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Kritik an der polizeilichen Praxis und Verbesserungsvor-

4.3 Erfahrungen betroffener Frauen mit Polizeieinsätzen und

4.3.2 Kritik an der polizeilichen Praxis und Verbesserungsvor-

Die Äußerungen zeigen, dass misshandelte Frauen von der Polizei kein unmögliches und mit ihrem Arbeitsauftrag nicht zu vereinbarendes Ver-halten verlangen, sondern vorrangig Respekt und ein der Situation an-gemessenes Reagieren erwarten.

Die Ergebnisse der Befragung von Frauenhausbewohnerinnen in Berlin finden in der Literatur Bestätigung. Von häuslicher Gewalt betroffene Frauen erwarten von einem Polizeieinsatz in erster Linie Hilfe und Schutz für sich und die Kinder, sie wünschen sich die Entfernung des Täters aus der Wohnung und eine deutliche Grenzsetzung hinsichtlich seiner Gewalttätigkeit durch die Polizei (Lesting/Traub 1996).

Die Evaluation der Umsetzung des österreichischen Gewaltschutzge-setzes analysierte darüber hinaus drei Faktoren, von denen die Zufrie-denheit der Betroffenen mit der polizeilichen Intervention abhängt. Ent-scheidend ist demnach zum einen, „ob sich die gefährdete Person während der Intervention gut über die verhängten Maßnahmen infor-miert fühlte“ und zum anderen „die Berücksichtigung der Wünsche der gefährdeten Person, was insbesondere bezüglich der Form der ge-setzten Maßnahmen und bei einem Rückkehrverbot bezüglich des Schutzbereiches relevant ist“ (Haller et. al 1999, 174). Von Bedeutung ist aber auch das Verhalten der Polizeibeamten und -beamtinnen. „Ge-wünscht werden ein korrekt bis freundlicher Umgang und eine unpar-teiische Einstellung der BeamtInnen. Unzufriedenheit signalisierten Personen, die die Behandlung durch die einschreitenden BeamtInnen als negativ (abwertend bis mißtrauisch) empfunden hatten.“ (Ebenda, 175)

4.3.2 Kritik an der polizeilichen Praxis und

Beklagt wurde ein ungenügendes Wissen über die Problematik häusli-che Gewalt und die damit zusammenhängende häufige Stigmatisierung betroffener Frauen.

„Also da denke ich mal, auch viele haben da, ob das nun bei der Polizei ist oder anderswo, die haben gar keine Ahnung, was Frauenhaus eigentlich bedeutet. Die denken, das ist wie Urlaub.“

...

„Oder es ist irgendwie ein sozialer Abstieg, so wird es angesehen das Frauenhaus, solche Frauen sind das Letzte.“ ...

„Oder die wissen überhaupt nicht, was für Frauen im Frauenhaus leben, was für Probleme die haben, für die ist das einfach, ach, Familienstreit, die prügeln sich, die streiten sich, es wird schon, die nehmen dieses Thema auch überhaupt nicht ernst. Es mag ja sein, dass manche Leute wieder zusammenkommen, aber die Leute nehmen uns einfach nicht ernst.“ (F III)

Zur Abhilfe schlugen die befragten Frauenhausbewohnerinnen Schu-lungen für Polizisten und Polizistinnen sowie Gespräche mit betroffenen Frauen vor, in denen die generelle Problematik und die individuelle Si-tuation der Betroffenen verdeutlicht wird. Die Befragten erhoffen sich dadurch ein differenzierteres und sensibleres polizeiliches Verhalten gegenüber von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen.

„Damit sich die Leute vielleicht ein Urteil darüber machen kön-nen, wie es uns eigentlich geht, und was für Gewaltsituationen es eigentlich gibt, ... dass man sich mal mit den Leuten unterhalten könnte, damit die sich eventuell in unsere Situation ´rein verset-zen können. Und dass sie vielleicht auch sagen, da muss ich ir-gendwo eine Grenze machen, da ist Schluss, da muss ich anders reagieren. Wenn ich jetzt ganz normal jemanden mitnehme, der irgendwas ausgefressen hat, dass ich mich dem gegenüber ganz anders verhalten muss. Das wäre vielleicht mal ganz, ganz wich-tig, ... damit die Leute auch mal einen Eindruck haben, wie es in uns aussieht und wie es praktisch in so einer Familie zugeht, dass die sich das gar nicht vorstellen können, wie es bei uns ist.“

(F III)

Mehrfach machten die Interviewpartnerinnen den Vorschlag, dass bei entsprechenden Einsätzen eine Polizistin dabei ist oder dass Frauen zumindest die Möglichkeit gegeben wird, am Telefon mit einer Polizistin zu sprechen. Für einige Befragte war dies in der konkreten Bedro-hungssituation zwar nicht vorrangig, andere versprachen sich von einer Einsatzbeamtin jedoch mehr Unterstützung als von diensthabenden Männern.

„Ich bin der Meinung, dass schon bei jedem Einsatz, der zu Fa-milienstreitigkeiten gerufen wird, erst mal eine Frau auch dabei sein muss, damit nämlich die Frau einen Ansprechpartner hat.

Die Kerle halten sowieso zusammen.“ (F II)

„Es wäre vielleicht ganz gut, wenn man da anruft, dass die Poli-zei dann fragt, ob eine Frau mitkommen soll, weil das kann be-stimmt jede Frau für sich selber einschätzen, wie ihr Mann oder ihr Lebenspartner drauf ist. Also ich denke schon, körperlich sind die Polizistinnen den männlichen Polizisten bestimmt nicht un-terlegen, aber, weiß ich nicht, manche Männer lassen sich von einer Frau nichts sagen, und dann einer Polizistin zu unterliegen, das bringt die vielleicht noch eher in Rage. Also das wäre viel-leicht ganz gut, wenn man sich das aussuchen könnte.“

„Oder vielleicht zumindest wenn man anruft, und dass man eine Polizistin am Telefon hat und ihr dieses Problem schildert, und dass wenn dann zwei Polizisten eben kommen, dass man erst mit einer Frau redet, und dass die Männer dann kommen und dir

´raushelfen.“ (F III)

Geschlechtsheterogen zusammengesetzte Polizeiteams wurden auch deswegen begrüßt, weil sich durch die Zusammenarbeit mit den Kolle-ginnen ein größerer Respekt des Polizisten gegenüber der betroffenen Frau erhofft wird.

„Ich denke, wenn ein Mann und eine Frau zusammenarbeiten, dass die männlichen Polizisten dann, na ja, automatisch mehr Respekt haben, würde ich sagen. Oder ich stelle es mir so vor.

Immer ist es wahrscheinlich auch nicht so.“ (F III)

Die Verbesserungsvorschläge beschränkten sich nicht nur auf ein an-gemessenes Verhalten gegenüber der betroffenen Frau. Auch für die Kinder, die die Gewalttaten gegen ihre Mütter und entsprechende Poli-zeieinsätze miterleben, wurde adäquate Unterstützung für wichtig er-achtet.

„Und dann scheint es auch sehr nötig zu sein, dass immer je-mand da ist, der dann wirklich sich auch um die Kinder kümmert, das ist ja mindestens genauso wichtig, die sind ja genauso scho-ckiert, wenn nicht sogar verletzt.“ (F II)

Bei Polizeieinsätzen, bei denen Kinder anwesend waren, gab es zwar auch Erfahrungen mit sensibel und freundlich mit den Kindern umge-henden männlichen Einsatzkräften. Die Frauen wünschten sich hier je-doch verstärkt den Einsatz von speziell geschultem weiblichen Perso-nal. Folgende Aussage beschreibt eine für die betroffene Frau, das

anwesende Kind und die Polizisten gleichermaßen schwierige Einsatz-situation besonders plastisch und verdeutlicht den Bedarf an speziell für die Kinder zuständigem Fachpersonal.

„Da wäre es vielleicht angebracht, dass es vielleicht zwei oder drei Frauen gibt, wenn jetzt so was ist, dass die wirklich ausge-bildet werden, in so einer Situation mit den Kindern umzugehen, weil Kinder sind doch ein bisschen ängstlich, wenn da drei, vier Mann erst mal herum stürzen, auch wenn die nett und freundlich sind. ...

Meine Tochter zum Beispiel, da gab es auch so eine Situation, da wollte mein Mann mir unbedingt den Schädel mit der Pfanne einschlagen, und meine Tochter saß auf dem Bett, und dann sah sie die Polizisten und die hat gebrüllt, die hat gebrüllt wie am Spieß. Sie hat sich so festgeklammert, ich hatte ein paar Finger-nägel im Hals ... und das war ganz, ganz schlimm. Ich meine, es gibt ja solche Kinder, die dann so verkrampft sind und, ach, die hat gebrüllt. ... Na ja, und dann musste ich mit ihr raus, also der Polizist hat sie nicht ruhig gekriegt. ...

Aber im Endeffekt wissen die Kinder manchmal gar nicht so, wie sie das halten sollen, ob die Polizisten gut sind, ob sie böse sind.

Ich meine, manchmal haben die so einen ernsten Ausdruck, Ge-sichtsausdruck, ja, da denken die Kinder, oh Gott, was ist das für einer. ... Ich denke mal, da sind schon Frauen zum Beispiel an-gebrachter, die wirklich darauf spezialisiert dann sind.“ (F III)

Darüber hinaus war es einigen Befragte sehr wichtig, dass die Kinder aus der konkreten Einsatzsituation herausgenommen werden, damit sie ein eventuelles polizeiliches Vorgehen gegen ihren Vater nicht miterle-ben und das Vater-Kind-Verhältnis nicht (noch stärker) belastet wird.

„Das geht nicht unbedingt nur darum, die Kinder zu schützen in so einer Gewaltsituation, weil die Kinder werden vielleicht in dem Moment gar nicht geschlagen. Also ich möchte für mein Kind auch nicht, dass es mitkriegt, wie der Vater in Handschellen ab-geführt wird oder so, weil ich sehe das wirklich als Ding zwischen dem Vater und mir und nicht zwischen dem Kind und dem Vater.

... Ich bin schon eigentlich dafür, dass die sich trotzdem dann wieder sehen können.“ (F III)

Einige dieser Vorschläge der betroffenen Frauen sind inzwischen Be-standteil der Leitlinien für polizeiliches Handeln bei häuslicher Gewalt im Land Berlin.

4.4 Anforderungen an die polizeiliche Aus- und Fortbildung