie sich gegenüber einzelnen Betroffenen anders verhalten würden. Eine ande-re Verhaltensweise wurde am häufigsten gegenüber dem anwesenden Kind (39 % der Befragten: sensibleres, kindgemäßeres Eingehen) und dem misshandelnden Mann (32 % der Befragten: konsequenteres, be-stimmteres Auftreten) formuliert. Aber auch gegenüber der misshan-delten Frau hätten sich etliche der Befragten anders verhalten (24 %:

einfühlsamer, unterstützender), ein Fünftel der Teilnehmer/innen (20 %) hätten sich anders mit dem Kollegen/der Kollegin abgestimmt als die Polizisten im Spiel.

Einschätzung der Rollenspiele durch die Kursteilnehmer/innen Das Rollenspiel zum Polizeieinsatz bei Familie Berger stieß bei den Teilnehmer/innen der Aufbaukurse insgesamt auf hohe Akzeptanz. Nur ein kleinerer Teil der Befragten äußerte sich ihm gegenüber skeptisch bis ablehnend. Die positive Einschätzung wird auch dadurch untermau-ert, dass ein knappes Viertel aller Teilnehmenden das Rollenspiel als das Wichtigste im diesem Seminarblock bezeichnete (siehe 5.4.8).

Tabelle 21: Akzeptanz von Rollenspielen (Mehrfachnennungen)

Antwortvorgaben Nennungen*

eine gute Möglichkeit, mich in andere hineinzuversetzen 53 (39,3 %) ungewohnt, aber hilfreich für das Verständnis von

Tatbeteiligten

88 (65,2 %) nicht sehr brauchbar für meine spätere Arbeit 11 (8,1 %)

das war nichts für mich 11 (8,1 %)

Nennungen insgesamt 163

* Obwohl keine Mehrfachnennungen vorgesehen waren, kreuzten einige Teilneh-mende mehr als eine Antwortvorgabe an. Die Prozentangaben in den einzelnen Zeilen beziehen sich auf die Befragten (135 = 100 %)