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Reduzierung der Ressourceninanspruchnahme – eine Herausforderung

Im Dokument Steuerbare urbane Stoffströme - (Seite 47-50)

1 Hintergrund und Problemstellung

1.1 Reduzierung der Ressourceninanspruchnahme – eine Herausforderung

Der weltweite Verbrauch an natürlichen Ressourcen hat in der Vergangenheit kontinuierlich zugenommen (UBA 2015a). Nach Angaben des United Nations Environment Programme (UNEP) hat sich der weltweite Primärmaterialeinsatz von 1970 bis 2017 auf über 92 Milliarden (Mrd.) Tonnen mehr als verdreifacht (UNEP 2020). Mit dem weiteren Wachstum der

Weltbevölkerung wird für das Jahr 2060 ein zunehmender Verbrauch an Mineralien, Erzen, Brennstoffen und Biomasse von bis zu 190 Mrd. Tonnen geschätzt (UNEP 2019). Wesentlicher Treiber für den Rohstoffkonsum sind das Bevölkerungswachstum und die zunehmende

weltweite Urbanisierung. Aktuell leben 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde, für das Jahr 2050 werden 9,7 Milliarden und für das Jahr 2100 eine Weltbevölkerung von 10,9 Milliarden

geschätzt (UN 2019). Bereits heute leben mehr als 55 Prozent der Menschen in urbanen Räumen (DSW 2017c) – in den industrialisierten Nationen bis zu 80 Prozent. Und die Urbanisierung wird voraussichtlich weiter zunehmen (ebenda). In Deutschland leben 77 Prozent der Bevölkerung in Städten oder Ballungsräumen (Statista 2020a), und auch hierzulande wird mit einer weiteren Urbanisierung gerechnet (ebenda).

Urbane Räume tragen erheblich zur Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen bei Städte der industrialisierten wie der post-industrialisierten Gesellschaften4 sind große Konsumenten von u.a. Baustoffen, Nahrungsmitteln, Flächen, Wasser und Energie. Urbane Systeme verursachen in ihren Lebensphasen, etwa von der Entwicklung, Umsetzung, Nutzung bis zum Rückbau von Infrastrukturen und Gebäuden, einen bedeutenden Teil der

Ressourceninanspruchnahme sowie der Immissionen in Luft, Boden und Wasser.5 Wegen der negativen Auswirkungen auf die Umwelt, ist es nötig die Ressourceninanspruchnahme in urbanen Systemen zu senken.

Flächenneuinanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen

Die Siedlungsentwicklung und damit einhergehende bauliche Aktivitäten sind mit einer hohen Flächenneuinanspruchnahme verbunden (insbesondere bei Siedlungsentwicklungen im Außenbereich). So lag beispielsweise die Zunahme an Siedlungs- und Verkehrsflächen (gleitender Vierjahresmittelwert) im Jahr 2018 bei 56 Hektar (ha)/Tag (Destatis 2020a).

Bis zum Jahr 2030 soll die Neuinanspruchnahme von Siedlungs- und Verkehrsflächen auf 30 ha minus X pro Tag reduziert werden. Mit dem Klimaschutzplan der Bundesregierung wurde zudem das Ziel formuliert die Neuninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen auf Netto-Null bis 2050 zu reduzieren (Die Bundesregierung 2016 a). Für die Zielerreichung ist ein konsistentes, abgestimmtes Aktionsprogramm für Akteure auf Bundes-, Landes- und

Kommunalebene erforderlich (Adrian et al. 2018).

Bauliche Entwicklung von Quartieren und Gebäuden beeinflusst Stoffströme

Die mengenmäßig größten Stoffströme werden in Deutschland für die bauliche Entwicklung von Städten und Gemeinden benötigt. Der Bausektor beeinflusst den Rohstoff- und Energiever-brauch und das Abfallaufkommen in Deutschland (Ludwig et al 2017). Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 517 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe verbaut (Destatis 2017). Das

4 Die industrielle Produktion ist nicht mehr das bestimmende und strukturprägende Prinzip (Industriegesellschaft), wohingegen die Dienstleistungsindustrie (Informations- und Dienstleistungsgesellschaft) eine immer größere Rolle einnimmt.

5 Der Pro-Kopf-Verbrauch an natürlichen Ressourcen ist in Städten jedoch oftmals geringer als in ländlichen Räumen (z.B. Flächen, Energie). Die Gesamtmengen sind in urbanen Systemen hingegen deutlich höher.

entspricht 90 Prozent6 der gesamten inländischen Entnahme von nichtmetallischen Mineralien (Ebenda). EU-weit ist das Bauen und Nutzen von Gebäuden für fast 50 Prozent aller geförderten Werkstoffe und des Endenergieverbrauchs sowie etwa ein Drittel des Wasserverbrauchs verantwortlich (KOM 2014). In Deutschland konsumierte im Jahr 2016 jeder Mensch

durchschnittlich 2,5 Millionen Tonnen an Erzen und mineralischen Rohstoffen, die vorrangig für die bauliche Wohn- und Infrastruktur genutzt wird (Destatis 2020b). Gebäude sind in

Deutschland zu etwa 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO2 -Emissionen verantwortlich (UBA 2020 a).

Neben den Rohstoffbedarfen ist ebenso das Abfallaufkommen im Bausektor erheblich. So sind, abfallseitig laut des 11. Monitoring-Berichts der Initiative „Kreislaufwirtschaft Bau“, allein im Jahr 2016 über 214 Millionen Tonnen (Mio. t) mineralische Bauabfälle angefallen

(Kreislaufwirtschaft Bau 2019). Davon entfielen 125 Mio. t auf Boden und Steine, 58 Mio. t auf Bauschutt, 13 Mio. t auf Straßenaufbruch, 0,6 Mio. t auf Bauabfälle auf Gipsbasis und 14 Mio. t auf Baustellenabfälle. Dazu kommen nicht-mineralische Stoffströme wie Holz etc., die bei Bauaktivitäten anfallen. Zudem ist zu bedenken, dass in den letzten Jahren die Preise für

Primärprodukte und gleichzeitig die Entsorgungskosten – durch mangelnde Deponiekapazitäten – angestiegen sind. Zum Teil werden nutzbare Materialien teuer auf knappem Deponieraum entsorgt, wobei gleichzeitig Naturraum für das Erschließen neuer Abbaustätten notwendig ist.

Die Kreislaufwirtschaft sollte daher zu einer Schlüsselkompetenz gemacht werden (UM BW 2018). Mit Ansätzen der Kreislaufwirtschaft oder die Circular Economy7 können die

Materialströme im Bausektor nachhaltiger bewirtschaftet werden.

Ressourcenschutz im Bausektor ist auch Klimaschutz

Global betrachtet kann allein die Nachfrage nach Materialien für Bautätigkeiten das Erreichen der Klimaschutzziele gefährden (z.B. für Infrastruktur und Wohnen). Nach Angaben des

Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) reicht es aus, „die weltweite Infrastruktur im Standard der Industrieländer auszubauen – also mit den energieintensiven Baustoffen Zement, Stahl und Aluminium –, um bis 2050 das verbleibende CO2 -Budget beinahe vollständig in Infrastruktur zu stecken!“ (WBGU 2016: 7).

In Deutschland entstammen 14 Prozent der gesamten CO2-Emissionen – ca. 120 Millionen Tonnen pro Jahr – direkt aus dem Gebäudesektor (BMU 2019). Bis zum Jahr 2030 soll der Wert auf 72 Millionen Tonnen CO2 reduziert werden (Bundesregierung 2019). Um diesen Zielwert zu erreichen, müssen u.a. Energieeffizienzmaßnahmen umgesetzt werden. Jedoch sind die CO2 -Emissionen, die bei der Herstellung von Baumaterialien, Wärme und Strom entstehen in den 14 Prozent nicht eingerechnet. Wenn diese Werte mit berücksichtigt werden, liegt der Anteil bei ca.

28 Prozent der CO2-Emissionen in Deutschland (Ebenda), dies zeigt deutlich die Wichtigkeit des Gebäudesektors für den Klimaschutz. Der Bausektor ist somit für die Erreichung der

Klimaschutzziele von enormer Bedeutung, da auch die Entwicklung von Quartieren und der Bau von neuen Gebäuden einen hohen Anteil an den Treibhausgasemissionen (inkl. der „Grauen Energie“) haben (Pestlin 2019). In der nachfolgenden Textbox wird auf das Thema der „Grauen Energie“ eingegangen.

6 Der Wert bezieht sich auf den Hoch- und Tiefbau.

7 Die Circular Economy strebt eine ganzheitliche Betrachtung der Lebensphasen von Produkten an. Die Circular Economy geht weit über die bisher in Deutschland praktizierte und oft linear ausgerichtete Kreislaufwirtschaft hinaus, denn sie strebt eine

ressourceneffiziente und nachhaltige Verwendung von natürlichen Rohstoffen, deren Weiter- und Wiederverwertung innerhalb eines Kreislaufsystems und die Vermeidung von Abfällen werden an. Eingesetzte Ressourcen werden nach ihrer Nutzung als Ausgangsstoffe für neue Produkte, womit sie kontinuierlich in Produktkreisläufen zirkulieren können (EPEA 2020).

„Graue Energie“ – Wichtigkeit wird im Nachhaltigkeitsdiskurs steigen!

Die „Graue Energie“ ist die Energiemenge, die für Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und Entsorgung der Baumaterialien eines Gebäudes benötigt wird. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, sollten in diesem Bereich CO2-Einsparungen erzielt werden, indem beispielsweise alternative und klimaschonende Materialien eingesetzt werden (Stiftung BauKulturerbe 2020). Mit der Dekarbonisierung der Strom- und

Wärmeversorgung von Gebäuden (Nutzungsphase) wird die „Graue Energie“ der Baumaterialien für den Klimaschutz immer wichtiger, vor allem bei der Betrachtung des Energieaufwandes im Lebenszyklus eines Gebäudes (Mahler et al. 2019). Um klima- und ressourcenschonendes Bauen umzusetzen, ist eine ganzheitliche Bilanzierung notwendig (inkl. der grauen Energie“) (Ebenda).

Zur Erreichung der Klimaschutzziele sollten bei Sanierung und Neubau8 neben den

Effizienzmaßnahmen ebenso energiearme Baumaterialien eingesetzt werden (siehe „Graue Energie“ oben). Die Nutzung von ressourcen- und energieintensiven Materialien wie Beton, Ziegel und Stahl kann durch den Einsatz von alternativen Baumaterialien – und somit die „Graue Energie“ – reduziert werden. Zu nennen sind hier u.a. Holz, Stroh und Lehm, die

energieeffiziente Baumaterialien darstellen (Stadt Freiburg 2015). In der nachfolgenden Textbox werden notwendige Energieaufwendungen für die Produktion von Holz, Beton, Stahl und Vollziegel aufgezeigt. Hieran ist zusehen, das die Wahl der Baumaterialien einen Einfluss auf die CO2-Emissionen besitzen.

Energieaufwand für die Produktion von Baumaterialien (Oberli 2000) 1m3 Holz = 8 bis 10 kWh

1m3 Beton = 150 bis 200 kWh 1m3 Stahl = 300 bis 600 kWh 1m3 Vollziegel9 = bis 1100 kWh

Die aufgeführten Baumaterialien haben natürlich unterschiedliche Vor- und Nachteile (Wärmedämmung, Lebensdauer, Verfügbarkeit, etc.) auf die hier jedoch nicht näher eingegangen wird.

Beim Zusammenspiel von Siedlungsentwicklung und Klimaschutz kommt dem Baustoff Holz eine „neue“ Bedeutung zu, da die Holzbauquote in Deutschland in den letzten Jahren stetig gewachsen ist (Statista 2020b). Im Jahr 2019 lag der Anteil der genehmigten Wohngebäude in Deutschland, die auf Holzbauweise basieren, bei 19 Prozent (ebenda).10 Holz bindet große Mengen an CO2 und ist zudem eine nachhaltige Ressource (UFZ 2017). Holz wird nicht nur als Oberflächenmaterial, sondern auch vermehrt als Tragwerksmaterial eingesetzt (Dangel 2016).

Insgesamt ist festzuhalten, dass Maßnahmen zum Ressourcenschutz i.d.R. einen direkten Einfluss auf die Minderung von Treibhausgasen (z.B. CO2) haben.

Grenzen der baulichen Entwicklung sind noch nicht erreicht

Urbane Räume werden weiterhin baulich entwickelt, denn die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum hat höchste Priorität in den Städten (Difu-OB-Barometer 2020). Die

Bundesregierung hat einen jährlichen Bedarf von 375.000 neuen Wohnungen zwischen 2017 und 2021 im Koalitionsvertrag festgelegt (Die Bundesregierung 2018a). Zwischen 2011 und 2017 sind im Durchschnitt jährlich 236.000 Wohneinheiten errichtet worden (Prognos 2019).

Fehlender Wohnraum und steigende Mieten werden durch den Bau von neuen Wohnungen und

8 Aus Sicht des Ressourcenschutzes ist die Nutzung, Sanierung und Erhalt des vorhandenen Gebäudebestandes am sinnvollsten, da Ressourcen für den Neubau eingespart werden.

9 Bei dem Einsatz von Loch- oder Hohlziegel ist der Energieaufwand geringer.

10 Im Jahr 2003 lag der Anteil der Holzbauquote bei etwas über 12 Prozent.

Quartieren ausgeglichen. In den Jahren 2018 und 2019 sind allein in den kreisfreien

Großstädten ungefähr 136.000 Geschosswohnungen erstellt worden, was ca. 86 Prozent aller neu gebauten Wohnungen in Mehrfamilienhäuser entspricht (BBSR 2020). Aber auch in den sogenannten Speckgürteln der Städte wird weiterhin viel gebaut, der Neubau von Ein- und Zweifamilienhäuser ist in 2019 vor allem in Umlandkreisen mit Bevölkerungswachstum zu verzeichnen gewesen (Ebenda). In ländlichen Kreisen wird der Wohnungsbau durch Eigenheime geprägt, wobei das Niveau stabil ist (Ebenda). Im Jahr 2019 lagen zudem Baugenehmigungen für ca. 360.000 Wohnungen vor, mit einer weiteren Ausweitung des Wohnungsbaus ist zu rechnen (Statista 2020c).

Des Weiteren hat es in Deutschland in den letzten Jahren einen Anstieg bei den

Einpersonenhaushalten und der Wohnfläche pro Kopf gegeben, die nachfolgende Textbox geht darauf ein.

Einpersonenhaushalte und Wohnfläche pro Kopf nehmen zu

In 2018 gab es 41,1 Mio. private Haushalte in Deutschland, wobei die Einpersonenhaushalte einen Anteil von 42 Prozent ausgemacht haben (17,3 Mio. Menschen). Dies ist ein langfristiger Trend, in der Zeit von 1992 bis 2018 ging die durchschnittliche Haushaltsgröße von 2,27 auf 1,99 Personen zurück (Destatis 2019 a). Die Zahl der Einpersonenhaushalte wird nach einer aktuellen Vorausberechnung von 17,3 Millionen im Jahr 2018 auf 19,3 Millionen im Jahr 2040 steigen. Damit werden 24 Prozent aller in Privathaushalten lebenden Menschen alleine wohnen. Die Gesamtzahl der Privathaushalte wird voraussichtlich auf 42,6 Millionen im Jahr 2040 zunehmen (+ 3 Prozent). Zugleich dürfte die Zahl der Menschen in Privathaushalten um rund 1 Prozent von 82,5 Millionen auf 81,7 Millionen sinken (Destatis 2020 c). Zu bedenken ist auch, dass die Wohnfläche pro Kopf in den letzten Jahren weiter kontinuierlich angestiegen ist und im Jahr 2018 bereits bei 46,7 m2 pro Kopf lag, Hintergrund ist die gute Versorgung mit Eigenheimen und großen Wohnungen (UBA Webpage 2019). Der Ressourcenverbrauch (etwa Energie und Rohstoffe) nimmt mit der Wohnfläche pro Kopf zu und ist bei Einpersonenhaushalten in der Regel höher als bei Mehrpersonenhaushalten (Ebenda).

1.2 Stadtplanung und Stadtentwicklung – Einfluss auf die

Im Dokument Steuerbare urbane Stoffströme - (Seite 47-50)