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Wie erwähnt gibt es keinen allgemein akzeptierten Begriff von „Religion“, dieser wandelte sich ja nach historischen Gegebenheiten und im Grund steht es jedem, der sich mit Religion befasst, frei, mit seinem eigenen Begriff zu arbeiten. Ähnlich verhält es sich mit „Ideologie“

und „Weltanschauung“. Beide Begriffe sind uneindeutig und werden je nach Interessenlage bzw. theoretischer Richtung unterschiedlich gebraucht. Trotzdem möchte ich eine

64 Ich bin mir dessen bewusst, dass sich zu meinen Behauptungen Gegenbeispiele finden lassen. So waren z.B.

die griechischen Götter keineswegs in einer "anderen Sphäre" beheimatet. Sie lebten auf dem Olymp, einem Bergmassiv. Theoretisch hätte man sie aufsuchen können.

Auch ist meine Perspektive deutlich eurozentrisch. Aber ich denke, innerhalb einer Untersuchung, die sich auf Deutschland beschränkt, hat solch eine Perspektive ihre Berechtigung.

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Annäherung an diese beiden Wörter versuchen, sie gegeneinander abgrenzen und sie ins Verhältnis zur Religion setzen.

Betrachtet man den Begriff „Ideologie“ in seiner Alltagsverwendung, so fällt auf, dass er einen negativen Beiklang hat. Der Begriff taugt zur Diffamierung, etwa dann, wenn man den Umweltschutzgedanken als „Umwelt-Ideologie“ bezeichnet. Ähnlich ist es mit „Religion“, auch diese Bezeichnung kann etwas Abwertendes haben. Bezeichnet man etwas, das eben dies nicht sein will, als „Religion“ oder „Ideologie“, so suggeriert man, dass es nicht auf guten und d.h. intersubjektiv nachvollziehbaren oder gar „vernünftigen“ Gründen beruht. Nicht die Realität ist das Fundament, auf dem die religiösen oder ideologischen Annahmen stehen, sondern die Annahmen sind die Brille, durch die man auf die Realität blickt. So wie man dem gläubigen Christen (Muslim, Hindu, Esoteriker etc.) vorwerfen kann, dass er die Welt so sieht (und vielleicht nur so sehen kann) wie es seine Religion nahe legt, so kann man dem überzeugten Marxisten vorhalten, dass er die Welt durch die Brille des Marxismus sieht und der überzeugten Feministin dass sie mit ihrem ideologisch verblendeten Blick überall die Unterdrückung der Frau zu erkennen glaubt.65

Der Grund für die Möglichkeit der abwertenden Verwendung der Bezeichnungen

„Religion“ und „Ideologie“ scheint darin zu liegen, dass beide dazu tendieren, von ihren Anhängern letztendlich „Glaube“ zu fordern. Und „Glaube“ heißt nicht, dass etwas vermutet oder nur für plausibel gehalten wird. Glaube heißt, dass etwas angenommen wird, dass man sich auf etwas einlässt. Wer zu einer Religion konvertiert oder sich einer Ideologie zuwendet bzw. dieser „verfällt“, der richtet seine Sicht der Dinge nach den Lehren der Religion oder Ideologie aus, der übernimmt ihre Deutungsschemata. Bei den Religionen im engeren Sinne ist es normal, dass diese Deutungsschemata irrational sind, beziehen sie sich doch auf Übersinnliches, nicht ohne weiteres Nachprüfbares. Die Ideologien mögen sich wissenschaftlich geben, auf gute, für jeden sichtbare Gründe verweisen, doch letztendlich haben auch sie den Geschmack des Irrationalen, als ihr Fundament wird der Glaube betrachtet, die Ideologie erhält sich durch die ideologische Verblendung.

Vergleicht man Religionen und Ideologien auf ihre Funktion hin, so liefern beide Deutungsschemata, Vorstellungsrahmen in denen sich ihre Anhänger oder Sympathisanten bewegen, an denen sie ihr Handeln ausrichten und anhand derer sie ihr Dasein beurteilen können. Man kann dies am Beispiel der christlichen Religion und der beiden großen politischen Ideologien des 20. Jahrhunderts – Kommunismus und Nationalismus – verdeutlichen.66

65 Diese Beispiele sollen nicht meine persönliche Meinung wiederspiegeln. Sie dienen nur zur Verdeutlichung von Ähnlichkeiten in der Verwendung von Begriffen.

66 Der Vergleich stellt keine Wertung dar. Ich sage mit dem Vergleicht nichts über „besser“ oder „schlechter“

aus, vergleiche nur hinsichtlich bestimmter Teilaspekte. Christen müssen sich also nicht beleidigt fühlen.

30 Die traditionelle christliche Lehre liefert ein umfassendes Weltbild, in dem der Gläubige seinen Platz findet: Die Welt entstand durch göttliche Schöpfung, es folgte die Vertreibung aus dem Paradies, der Sohn Gottes wurde geboren, irgendwann wird das Reich Gottes sein,

„und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein;

denn das Erste ist vergangen.“67 Der Mensch wiederum ist das Ebenbild Gottes, er besitzt eine unsterbliche Seele, die nach dem Tod der leiblichen Hülle weiterlebt. Wenn er den Geboten folgt, ein guter Christ ist, dann wird er nach seinem Tode belohnt, ansonsten bestraft bzw. gereinigt. Auch wenn die Vorstellung von Reinigung und Bestrafung heute aus der Mode ist: Jedenfalls ist es mit diesem Leben nicht vorbei, weder für ihn noch für andere.

Auch die Mitmenschen sieht der gläubige Christ in dem Zusammenhang, an den er glaubt.

Er kann sie danach beurteilen, ob sie sich christlich verhalten und er kann sich damit trösten, dass nach dem Tod Gerechtigkeit eintritt. Die christliche Lehre liefert also ein umfassendes Weltbild und sie beantwortet ihren Anhängern die wichtigen Fragen: „Wo komme ich her?“,

„Was soll ich tun?“, „Was bin ich und was sind die anderen“ und „Wo gehe ich hin?“

Kommunismus und Nationalismus liefern wie das Christentum eine Heilsgeschichte und sie erlauben es dem Gläubigen, sein Dasein als Teil eines größeren Ganzen zu betrachten, sei dies nun die Geschichte der Klassenkämpfe oder die des Volkes. Das Paradies bzw. das Reich Gottes wird im Falle des Kommunismus durch die klassenlose Gesellschaft ersetzt, im Falle des Nationalismus durch die harmonische, „gereinigte“

Volksgemeinschaft. Beides sind Glücksversprechen, dorthin muss man kommen, dafür muss man ein guter, opferbereiter Kommunist oder Nationalist sein und am Ideal des guten Kommunisten oder Nationalisten sind die Mitmenschen (oder auch (Volks)Genossen) zu beurteilen.

Zwar versprechen die weltlich orientierten Ideologien kein ich-bewusstes Weiterleben nach dem Tode, sie können den Tod aber als sinnvoll erscheinen lassen. Er dient ja der größeren Sache. Was versprochen werden kann, das ist der Heldenstatus und das Weiterleben in der Erinnerung anderer als unvergessener Kämpfer für Klasse, Vaterland oder „die Sache“. Den menschlichen Körper konnte das Christentum mit seiner Jenseitsausrichtung als nebenrangig behandeln, bei den diesseitig orientierten Ideologien wird er zum wertvollen Werkzeug zur Erreichung der Endziele und muss daraufhin optimiert werden. Gerade Vorstellungs- und Deutungssysteme die „total“ sind, d.h. die alle Bereiche des menschlichen Daseins umfassen, entwickeln eigene Körperbilder und Körperideale. Man denke an die Körperertüchtigungsmaßnahmen des Nationalsozialismus und die Bemühungen, „mangelhafte“ Körper aus dem Genpool auszusortieren.

Neben dieser groben Skizze lassen sich diverse andere Ähnlichkeiten zwischen Religionen und Ideologien entdecken. Dazu gehört die Hervorbringung von Helden,

67 Offenbarung 21, 4

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Märtyrern und Führerfiguren und die Strukturierung des Lebens ihrer Anhänger68, die Etablierung eigener Symbole ebenso wie die rituell überformte Versammlung der Gläubigen, bei denen das Ideengebilde in Form von Zeremonien, Beschwörungen, Machtdemonstrationen, Bildern, Lauten und Gesten Gestalt annimmt.

Indem ich die großen politischen Ideologien aufgeführt habe, habe ich es mir einfach gemacht. Zu offensichtlich sind die Ähnlichkeiten zu religiösen Sinnsystemen. Außerdem habe ich mit der Wahl zweiter gescheiterter und heute zu Recht wenig beliebter Ideologien womöglich der Vorstellung entsprochen, Ideologien seien immer etwas Schlechtes, etwas Gefährliches, etwas für das nicht nur gelebt sondern auch gestorben und getötet wird.

Versteht man unter Ideologien aber ganz wertfrei Systeme von Vorstellungen und Überzeugungen69, anhand derer Menschen die Welt beobachten und anhand derer sie ihr Handeln ausrichten, so ließen sich viele weit weniger offensichtliche Beispiele finden.

Schließlich war (oder ist) auch das Projekt der Aufklärung ein System von Vorstellungen und Überzeugungen, letztlich also eine Ideologie. Gleiches gilt für den verwandten

„Humanismus“, die „One World“-Bewegung, den Individualismus, der den Menschen und seine angenommenen Bedürfnisse in den Mittelpunkt der Welt stellt oder den Wirtschaftsliberalismus, der im Wettbewerb und freien Walten der Märkte das Glück sucht.

Im weiteren Sinne auf Ideologien, also auf Systeme aus Vorstellungen, Überzeugungen und Wertungen (z.B. das Wesen des Menschen betreffend) beruhen auch die Spielarten der Psychotherapie oder die diversen Therapie-, Selbstfindungs- und Selbstverwirklichungs-verfahren, die man heute in Anspruch nehmen kann.

Auch die Religionen sind Systeme aus Vorstellungen und Überzeugungen, die das Handeln und den Blick auf die Welt strukturieren. Um sie aber als besondere unter den Ideologien zu behandeln, könnte man als „Religion“ die Ideologien fassen, die auf der Annahme von über die sinnliche Wahrnehmbarkeit hinausgehenden Nebenwelten oder höheren Wesen basieren. Religionen wären also „Jenseitsideologien“, da sie eine Welt jenseits der Alltagserfahrung annehmen und zur sinnlich wahrnehmbaren Alltagswelt in Bezug setzen. Ich werde auf das Besondere an der Religion im folgenden Kapitel eingehen.

Zunächst aber zur „Weltanschauung“. Zwar ist dieser Begriff in der Wissenschaft etwas aus der Mode gekommen, dennoch möchte ich ihn auf seine Brauchbarkeit hin überprüfen.

68 Dazu gehören auch die religiös bzw. ideologisch "aufgeladenen" Übergangsrituale wie z.B.

Konformation/Kommunion, Bar Mizwa oder Jugendweihe. Der Übergang ins Erwachsenenalter - zunächst eine biologische, körperliche Angelegenheit - wird durch die Rituale kulturell eingebettet und der

„Übergangskandidat“ wird bestimmten, religiös oder ideologisch geprägten Inhalten verpflichtet.

69 Im Zentrum dieser Vorstellungen und Überzeugungen, die sich durchaus wandeln können, steht für gewöhnlich ein fester Kern, der meist auch namensgebend ist. Das Kernelement des Liberalismus ist die Freiheit, wie auch immer sie verstanden wird, der des Nationalismus die Nation, der des Individualismus das Individuum...

32 Spricht man von Weltanschauung, so schwingt darin mit, dass es davon unterschiedliche gibt, dass die Weltanschauungen relativ sind. Innerhalb einer Kultur, in der es ein allgemein geteiltes, nicht weiter thematisierungsbedürftiges Weltbild gibt, würde es für die Selbstbeschreibung keinen Sinn ergeben, von einer Weltanschauung zu sprechen. Gleiches gilt natürlich für den Begriff „Religion“. Nützlich wäre der Begriff höchstens für den Ethnologen, der mit seiner eigenen Weltanschauung im Gepäck die ihm fremde Kultur erforscht und dann eine bestimmte Weltanschauung zu entdecken vermag.70 Auch legt der Begriff der Weltanschauung nahe, dass sich diese auf die „Welt“, also letztlich auf alles bezieht71 und nicht nur auf bestimmte Einzelaspekte der Welt. Die Weltanschauung ist also universell, allumfassend.

Im Alltagsgebrauch fällt es leichter, zu sagen, dass jeder auf seine Art eine Weltanschauung hat, als dass jeder eine Religion habe bzw. religiös sei oder dass jeder einer Ideologie anhänge. Die „Weltanschauung“ ist ein heute kaum negativ besetzter Begriff72 und im Gegensatz zur Religion oder Ideologie fällt es bei der Weltanschauung leicht, sie als Teil des menschlichen Daseins bzw. als in der menschlichen Natur begründet zu denken. Nicht jeder ist Anhänger einer Religion oder einer Ideologie aber jeder hat auf seine Art Vorstellungen von der Welt und von sich selbst, Maßstäbe an denen er sich und andere misst, Ideale vom richtigen Leben...

Die Aufzählung ließe sich fortsetzen, fraglich ist aber, wie weit sich der Begriff der Weltanschauung ausdehnen lässt. Gehört zu meiner Weltanschauung bereits, wie ich die Dinge, die mich umgeben, bezeichne und wie ich mit ihnen umgehe? Geht man vom Begriff aus, so muss man mit Ja antworten. Die Welt ist alles. Auf meiner Weltanschauung beruht schon, ob ich etwas „Bleistift“ oder „Gebirge“ nenne. Geht man aber von der allgemeinen Verwendung des Begriffs sowie gängigen Definitionen aus, dann bezieht sich Weltanschauung eher auf die „größeren“ Fragen des menschlichen Daseins: Wie soll und kann man mit anderen zusammenleben? Wie sieht das richtige Leben aus? Was soll ich tun und was lieber nicht? Nach welchen Prinzipien funktioniert die Welt?

Die Weltanschauung eines Menschen – die sich natürlich je nach Situationen und gemachten Erfahrungen ändern kann und die durchaus auch Brüche, Unklarheiten und Widersprüche enthalten kann – prägt das Verhältnis zur Welt, sie bietet Orientierung, erleichtert die Auswahl zwischen Handlungs- und Lebenswegoptionen, prägt unser Selbstbild und bestimmt mit darüber, wie wir uns anderen gegenüber verhalten und wie wir

70 Gleiches gilt für die Begriffe „Religion“ und „Kultur“ in der heute gebräuchlichen Verwendung. Erst wenn deutlich wird, dass es mehrere Religionen und andere Kulturen gibt, gewinnen diese Begriffe an Inhalt.

71 Unter der „Welt“ wird heute oft nur „die Erde“ verstanden. Ich beziehe mich auf ein umfassenderes Verständnis, das die Welt als Sammelbegriff für „alles was der Fall ist“ (L.Wittgenstein) nimmt.

72 Die wertende Verwendung des Begriffes in rechts-konservativen und nationalistischen Publikationen Anfang des 20. Jahrhunderts scheint dem Begriff in seiner Alltagsverwendung nicht nachhaltig geschadet zu haben.

Zumindest meiner Erfahrung nach weckt die Bezeichnung Weltanschauung weniger negative Assoziationen als

„Ideologie“.

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andere beurteilen. Damit ist nicht gesagt, dass die Weltanschauung immer nützlich bzw.

„funktional“ sein muss. Weltanschauungen können das Zusammenleben mit anderen (und mit sich selbst) erschweren oder unmöglich machen, etwa dann, wenn sie stark moralisch aufgeladen sind, wenn sie Ideale hochhalten, denen man kaum gerecht werden kann, oder wenn sie Vorstellungen enthalten, die auf andere abstoßend oder lächerlich wirken. Auch können Gegebenheiten auftreten, vor denen Weltanschauungen versagen bzw. korrigiert werden müssen. Wenn jemand plötzlich die Welt nicht mehr versteht, dann versagt eigentlich nur seine Weltanschauung. Neue Erfahrungen passen nicht zu den Annahmen und Deutungen, mit denen man bisher leben konnte. Die Weltanschauung muss korrigiert werden oder die Ereignisse müssen so umgedeutet werden, dass sie wieder ins Weltbild passen.

Ich habe die Weltanschauungen bisher in erster Linie als individuelles Phänomen behandelt, als etwas, dass jeder Mensch für sich hat. Ebenso kann man Weltanschauungen als Gruppenphänomen und als Motiv für Gruppenbildungen behandeln. Geteilte Weltanschauungen vereinfachen die Kommunikation, da man Annahmen und Meinungen voraussetzen kann. Man weiß, wie man sich zu verhalten hat um Anerkennung zu ernten und um nicht angegriffen zu werden. Als Mitglied der Jungen Union muss man nicht damit rechnen, dass die Anderen plötzlich Anarchismus und Arbeitsverweigerung propagieren, als Naturwissenschaftler kann man vom naturwissenschaftlichen Weltbild der Kollegen ausgehen, das diese zumindest so lange aufrechterhalten, solange sie die Rolle des Wissenschaftlers ausfüllen. Und als Teilnehmer eines Meditations- oder Selbstfindungskurses hält man es für unwahrscheinlich, dass die anderen das alles für Zeitverschwendung halten und sowieso meinen, man sollte sich nicht so wichtig nehmen.73 Ebenso definieren sich Gruppen unter anderem über geteilte, mehr oder weniger geschlossene Weltanschauungen, grenzen sich von anderen Gruppen ab.

Dass ich hier recht unterschiedliche Weltanschauungs-Gemeinschaften anführe, entspricht der heutigen gesellschaftlichen Situation in Deutschland, die auch eine der Pluralität der Weltanschauungen ist. Arbeiteten der Nationalsozialismus und die DDR-Diktatur noch an der Verpflichtung des Einzelnen auf eine allgemein geteilte, durchaus auch realitätsresistente Weltanschauung und an der Ausrottung oder Ruhigstellung alternativer Weltanschauungen bzw. deren Vertreter, so ist die Freiheit des „weltanschaulichen Bekenntnisses“ heute im Artikel 4 des Grundgesetzes festgeschrieben.74

73 Man kann vermuten, dass Weltanschuungs-Gemeinschaften umso stabiler sind, umso weniger die

tatsächlichen Weltanschauungen der Beteiligten thematisiert werden. Thematisierung würde Unterschiede zutage fördern.

74 Damit ist nicht gesagt, dass es nicht auch heute umfangreiche und finanziell aufwendige

„Weltanschauungsarbeit“ geben würde. Wer sich etwa mit Werbung beschäftigt, der kann leicht zu dem Schluss kommen, dass Werbekampagnen zumeist auch bestimmte Menschenbilder propagieren, Werturteile aussprechen oder zumindest nahe legen und Bilder vom gelungenen Leben (und Zusammenleben) vermitteln. Gleiches ließe

34 Ich möchte das Gesagte kurz zusammenfassen und auf die weitere „Richtung“ meiner Nutzung der Begriffe eingehen:

Wenn ich von Ideologien spreche, dann sind gegeneinander abgrenzbare Systeme von Vorstellungen, Wertungen bzw. Annahmen über die Welt gemeint. Dem wertenden Beigeschmack des Begriffs bin ich mir bewusst, auch deshalb werde ich ihn sparsam verwenden.

Wie erwähnt sind auch Religionen Vorstellungssysteme, Gebilde miteinander zusammenhängender Annahmen und Wertungen. Man könnte sie somit als Ideologien bezeichnen. Allerdings beinhalten Religionen Vorstellungen übernatürlicher, jenseitiger Wirklichkeiten, damit lassen sie sich von anderen Vorstellungssystemen unterscheiden.

Ideologien bedürfen der weltlichen Begründung, sie machen sich für gewöhnlich am individuellen Glück oder am Gemeinwohl fest, an angeblichen natürlichen oder gesellschaftlichen Gesetzmäßigkeiten, an Fragen der Gerechtigkeit oder z.B. auch der Rettung der Welt. Religionen begründen sich in Wirklichkeiten, die eben nicht von dieser Welt sind bzw. sie erweitern die Welt um übernatürliche Aspekte. Religionen fordern Glauben, sie begründen sich in Wirklichkeiten, an die eben geglaubt werden muss.

Ideologien bzw. abgrenzbare Weltanschauungen fordern auch Glauben, weisen aber die Behauptung tendenziell zurück, sie seien letztlich Glaubenssysteme. Weltliche Vorstellungssysteme bedürfen weltlicher Begründung, wie verworren diese auch sein mag.

Wenn ich im Folgenden von Weltanschauungen oder Weltsichten rede, dann ist meist die persönliche Ebene gemeint. Der Mensch, dieses weltoffene und selbstbewusste Wesen, bringt unter vielfältigen Einflüssen seine eigene Weltanschauung, seine eigene Sicht auf die Welt hervor. Die persönliche Weltanschauung, die sich auch in der Wohnung bzw. in den Religiöse Ecken und Besonderen Orten zeigen sollte, kann natürlich maßgeblich von einer Ideologie, Religion oder einer geschlossenen, kollektiven Weltanschauung geprägt sein, sie muss aber nicht. Es ist leicht vorstellbar, dass jemand auf Basis seiner Weltanschauung – dazu gehört auch das Selbstbild bzw. Selbstideal – auf die verfügbaren Religionen und Ideologien zurückgreift, sie beurteilt und einige ihrer Teile vorübergehend oder dauerhaft in das eigene Weltbild integriert. Man stelle sich z.B. jemanden vor, der humanistische und individualistische Werte vertritt, dem die Würde des Menschen und die persönliche Freiheit wichtig ist. Wenn so jemand nun, durch welches Ereignis oder welche Lebenslage auch immer, religiöse Bedürfnisse verspürt, auf welche religiösen Angebote greift er dann zurück und welchen religiösen Sichtweisen kann er zustimmen? Auch darum wird es in dieser Arbeit gehen.

sich z.B. über die Fernsehprogramme sagen, mit denen die Werbung in Symbiose lebt. Allerdings muss dahinter kein „Plan“ oder irgendeine „Verschwörung“ stecken.

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