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Präferenzen polizeilicher Interventionsstrategien und Einschät-

5.3 Fortbildungsseminare „Polizeieinsatz häusliche Gewalt“

5.3.5 Präferenzen polizeilicher Interventionsstrategien und Einschät-

In beiden Seminartypen wurden die Teilnehmenden gefragt, welches ih-rer Erfahrung nach sinnvolle Interventionsstrategien bei polizeilichen Einsätzen aufgrund häuslicher Gewalt sind.

An erster Stelle rangierte sowohl bei den eintägigen als auch bei den zweitägigen Veranstaltungen als Interventionsstrategie „sich Zutritt zur Wohnung zu verschaffen“. Insgesamt wurde dieses Vorgehen in den Tagesseminaren häufiger genannt als in den zweitägigen Fortbildun-gen, wobei in beiden Seminartypen Unterschiede im Antwortverhalten der Männer und Frauen festzustellen sind. Hatten jedoch in den Tages-seminaren mehr Männer als Frauen den Zutritt zur Wohnung präferiert, so war dies in der zweitägigen Veranstaltung genau umgekehrt. Jedoch nahm in beiden Seminartypen und bei beiden Geschlechtern diese Strategie den ersten Platz ein.

Sowohl zwischen den beiden Seminartypen als auch teilweise zwischen den befragten Männern und Frauen waren Unterschiede zu verzeich-nen, welche Bedeutung sie den vorgeschlagenen Interventionsstrate-gien zumessen. Rangierte die herkömmliche polizeiliche Strategie des Streit Schlichtens bei den Teilnehmenden der zweitägigen Seminare ranggleich mit der Strategie „Täter vorübergehend aus der Wohnung entfernen“ insgesamt auf Platz zwei – wobei beim Streit schlichten eine deutliche Differenz zwischen den Geschlechtern bestand –, folgte die Streitschlichtung in den Tagesseminaren mit insgesamt weniger Nen-nungen auf Platz vier. Unterschiede bestanden auch hinsichtlich der polizeilichen Ingewahrsamnahme des Täters. Diese Vorgehensweise wurde von den Teilnehmenden der zweitägigen Seminare deutlich häu-figer präferiert als in den Tagesseminaren. Wahrscheinlich resultiert die andere Verteilung in den zweitägigen Seminaren daher, dass hier mehr Zeit für Information und Fallbesprechungen zur Verfügung stand.

Auffällig ist weiterhin, dass die befragten Männer zum Teil andere Vor-gehensweisen präferierten als die Frauen. Diese Unterschiede treten in den zweitägigen Seminaren deutlicher zu Tage als bei eintägigen Ver-anstaltungen, was wieder mit der zur Verfügung stehenden Zeit für die

inhaltliche Diskussion zusammenhängen dürfte. In den Tagessemina-ren ist trotz teilweise abweichender Häufigkeiten der Nennungen die Rangfolge der präferierten Strategien bei beiden Geschlechtern gleich.

Demgegenüber sind beim zweitägigen Seminar zwischen den Teilneh-mern und Teilnehmerinnen zum Teil deutliche Differenzen sowohl in der Häufigkeit der Nennungen als auch bei der Rangfolge der Interventi-onsstrategien zu verzeichnen. Hier bevorzugten die Frauen eher täter-orientierte und weniger opfertäter-orientierte polizeiliche Maßnahmen als die Männer.

Tabelle 11: Rangfolge sinnvoller Interventionsstrategien nach Seminarform und Geschlecht

(Mehrfachnennungen)

Eintägige Seminare Zweitägige Seminare

Vorgaben

insge-samt

Männer Frauen insge-samt

Männer Frauen sich Zutritt zur

Wohnung ver-schaffen

1 (87,8 %) 1 (91,3 %) 1 (82,6 %) 1 (84,7 %) 1 (82,3 %) 1 (89,7 %)

Streit schlichten 4 (56,5 %) 4 (59,4 %) 4 (52,2 %) 2 (62,7 %) 2 (70,9 %) 5 (46,2 %) Täter

vorüberge-hend aus der Wohnung entfer-nen

2 (68,7 %) 2 (65,2 %) 2 (73,9 %) 2 (62,7 %) 4 (62,0 %) 3 (63,3 %)

Frau zum Verlas-sen der Wohnung bewegen

5 (46,1 %) 5 (47,8 %) 5 (43,5 %) 5 (33,1 %) 6 (34,2 %) 6 (30,8 %)

Frau zu einer An-zeige bewegen

3 (58,3 %) 3 (60,9 %) 3 (54,3 %) 3 (58,5 %) 3 (63,3 %) 4 (48,7 %) Täter in

polizeili-chen Gewahrsam nehmen

6 (38,3 %) 6 (36,2 %) 6 (41,3 %) 4 (55,9 %) 5 (50,6 %) 2 (66,7 %)

Den Täter in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen gehörte insgesamt in keinem der beiden Seminartypen zu den eindeutig bevorzugten Inter-ventionsstrategien. Zwar sprachen sich in den zweitägigen Veranstal-tungen insgesamt mehr als die Hälfte der Teilnehmenden dafür aus, in den Tagesseminaren waren es jedoch nur knapp zwei Fünftel der Be-fragten. Offenbar bestehen hier Unsicherheiten bzw. Unterschiede in der Einschätzung der rechtlichen Voraussetzungen polizeilicher Hand-lungsmöglichkeiten hinsichtlich einer vorübergehenden Freiheitsbe-schränkung, die nur mit mehr Zeit für Diskussionen und Auseinander-setzungen ausgeräumt bzw. bearbeitet werden können.

Die Seminarteilnehmer und -teilnehmerinnen wurden auch gefragt, ob ihrer Erfahrung nach bei Fällen häuslicher Gewalt konsequentes poli-zeiliches Handeln erneute Gewalthandlungen des Täters verhindern kann. Hier äußerten sich die Teilnehmenden der Tagesseminare be-deutend skeptischer als die der zweitägigen Fortbildungsveranstaltun-gen, die diesbezüglich deutlicher häufiger der Meinung waren, dass konsequentes polizeiliches Handeln auch präventiven Charakter hätte.

Beantworteten in den zweitägigen Seminaren fast zwei Drittel (64,4 %) der Teilnehmenden diese Frage mit ja unbedingt bzw. eher ja, waren es in den Tagesseminar 44,4 %.

Tabelle 12: Verhinderung erneuter Gewalt durch konsequentes polizeiliches Handeln

Eintägige Seminare Zweitägige Seminare Vorgaben Männer* Frauen* Insgesamt Männer* Frauen* insgesamt ja unbedingt 7 (10,1 %) 3 (6,5 %) 10 (8,7 %) 5 (6,3 %) 6 (15,4 %) 11 (9,3 %) eher ja 24 (34,8 %) 17 (37 %) 41 (35,7 %) 48 (60,8 %) 17 (43,6 %) 65 (55,1 %) eher nein 34 (49,3 %) 23 (50 %) 57 (49,6 %) 22 (27,8 %) 14 (35,9 %) 36 (30,5 %) nein keinesfalls 2 (2,9 %) 3 (6,5 %) 5 (4,3 %) 2 (2,5 %) - 2 (1,7 %) keine Angabe 2 (2,9 %) - 2 (1,7 %) 2 (2,5 %) 2 (5,1 %) 4 (3,4 %)

Gesamt 69 46 115 (100 %) 79 39 118 (100 %)

* Die Prozentangaben beziehen sich auf den Anteil bei den Männern bzw. Frauen Die größere Skepsis bei den Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Ta-gesseminare kann daher rühren, dass hier vorrangig im Basisdienst tä-tige Polizisten und Polizistinnen vertreten waren, denen möglicherweise problematische oder auch wiederholte Einsätze in gleichen Familien präsenter waren als den mehr mit Führungsaufgaben beauftragten Teil-nehmern der zweitägigen Seminare. Wir überprüften daher diese Mög-lichkeit. Zwar waren im Verhältnis etwas mehr mit Führungsaufgaben betraute Teilnehmer/innen (70 %) von der präventiven Wirkung konse-quenten polizeilichen Handelns überzeugt als Teilnehmer/innen ohne Leitungsfunktionen (65 %

)

, der Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant. Die Variable Leitungsfunktion hatte also keinen maßgebli-chen Einfluss auf das Antwortverhalten.

Die bei den Teilnehmer/innen der zweitägigen Seminare zu verzeich-nende größere Zuversicht hinsichtlich des präventiven Wirkung konse-quenter polizeilicher Intervention kann aber auch daher rühren, dass hier doch erheblich mehr Zeit zur Verfügung stand, die Intention und Arbeit von BIG und somit auch die wichtige Rolle der Polizei in diesem Kontext zu diskutieren. So hielt die große Mehrheit der Teilnehmenden der Zweitagesseminare (89 %) die im Rahmen von BIG entwickelten

Strategien in der Bekämpfung häuslicher Gewalt für eine realistische Möglichkeit zur langfristigen Verminderung von häuslicher Gewalt.

Festzuhalten bleibt, dass Skepsis hinsichtlich der verändernden Wir-kung der eigenen Arbeit sich nachteilig auf die Motivation zu einer an-deren, täterorientierten Arbeitsweise bei Polizeieinsätzen aufgrund häuslicher Gewalt auswirken kann. Sie kann aber auch dazu führen, die bisherige eigene Arbeit kritisch zu reflektieren und in der Hoffnung auf mehr Erfolg eben gerade bedeutend konsequenter als bislang täterori-entiert vorzugehen.

5.3.6 Informationsbedarf und Gestaltung weiterer Fortbildungen